TE OGH 1989/7/14 5Ob591/89 (5Ob592/89)

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Veröffentlicht am 14.07.1989
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Klinger, Dr. Graf und Dr. Schwarz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei A***-Allgemeine Bauten-Vertriebsgesellschaft mbH, 1030 Wien, Ungargasse 37, vertreten durch Dr. Rainer-Maria Schilhan, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte und widerklagende Partei Erich R***, Angestellter, 2320 Schwechat, Reitbahngasse 2, vertreten durch Dr. Johannes Hock sen. und Dr. Johannes Hock jun., Rechtsanwälte in Wien, wegen S 61.046,40 (Klage) und S 148.090,40 (Widerklage) infolge Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 18. Oktober 1988, GZ 11 R 164/88-55, womit infolge Berufung der beklagten und widerklagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 9. März 1988, GZ 12 Cg 138/85-49, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuen

Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die klagende und widerbeklagte Partei (im folgenden "klagende Partei" genannt) begehrt - nach dem Stand des Verfahrens am Schluß der mündlichen Streitverhandlung - vom Beklagten und Widerkläger (im folgenden "Beklagter" genannt) die Zahlung des der Höhe nach außer Streit gestellten Betrages von S 61.046,40 s.A. (ON 46, AS 164) mit der Begründung, sie habe als Generalunternehmer bei Errichtung der Wohnhausanlage in 2320 Schwechat, Reitbahngasse, Leistungen um den Rechnungsbetrag von S 1,207.196,40 erbracht, worauf der eingeklagte Betrag noch aushafte.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage mit der im Revisionsverfahren nur noch relevanten Begründung, die klagende Partei habe ihre Verpflichtung zur Schaffung des für Reihenhäuser vorgeschriebenen Schallschutzes nicht erfüllt. Die Forderung der klagenden Partei sei daher zufolge außergerichtlicher Aufrechnung mit einem Teil der dem Beklagten gebührenden Preisminderung erloschen.

Überdies erhob der Beklagte Widerklage, in der er von der klagenden Partei die Zahlung von S 148.090,40 begehrte. Die klagende Partei habe bei Errichtung des Objektes nicht die der ÖNorm B 8115 entsprechenden Schallschutzbestimmungen nicht eingehalten. Die Kosten der unbedingt erforderlichen Sanierungsarbeiten betrügen S 89.140,80, würden aber dennoch nicht die Herstellung der vereinbarten Luftschalldämmung bewirken, so daß auch eine Preisminderung von vorläufig 10 % des Werklohnes (S 124.916,--) dem Beklagten zu ersetzen sei. Nach Abzug des von ihm zurückbehaltenen Betrages von S 65.966,40 ergebe dies S 148.090,40.

Die klagende Partei wendete ein, die von ihr vorgenommene Schallisolierung entspreche der Baubewilligung und der Vereinbarung der Parteien. Sie bestritt das Begehren des Beklagten auch der Höhe nach.

Das Erstgericht gab der Klage statt und wies die Widerklage ab.

Es stellte folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

Am 28. Juni 1983 schloß die klagende Partei mit den Beklagten als Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ 170 (nunmehr EZ 1948) der KG Schwechat einen Bauvertrag ab, der unter anderem folgende Bestimmungen enthält:

1") Aufgrund der Baubewilligung vom 26. Mai 1983 und des dazu errichteten Einreichplanes sowie der einen integrierenden Bestandteil dieses Vertrages bildenden Baubeschreibung erteilt der Auftraggeber der A*** den unwiderruflichen Auftrag, das im Einreichplan mit Nr. 2 bezeichnete Haus im Namen und auf Rechnung des Auftraggebers zu errichten ..... Bei Errichtung des Reihenwohnhauses, an welchem später Wohnungseigentum begründet werden soll, hat die A*** die gültigen technischen ÖNormen einzuhalten .....

5.) Die Urkunden, Einreichplan, Baubescheid samt Niederschrift über die Verhandlung, Baubeschreibung bilden einen integrierenden Bestandteil des Vertrages."

Die klagende Partei hatte seinerzeit mit Prospekten, Preislisten etc. für die strittige Wohnhausanlage geworben und dabei den Begriff "Reihenwohnhaus" verwendet, weil sie überzeugt war, daß dieser Begriff allgemein verständlich sei. Am Tag der Unterfertigung des Bauvertrages hatte der Beklagte Kenntnis von den im Vertrag genannten Urkunden, insbesondere vom Einreichplan und vom Baubescheid samt Verhandlungsschrift. Im Baubewilligungsbescheid wird darauf verwiesen, daß das beiliegende Protokoll über die Bauverhandlung einen wesentlichen Teil des Bescheides bildet. Im Verhandlungsprotokoll heißt es unter Punkt 5.) der Auflagen u.a.:

"Wohnungstrennwände müssen hinsichtlich des Schallschutzes der Tabelle 5 der ÖNorm B 8115 Teil 2 entsprechen".

Die Wohnungstrennwand zwischen der Wohnung des Beklagten und der Nachbarwohnung entspricht hinsichtlich ihrer Schalldämmung (nur) dem in der ÖNORM B 8115 Teil 2 geforderten Wert von 55 dB. Rechtlich führte das Erstgericht aus, daß auf Grund der eindeutigen Formulierung des Punktes 5.) in den Auflagen des Bescheides vom 26. Mai 1983 die mindeste erforderliche Normalschallpegeldifferenz zwischen den beiden Reihenhauswohnungen 55 dB zu betragen habe. Da dieser vertraglich vereinbarte Pegel von der klagenden Partei eingehalten worden sei, müsse dem Klagebegehren Folge und der Widerklage keine Folge gegeben werden. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und führte rechtlich im wesentlichen folgendes aus:

Die Vertragsauslegung durch das Erstgericht sei richtig. Da der Beklagte Hälfteeigentümer der Liegenschaft gewesen sei und ein Reihenwohnhaus, an dem später Wohnungseigentum begründet werden sollte, vorgesehen gewesen sei, habe der Beklagte gewußt, daß das zu errichtende Gebäude im gemeinsamen Wohnungseigentum mit dem zweiten auf dieser Liegenschaft geplanten Nachbargebäude stehen würde. Es hätte ihm daher klar sein müssen, daß sich der in Punkt 5.) der Auflagen enthaltene Satz betreffend Wohnungstrennwände nur auf die Trennwand zur Nachbarwohnung habe beziehen können. Durch den Gebrauch der Ausdrücke "Reihenwohnhaus" und "Reihenhaus" sei nicht die Errichtung eines bestimmten gesetzlich definierten Gebäudetyps vereinbart worden, sondern lediglich auf das allgemeine Aussehen der Gesamtanlage in Form einer Kurzbezeichnung hingewiesen worden. Als Trennwände zwischen Reihenhäusern könnten etwa die Trennwände zwischen aneinandergebauten Gebäuden angesehen werden, die nicht auf der gleichen Liegenschaft und nicht im gemeinsamen Wohnungseigentum errichtet wurden.

Das Berufungsgericht sprach aus, die Revision sei nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO nicht zulässig, weil nicht über eine in dieser Gesetzesstelle genannte Rechtsfrage zu entscheiden gewesen sei. Die vom Beklagten erhobene Revision ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1.) Zur Zulässigkeit der Revision:

Die Auslegung der synonym gebrauchten Begriffe "Reihenhaus" bzw. "Reihenwohnhaus" bzw. "Reihenhausanlage" ist eine Rechtsfrage, der zur Wahrung der Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung zukommt, weil Verträge zur Errichtung von Reihenhäusern sehr häufig geschlossen werden, auch wenn die Bauordnung des betreffenden Bundeslandes (hier: Niederösterreich) diesen Begriff nicht kennt.

2.) Zur Berechtigung der Revision:

In dem (offenbar von der klagenden Partei entworfenen) Bauvertrag ist nicht von der Errichtung einer Wohnung, sondern eines Hauses die Rede, wobei ausdrücklich gesagt wird, daß bei Errichtung des Reihenwohnhauses die gültigen technischen ÖNormen einzuhalten sind. In der Rechnung gebrauchte die klagende Partei den Ausdruck Reihenhaus, für die Gesamtanlage (mehrere in zwei Reihen links und rechts der Reitbahngasse liegende Liegenschaften, auf denen zwei oder mehrere solche "Reihenwohnhäuser" teils in der Mitte der jeweiligen Liegenschaft, teils auf zwei Liegenschaften unmittelbar aneinandergrenzend zu einem Baukörper vereinigt sind; siehe vom Bautechniker der klagenden Partei vorgelegte Übersichtsskizze, Beilage./I im Zusammenhang mit dem Foto Beilage./16) den Ausdruck "Reihenhausanlage" oder "Reihenhäuser". Die Begriffe Reihenhaus und Reihenwohnhaus haben daher gleichen Inhalt. Dieser Begriffsinhalt ist, weil das für Niederösterreich geltende Baurecht wie auch das anderer Bundesländer den Begriff Reihenhaus nicht kennt, nach dem allgemeinen Sprachgebrauch als dem Anfang jedes Interpretationsvorganges (Rummel in Rummel, ABGB, Rdz 4 zu § 914 mwH) zu bestimmen. Nach Mayer, Enzyklopädisches Lexikon, Stichwort "Reihenhaus", handelt es sich bei einem Reihenhaus um ein Einfamilienhaus, das in fortlaufender Reihe mit anderen gleichartigen ein- oder mehrgeschossigen Einfamilienhäusern verbunden ist, wobei bei dieser Zeilenbauweise die Teilhäuser gemeinsame Zwischen- und Brandwände besitzen sowie zu einem einzigen Hauskörper zusammengefaßt sind. Dem entspricht auch die Definition in § 116 Abs. 2 der Wiener Bauordnung, wonach Reihenhäuser - von anderen wegen der für diese Gebäudeart vorgesehenen Erleichterungen normierten, hier nicht relevanten Voraussetzungen

abgesehen - Wohnhäuser sind, bei denen die einzelnen Wohnungen nicht übereinander angeordnet, voneinander durch bis in den Keller reichende Brandmauern getrennt sind und jede einen unmittelbaren Ausgang ins Freie hat. Es handelt sich also bei Reihenhäusern nach dem im allgemeinen damit verbundenen Sinn um zu einem Hauskörper zusammengefaßte Häuser. Dadurch sollen die Vorteile des eigenen Hauses mit denen der Kostenersparnis bei gemeinsamer Errichtung solcher Häuser in einem einzigen Baukörper verbunden werden. Dieser Reihenhausbegriff umfaßt auch die von der klagenden Partei auf den im Miteigentum zweier oder mehrerer Personen stehenden Grundstücken zu errichtenden Bauten, und zwar auch dann (wie beim Grundstück des Beklagten), wenn nur zwei solche Häuser zu einem Baukörper vereinigt werden. Es schadet nicht, daß in dem der Baubewilligung zugrunde liegenden Protokoll für ein Reihenhaus im dargestellten Sinn das Wort Wohnung verwendet wird, weil im nö. Baurecht der Begriff Reihenhaus nicht enthalten ist. Rechtlich kann ein Reihenhaus durchaus auch eine Eigentumswohnung sein, wenn nämlich die zu einem Baukörper vereinigten Reihenhäuser im Wohnungseigentum der Miteigentümer der betreffenden Liegenschaft stehen.

Die klagende Partei verpflichtete sich im Bauvertrag zur Einhaltung der gültigen technischen ÖNormen. Die für den Schallschutz maßgebende ÖNORM B 8115, Ausgabe 1. Juli 1981 (entsprechend dem Datum des Bauvertrages) sieht im Teil 2 Tabelle 5 zwischen Reihenhäusern eine Normschallpegeldifferenz von mindestens 60 dB vor. Dieser Verpflichtung kam die klagende Partei nicht nach, sodaß der vom Beklagten letztlich geltend gemachte Preisminderungsanspruch grundsätzlich berechtigt ist. Die Urteile der Vorinstanzen waren jedoch aufzuheben, weil diese bisher - ausgehend von einer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht - noch keine Feststellungen zur Höhe des Preisminderungsanspruches trafen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs. 1 ZPO.

Anmerkung

E18156

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0050OB00591.89.0714.000

Dokumentnummer

JJT_19890714_OGH0002_0050OB00591_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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