TE OGH 1989/7/6 7Ob621/89

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Veröffentlicht am 06.07.1989
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Pflegschaftssache des am 27. Dezember 1984 geborenen Bernhard F*** infolge Revisionsrekurses des Vaters Bernhard F***, Hilfsarbeiter, derzeit arbeitslos, Teufenbach Nr. 83, vertreten durch Hans H***, Pensionist, Judenburg, Liechtensteingasse 9, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 26. April 1989, GZ R 325/89-21, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Neumarkt vom 15. März 1989, GZ P 2/89-15, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Über Antrag des Jugendamtes ordnete das Erstgericht die gerichtliche Erziehungshilfe durch Unterbringung des am 27. Dezember 1984 geborenen Minderjährigen im SOS-Kinderdorf Moosburg an. Das Erstgericht gelangte zu folgenden Sachverhaltsfeststellungen:

Der Minderjährige ist das einzige eheliche Kind der Eheleute Roswitha und Bernhard F***. Die Mutter leidet an einer akuten, durch Sinnestäuschungen und Wahnideen, grobe Verhaltensstörungen und fehlende Krankheitseinsicht gekennzeichneten Psychose und bedürfte einer intensiven psychiatrischen Behandlung. Auf Grund ihres Zustandes, ihres teilnahmslosen Verhaltens gegenüber dem Minderjährigen und der Tatsache, daß sie sich gegen notwendige Erziehungsmaßnahmen stellt, ist der Minderjährige neben der kranken Mutter ernstlich gefährdet. Der für die Erziehung des Minderjährigen an sich geeignete Vater befand sich mehrmals wochenlang in stationärer Behandlung in Krankenhäusern und konnte sich schon deshalb nicht regelmäßig um die Erziehung des Minderjährigen kümmern. Der Minderjährige ist ständig schmutzig und ungepflegt. Die Eheleute leben mit dem Minderjährigen in der Wohnung der 83jährigen, selbst pflegebedürftigen Mutter des Vaters. Zwischen der Mutter des Minderjährigen und der väterlichen Großmutter kommt es regelmäßig zu Streitereien und Handgreiflichkeiten. Wegen dieser äußeren Lebensumstände, der mangelnden Förderung durch die Eltern und seiner an sich herabgesetzten Intelligenz besteht beim Minderjährigen ein Entwicklungsrückstand von ca. 1 1/2 Jahren. Die Eltern haben jede Art von Frühförderung des Minderjährigen abgelehnt. Der Minderjährige besucht zwar seit Oktober 1988 den örtlichen Kindergarten, wird jedoch von Gemeinschaftsfeiern ferngehalten. Der Minderjährige bedürfte einer intensiven Förderung, die er von den Eltern nicht erhält. Die Kontakte zwischen ihnen und dem Minderjährigen sind oberflächlich und emotionslos.

In rechtlicher Hinsicht leitete das Erstgericht aus diesem Feststellungen einen Erziehungsnotstand im Sinne des § 26 Abs.1 JWG ab, weshalb die gerichtliche Erziehungshilfe gegen den Willen der Erziehungsberechtigten geboten sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge. Die Auffassung des Vaters, daß das Gesetz eine psychische Erkrankung beider Elternteile für die Anordnung der gerichtlichen Erziehungshilfe festlege, treffe nicht zu. Im Hinblick auf die Verfahrensergebnisse müsse auch dem Vater die Fähigkeit abgesprochen werden, seinem Sohn die erforderliche Hilfe gewähren zu können. Den erhöhten Anforderungen, die die gezielte Förderung des in seiner Entwicklung beeinträchtigten Minderjährigen stellten, könne der Vater nicht genügen. Der Vater sei nicht einmal in der Lage gewesen, eine ruhige häusliche Lage als Grundvoraussetzung für eine gedeihliche Entwicklung des Kindes zu schaffen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß erhobene außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters ist nicht zulässig.

Nach Auffassung des Rechtsmittelwerbers sei die Aussage der Fürsorgerin, daß der Minderjährige über keinerlei Spielzeug verfüge, nicht richtig. Tatsächlich habe der Minderjährige Spielzeug wie jedes andere Kind auch. Der Minderjährige werde in üblicher Weise gepflegt und sei in seiner Entwicklung nicht zurückgeblieben. Er reagiere normal auf seine Umwelt. Das sei schon daraus zu erkennen, daß er Besuchern beim Abschied die Hand reiche. Der Vater sei als Trinker hingestellt worden, obwohl das nicht den Tatsachen entspreche. An der verfügten Maßnahme hätten offenbar außenstehende Personen ein unsachliches Interesse. Überdies müßten die Betroffenen vor der Entscheidung durch den Richter gehört werden. Die gegen die Beweiswürdigung der Vorinstanzen gerichteten Rechtsmittelausführungen müssen, da der Oberste Gerichtshof auch im Verfahren über einen Revisionsrekurs im Außerstreitverfahren nicht Tatsacheninstanz ist, unbeachtlich bleiben. Daß der Vater Trinker sei, hat das Erstgericht nicht angenommen und seiner Entscheidung auch nicht zugrunde gelegt. Der Vorwurf, daß das Verfahren fehlerhaft sei, weil die Betroffenen (gemeint offensichtlich die Eltern) nicht gehört worden seien, trifft nicht zu. Das Erstgericht hat die Eltern ausführlich vernommen und in seiner Entscheidung auf diese Beweisergebnisse Bezug genommen. Von der Verletzung des rechtlichen Gehörs und einer daraus folgenden Nichtigkeit des Verfahrens im Sinne des § 16 AußStrG kann daher keine Rede sein. Von den tatsächlich getroffenen Feststellungen der Vorinstanzen ist daher auszugehen.

Gemäß § 26 Abs.1 JWG kann gerichtliche Erziehungshilfe gegen den Willen der Erziehungsberechtigten nur dann angeordnet werden, wenn sie deshalb geboten ist, weil die Erziehungsberechtigten ihre Erziehungsgewalt mißbrauchen oder die damit verbundenen Pflichten nicht erfüllen. Welche tatsächlichen Umstände im konkreten Einzelfall die Anordnung einer solchen Maßnahme rechtfertigen, ist im Gesetz nicht näher bestimmt. Die Behauptung, daß diese Umstände im konkreten Fall zur Rechtfertigung einer derartigen Maßnahme nicht ausreichten, können den Anfechtungsgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit im Sinne des § 16 Abs.1 AußStrG nicht herstellen (EFSlg. 55.645, 52.790 uva). In diesem Sinn käme eine offenbare Gesetzwidrigkeit nur dann in Betracht, wenn das Gericht in Mißachtung des Grundprinzips des Wohles des pflegebefohlenen Kindes den Rahmen des im Gesetz eingeräumten Ermessens überschritten hätte oder das Vorliegen einer gesetzlich unmißverständlich formulierten Anordnungsvoraussetzung unrichtig beurteilt hätte (EFSlg. 49.970, 32.647). Nach den getroffenen Feststellungen ist das aber nicht der Fall.

Die Ausführung einer offenbaren Aktenwidrigkeit läßt sich dem Rechtsmittel nicht entnehmen.

Da somit keiner der gegen im Außerstreitverfahren ergangene, bestätigende Beschlüsse zulässigen Rechtsmittelgründe im Sinne des § 16 AußStrG vorliegt, mußte der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters zurückgewiesen werden. Auf die verspätete Anbringung des Rechtsmittels war nicht Bedacht zu nehmen, weil die Zulässigkeit eines Rechtsmittels vor seiner Rechtzeitigkeit zu prüfen ist (EFSlg. 55.490, 47.081 uva).

Anmerkung

E18109

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00621.89.0706.000

Dokumentnummer

JJT_19890706_OGH0002_0070OB00621_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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