TE Vwgh Beschluss 2005/10/24 AW 2005/06/0045

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Veröffentlicht am 24.10.2005
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Index

L10017 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Tirol;
L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Tirol;
L82007 Bauordnung Tirol;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §68 Abs4 Z4;
BauO Tir 2001 §54 litb Fall2;
GdO Tir 2001 §121 Abs1;
ROG Tir 2001 §60 Abs2;
ROG Tir 2001 §60 Abs3;
VwGG §30 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der P GmbH, vertreten durch DDr. C, Rechtsanwalt, der gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 4. Juli 2005, GZ. Ve1-8-1/237/-11, betreffend Nichtigerklärung einer Baubewilligung gemäß § 54 lit. b Tiroler Bauordnung 2001 (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister), erhobenen und zur hg. Zl. 2005/06/0247 protokollierten Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.

Begründung

Mit dem im gemeindebehördlichen Instanzenzug ergangenen Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 17. Mai 2005 wurde der Beschwerdeführerin die baubehördliche Bewilligung zum Abbruch des bestehenden Gebäudes und zur Errichtung des Neubaues eines Wohn- und Geschäftshauses mit Tiefgarage auf dem Grundstück Nr. 151/2, KG S, nach Maßgabe der vorgelegten Planunterlagen unter Auflagen erteilt.

Die dagegen erhobene Vorstellung einer Nachbarin wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 8. Juni 2005 als unbegründet abgewiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde den Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 17. Mai 2005 gemäß § 121 Abs. 1 Tiroler Gemeindeordnung 2001 (TGO) i.V.m. § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG sowie § 54 lit. b zweiter Fall Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001) und § 60 Abs. 2 und 3 Tiroler Raumordnungsgesetz 2001 (TROG 2001), auf.

Die Beschwerde gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin mit dem Antrag verbunden, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Ihren Antrag begründet die Beschwerdeführerin damit, dass der Stillstand der Baustelle mit exorbitanten Kosten für die Beschwerdeführerin verbunden sei. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur aufschiebenden Wirkung im Baubewilligungsverfahren stelle es das Risiko des Bauführers dar, wenn er trotz laufender Höchstgerichtsbeschwerde seinen Bau ausführe. Aus eben diesem Grunde seien die Voraussetzungen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung im vorliegenden Fall gegeben. Es falle wiederum in das Risiko der Beschwerdeführerin, im Falle des Unterliegens im Beschwerdeverfahren mit baupolizeilichen Konsequenzen rechnen zu müssen. Ein zwingendes öffentliches Interesse an der sofortigen "In-Vollzug-Setzung" besteht nicht bzw. sei aus der bisher zu dieser Thematik ergangenen Judikatur nicht abzuleiten. Insbesondere werde dadurch keine wie immer geartete Gefahrenlage erzeugt oder die allfällige spätere Durchsetzung des Bescheides (gegebenenfalls im Wege der hierfür vorgesehenen Verfahren) gefährdet. Eine Interessenabwägung, wäre sie überhaupt anzustellen, müsse zu Gunsten der Beschwerdeführerin ausschlagen, habe doch die belangte Behörde selbst den in Rede stehenden Bebauungsplan als Aufsichtsbehörde ausdrücklich genehmigt. Dass mit dem Stillstand einer Baustelle, die die Errichtung einer Wohnanlage zum Gegenstand habe, exorbitante Kosten für die Beschwerdeführerin als Bauherrin verbunden seien (Hinweis auf den hg. Beschluss vom 1. Juni 1992, AW 92/05/0021), gelte auch in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes als notorisch (Hinweis auf den hg. Beschluss vom 27. März 1984, Zl. 84/05/0010). Eine Verweisung der Beschwerdeführerin auf allfälligen späteren Schadenersatz aus Amtshaftungstatbeständen stelle jedenfalls einen unverhältnismäßigen Nachteil dar.

Die belangte Behörde nahm zu diesem Antrag in der Weise Stellung, dass wirtschaftliche Interessen im vorliegenden Fall nicht die öffentlichen Interessen überwiegen, die es grundsätzlich erforderten, dass baubewilligungspflichtige Maßnahmen, die ohne rechtskräftige Bewilligung durchgeführt würden, unterbunden würden.

Gemäß § 30 Abs. 1 VwGG kommt Beschwerden eine aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes nicht zu. Nach § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Ein Bescheid, mit welchem ein Bewilligungsbescheid nach § 68 Abs. 4 AVG als nichtig aufgehoben wird, ist grundsätzlich einem Vollzug zugänglich (vgl. u.a. den hg. Beschluss vom 17. Oktober 1991, Zl. AW 91/06/0050).

In diesem hg. Beschluss vom 17. Oktober 1991 hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass das Interesse an der Einhaltung der Flächenwidmung als öffentliches Interesse zwar beträchtliches Gewicht besitze, bei der Gewährung der aufschiebenden Wirkung sei aber maßgebend, ob und welche öffentlichen Interessen den sofortigen Vollzug des angefochtenen Bescheides gebieten und einem Zuwarten bis zur Beendigung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens entgegenstünden. Dieses Interesse kann nach diesem Beschluss nicht mit dem Interesse an der Einhaltung von Rechtsvorschriften ident sein, zumal im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung naturgemäß noch gar nicht feststeht, ob im Ergebnis der angefochtene Bescheid zu Recht ergangen ist oder ob damit Rechte des Beschwerdeführers verletzt wurden. Mit dem Hinweis auf das öffentliche Interesse an der Einhaltung des Bebauungsplanes wird somit kein der Erteilung der aufschiebenden Wirkung entgegenstehendes zwingendes öffentliches Interesse im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG aufgezeigt.

Die gemäß § 30 Abs. 2 VwGG vorzunehmende Interessenabwägung muss im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten exorbitanten Kosten für die Beschwerdeführerin als Bauherrin, die durch den Stillstand einer Baustelle, die die Errichtung einer Wohnanlage zum Gegenstand habe, zu Gunsten der Beschwerdeführerin ausfallen. Die der Beschwerdeführerin als Bauherrin drohenden Nachteile aus der Baueinstellung sind schon deshalb unverhältnismäßig, weil sie der Beschwerdeführerin einen Schaden verursachen würden, den sie auch im Falle der Aufhebung des angefochtenen Bescheides zu tragen hätte, während im anderen Fall selbst die zwischenzeitige Vollendung des Bauwerks einem späteren Abbruch nicht entgegenstünde. Das Risiko des u.U. verlorenen Aufwandes abzuwägen, ist danach Sache der Beschwerdeführerin (vgl. den angeführten hg. Beschluss vom 17. Oktober 1991).

Dem Antrag war daher spruchgemäß Folge zu geben.

Wien, am 24. Oktober 2005

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Baurecht Entscheidung über den Anspruch Interessenabwägung Unverhältnismäßiger Nachteil Vollzug Zwingende öffentliche Interessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:AW2005060045.A00

Im RIS seit

18.01.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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