Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Klinger, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Verlassenschaftssache Melitta Maria H***, verstorben 30. März 1988, infolge Revisionsrekurses des erblasserischen Sohnes Franz Kurt H***, Gendarmeriebeamter, Grafendorf-Friesach, Lärchenweg 20, vertreten durch Dr. Heimo Verdino, Rechtsanwalt in St. Veit an der Glan gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 26. April 1989, GZ 3 R 133, 134/89-17, womit ein Rekurs des Franz Kurt H*** gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes St. Veit an der Glan vom 24. Jänner 1989, GZ A 161/88-10, 11, zurückgewiesen wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs ON 12 unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Text
Begründung:
Melitta Maria H*** ist am 30. März 1988 verstorben. Sie hinterließ den Ehegatten Hans und die Söhne Johann, Franz Kurt und Gerhard H***. Mit Testament vom 17. April 1982 setzte sie ihren Ehegatten zum Erben ein. Mit Datum 1. Mai 1983 errichtete sie ein weiteres "Testament", das ausschließlich Verfügungen zugunsten der drei Söhne enthält. Diese letztwillige Verfügung übergab sie dem öffentlichen Notar Dr. Oskar R***. Nach einem Vermerk des Notars vom 4. Juli 1983 habe sie bei Überreichung der beiden letztwilligen Verfügungen (offenbar übergab sie gleichzeitig eine weitere Verfügung ihres Ehegatten) erklärt, daß diese Verfügungen nur für den Fall des gemeinsamen Ablebens gelten sollten; sonst hätten nach wie vor die beiden Testamente zu gelten.
Zu den beiden Verlassenschaftstagsatzungen vor dem Gerichtskommissär vom 15. Juli 1988 und 10. Jänner 1989 war Franz Kurt H*** nicht erschienen.
Mit dem Mantelbeschluß ON 10 wurde ua die vom erblasserischen Witwer aufgrund des Testamentes vom 17. April 1982 zum ganzen Nachlaß abgegebene unbedingte Erbserklärung vom Gericht angenommen, sein Erbrecht für ausgewiesen erachtet und das von ihm erstattete eidesstättige Vermögensbekenntnis der Verlassenschaftsabhandlung zugrunde gelegt; mit der Einantwortungsurkunde ON 11 wurde ihm der Nachlaß eingeantwortet.
Gegen beide Beschlüsse erhob der anwaltlich nicht vertretene erblasserische Sohn Franz Kurt H*** Rekurs zu Protokoll. Er brachte vor, er sei zur Verlassenschaftsabhandlung niemals unter den Folgen des § 120 AußStrG vorgeladen worden. Er anerkenne das Testament vom 17. April 1982 keinesfalls, er stütze sich vielmehr auf das Testament vom 1. Mai 1983 und beantrage die Durchführung einer Verlassenschaftsabhandlung unter seiner Beiziehung. Er behalte sich vor, aufgrund des Testamentes vom 1. Mai 1983 bei einer neuerlichen Tagsatzung allenfalls eine Erbserklärung abzugeben. Das Rekursgericht wies diesen Rekurs zurück. Nach ständiger Rechtsprechung erlange ein berufener Erbe im Abhandlungsverfahren in der Regel erst durch die Abgabe der Erbserklärung Parteistellung, vorher fehle es ihm an der Antrags- und Rekurslegitimation. Der Rekurswerber habe bisher eine Erbserklärung nicht abgegeben. Er habe vorgebracht, daß er sich vorbehalte, bei einer neuerlichen Tagsatzung allenfalls eine Erbserklärung aufgrund des Testamentes vom 1. Mai 1983 abzugeben. Durch diese Ankündigung möglicher künftiger Verhaltensweisen habe der Rekurswerber eine Parteistellung mit Antrags- und Rekurslegitimation aber nicht erhalten. Eine Verletzung von Rechten, die ihm als Noterbe zustünden, habe er nicht geltend gemacht.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen gerichtete Revisionsrekurs des nunmehr von einem Rechtsanwalt vertretenen erblasserischen Sohnes Franz Kurt H***, in dem er aufgrund des Testamentes vom 1. Mai 1983 zum Nachlaß seiner Mutter die unbedingte Erbserklärung abgibt, ist berechtigt. Dem Rekursgericht ist zwar darin beizupflichten, daß ein berufener Erbe in aller Regel erst durch Abgabe der Erbserklärung Partei des Abhandlungsverfahrens wird und ihm vorher die Antrags- und Rechtsmittellegitimation fehlt (EFSlg. 55.420, EvBl. 1974/300, SZ 42/50, JBl. 1958, 23; SZ 27/164) uva). Dieser Rechtsprechung liegt der im allgemeinen tragende Gedanken zugrunde, daß es nicht angeht, einerseits die Erbserklärung mit ihren weitreichenden Rechtsfolgen vorerst oder überhaupt zu unterlassen, andererseits aber Einfluß auf das Abhandlungsverfahren zu nehmen.
Aber nur dort, wo dieser Grundgedanke tragfähig ist, kann die Rekurslegitimation versagt werden. Deshalb hat auch der Oberste Gerichtshof in besonders gelagerten Fällen vor allem dann, wenn der berufene Erbe bereits ein aktives Interesse am Erbantritt bekundet hat, und das Fehlen einer förmlichen Erbserklärung auf einem Fehler im Verfahren beruhte (NZ 1974, 60; vgl. EvBl. 1974/300; SZ 42/50) die Rekurslegitimation bejaht, weil sonst eine Vereitelung der Wahrnehmung von Rechten die Folge wäre und das Ziel der Rechtspflege verfehlt würde (EFSlg. 55.420 ua).
Ein solcher Fall liegt hier vor. Der Rekurswerber, der als Noterbe auf jeden Fall dem Verfahren beizuziehen gewesen wäre, hat nicht nur behauptet, er sei durch Verfahrensfehler von der Teilnahme an der Verlassenschaftsabhandlung ausgeschlossen gewesen, er hat anläßlich der Erhebung des Rekurses zum Protokoll des Erstgerichtes auch mit hinlänglicher Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, daß er ein aktives Interesse am Erbantritt hat und bei entsprechender, ihm anläßlich der Rekurserhebung offenbar nicht erteilter Rechtsbelehrung eine formelle Erbserklärung, wie er sie nunmehr nachholte, abgegeben hätte.
Dem Rekurs ist Folge zu geben, der angefochtene Beschluß ist aufzuheben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.
Anmerkung
E17860European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0010OB00615.89.0720.000Dokumentnummer
JJT_19890720_OGH0002_0010OB00615_8900000_000