TE OGH 1989/7/20 8Ob622/89

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Veröffentlicht am 20.07.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Alfred T***, Hochbautechniker, Millergasse 1, 1060 Wien, vertreten durch Dr. Katharina Rueprecht, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Hans Friedrich E***, Privater, 82 Wellesley Court, Maida Vale, London, W 9, Irland, 2.) Stephany E***, Private, Phildore Court, Princess Park Avenue, London NW 11, vertreten durch Dr. Peter Rustler, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 2.333,80 und Feststellung infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 5. April 1989, GZ 41 R 69/89-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 30. September 1987, GZ 27 C 275/87-8, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger die mit S 3.087,- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich S 514,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte von den Beklagten die Bezahlung von S 2.333,80 s.A. und stellte das Eventualbegehren, daß die Beklagten nach ordnungsgemäßer Zurückstellung des Mietobjektes die Kaution von S 50.000,- samt 4 % Zinsen seit 3. Juni 1986 rückzuzahlen hätten. Die Beklagten wendeten zu dem im Revisionsverfahren allein noch bedeutsamen Feststellungsbegehren ein, daß der Kläger auf die Verzinsung der Barkaution verzichtet habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest:

Der Kläger erlegte anläßlich des Mietvertragsabschlusses am 2. Juni 1986 über die Wohnung 1060 Wien, Millergasse 1/9/12 eine Barkaution von S 50.000,- als Sicherheitsleistung. Die Kaution sollte der Abdeckung von Forderungen des Vermieters gegen den Mieter aus Mietzinsrückständen samt Nebengebühren und zur Sicherung von Schadenersatzansprüchen dienen. Der verbleibende Betrag sollte nach ordnungsgemäßer Beendigung des Mietverhältnisses und Rückgabe des Mietobjektes dem Kläger wieder zurückgestellt werden. Der Kläger erklärte damals schriftlich, daß ein Anspruch auf eine Verzinsung der Kaution nicht bestehe.

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß der Kläger auf eine Verzinsung der Barkaution verzichtet habe. Dieser Verzicht sei rechtsgültig und wirksam. In dieser Vereinbarung sei kein Verstoß gegen § 27 MRG gelegen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge. Es bestätigte zwar die Abweisung des Leistungsbegehrens, änderte aber das angefochtene Urteil im übrigen ab und sprach aus, daß die beklagten Parteien nach ordnungsgemäßer Rückstellung des Mietobjektes durch den Kläger die Kaution in Höhe von S 50.000,- - unbeschadet allfälliger Verminderung dieses Betrages wegen berechtigter Forderungen der beklagten Parteien aus der Kautionsvereinbarung - samt Zinsen in der Höhe des jeweiligen Eckzinssatzes für Sparguthaben, jedoch höchstens 4 % Zinsen, seit 3. Juni 1986 an den Kläger zurückzuzahlen haben. Es sprach ferner aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000,-, nicht aber S 300.000,- übersteigt und ließ die Revision zu, weil zur Frage der Verpflichtung des Vermieters, die vom Mieter geleistete Kaution zu verzinsen, noch keine Judikatur vorliege. Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, daß der Verzicht auf die Verzinsung einer vom Mieter geleisteten Kaution eine verbotene Leistung im Sinne des § 27 Abs 1 Z 5 MRG sei, weil sich der Vermieter damit eine Leistung versprechen läßt, die mit dem Mietvertrag in keinem unmittelbaren Zusammenhang steht und gegen die guten Sitten verstößt. Demnach liege in Wirklichkeit keine Regelung der Verzinsung der Kaution vor. Die Kaution habe bloß Sicherungsfunktion. Der von den Parteien verfolgte Zweck der Kautionsvereinbarung fordere unter Bedachtnahme auf Treu und Glauben, daß der Kautionsempfänger den Kautionsbetrag zinsbringend anlegt. Angesichts des von den Parteien mit der Kautionsvereinbarung verfolgten Zwecks sei ein Zinssatz angemessen, der üblicherweise für Spareinlagen gewährt wird. Auch den Zinsen der Barkaution komme Sicherungsfunktion zu. Solange aber der Rückforderungsanspruch des Kautionsgebers noch aufschiebend bedingt ist, könne kein Anspruch auf Auszahlung der Zinsen aus dem Kautionsbetrag bestehen. Dem Feststellungsbegehren sei eine deutlichere Fassung und eine entsprechende Einschränkung im oben beschriebenen Sinn zu geben gewesen.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil abzuändern und das Klagebegehren abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zwar zulässig, sie ist aber sachlich nicht berechtigt.

Die Beklagten stellen sich auf den Standpunkt, daß die Erklärung vom 2. Juni 1986 nicht gegen § 27 MRG verstoße. Es gebe - vom hier nicht relevanten Kautionsschutzgesetz abgesehen - überhaupt keine gesetzliche Bestimmung, wonach Kautionen zu verzinsen seien. Die Privatautonomie würde bei Aufrechterhalten des Standpunktes des Berufungsgerichtes weit über das vom MRG vorgegebene Maß hinaus eingeschränkt werden.

Vor Beantwortung der Frage, ob die Erklärung des Klägers vom 2. Juni 1986, daß er keinen Anspruch auf Verzinsung der erlegten Kaution habe, gegen § 27 MRG verstößt, ist zunächst zu klären, ob überhaupt eine Verpflichtung der beklagten Vermieter besteht, die erhaltene Kaution zu verzinsen:

Der Oberste Gerichtshof hat hiezu bereits in der vom Berufungsgericht allerdings nicht zitierten veröffentlichten Entscheidung MietSlg 38/55 = JBl 1987/248 grundsätzlich ausgeführt, daß eine Kautionsvereinbarung, die dem Zweck dient, dem Vermieter die ordnungsgemäße Rückstellung der Wohnung bei Beendigung des Mietvertrages zu sichern, nicht aber dem Vermieter über das Entgelt für die Gebrauchsüberlassung des Mietgegenstandes hinaus zusätzliche Einkünfte zu verschaffen, grundsätzlich auch eine Verpflichtung zur Verzinsung des hingegebenen Betrages miteinschließt. Denn hat die Kaution bloß die Sicherungsfunktion, daß der Kautionsempfänger die Möglichkeit erhält, seine in Zukunft allenfalls entstehenden, vereinbarungsgemäß zu sichernden Forderungen aus dem Mietvertrag mit dem Rückforderungsanspruch des Kautionsgebers zu kompensieren (vgl. Klang2 II 398; Ehrenzweig2 I/2, 397 f; Petrasch in Rummel, ABGB, Rz 7 zu § 447; SZ 51/67 ua), so kommt dem Umstand, daß der Pfandgläubiger durch die Vermengung des als Kaution erlegten Geldes mit seinem eigenen Geld Eigentümer der Kaution werden kann und dem Kautiongeber (Pfandbesteller) in einem solchen Fall an der Kaution kein dingliches Recht mehr zusteht (vgl. Klang2 II 398; Petrasch aaO; EvBl 1953/63; MietSlg 22.118), für die aus der Kautionsvereinbarung sich ergebenden obligatorischen Rechte und Pflichten keine entscheidende Bedeutung zu. Aus dem sachenrechtlichen Schicksal der Kaution allein läßt sich somit noch nicht ableiten, daß der Kautionsempfänger berechtigt sei, Zivilfrüchte aus der Kaution für sich zu behalten. Aus dem vereinbarten Zweck der Kaution ergibt sich ein Interesse beider Vertragsteile an der Aufrechterhaltung der gewünschten Sicherheit. Im Hinblick auf die allenfalls fortschreitende Geldentwertung ist der Kautionsgeber daran interessiert, daß das Kautionsguthaben durch Zinsgutschriften anwächst, weil er den Betrag, wenn er ihn nicht als Sicherheit hingegeben hätte, weiterhin durch zinsbringende Anlegung hätte nutzen können; anderseits darf aber auch nicht das Interesse des Kautionsempfängers an einem Anwachsen der erlegten Kaution bzw. des Rückforderungsanspruches des Kautionsgebers übersehen werden, weil damit auch für ihn die ihm aus einer Geldentwertung erwachsende Gefahr, mit zunehmender Zeit offene Forderungen in immer geringerem Maße durch Kompensation abdecken zu können, verringert wird. Der von den Parteien verfolgte Zweck der Kautionsvereinbarung fordert somit unter Bedachtnahme auf Treu und Glauben, daß der Kautionsempfänger den Kautionsbetrag zinsbringend anlegt.

Die in ihrem wesentlichen Gehalt wiedergegebene Begründung der Entscheidung MietSlg 38/55 = JBl 1987, 248, ist auch im vorliegenden Fall anzuwenden; die darin ausgesprochenen Grundsätze zielen nicht allein auf die einer gemeinnützigen Bauvereinigung gegebene Kaution ab, wie dies dort der Anlaßfall war, sie wurden vielmehr aus dem Wesen der Kaution und deren Behandlung nach Treu und Glauben sowie aus der Interessenlage beider Teile abgeleitet. Dies trifft auch für die vom Berufungsgericht mit Recht vertretene Auffassung zu, daß für die Höhe der Verzinsung der Zinssatz maßgebend ist, der üblicherweise für Spareinlagen gewährt wird (vgl. wiederum MietSlg 38/55 = JBl 1987, 248). Auf die vom Berufungsgericht vorgenommene Beschränkung der Zinssatzhöhe nach oben braucht - als den Revisionswerbern vorteilhaft - nicht weiter eingegangen zu werden.

Nach § 27 Abs 1 Z 1 MRG sind alle Leistungen des Mieters, denen keine gleichwertige Gegenleistung des Vermieters gegenübersteht, ungültig und verboten. Der Mieter hat für die Überlassung des Bestandobjektes allein den Mietzins gemäß §§ 15 ff MRG zu bezahlen. Da er - wie oben ausgeführt wurde - berechtigt ist, die Verzinsung der von ihm erlegten Kaution zu begehren, bedeutet der Verzicht des Mieters auf den Zinsertrag der Kaution in Wahrheit, daß er dem Vermieter neben dem Mietzins auch noch ein weiteres Entgelt in Form der Nutzung der Erträgnisse der Kaution einräumt, ohne daß dieser hiefür eine besondere Gegenleistung erbringt. Dies verstößt aber gegen die Verbotsnorm des § 27 Abs 1 Z 1 MRG, weshalb sich das Begehren des Klägers im oben dargestellten Umfang als berechtigt erweist.

Das Berufungsgericht hat die dargestellten Grundsätze im Ergebnis richtig erkannt, weshalb der Revision aus den dargelegten Gründen der Erfolg zu versagen war.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E18725

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0080OB00622.89.0720.000

Dokumentnummer

JJT_19890720_OGH0002_0080OB00622_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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