Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 24.August 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Friedrich, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vrabl-Sanda als Schriftführerin in der Strafsache gegen Klaus P*** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich Klaus P*** und Herbert K*** sowie über deren Berufung hinsichtlich Johann F*** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 2.Februar 1989, GZ 8 Vr 919/88-60, sowie über die Beschwerde des Johann F*** gegen den zugleich gefaßten Widerrufsbeschluß GZ 8 Vr 919/88-61, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, der Angeklagten P*** und F*** und der Verteidiger Dr. Schwarz und Dr. Rösch, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten K***, nach Verlesung von dessen Gegenausführungen I. zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft
wird - hinsichtlich des Angeklagten Klaus P*** teilweise - Folge gegeben; das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird im Freispruch des Angeklagten Herbert K***, in dem die Aus- und Einfuhr von 608 g Haschisch aus Marokko nach Spanien und Frankreich sowie von 463 g Haschisch aus Frankreich in die Schweiz betreffenden Teil des Freispruches des Angeklagten Klaus P***, weiters in der rechtlichen Unterstellung der von den Schuldsprüchen I/A/1 und I/B erfaßten Taten und demgemäß auch in den Aussprüchen der über diese Angeklagten verhängten Strafen aufgehoben; die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit ihrer die Angeklagten Klaus P*** und Herbert K*** betreffenden Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Der Berufung der Staatsanwaltschaft in Ansehung des Angeklagten Johann F*** wird, soweit sie das Ausmaß der über diesen Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe bekämpft, nicht Folge gegeben; im übrigen wird sie zurückgewiesen.
sowie
III. den
Beschluß
gefaßt:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 17.Dezember 1958 geborene Klaus P*** des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG (Schuldsprüche I/A/2, II/2) und des Vergehens nach § 16 Abs 1 und 2 Z 1 SGG (Schuldsprüche I/A/1, I/B, III/A, B/1/3/a), der am 1. Mai 1967 geborene Herbert K*** des Vergehens nach § 16 Abs 1 und 2 Z 1 SGG (Schuldsprüche I/A/1, III/A, B/2/3/b), des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2, erster Fall, StGB (Schuldspruch IV) und des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (Schuldspruch V) sowie der am 29.August 1960 geborene Johann F*** des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG (Schuldsprüche II/1/2) schuldig erkannt.
Klaus P*** und Herbert K*** wurden von der weiteren Anklage wegen (nach dem 3.Februar, jedoch vor dem 1.März 1988 durchgeführter) Aus- bzw Einfuhr von zumindest 800 g Haschisch aus Marokko nach Spanien und Frankreich sowie von zumindest 655 g Haschisch hievon aus Frankreich in die Schweiz gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Diesen Freispruch der Angeklagten Klaus P*** und Herbert K*** sowie die Unterstellung der ihnen im Schuldspruch I/A/1 zur Last liegenden Einfuhr eines Teiles der in Rede stehenden Haschischmenge im restlichen Ausmaß von 463 g aus der Schweiz nach Österreich und deren Überlassung an andere durch Klaus P*** (Schuldspruch I/B) unter das Tatbild des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Diese ist in Ansehung des Angeklagten K*** zur Gänze, hinsichtlich Klaus P*** indes nur teilweise begründet:
Die Anklagebehörde legt den Angeklagten Klaus P*** und Herbert K*** im Punkt I/A/1 der Anklageschrift zur Last, nach dem 3. Februar 1988 Suchtgift in einer großen, dh einer solchen Menge, daß deren Weitergabe geeignet war, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen, nämlich zumindst 800 g Haschisch, aus Marokko über Spanien nach Frankreich und von dort hievon zunächst mindestens 655 g in die Schweiz und in weiterer Folge zumindest 463 Gramm nach Österreich verbracht zu haben (Schuldspruch I/A/1), welch letztere Menge hier Klaus P*** dem anklagekonformen Schuldspruch I/B zufolge in Verkehr gesetzt hat.
Den Freispruch in bezug auf die im Ausland verübten Suchtgifttransaktionen (Ausfuhr von Marokko über Spanien und Frankreich in die Schweiz) stützte das Erstgericht auf die (sinngemäße) Begründung, daß im Ausland verübte strafbare Handlungen nach § 12 SGG nach der Neugestaltung dessen Tatbilder durch die Suchtgiftgesetznovelle 1985 (BGBl 184) bis zum Inkrafttreten der Neufassung des § 64 Abs 1 Z 4 StGB durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1987 (BGBl 605) mit 1.März 1988 nicht zu den im § 64 Abs 1 Z 4 StGB aF genannten Delikten gehörten, die unabhängig von den Strafgesetzen des Tatortes nach den österreichischen Strafgesetzen zu bestrafen sind.
Rechtliche Beurteilung
Zu Recht hält dem die Staatsanwaltschaft in der Nichtigkeitsbeschwerde - der Sache nach aus dem Nichtigkeitsgrund nach Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO - entgegen, daß nichtsdestoweniger eine österreichische Strafgewalt für die gegenständlichen Auslandstaten, bei P*** allerdings nur teilweise, nach § 65 Abs 1 Z 1 StGB in Betracht kommt. Denn die Angeklagten sind österreichische Staatsbürger (Bd III, S 375) und Umstände, die gemäß Abs 4 des § 65 StGB den (gänzlichen) Entfall der Strafbarkeit begründen würden, werden im Urteil nicht festgestellt. Über den Angeklagten Klaus P*** wurde freilich nach der Aktenlage von einem Schweizer Gericht am 8.Februar 1988 wegen der Einfuhr (der Teilmenge) von 192 g Haschisch aus Marokko (über Spanien und Frankreich) in die Schweiz eine Freiheitsstrafe verhängt und für eine Bewährungsfrist von 2 Jahren aufgeschoben (ON 15, 27), sodaß bei ihm in diesem Umfang die Voraussetzungen einer inländischen Gerichtsbarkeit nach § 65 Abs 4 Z 4 (iVm § 61) StGB nF auch in einem zweiten Rechtsgang nicht konstatiert werden könnten und demgemäß der Nichtigkeitsbeschwerde insoweit ein Erfolg versagt bleiben muß.
Denn im Hinblick darauf, daß der Angeklagte P*** wegen der inkriminierten Auslandstaten in Ansehung der in Rede stehenden Suchtgift-Teilmenge, wie dargestellt, bereits im Ausland verfolgt und verurteilt wurde, könnte eine sich darauf erstreckende österreichische Strafgewalt auch nicht auf § 64 Abs 1 Z 6 StGB im Zusammenhang mit Art 36 Abs 2 lit a Z IV der Einzigen Suchtgiftkonvention und § 12 Abs 1 ARHG gestützt werden. Somit erweisen sich der Freispruch des Angeklagten K*** zur Gänze und jener des Angeklagten P*** im aufgezeigten Umfang als rechtlich verfehlt. Da eine Beurteilung der Tatbildvoraussetzung einer "großen Menge" im Sinne des § 12 Abs 1 SGG und des darauf bezogenen Tätervorsatzes mangels einer Feststellung im Urteil über die Qualität des Haschisch und des daraus ableitbaren Wirkstoff-(THC-)gehaltes nicht erfolgen kann, vermag jedoch der Oberste Gerichtshof insoweit nicht sogleich in der Sache selbst zu entscheiden.
Die demnach erforderliche (bei P*** teilweise) Aufhebung des Freispruches und Zurückverweisung an die erste Instanz hat sich aber auch auf die rechtliche Unterstellung der Einfuhr des restlichen Suchtgiftes von 463 g nach Österreich (I/A/1) und dessen Inverkehrsetzen in Österreich (I/B) unter den § 16 Abs 1 SGG sowie demgemäß zudem auf die Strafaussprüche betreffend die Angeklagten P*** und K*** zu erstrecken, weil dem Urteil wegen des soeben vermerkten Fehlens von Feststellungen in bezug auf die Größe der tatgegenständlichen Suchtgiftmenge überdies materielle Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO anhaftet.
Daß die über Klaus P*** gemäß § 13 Abs 2 SGG verhängte Wertersatzstrafe von 300.000 S für den nichtergriffenen Erlös des von ihm aus der Schweiz nach Österreich eingeführten (I/A/1) und hier weiterverkauften (I/B) Suchtgiftes auf der Grundlage der rechtlichen Subsumtion dieser Taten unter § 16 Abs 1 SGG unzulässig war, weil für darnach tatbildliche Suchtgiftdelikte Wertersatzstrafen nicht vorgesehen sind (§ 16 Abs 3 SGG), sei im Hinblick auf die ohnedies erforderliche Kassierung des gesamten ihn betreffenden Strafausspruchs nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Aus den dargelegten Erwägungen war der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft dahin Folge zu geben, daß das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Freispruch des Angeklagten Herbert K*** (zur Gänze) und im Freispruch des Angeklagten P*** soweit, als dieser jeweils eine die Teilmenge von 192 g Haschisch übersteigende Suchtgiftmenge umfaßt, ferner in der rechtlichen Unterstellung der von den Schuldsprüchen I/A/1 und I/B erfaßten Taten sowie in den Aussprüchen der über die genannten Angeklagten verhängten Strafen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an die erste Instanz zurückverwiesen wird.
Im übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen. Mit ihrer Berufung in Ansehung der Angeklagten Klaus P*** und Herbert K*** war die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Mit demselben Urteil wurde der am 29.August 1960 geborene österreichische Staatsbürger Johann F*** zu den Schuldsprüchen II/1 und 2 wegen Beitrags zur Einfuhr von 1.200 g Haschisch und von 1.900 g Marihuana sowie 650 g Haschisch nach Österreich des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG (als Beitragstäter gemäß § 12, dritter Fall, StGB) schuldig erkannt und hiefür zu einer - unbedingt ausgesprochenen - Freiheitsstrafe von 8 Monaten sowie nach § 13 Abs 2 SGG zu einer Wertersatzstrafe von 30.000 S (3 Monate Ersatzfreiheitsstrafe) verurteilt. Bei der zuerst relevierten Strafbemessung wertete das Schöffengericht als mildernd das Geständnis und die Sicherstellung eines Teiles des Suchtgiftes, als erschwerend hingegen "das Zusammentreffen eines Vergehens mit einem Verbrechen" (gemeint ersichtlich: die Wiederholung seiner strafbaren Tatbeiträge), die Gewinnsucht und die (drei) Vorstrafen wegen Eigentumsdelikten.
Mit ihrer ersichtlich nur gegen diesen Strafausspruch gerichteten Berufung strebt die Anklagebehörde eine Erhöhung des Strafmaßes und zusätzlich die Ausschaltung einer dem Angeklagten Johann F*** bloß vermeintlich gewährten bedingten
Strafnachsicht an. Im letztbezeichneten Umfang war die nicht vom tatsächlichen Strafausspruch ausgehende Berufung der Staatsanwaltschaft als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt zurückzuweisen.
Die gegen das Strafmaß gerichtete Berufung ist nicht berechtigt. Zum einen erscheint es nach Lage des Falles - der Ansicht der Staatsanwaltschaft zuwider - keineswegs verfehlt, die Sicherstellung eines (beträchtlichen, den gesamten Gegenstand des Schuldspruches II/2 bildenden) Teils der Suchtgiftmenge als mildernd zu werten, hat doch F*** den erhebenden Kriminalbeamten des Landesgendarmeriekommandos Steiermark, zwar unter dem Eindruck der ihn belastenden Observationsergebnisse, doch letztlich aus freien Stücken das Suchtgiftversteck preisgegeben (Bd III S 37) und damit nicht nur die von diesem Suchtgift ausgehende Gefahr für die Volksgesundheit beseitigt, sondern auch wesentlich zur Wahrheitsfindung (§ 34 Z 17, zweiter Fall, StGB) beigetragen. Vor allem aber darf die über F*** verhängte Strafe nicht isoliert betrachtet werden, sie muß vielmehr im Kontext mit dem gleichzeitig erfolgten Widerruf einer offenen bedingten Nachsicht einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von (gleichfalls) acht Monaten gesehen werden, mit welcher das Schöffengericht - im Ergebnis durchaus ausgewogen - den Erfordernissen einer vom Gesetzgeber des Strafrechtsänderungsgesetzes 1987 intendierten "Gesamtregelung" der Straffrage (359 Blg. StP NR XVII GP, S 53 f) Rechnung getragen hat. Der sohin unbegründeten Strafberufung der Staatsanwaltschaft war demnach nicht Folge zu geben.
Zur Beschwerde des Angeklagten Johann F***:
Mit dem in derselben Hauptverhandlung verkündeten Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 2.Februar 1989, ON 61, wurde (sprachlich mißglückt, jedoch erkennbar gemeint:) die im Verfahren 5 E Vr 1011/87 dem dort verurteilten Angeklagten Johann F*** unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren gewährte bedingte Strafnachsicht einer (wegen des Vergehens des versuchten Einbruchsdiebstahls nach §§ 15, 127 Abs 1, 129 Z 1 StGB verhängten) Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten widerrufen. Der ein Absehen vom Widerruf aus Anlaß der neuerlichen Verurteilung innerhalb der Probezeit anstrebenden Beschwerde des verurteilten Johann F*** ist zwar zuzugeben, daß die bedingte Strafnachsicht nur dann zu widerrufen ist, wenn dies in Anbetracht der neuerlichen Verurteilung zusätzlich zu dieser geboten erscheint, um den Rechtsbrecher von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, doch liegen diese Voraussetzungen des § 53 Abs 1 StGB (nF) im konkreten Fall - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - sehr wohl vor: F*** hat bis zur urteilsgegenständlichen schon drei Verurteilungen wegen Vermögensdelikten (schwerer gewerbsmäßiger Einbruchsdiebstahl, unbefugter Fahrzeuggebrauch und Hehlerei, abermals schwerer Einbruchsdiebstahl und letztlich wieder versuchter Einbruchsdiebstahl) erlitten und ist hiefür mit insgesamt zwei Jahren und zehn Monaten Freiheitsentzug (davon zwei Jahre und zwei Monate verbüßt) bestraft worden; eine bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe mußte widerrufen werden. Diese Vermögensdelinquenz beruht durchaus auf der gleichen schädlichen Neigung des Verurteilten wie die nunmehr abgeurteilten Suchtgifttaten (§ 71, dritter Fall, StGB). Demgemäß erscheint dem Obersten Gerichtshof ein durchgehender Vollzug der im Vergleich zu den bisher verbüßten Strafen ohnehin maßvoll angehobenen "Gesamtfreiheitsstrafe" von zusammen sechszehn Monaten bei F*** aus spezialpräventiven Gründen dringend erforderlich, um bei ihm den nötigen Abhalteeffekt von künftigem kriminellem Gewinnstreben auf Kosten der Gesundheit anderer zu erzielen.
Der Beschwerde war daher ein Erfolg zu versagen.
Anmerkung
E18626European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0120OS00072.89.0824.000Dokumentnummer
JJT_19890824_OGH0002_0120OS00072_8900000_000