TE Vwgh Erkenntnis 2005/11/3 2002/15/0102

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Veröffentlicht am 03.11.2005
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §26 Abs1;
EStG 1988 §1 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz, LL.M., über die Beschwerde des F in L, Deutschland, vertreten durch Dr. Gunter Griss, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Glacisstraße 67, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VI) vom 9. April 2002, GZ. RV/424-16/16/2000, betreffend Einkommensteuer 1998, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Dirigent, der mehrere Jahre vor dem Streitjahr seinen Wohnsitz in Wien hatte, bezog im Streitjahr u.a. inländische Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für die Zeiträume 1. bis 18. Jänner, 1. Mai bis 12. Juni und 18. September bis 31. Dezember.

Mit Schreiben vom 8. Juli 1998 teilte er dem Finanzamt mit, dass er mit 1. September 1998 seinen Wohnsitz in Wien aufgeben und seine berufliche Tätigkeit nach Genf verlagern werde. Die unbeschränkte Steuerpflicht werde sich daher nur für den Zeitraum 1. Jänner bis 31. August 1998 beziehen.

Mit dem angefochtenen Bescheid bejahte die belangte Behörde (wie bereits das Finanzamt) die unbeschränkte Steuerpflicht des Beschwerdeführers für das gesamte Kalenderjahr 1998 und das Besteuerungsrecht Österreichs hinsichtlich der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit auch im Zeitraum 18. September bis 31. Dezember. In der Begründung wurde dazu ausgeführt, der Beschwerdeführer habe in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr ausländische Einkünfte (aus Deutschland, der Schweiz, Frankreich und Japan) und inländische Einkünfte aus selbständiger Arbeit sowie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Zeitraum vom 1. Jänner bis 18. Jänner und vom 1. Mai bis 12. Juni ausgewiesen. Über Aufforderung des Finanzamtes habe er einen weiteren Lohnzettel und zwar über inländische Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Zeitraum 18. September bis 31. Dezember vorgelegt. Das Finanzamt habe die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus dieser Periode bei der Veranlagung mitberücksichtigt.

Der Beschwerdeführer habe sich in seiner Berufung gegen die Berücksichtigung dieser Einkünfte ausgesprochen, weil die unbeschränkte Steuerpflicht mit 31. August des Streitjahres geendet habe. Die Einkünfte aus dem Zeitraum 18. September bis 31. Dezember fielen in die Zeit der beschränkten Steuerpflicht. Der Dienstgeber habe einen Lohnsteuerabzug gemäß § 70 Abs. 2 Z. 2 EStG 1988 bereits vorgenommen.

Das Finanzamt habe den Beschwerdeführer zur Vorlage geeigneter Unterlagen zum Nachweis der Aufgabe des Wohnsitzes in Wien per 31. August 1998 aufgefordert. Weiters habe es den Beschwerdeführer ersucht, mitzuteilen, wo und wie lange er sich in Österreich aufgehalten habe, zumal auch im Lohnnachweis hinsichtlich der Periode September bis Dezember nach wie vor seine Wiener Adresse aufscheine.

Der Beschwerdeführer habe bekannt gegeben, dass er die Lohnzettel hinsichtlich seines Dienstverhältnisses mit dem Schweizer Orchester übermitteln werde. Daraus ergebe sich, dass er in der Schweiz der Regelbesteuerung unterliege. Der Umzug von Wien in die Schweiz sei unter Inanspruchnahme eines Unternehmens vorgenommen worden. Eine Kopie dieser Rechnung könne von diesem Unternehmen angefordert werden. Der Umstand, dass auch auf dem Lohnnachweis für die Periode September bis Dezember 1998 seine Wiener Adresse aufscheine, sei darin begründet, weil auch "nicht unbeschränkt steuerpflichtige" Künstler auf Grund eines Dienstvertrages beschäftigt würden.

Erhebungen des Finanzamtes hätten ergeben, dass der Beschwerdeführer seine Wohnung in Wien per 1. Oktober 1998 aufgegeben habe. Jedoch sei mit 1. September 1998 von der Ehefrau des Beschwerdeführers im selben Haus in Wien eine Wohnung (Dachbodenausbau) angemietet worden. Laut Auskunft der Hausverwaltung sei die Post des Beschwerdeführers an seine Adresse in Genf nachgesendet worden. Der Nachmieter habe angegeben, dass die an die Familie des Beschwerdeführers gerichtete Post auf den Hausbriefkasten gelegt worden sei. Von dort sei die Post von "ihnen" weggenommen worden. Der Beschwerdeführer sei ab 13. November 1998 an der von seiner Ehefrau gemieteten Wohnung polizeilich gemeldet gewesen.

Das Finanzamt habe die Berufung mit Berufungsvorentscheidung abgewiesen. Es habe ausgeführt, dass der Beschwerdeführer die Aufgabe des inländischen Wohnsitzes nicht nachgewiesen habe. Er habe weder die Rechnung über den Umzug in die Schweiz noch den Lohnzettel hinsichtlich des Dienstverhältnisses in der Schweiz vorgelegt und habe auch die Frage, wie viel Zeit er im Inland verbracht habe, nicht beantwortet. Nach den Ermittlungsergebnissen sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer zumindest 1998 im Inland einen Wohnsitz innegehabt habe. Die Anmietung einer neuen Wohnung spreche nicht für die Aufgabe des inländischen Wohnsitzes, die aufrechte Ehe lasse den Schluss zu, dass die Ehegatten einen gemeinsamen inländischen Wohnsitz unterhielten. Die polizeiliche Meldung des Beschwerdeführers an der neuen Adresse lasse darauf schließen, dass die Wohnung auch genutzt und beibehalten werden sollte. Auch die nichtselbständige Tätigkeit des Beschwerdeführers in Österreich sei ein weiteres Indiz für einen tatsächlichen Aufenthalt im Inland und die Absicht, die nachweislich vorhandene Wohnung auch zu nutzen.

Der Beschwerdeführer habe einen Vorlageantrag gestellt. In einer Ergänzung dazu habe er ausgeführt, seine Ehefrau habe per 1. September ein Appartement in Wien angemietet. Folge man dem Finanzamt, dass die Anmietung des Appartements durch seine Ehefrau zum Vorliegen eines gemeinsamen bzw. abgeleiteten Wohnsitzes führe, wäre nach innerstaatlichem Recht tatsächlich von einer unbeschränkten Steuerpflicht auszugehen. An diese Feststellung müsse sich jedoch die Prüfung der Anwendbarkeit des Doppelbesteuerungsabkommens anschließen. Nach dem anzuwendenden Doppelbesteuerungsabkommen habe er seinen Mittelpunkt der Lebensinteressen in die Schweiz verlegt. Er habe per 31. August eine ca. 200 m2 große Wohnung aufgegeben und sei nach Genf übersiedelt. Er habe nachweislich mit Ende August seinen gesamten Hausrat von einer Spedition nach Genf bringen lassen. Seinen Schriftstücken sei durch die Gestaltung des Briefkopfes eindeutig zu entnehmen, dass die Hauptadresse und sohin der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Genf gelegen sei. Verschiedene Medienberichte würden seinen Umzug nach Genf bestätigen. Auch im Schweizer Fernsehen sei ein diesbezüglicher Bericht ausgestrahlt worden. Sein Sohn besuche seit 1997 die Deutsche Schule in Genf. Seine Ehefrau habe per 1. September 1998 in Wien ein ca. 40 m2 großes Appartement neu angemietet. Er habe nicht unmittelbar über diese Wohnung verfügt, sondern hätte er sie bei seinen nach wie vor stattfindenden Wien-Gastspielen ausschließlich beschränkt auf eine bloße Schlafstelle verwenden können. Seine Ehefrau benütze dieses Appartement für ihre meist kulturellen Zwecken dienenden Wien-Aufenthalte. Für ihn stelle dieses Appartement weder eine ihm zuzurechnende Wohnung dar, noch eine für die Verhältnisse eines international tätigen Künstlers standesgemäße Wohnmöglichkeit. Dieses Appartement entspreche nicht dem Wohnungsbegriff; es käme ihm höchstens der Charakter einer berufsbedingten notwendigen Schlafstelle zu, die statt eines Hotels beansprucht werden würde. Zum Umstand, dass er auf Grund eines Dienstverhältnisses in Österreich beschäftigt gewesen sei, sei anzumerken, dass es bei Künstlern mit befristetem Engagement absolut üblich sei, mit Dienstvertrag beschäftigt zu werden. Warum sein Dienstgeber für die Zeit vom 18. September bis 31. Dezember ein durchgehendes Dienstverhältnis dokumentiert habe, könne er nicht beantworten. In diesem Zeitraum habe es insgesamt 10 Auftritte, vier im Oktober, fünf im November und einen (am 31.) im Dezember gegeben. Am 18. September habe die erste Probe der Saison stattgefunden. Er habe immer nur einen Vertrag für eine bestimmte Saison mit bestimmten Terminen erhalten, so seien vom 1. September 1998 bis 30. Juni 1999 16 Auftritte vereinbart worden. Es sei für international tätige Künstler nicht unüblich, zum Zwecke der Ersparnis von Hotelkosten Appartements anzumieten.

Der Beschwerdeführer habe sowohl seinen Wohnsitz als auch seinen Mittelpunkt der Lebensinteressen in der Schweiz. Er sei daher in der Schweiz unbeschränkt steuerpflichtig. Nach dem anzuwendenden Doppelbesteuerungsabkommen habe Österreich das Besteuerungsrecht nur hinsichtlich jener unselbständigen Tätigkeit, die im Inland ausgeübt werde. Da er in Österreich über keinen Wohnsitz verfüge, unterliege er mit seinen nichtselbständigen Einkünften gemäß § 98 EStG 1988 der beschränkten Steuerpflicht. Ein darüber hinausgehender Besteuerungsanspruch bestehe nicht. Der Beschwerdeführer habe die Rechnung der Spedition über den Transport von Umzugsgut von Wien nach Genf am 31. August 1998, ein Abgangszeugnis seines Sohnes von der Deutschen Schule in Genf und einen Lohnzettel von dem Schweizer Orchester vorgelegt. Auch habe er eine Schweizer Ansässigkeitsbescheinigung nachgereicht.

In der mündlichen Berufungsverhandlung habe der Vertreter des Beschwerdeführers vorgebracht, der Beschwerdeführer sei 1996 und 1997 in Graz tätig geworden und habe sodann ein Engagement in Wien angenommen. Außerdem habe er zahlreiche Auslandsengagements absolviert. Nach Beginn des Engagements in der Schweiz sei der Umzug nach Genf vorgenommen worden. Bei Anmietung einer standesgemäßen Wohnung in Genf habe bereits ein Dienstverhältnis in der Schweiz bestanden.

Die von seiner Ehefrau in Wien angemietete Wohnung sei im selben Haus gelegen, in der der Familienwohnsitz gelegen gewesen sei. Bei der neu angemieteten Wohnung habe es sich um eine solche in einer Größe von ca. 60 m2 gehandelt. Aus dem auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Mietvertrag ergebe sich, dass die eine Nutzfläche von 66,42 m2 aufweisende Wohnung aus zwei Zimmern, einer Küchenzeile, einem Vorraum, einem Bad und einem WC bestehe.

Nach der Berufungsverhandlung habe der Beschwerdeführer ergänzend vorgetragen, dass in der angegebenen Größe des Appartements in Wien das Kellerabteil mit einem Ausmaß von 5,5 m2 inkludiert sei. Die reine Wohnungsfläche betrage daher 60,92 m2. Es sei zu berücksichtigen, dass es sich um einen Dachbodenausbau handle. Aus dem Plan ergebe sich, dass auf der gesamten Längsseite der Wohnung die Raumhöhe lediglich 40 cm betrage und erst bis zur Mitte des Raumes auf normale Raumhöhe ansteige. Dies erkläre die Angabe der Wohnungsfläche mit 40 bis 45 m2 im Verfahren. Die Miete für die Wohnung sei vom gemeinsamen Bankkonto des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau bezahlt worden.

Im Erwägungsteil führte die belangte Behörde nach Gesetzeszitaten und Wiedergabe von Rechtssätzen aus der Judikatur aus, der Beschwerdeführer habe Anfang Oktober, nachdem am 31. August ein Transport von Umzugsgut nach Genf erfolgt sei, seine Wohnung in Wien aufgegeben. Seine Ehefrau habe per 1. September 1998 im selben Haus in Wien eine Wohnung angemietet. Der Auffassung des Beschwerdeführers, seit Verlegung seines Wohnsitzes in die Schweiz habe er im Inland keinen Wohnsitz und das angemietete Appartement seiner Ehefrau käme als Wohnung nicht in Betracht, sei nicht zu folgen. Beim Aufgeben der größeren Wohnung in Wien sei eine Zweizimmerwohnung angemietet worden. Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers seien diese Räumlichkeiten zum Wohnen geeignet und entsprechend eingerichtet gewesen. Der Auffassung des Beschwerdeführers, das Appartement stelle keine für die Verhältnisse eines international bedeutenden Künstlers standesgemäße Wohnmöglichkeit dar, sei entgegenzuhalten, dass nur Räumlichkeiten, die eine notdürftige Unterkunft für einen vorübergehenden Aufenthalt ermöglichten, nicht als Wohnung anzusehen seien. Davon könne aber bei der in Rede stehenden Zweizimmerwohnung keine Rede sein. Es sei auch zu berücksichtigen, dass beim Vorhandensein von zwei Wohnsitzen an den Zweitwohnsitz geringere Anforderungen zu stellen seien. Von einer bloßen "Schlafstelle" könne schon deswegen keine Rede sein, weil sich eine solche in einem Raum befinden müsse, den der Benützer mit einer anderen Person teilen müsse.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei zu entnehmen, dass er mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Gewohnheit diese Wohnung benutzt habe. Der Mietvertrag über diese Wohnung sei auf unbestimmte Zeit abgeschlossen worden. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer in Wien Dienstverpflichtungen bis Ende Juni 1999 zu erfüllen gehabt. Dies habe seine Anwesenheit erfordert. Da der Beschwerdeführer den Vorhalt, wo und wie lange er sich in Österreich aufgehalten habe, nicht beantwortet habe, sei er seiner Nachweis- und Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen. Dass die Wohnung tatsächlich benützt worden sei, ergebe sich daraus, dass der Nachmieter seiner größeren Wohnung die an die Familie des Beschwerdeführers gerichtete Post auf den Postkasten gelegt habe und diese anschließend von dort weggenommen worden sei. Dies sowie der Umstand, dass der Beschwerdeführer an dieser Wohnung gemeldet gewesen sei, seien Indizien dafür, dass er die Wohnung tatsächlich und regelmäßig benützt habe. Dass der Mietvertrag nicht vom Beschwerdeführer, sondern von seiner Ehefrau abgeschlossen worden sei, sei nicht entscheidend. Es sei zu berücksichtigen, dass er mit seiner Ehefrau in aufrechter Ehe lebe. Nach dem Vorbringen verfüge seine Ehefrau über keine entsprechenden Einkünfte, sondern nur über gelegentliche Honorare. Die rechtliche Gestaltung hinsichtlich der Anmietung der Wohnung trete daher in den Hintergrund.

Es sei daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Jahr 1998 im Inland einen Wohnsitz gehabt habe und daher unbeschränkt steuerpflichtig gewesen sei. Nach den Ermittlungsergebnissen habe der Beschwerdeführer im September neben seinem bisherigen Wohnsitz im Inland einen weiteren Wohnsitz in der Schweiz begründet. An der Anwendung der inländischen Steuervorschrift ändere sich auch dann nichts, wenn der Steuerpflichtige neben seinem inländischen Wohnsitz auch einen ausländischen habe und das jeweilige Doppelbesteuerungsabkommen auf Grund der stärkeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen (des Mittelpunktes der Lebensinteressen) des Steuerpflichtigen zum ausländischen Staat Österreich nur die Rolle des Quellenstaates zuweise. Gemäß Art. 15 des DBA-Schweiz dürften Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit beziehe, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass die Arbeit in dem anderen Vertragsstaat ausgeübt werde. Werde die Arbeit dort ausgeübt, so dürften die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden, außer der Empfänger halte sich in dem anderen Staat nicht länger als 183 Tage während des betreffenden Steuerjahres auf.

Der Beschwerdeführer sei im Streitjahr von September bis Dezember wie auch in der ersten Jahreshälfte unbestrittenermaßen als Dirigent im Inland beschäftigt gewesen und habe aus dieser Tätigkeit inländische Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen. Entsprechend den Bestimmungen des DBA-Schweiz stehe für den Fall, dass die Tätigkeit im Inland ausgeübt werde, Österreich das volle Besteuerungsrecht hinsichtlich dieser erzielten Einkünfte zu. Der Beschwerdeführer sei seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen, weil er den Vorhalt des Finanzamtes, wo und wie lange er sich im Jahr 1998 im Inland aufgehalten habe, nicht beantwortet habe. In der Ergänzung zur Berufung habe der Beschwerdeführer u.a. ausgeführt, gemäß Art. 15 DBA-Schweiz habe Österreich das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte. Wenn in Österreich nun tatsächlich ein Wohnsitz des Beschwerdeführers vorliege, unterlägen die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der unbeschränkten Steuerpflicht in Österreich. Die Berufung erweise sich daher als unbegründet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind jene natürlichen Personen unbeschränkt steuerpflichtig, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte. Nach dem dritten Absatz dieser Bestimmung sind jene natürlichen Personen beschränkt steuerpflichtig, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die beschränkte Steuerpflicht erstreckt sich nur auf die in § 98 aufgezählten Einkünfte.

Nach § 26 Abs. 1 BAO hat jemand einen Wohnsitz im Sinn der Abgabenvorschriften dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

Steuerrechtlich ist das Bestehen eines Wohnsitzes stets an die objektive Voraussetzung der Innehabung einer Wohnung geknüpft. Innehaben bedeutet, über eine Wohnung tatsächlich oder rechtlich verfügen zu können, sie also jederzeit für den eigenen Wohnbedarf benützen zu können. Maßgeblich ist die tatsächliche Gestaltung der Dinge. Um einen Wohnsitz im Sinne der Abgabenvorschriften zu begründen, bedarf es daher nur der tatsächlichen Verfügungsgewalt über bestimmte Räumlichkeiten, die nach der Verkehrsauffassung zum Wohnen geeignet sind, also ohne wesentliche Änderung jederzeit zum Wohnen benutzt werden können und ihrem Inhaber nach Größe und Ausstattung ein den persönlichen Verhältnissen entsprechendes Heim bieten (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa die hg. Erkenntnisse vom 16. November 1991, 91/14/0041, vom 16. September 1992, 90/13/0299, vom 24. Jänner 1996, 95/13/0150, und vom 3. Juli 2003, 99/15/0104).

Der Beschwerdeführer macht geltend, er benütze das Appartement seiner Ehefrau lediglich zur Übernachtung, wenn er in Wien aufzutreten habe. Das Appartement habe für ihn keine andere Funktion als ein Hotelzimmer. Es sei davon auszugehen, dass dieses Appartement ihm nur vorübergehend eine seinen Verhältnissen nicht entsprechende Unterkunft gewähre.

Soweit der Beschwerdeführer damit bereits das Vorhandensein einer Wohnung in Abrede stellt, übersieht er, dass unter einer Wohnung eingerichtete, zum Wohnen bestimmte Räume zu verstehen sind. Nach den nicht bekämpften Feststellungen des angefochtenen Bescheides ist das gegenständliche Appartement zum Wohnen geeignet und entsprechend eingerichtet. Nicht nur dies, sondern auch die objektive Beschreibung des Appartements in dem der belangten Behörde vorliegenden Mietvertrag lässt keinen Zweifel daran, dass es sich um eine Wohnung im dargestellten Sinne handelt. Ob die Wohnung standesgemäß ist, ist nicht entscheidend (vgl. Doralt, EStG9, § 1 Tz. 10 unter Hinweis auf die Judikatur).

Weiters machte der Beschwerdeführer geltend, seine eheliche Wohnung sei in Genf. Die von seiner Ehefrau in Wien angemietete Zweizimmerwohnung sei nie Ehewohnung gewesen. Eine uneingeschränkte Verfügungsmöglichkeit des Beschwerdeführers an dieser Wohnung könne daher eherechtlich nicht begründet werden.

Auch mit diesem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer die dargestellte Rechtslage, wonach unter dem "Innehaben" einer Wohnung die rechtliche und/oder tatsächliche Möglichkeit zu verstehen ist, über die Wohnung zu verfügen, insbesondere sie für den Wohnbedarf jederzeit benützen zu können. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren - trotz eines entsprechenden Hinweises in der Berufungsvorentscheidung - aber auch in der Beschwerde nicht in Abrede gestellt, dass er im Streitzeitraum die von seiner Ehefrau angemietete Wohnung tatsächlich jederzeit ungehindert und uneingeschränkt benützen konnte.

Schließlich meint der Beschwerdeführer die im § 26 Abs. 1 BAO geforderten Umstände, "die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen" werde, lägen nicht vor.

Auch damit zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die belangte Behörde hat zutreffend dafür den Mietvertrag auf unbestimmte Zeit und das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers noch bis "Ende Juni 1999" ins Treffen geführt. Die vom Beschwerdeführer dagegen vorgebrachten Argumente bestätigen indessen die Auffassung der belangten Behörde: Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, von September 1998 bis Juni 1999 habe er nur 16 Auftritte zu absolvieren gehabt und das von der belangten Behörde angenommene Hinzutreten von Proben gelte nur für Neueinstudierungen, nicht jedoch bei Repertoireaufführungen, übersieht er sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren. Im Schriftsatz vom 21. November 2000 (Ergänzung zum Vorlageantrag) führte er nämlich aus, dass am 18. September die erste Probe in der Saison in der Staatsoper stattgefunden habe (Seite 3 vorletzter Absatz). Wenn daher die belangte Behörde die Tage des Aufenthaltes des Beschwerdeführers nicht mit den Tagen seiner Auftritte gleichgesetzt hat, ist dies nicht rechtswidrig.

Die belangte Behörde hat daher zutreffend einen inländischen Wohnsitz des Beschwerdeführers und seine unbeschränkte Steuerpflicht angenommen. Dass auf Grund des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. Nr. 64/1975, (in der Folge DBA-Schweiz) das Besteuerungsrecht Österreich hinsichtlich der Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit entzogen worden wäre (vgl. Art. 15, insbes. Abs. 2 lit. b DBA-Schweiz), behauptet der Beschwerdeführer nicht.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 3. November 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2002150102.X00

Im RIS seit

08.01.2006

Zuletzt aktualisiert am

15.03.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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