TE OGH 1989/8/8 11Os64/89 (11Os65/89)

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Veröffentlicht am 08.08.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vrabl-Sanda als Schriftführerin in der Strafsache gegen Werner B*** und Karin M*** wegen des Vergehens nach dem § 91 UrhG über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes Linz vom 25.Jänner 1989, GZ 21 Vr 1.627/88-9, sowie den Hausdurchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl des Untersuchungsrichters des Landesgerichtes Linz vom 8.Februar 1989, GZ 21 Vr 1.627/88-11, nach der am 20.Juni 1989 in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Presslauer, der Vertreterin der Privatanklägerin Fa. AUSTRIA V*** Vertrieb Friederike G***, Dr. Blum, des Beschuldigten Werner B*** und des Verteidigers DDr. M*** durchgeführten öffentlichen Verhandlung am 8.August 1989 in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Jerabek und der Privatanklagevertreterin Dr. Blum, jedoch in Abwesenheit der Beschuldigten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit Schriftsatz vom 13.September 1988 beantragte die Privatanklägerin prot. Fa. AUSTRIA V*** Vertrieb Friederike G*** beim Landesgericht Linz die Einleitung der Voruntersuchung wegen des Vergehens nach dem § 91 UrhG gegen Werner B*** und Karin M*** und zugleich ua im Sinn der §§ 139 ff StPO die Durchsuchung des Geschäftes der Beschuldigten in Traun und Leonding sowie "sonstiger im Zuge der Hausdurchsuchung oder im Zuge polizeilicher Vorerhebungen bekanntwerdender Räume" nach "a) ohne Genehmigung des Inhabers der Urheberrechte oder seines ausschließlichen Lizenznehmers in Österreich feilgehaltenen und zum Feilbieten bereitgestellten VideoCassetten des Repertoires der AUSTRIA V*** Vertrieb Friederike G***, b) allen darauf Bezug habenden Gegenständen, die für das Strafverfahren von Bedeutung sein können (zB Bestellunterlagen, Korrespondenz, Rechnungen, Kontoauszüge oder sonstige Geschäftsaufzeichnungen)", sowie gemäß den §§ 143 StPO und 93 Abs. 1, Abs. 2 UrhG die Beschlagnahme dieser Gegenstände.

Die Privatanklägerin stützte ihre Anträge auf die Behauptung, sie sei in Österreich Alleinverbreitungsberechtigte für Videokassetten mit den Labels Cannon-VMP, GL, Rebell, Sony, LVF, Komplett Video, United Video und Cinema Video. Wegen der Vermietung von Videokassetten, die sie nicht vom autorisierten Alleinvertriebsberechtigten für Österreich bezogen hätten, sei gegen die Beschuldigten bereits zu AZ 18 Vr 12/86 und AZ 21 Vr 642/88 des Landesgerichtes Linz ein Strafverfahren im Sinn der §§ 91, 92 UrhG eingeleitet worden. Dessen ungeachtet setzten die Beschuldigten ihr in diesen Verfahren inkriminiertes Verhalten fort und vertrieben Videokassetten, bei denen der Verdacht bestünde, daß sie unter Umgehung eines bestehenden Alleinverbreitungsrechtes nach Österreich importiert worden seien. Am 4.August 1988 habe Werner M*** in der Videothek der Beschuldigten eine Videokassette "Mannequin", Label Cannon-VMP gekauft, die nicht mit seinem "Legal-Import-Sticker" versehen gewesen sei, mit dem die Privatanklägerin die von ihr vertriebenen Kassetten kennzeichne. Den Beschuldigten sei keine Genehmigung zu einem sogenannten Parallelimport von Videokassetten erteilt worden (ON 1 dA 21 Vr 1627/88).

Am 15.Dezember 1988 legte der Untersuchungsrichter gemäß dem § 92 Abs. 3 StPO die Akten der Ratskammer vor. Er vertrat hiebei ua den Standpunkt, daß der wiedergegebene Antrag der Privatanklägerin auf Hausdurchsuchung und Beschlagnahme, soweit er nicht nur Videokassetten mit dem Label Cannon-VMP betreffe, von denen ein Exemplar nach dem Vorbringen der Privatanklägerin von den Beschuldigten verkauft worden sei, auf einen "Erkundungsbeweis" hinauslaufe. In bezug auf einen Vertrieb von Videokassetten mit den Labels GL, Rebell, Sony, LVF, Komplett Video, United Video und Cinema Video läge weder ein zur Einleitung der Voruntersuchung noch zur Erlassung eines Hausdurchsuchungs- und Beschlagnahmebefehles hinreichender gegründeter Verdacht vor (ON 6 S 15 f dA). Mit dem Beschluß vom 25.Jänner 1989, GZ 21 Vr 1.627/88-9, trug die Ratskammer des Landesgerichtes Linz dem Untersuchungsrichter zwar "die Einleitung der Voruntersuchung wegen des Vergehens nach dem § 91 UrhG" auf, schränkte jedoch - der Beschlußbegründung zufolge - in Übereinstimmung mit der Auffassung des Untersuchungsrichters die Hausdurchsuchung und Beschlagnahme auf "jene Beweismittel" ein, "die Gegenstand der in Verfolgung gezogenen Urheberrechtsverletzung" seien, "also hinsichtlich der Videokassetten Label Cannon-VMP". Der darüber hinausgreifende Antrag der Privatanklägerin auf Erlassung des Hausdurchsuchungs- und Beschlagnahmebefehls hätte "Erkundungsbeweischarakter". In diesem Sinn faßte der Untersuchungsrichter am 7.Februar 1989 den Beschluß auf "Einleitung der Voruntersuchung gegen Werner B*** und Karin M*** wegen § 91 UrhG" (ON 10) und ordnete mit Beschluß vom 8.Februar 1989 (ON 11) die Durchsuchung der Geschäftsräume der Beschuldigten in Traun und Leonding einschließlich aller dazugehörigen Räumlichkeiten nach Videokassetten mit dem Label Cannon-VMP sowie die Beschlagnahme solcher Videokassetten an.

Der Beschluß der Ratskammer und der darauf beruhende Hausdurchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl des Untersuchungsrichters verletzen nach Meinung der Generalprokuratur insoweit das Gesetz, als Hausdurchsuchung und Beschlagnahme auf Videokassetten mit dem Label Cannon-VMP mit der - im Beschluß der Ratskammer zum Ausdruck gebrachten - Begründung eingeschränkt wurden, der darüber hinausreichende Antrag der Privatanklägerin hätte "Erkundungsbeweischarakter".

Zur Begründung ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach dem § 33 Abs. 2 StPO führt die Generalprokuratur im einzelnen aus:

"Während § 88 Abs. 1 StPO als Zweck der - auch auf Begehren eines Privatanklägers durchzuführenden (Mayerhofer-Rieder2 E 18 f zu § 88) - Vorerhebungen die Gewinnung (überhaupt nur) von Anhaltspunkten zur Veranlassung eines Strafverfahrens wider eine bestimmte Person oder für die Zurücklegung der Anzeige bezeichnet, bezweckt nach der Bestimmung des § 91 Abs. 2 StPO die Voruntersuchung, die gegen eine bestimmte Person erhobene Anschuldigung einer strafbaren Handlung einer vorläufigen Prüfung zu unterwerfen und den Sachverhalt so weit zu klären, wie es nötig ist, um die Momente festzustellen, die geeignet sind, entweder die Einstellung des Strafverfahrens herbeizuführen oder die Versetzung in den Anklagestand und die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung vorzubereiten. Darnach dient die Voruntersuchung begriffsmäßig über die Aufdeckung von Verdachtsgründen ("Gewinnung von Anhaltspunkten") hinaus, aber diese einschließend, der "Sammlung allen Stoffes, welche die künftige Beweisführung in der Hauptverhandlung vorbereitet" (Mittermaier II, 17, zitiert bei S. Mayer II, 356), sodaß jene Erwägungen, welche - im wesentlichen aus formellen Rücksichten (§ 222 StPO) - grundsätzlich für die Ablehnung der Aufnahme sogenannter Erkundungsbeweise im Prozeßstadium der Hauptverhandlung sprechen (SSt. 28/4, 31/121; EvBl. 1973/211 ua), in Ansehung des Vorverfahrens nicht zum Tragen kommen können. Demnach hätte das Gericht, ausgehend von den Behauptungen der Privatanklägerin, wonach die Umgehung von Alleinverbreitungsrechten (wenngleich anderer, nämlich der VPT-Verwertungsgesellschaft für Bild und Ton und der M***-Ton- und Bildträgervertriebsgesellschaft mbH) durch die Beschuldigten bereits Gegenstand der Verfahren 18 Vr 12/86 und 21 Vr 642/88 des Landesgerichtes Linz sei und eine weitere gleichartige Umgehung sich auch bei dem Kauf einer dem Alleinverbreitungsrecht der Privatanklägerin unterliegenden Videokassette herausgestellt habe, somit implicite der konkrete Verdacht urheberrechtswidriger Eingriffe in Ansehung dem Repertoire der Privatanklägerin zugehöriger Gegenstände wohl schlechthin geäußert wurde, den diesem Verdacht entsprechenden Antrag auf Hausdurchsuchung und Beschlagnahme rechtsrichtig nicht mit der Begründung, dieser habe "Erkundungsbeweischarakter", einschränkend bloß auf Kassetten mit dem Label Cannon-VMP bewilligen dürfen. Diese Gesetzesverletzung gereicht den Beschuldigten nicht zum Nachteil; an ihrer Feststellung besteht aber gleichwohl rechtstheoretisches Interesse."

Rechtliche Beurteilung

Hiezu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Die Generalprokuratur geht ersichtlich davon aus, daß sich aus dem Beschluß der Ratskammer vom 25.Jänner 1989 (ON 9) "implicite" die Einleitung der Voruntersuchung gegen Werner B*** und Karin M*** wegen des konkreten Verdachtes urheberrechtswidriger Eingriffe in Beziehung auf ("wohl schlechthin") sämtliche Gegenstände des Repertoires der Privatanklägerin, also nicht nur Kassetten mit dem Label Cannon-VMP, ergebe.

Diese Auffasung kann nicht geteilt werden.

Aus dem Spruch des Ratskammererkenntnisses läßt sich zwar (in Verbindung mit dem Antrag der Privatanklägerin) - bei isolierter Betrachtung - ein derartiger Schluß ziehen, ihm steht jedoch die Entscheidungsbegründung (insbesonders deren erster und letzter Absatz) entgegen, aus der sich mit Sicherheit lediglich ableiten läßt, daß "Gegenstand der in Verfolgung gezogenen Urheberrechtsverletzung" Videokassetten mit dem Label Cannon-VMP sind. Die anderen in der Privatanklage genannten, vom Alleinverbreitungsrecht der Privatanklägerin erfaßten Kassetten werden im Beschluß der Ratskammer nicht erwähnt. Durch die Verwendung des - im gegebenen Fall an sich sachfremden - Begriffes "Erkundungsbeweischarakter" wollte die Ratskammer unter Umständen bloß zum Ausdruck bringen, daß es ihrem - mit Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nicht bekämpfbaren - Ermessen nach für diese anderen zum Repertoire der Privatanklägerin gehörigen Gegenstände - über die Kassetten mit dem Label Cannon-VMP hinaus - an einem begründeten Tatverdacht mangle.

Auch nach der Begründung des Hausdurchsuchungs- und Beschlagnahmebefehls des Untersuchungsrichters vom 8.Februar 1989 (ON 11) sind die Beschuldigten (lediglich) dringend verdächtig, Videokassetten mit dem Label Cannon-VMP dem Alleinverbreitungsrecht der Privatanklägerin zuwider importiert und weiterverliehen zu haben. Es erweist sich somit, daß nach der derzeitigen Aktenlage der beantragten Feststellung einer Gesetzesverletzung durch unzulässige Ablehnung der Aufnahme sogenannter Erkundungsbeweise die rechtslogisch vorgelagerte Widersprüchlichkeit und Undeutlichkeit des Ratskammerbeschlusses des Landesgerichtes Linz vom 25. Jänner 1989, GZ 21 Vr 1627/88-9, über den Umfang der eingeleiteten Voruntersuchung entgegensteht. Ein Aufgreifen der aufgezeigten formalen Begründungsmängel dieser Ratskammerentscheidung (§ 281 Abs. 1 Z 5 StPO in sinngemäßer Anwendung) im Blick auf das !hier schon angesichts des Fehlens einer von Amts wegen zu verfolgenden strafbaren Handlung (vgl. § 144 StPO) beachtliche Erfordernis zweifelsfreier Bestimmbarkeit der von der Durchsuchung und Beschlagnahme erfaßten Gegenstände war dem Obersten Gerichtshof verwehrt, weil die Generalprokuratur den Ratskammerbeschluß und die darauf beruhenden Entscheidungen des Untersuchungsrichters in dieser Richtung unangefochten ließ. Der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes mußte daher der Erfolg versagt bleiben.

Anmerkung

E18401

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0110OS00064.89.0808.000

Dokumentnummer

JJT_19890808_OGH0002_0110OS00064_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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