Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel, Dr.Melber, Dr.Kropfitsch und Dr.Warta als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria S***, Landwirtin, 4922 Geiersberg, Oberrühring 1, vertreten durch Dr.Rudolf Watschinger, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, wider die beklagte Partei Rudolf W***, Landwirt, 4922 Geiersberg, Oberrühring 2, vertreten durch Dr.Manfred Pochendorfer, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, wegen 336.354,60 S und Feststellung, infolge Revisionen der klagenden und der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 2.März 1989, GZ 6 R 296/88-95, womit infolge Berufungen der klagenden und der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 23.Juni 1988, GZ 5 Cg 6/87-84, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 12.1.1984 ereignete sich in einem Waldgrundstück in Oberrühring, Gemeinde Geiersberg, beim Holzfällen ein Unfall, bei dem die Klägerin schwer verletzt wurde. Der Beklagte wurde strafrechtlich schuldig erkannt, "dadurch, daß er beim Holzfällen nicht für das nötige Einhalten des Sicherheitsabstandes 'seiner Mitarbeiterin' sorgte, wodurch diese vom Baumwipfel einer umfallenden Fichte getroffen wurde", fahrlässig die Klägerin am Körper verletzt zu haben.
Die Klägerin begehrte die Zuerkennung eines Schmerzengeldes und die Abgeltung der Aufwendungen für Ersatzkräfte von insgesamt 356.356,60 S sA; außerdem beantragte sie die Feststellung, daß ihr der Beklagte für die zukünftigen Folgen aus dem Unfall zu haften habe. Der Beklagte habe die Fällarbeiten unfachgemäß durchgeführt. Er habe es unterlassen, die Klägerin darauf aufmerksam zu machen, daß sie wegen eines "bereits eingeschnittenen" Baumes vorsichtig sein solle. Sie habe nicht damit rechnen müssen, daß demnächst ein Baum "umfallen" werde. Die Klägerin habe nicht wissen können, daß sie sich im Gefahrenbereich des zu fällenden Baumes befinde. Sie habe bei dem Unfall schwerste Verletzungen erlitten, weshalb ein Schmerzengeld von 270.000,-- S angemessen sei. Zuzüglich weiterer auf den Unfall zurückzuführender Schäden gebühre der Klägerin daher unter Berücksichtigung erfolgter Teilzahlungen der bereits oben ausgewiesene Betrag von 356.356,60 S sA.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin treffe ein zumindest gleichteiliges Mitverschulden am Unfall. Sie habe sich trotz ihrer Kenntnis über die Gefahren beim Baumfällen in die Fallrichtung des Baumes begeben. Sie habe um die Schlägerungsarbeiten gewußt. Die geltend gemachten Ansprüche seien teilweise überhöht.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren - ausgehend von einer Verschuldensteilung von 1 : 3 zu Gunsten der Klägerin - mit 265.329,75 S sA (richtiggestellt auf 244.578,95 S sA) und im Feststellungsbegehren zu 75 % statt und wies das Mehrbegehren ab. Es traf - zusammengefaßt dargestellt - folgende Feststellungen:
Die Streitteile sind Nachbarn. Die Klägerin hat zwar keine Landwirtschaftsschule besucht; sie hat aber Kurse gemacht und ist als landwirtschaftliche Facharbeiterin zu beurteilen. Sie hat bei den jährlich anfallenden Holzarbeiten immer mitgeholfen; "geschnitten" hat sie selbst aber nicht.
Der Beklagte verfügt über eine große Erfahrung bei Waldarbeiten. Er arbeitete zwei Winter lang als Holzfäller und ging jahrelang zu einem Sägewerk arbeiten; auch dort hatte er Bäume zu fällen. Aus diesem Grunde wurde der Beklagte verschiedentlich, so auch von der Familie der Klägerin, öfters beigezogen, wenn "schwierige Bäume" zu fällen waren. Der Beklagte hat zwar einen etwa sechs Wochen dauernden landwirtschaftlichen Lehrlingskurs absolviert; über eine spezielle Holzfällerausbildung verfügt er jedoch nicht. Die Unfallsstelle liegt an einem sanft geneigten Hang, der hangabwärts steiler wird. In diesem Bereich grenzt an das Waldgrundstück des Beklagten ein Waldgrundstück der Klägerin an. In diesem Bereich hatten die Klägerin und ihr Ehegatte ungefähr eine Woche vor dem Unfallstag mit Waldarbeiten begonnen. Sie hatten Buchen gefällt und diese in Meterstücke zerschnitten. Die restlichen Buchenstücke wollten sie am 12.1.1984 aufladen und nach Hause transportieren. Dazu waren sie bereits um 7.30 Uhr in den Wald gefahren und hatten eine Fuhre aufgelegt. Als sie diese gegen 9.00 Uhr nach Hause fuhren, trafen sie den Beklagten, der ebenfalls zu Holzarbeiten unterwegs war. Auch dieser hatte dort schon einen Tag vor dem Unfall Holzarbeiten durchgeführt.
Einige Tage vorher hatte er den Ehegatten der Klägerin ersucht, auf ihren Grund Bäume "schmeissen" zu dürfen. Es konnte allerdings nicht festgestellt werden, ob der Klägerin hievon etwas gesagt wurde. Der Beklagte schlägerte zunächst weiter oben hangaufwärts mehrere Bäume. Währenddessen kehrten die Klägerin und ihr Ehegatte mit dem Traktor samt Anhänger wieder in den Wald zurück und begannen mit dem Aufladen der zweiten Fuhre. Als sie diese nahezu vollständig aufgelegt hatten, fuhr der Beklagte mit seinem Traktor "herunter". Er stellte diesen hinter dem auf dem Waldweg abgestellten Anhänger der Ehegatten, die noch mit dem Aufladen beschäftigt waren, ab. Der Beklagte beabsichtigte, zwei weitere Bäume zu fällen. Diese standen an einem "Bestandesrand eines angehend haubaren, im wesentlichen aus Fichten bestehenden Waldbestandes". An diesen Bestandesrand schließt eine zwischenzeitig wieder aufgeforstete, im Eigentum der Klägerin und ihres Ehegatten stehende Schlagfläche an. Wegen der Geländebeschaffenheit konnte der Beklagte die beiden Fichten allerdings nur in Richtung des schon erwähnten Waldweges fällen, die dabei jedoch auch auf den angrenzenden Waldgrund der Klägerin und ihres Ehegatten zu liegen kommen mußten. Er fragte deshalb die Klägerin, der er auch die beiden Fichten zeigte, ob er diese auf ihren Grund "schmeissen" dürfe; dies bejahte sie. Die beiden Fichten waren jedoch so lang, daß sie über den Waldweg hinüberreichten, weshalb der Beklagte mit seinem Traktor an diesen nicht mehr hätte vorbeifahren können. Als der Ehegatte der Klägerin zu den beiden kam, bat er daher diesen, seinen Traktor mit Anhänger auf dem Waldweg weiter nach vorne zu fahren, damit er mit seinem Traktor ebenfalls so weit vorfahren könne, daß die zu fällenden Bäume hinter diesem zu liegen kämen. Zudem wollte der Beklagte die Bäume auch so fällen, daß er sie mit seinem Traktor anschließend sofort herausziehen konnte.
Der Ehegatte der Klägerin kam diesem Wunsch sogleich nach. Etwa 3 bis 4 m hinter dem Anhänger der Ehegatten stellte dann auch der Beklagte seinen Traktor ab. Anschließend verließen die Ehegatten diesen Bereich, um weiter unterhalb (außerhalb des Sichtbereiches, jedoch innerhalb des Hörbereiches des Beklagten) Arbeiten durchzuführen.
Der Beklagte hatte zwischenzeitig begonnen, die erste Fichte zu fällen. Da er diese wegen des Wipfelbereiches nicht hangaufwärts (in Richtung des Waldweges) fällen konnte, "lehnte" er sie zunächst im Wipfelbereich nach hinten "an". Um dies erreichen zu können, schnitt der Beklagte zunächst mit der Motorsäge einen Keil aus dem Stamm heraus, wodurch sich dieser geringfügig nach hinten neigte; wegen der daneben stehenden Bäume blieb der so angeschnittene Baum in den Wipfeln dieser Bäume hängen.
Als der Beklagte mit dieser Tätigkeit beschäftigt war - der Baum war gerade "angelehnt" worden - kam der Ehegatte der Klägerin und bat ihn um den Meterstab, den ihm der Beklagte, ohne daß ein weiteres Gespräch zwischen den beiden stattgefunden hätte, aushändigte, worauf jener sofort wieder zu seiner Arbeitsstelle unterhalb des Hanges zurückging.
Im unteren Stammbereich der Fichte befestigte der Beklagte sodann eine Kette, die mit dem anderen Ende am Traktor angehängt war. Er schnitt schließlich mit der Motorsäge den Stamm zur Gänze durch und zog ihn mit dem Traktor nach vorne nieder. Dadurch fiel der Baum nach hinten.
Vor dem Traktor des Beklagten war der Traktor und der Anhänger der Klägerin und ihres Ehegatten abgestellt. Die Entfernung zwischen dem Traktor des Beklagten und dem Anhänger der Ehegatten betrug ungefähr 3 bis 4 m, sodaß dazwischen ohne weiteres durchgegangen werden konnte.
Der Beklagte ging dann daran, die zweite Fichte zu fällen. Da diese weiter hangaufwärts und zudem frei stand, beabsichtigte er, sie hangaufwärts zu "schmeissen". Er schnitt mit der Motorsäge am vorderen Teil des Baumes (in die gewünschte Fällrichtung zeigend) den Fallkerb heraus und setzte anschließend sogleich von hinten, allerdings nur geringfügig höher als der Sohlenschnitt angebracht war, den Fällschnitt. Dadurch entstand nahezu keine Bruchleiste. Als Folge davon neigte sich der Baum entgegen der gewünschten Fallrichtung nach hinten. Dadurch "machte" der Baum den Fällschnitt zu und klemmte das Schwert der Motorsäge ein. Der Beklagte versuchte fun, den Baum mit einer Hacke in die gewünschte Richtung zu Fall zu bringen. Durch Schläge gegen den Stamm wollte er den Baum in die vorgesehene Fallrichtung "tauchen". Als dies zu keinem Erfolg führte, holte er sich einen Fällkeil, den er etwa 30 m weiter oben links der abgestellten Fahrzeuge auf einem Stock liegen hatte. Als der Beklagte gerade den Keil genommen hatte, sah er die Klägerin von unterhalb der Böschung heraufkommen und in seine Richtung gehen. Etwa im Bereich der Mitte des schon gefällten Baumes trafen die beiden zusammen. Die Klägerin gab hier dem Beklagten den Meterstab zurück. Gesprochen wurde dabei nahezunichts; der Beklagte sagte insbesondere nichts davon, daß er gerade dabei sei, einen weiteren Baum zu fällen.
Die Klägerin ging dann in Richtung Traktorgespann, der Beklagte zum eingeschnittenen Baum weg. Da er dort früher angelangt war als die Klägerin beim Traktorgespann, wartete er noch, bis diese dort war und begann dann, zunäcdst eher langsam, jedoch ohne einen Warnruf abzugeben, mit dem Aufkeilen der Fichte.
Der Beklagte wollte vor allem verhindern, daß wegen des gefrorenen Baumes der Keil nach hinten heraussprang. Er schlug mit der Hacke noch mehrere Male gegen den Keil und blickte dann in Richtung der Klägerin, die gerade um den Traktor des Beklagten herumging. Die Klägerin hörte zwar das Schlagen mit der Hacke und auch das Motorsägegeräusch von der Arbeit ihres Ehegatten; sie schenkte aber beiden keine Aufmerksamkeit und setzte ihre Arbeit fort.
In diesem Augenblick begann sich der Baum, der etwa 25 m lang war, in die gewünschte Fällrichtung und damit in Richtung Klägerin zu neigen. Als der Beklagte dies sah, schrie er mit voller Lautstärke sinngemäß in Richtung der Klägerin: "Maria, paß auf". Diese hörte aber den Schrei nicht - wegen der kalten Witterung hatte sie ein Kopftuch auf und über dieses noch eine Kapuze gezogen - und ging weiter. Sie wurde durch den Wipfel des niederfallenden Baumes - als sie sich etwa im Bereich des Traktors des Beklagten befand - getroffen und schwer verletzt.
Vom Unfallverhütungsdienst der Sozialversicherungsanstalt der Bauern wird eine Broschüre über die Arbeitstechnik bei der Holzernte herausgegeben, die auch den Streitteilen bekannt war. Sie führt u.a. aus:
"Die Fälltechnik ist die Fertigkeit, einen Baum genau in die gewünschte Richtung (Fallrichtung) zu fällen. Der oberste Grundsatz bei der Fällarbeit ist das strikte Einhalten der Sicherheitsvorschriften und das Vermeiden jedes Risikos. Vor der Fällarbeit ist die Fallrichtung zu bestimmen, der Baum zu beurteilen (Spannungsverhältnisse) und der Fluchtweg zu suchen und freizumachen. Weiters ist für einen festen Standplatz zu sorgen (Steine, Äste und ähnliche Hindernisse entfernen). Starke Wurzelanläufe sind beizuschneiden und der Stammfuß ist freizulegen. Die Anlage des Fallkerbes ist ab einem Brusthöhendurchmesser von 20 cm vorgeschrieben. Der Fallkerb muß genau und gewissenhaft geschnitten werden. Der Sohlenschnitt wird waagrecht und möglichst tief angelegt, der Dachschnitt soll einen Winkel von 45 Grad aufweisen und den Sohlenschnitt in einer Linie treffen. Die Fallkerbtiefe hängt von der Zugrichtung des Baumes ab. Die Fallrichtung soll vor dem Fällschnitt nachgeprüft werden. Vor Beginn des Fällschnittes muß vom Motorsägenführer der Fallbereich überblickt werden, ob sich Personen innerhalb des Fallbereiches aufhalten; diese sind aus dem Fallbereich zu verweisen (der Fallbereich ist ein Umkreis mit der 1,5fachen Baumlänge). Ebenso ist vor dem Fällen ein lauter Warnruf bei abgestellter Motorsäge abzugeben. Wenn der Baum fällt, weicht der Waldarbeiter zum vorher festgelegten Fluchtweg zurück und behält den fallenden Baum im Auge."
Ein angesägter Baum ist ohne unnötigen Verzug zu Fall zu bringen. Jeder Waldarbeiter ist verpflichtet, bei der Schlägerung richtig ausgerüstet zu sein und die nötigen Werkzeuge bei sich zu haben, die für eine ordnungsgemäße Schlägerung notwendig sind. Dazu gehören in erster Linie auch die Keile. Keile dienen vor allen Dingen dazu, durch rechtzeitiges Setzen beim Fällen das Klemmen der Motorsäge zu verhindern. Außerdem kann die Fallrichtung des Baumes durch Keile im letzten Augenblick noch etwas verändert werden. Die Keile sind daher vor Beginn der Fällung unmittelbar am Arbeitsort zu hinterlegen.
Der Gefährdungsbereich (Fallbereich) ist ein Kreis mit einem Radius im Umfang des 1,5fachen der Baumlänge. Durch diesen kreisförmigen Gefährdungsbereich sollen sämtliche Unabwägbarkeiten im Zusammenhang mit dem Fällen des Baumes hintangehalten werden. Dazu zählen Fehler bei der Fällung selbst. Dazu gehört auch das Eintreten eines etwa nicht erwarteten Windstoßes, der zu einer Änderung der beabsichtigten Fallrichtung führt. Mit der 1 1/2fachen Länge des Baumes sind auch allenfalls auftretende Schätzfehler über die Höhe des Baumes miteinkalkuliert. Weiters dient dieser Gefährdungsbereich dazu, Verletzungen zu vermeiden, die durch das Wegspringen von vor allem dürren Ästen vom umfallenden Baum entstehen könnten.
Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß das Verschulden des Beklagten auf Grund seiner strafgerichtlichen Verurteilung bindend feststehe. Dem Beklagten sei anzulasten, daß er den Gefährdungsbereich unrichtig einschätzte, unsachgemäß arbeitete und keinen Warnruf vor dem Fällen des Baumes bei abgestellter Motorsäge abgab. Der Beklagte habe es auch unterlassen, die Klägerin darauf aufmerksam zu machen, daß der zu fällende zweite Baum bereits angesägt war und daß sie sich deshalb außerhalb des Fallbereiches dieses Baumes zu halten habe. Der Klägerin sei anzulasten, daß sie wußte, welche und wie viele Bäume und in welche Richtung der Beklagte diese zu fällen beabsichtigte. Die Klägerin habe bei der Übergabe des Meterstabes an den Beklagten auch gesehen, daß dieser erst einen Baum gefällt hatte. Sie habe sich trotzdem, ohne sich weiter um den Beklagten und seine Arbeit zu kümmern und trotz der von ihr vernommenen Geräusche der Hacke, im Gefährdungsbereich aufgehalten; dies obwohhl sie selbst seit Jahren mit Holz- und Waldarbeit beschäftigt gewesen sei. Es sei ihr daher ein Mitverschulden am Unfall von einem Viertel anzulasten. Unter Berücksichtigung der hier nicht weiter relevanten Feststellung auch zur Schadenshöhe gelangte das Erstgericht zur oben wiedergegebenen Entscheidung.
Das Berufungsgericht gab den Berufungen der Streitteile nicht Folge. Es billigte die Verschuldensteilung des Erstgerichtes und führte insbesondere zum Verschuldensanteil der Klägerin aus, daß sie dabei gewesen sei, wie der Beklagte ihren Ehegatten ersuchte, den Traktor mit Anhänger auf dem Waldweg weiter nach vorne zu fahren, damit er mit seinem Traktor ebenfalls, und zwar so weit vorfahren konnte, daß er für die zu fällenden Bäume Raum schaffte. Vorher habe der Beklagte die Klägerin gefragt, ober er die beiden Fichten, welche er der Klägerin zeigte, auf ihren Grund "schmeissen" dürfe. Die Klägerin habe daher gewußt, wohin diese Bäume fallen würden und habe auch erkennen können, daß sie sich in den Gefahrenbereich der zu fällenden Bäume begebe. Es sei ihr daher eine gewisse Sorglosigkeit gegenüber ihrer eigenen körperlichen Sicherheit anzulasten, was die Annahme einer Verschuldensquote von einem Viertel rechtfertige. Das Verschulden des Beklagten überwiege aber wesentlich, weshalb von einer Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 1, wie dies der Beklagte anstrebt, nicht die Rede sein kann. Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richten sich die Revisionen sowohl der Klägerin als auch des Beklagten. Beide machen die Revisionsgründe des § 503 Z 4 ZPO geltend. Die Klägerin beantragt, ihr einen weiteren Betrag von 91.776,65 S sA zuzusprechen und dem Feststellungsbegehren zur Gänze stattzugeben; der Beklagte begehrt die Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahin, daß der Klägerin nur 154.803,30 S sA zugesprochen und ihrem Feststellungsbegehren mit 50 % stattgegeben werde; beide stellen auch hilfsweise Aufhebungsanträge.
In den Revisionsbeantwortungen beantragen die Parteien, der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionen sind nicht berechtigt. Sie befassen sich nur mit der von den Vorinstanzen vorgenommenen Verschuldensteilung. Die Klägerin steht auf dem Standpunkt, sie treffe überhaupt kein Verschulden, der Beklagte erachtet eine Verschuldensteilung von 1 : 1 für gerechtfertigt. Die Vorinstanzen haben jedoch zutreffend darauf verwiesen, daß beide Teile am Unfall schuldig sind:
Der Klägerin ist im Sinne der ständigen Judikatur entgegenzuhalten, daß das Mitverschulden des Geschädigten an der Herbeiführung seines eigenen Schadens nicht die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens voraussetzt, sondern nur die Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern (ZVR 1976/105; SZ 54/85; 2 Ob 57/89 uza). Die Sorglosigkeit der Klägerin gegenüber ihrer körperlichen Integrität ist aber - wie die Vorinstanzen richtig
ausführten - nicht zu übersehen. Sie wußte, daß in unmittelbarer Nähe jener Stelle, an welcher sie sich aufhielt, Schlägerungsarbeiten durchgeführt wurden; sie wußte sogar um die in Aussicht genommene Fallrichtung der Bäume und hörte auch die entsprechenden Arbeitsgeräusche des Aufkeilens der Fichte. Unter diesen Umständen kann ihrer Argumentation, daß Hörgeräusche bei Holzfällarbeiten nicht unbedingt mit der Schlägerung eines Baumes in Zusammenhang gebracht werden müßten, nicht der von ihr angestrebte Sinn unterstellt werden; im Gegenteil, unter den dargelegten Umständen bestand für die Klägerin ein unmittelbarer und dringeder Anlaß zu bedenken, daß die Schlägerungsarbeiten mit allen ihren gefährlichen Begleiterscheinungen noch in Gang waren und daß sie durch das Fällen eines in ihrer unmittelbaren Nähe geschlägerten Baumes zu Schaden kommen könnte. Es wäre daher ihre Pflicht gewesen, sich so rasch wie möglich aus dem Gefahrenbereich zu entfernen. Daß sie diese naheliegende Maßnahme zu ihrem eigenen Schutz unterließ, haben ihr die Vorinstanzen daher mit Recht als - wenn auch im Vergleich zum Verschulden des Beklagten - geringes Mitverschulden angelastet.
Aber auch die Argumentation des Beklagten in seiner Revision ist nicht stichhältig. Von den von ihm durchgeführten Schlägerungsarbeiten ging die primäre Gefahr aus. Er wußte, daß sich die Klägerin in der unmittelbaren Nähe aufhielt. Er mußte in Rechnung stellen, daß sie über den Fortgang seiner Schlägerungsarbeiten nicht Bescheid wußte. Es war seine naheliegende Aufgabe, sie entsprechend zu warnen, zumal sich die Schlägerung der zweiten Fichte als technisch schwierig erwies und deren Fallrichtung problematisch erschien. Es war daher von ihm überaus sorglos, darauf zu vertrauen, daß sich die Klägerin selbst vorsehen werde und den zweiten Baum zu fällen, ohne ausschließen zu können, daß diese bereits in Sicherheit war. Zutreffend haben daher die Vorinstanzen sein Verschulden als beträchtlich schwerwiegender beurteilt als das Mitverschulden der Klägerin.
Beiden Revisionen war somit der Erfolg zu versagen. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 43 Abs 1, 50 ZPO.
Anmerkung
E18045European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0020OB00566.89.0830.000Dokumentnummer
JJT_19890830_OGH0002_0020OB00566_8900000_000