TE Vfgh Erkenntnis 2001/10/10 B780/01 ua

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Veröffentlicht am 10.10.2001
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Leitsatz

Quasianlaßfallwirkung der Aufhebung der Wortfolge "Luft- oder" in §53 Abs3 sowie des §103 Abs3 FremdenG 1997 mit E v 01.10.01, G224/01 ua.

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit S 47.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde eines Luftfahrtunternehmens wendet sich gegen acht im Instanzenzug ergangene Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich, mit denen der beschwerdeführenden Partei jeweils gemäß §103 Abs3 Fremdengesetz 1997 (FrG), BGBl. I 75, ein pauschalierter Kostenersatz in Höhe zwischen S 20.000,-- und

S 80.000,-- vorgeschrieben wird, weil sie ihrer Verpflichtung gemäß §53 Abs3 FrG, die Identität eines oder mehrerer von ihr nach Wien beförderter Fremder bekanntzugeben, nicht nachgekommen sei und auch deren Abreise nicht unverzüglich bewirkt habe.

Die beschwerdeführende Gesellschaft erachtet sich durch die angefochtenen Bescheide in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz, auf Erwerbsfreiheit, auf Unverletzlichkeit des Eigentums und auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK) sowie in sonstigen Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes verletzt und beantragt deren kostenpflichtige Aufhebung, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

2. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10.616/1985, 11.711/1988).

2. Der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlaß anderer, aber gleichgelagerter Beschwerden mit Erkenntnis vom 1. Oktober 2001, G224-264/01, die Worte "Luft- oder" in §53 Abs3 sowie §103 Abs3 FrG als verfassungswidrig aufgehoben.

Der Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren über die §§53 Abs3 und 103 Abs3 FrG war der 29. September 2001. Die vorliegende, beim Verfassungsgerichtshof am 18. Mai 2001 eingelangte Beschwerde war also zu diesem Zeitpunkt bereits anhängig. Die Gesetzesaufhebung wirkt daher auch für sie.

Die angefochtenen Bescheide sind in Anwendung der als verfassungswidrig aufgehobenen Gesetzesbestimmungen ergangen. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Partei nachteilig war. Sie wurde somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt.

Die Bescheide sind daher aufzuheben.

3. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG abgesehen.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG; der Schriftsatzaufwand war nur einmal zuzusprechen, da die Bescheide mit einer Beschwerde angefochten wurden. In den zugesprochenen Kosten sind Umsatzsteuer in der Höhe von S 4.500,-- und Eingabegebühren gemäß §17a VerfGG in Höhe von S 20.000,-- enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:B780.2001

Dokumentnummer

JFT_09988990_01B00780_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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