Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Fellner und Dr.Dengscherz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Josef G***, Vertragsbediensteter, Neufeld, Franz Schöngasse 11, vertreten durch Dr.Andre A***-D***, Sekretär der Gewerkschaft öffentlicher Dienst, dieser vertreten durch Dr.Walter Riedl, Dr.Peter Ringhofer und Dr.Martin Riedl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei R*** Ö*** (Bundesministerium für Landesverteidigung), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Rechtsunwirksamerklärung einer Kündigung und Feststellung (Fortbestand des Dienstverhältnisses), Streitwert 31.000 S, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10.März 1989, GZ 33 Ra 127/88-9, womit das Urteil des Kreisgerichtes Wr.Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 14.Juli 1988, GZ 4 Cga 54/88-5, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Kläger war ab 25.Juni 1982 als Vertragsbediensteter in der Funktion eines Munitionsfacharbeiters in der Heeresmunitionsanstalt Großmittel beschäftigt. Bei dieser Dienststelle besteht ein Dienststellenausschuß. Die Heeresmunitionsanstalt Großmittel untersteht dem Heeresmaterialamt, bei dem ein Fachausschuß eingerichtet ist. Beim übergeordneten Bundesministerium für Landesverteidigung besteht ein Zentralausschuß. Der Leiter der Heeresmunitionsanstalt Großmittel beantragte nach Einholung der Zustimmung des Dienststellenausschusses die Kündigung des Klägers wegen Unzuverlässigkeit beim Heeresmaterialamt als übergeordneter Dienststelle. Der Leiter des Heeresmaterialamtes stellte nach Prüfung der Sachlage ohne Beiziehung seines Fachausschusses an das Bundesministerium für Landesverteidigung den Antrag, den Kläger nach § 32 Abs 2 lit b VBG zu kündigen. Nach Zustimmung des Zentralausschusses sprach das Bundesministerium für Landesverteidigung die Kündigung des Klägers zum 30.April 1988 aus. Das Kündigungsschreiben kam dem Kläger im Jänner 1988 zu. Am 15. April 1988 erfuhr der Rechtsvertreter des Klägers, daß der Fachausschuß beim Heeresmaterialamt mit der Kündigung nicht befaßt wurde. Die Klage langte am 29.April 1988 beim Erstgericht ein. Der Kläger begehrte, die von der beklagten Partei mit Schreiben vom 22.Jänner 1988 ausgesprochene Kündigung gemäß § 10 Abs 9 PVG für rechtsunwirksam zu erklären, sodaß das Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen über den 30.April 1988 hinaus aufrecht fortbestehe. In eventu beantragte der Kläger die Feststellung, daß das Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen über den 30.April 1988 hinaus aufrecht fortbestehe. Die Kündigung sei mangels Zustimmung des Fachausschusses unwirksam. Darüber hinaus sei der Kläger seit 5. Oktober 1987 abstinent und daher in der Lage, die vertraglich vereinbarte Tätigkeit zu leisten, sodaß ein Kündigungsgrund nicht vorliege.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger sei wegen Alkoholabusus dienstunfähig. Die Personalvertretung sei mit dem Kündigungsvorgang ordnungsgemäß befaßt worden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und vertrat die Rechtsauffassung, daß die Kündigung mangels Befassung des Fachausschusses beim Heeresmaterialamt rechtsunwirksam sei. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge, hob das angefochtene Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß das Gesetz die Mitwirkung der Personalvertretung nicht schon im Vorfeld allenfalls zu treffender Entscheidungen vorsehe, sodaß die Antragstellung auf Kündigung an die übergeordnete Dienststelle ohne Beiziehung des Dienststellen- bzw. Fachausschusses erfolgen könne. Da bei der Kündigung des Klägers kein Formfehler unterlaufen sei, sei das Vorliegen des behaupteten Kündigungsgrundes zu prüfen. Gegen dieses Urteil richtet sich der Rekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern.
Die beklagte Partei beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung Arb. 10.514 =
SZ 59/2 = JBl 1986,265 = EvBl 1986/102 (in gleichem Sinn auch 9 Ob
A 26/89) ausgesprochen hat, ist auch der vom Leiter einer
nachgeordneten Dienststelle gestellte Antrag an die für die
Kündigung zuständige übergeordnete Dienststelle, die Kündigung eines
Bediensteten auszusprechen, eine Maßnahme im Sinne des § 9 Abs 1
PVG, von der der bei der nachgeordneten Dienststelle eingerichtete
Dienststellenausschuß gemäß § 10 Abs 1 PVG spätestens zwei Wochen
vor ihrer Durchführung nachweislich zu verständigen ist, um ihm
Gelegenheit zu geben, die Angelegenheit mit dem Dienststellenleiter
eingehend zu verhandeln. Der Dienststellenausschuß ist daher schon
vor der formellen Antragstellung an die übergeordnete Behörde und
der damit verbundenen endgültigen Festlegung des antragstellenden
Leiters der Dienststelle einzuschalten (so auch 9 Ob A 26/89).
Der antragstellende Leiter der Heeresmunitionsanstalt Großmittel hat diesem Formerfordernis durch Verständigung des Dienststellenausschusses von dem beabsichtigten Antrag auf Kündigung des Klägers entsprochen. Gemäß § 12 Abs 1 lit a PVG ist es aber Aufgabe des Fachausschusses, in Angelegenheiten im Sinne des § 9, die über den Wirkungsbereich des Dienststellenausschusses, nicht jedoch über den Wirkungsbereich des Fachausschusses hinausgehen, mitzuwirken. In den Erläuternden Bemerkungen zu der in diesem Punkt unverändert übernommenen Regierungsvorlage 208 BlgNR 11.GP, 17, heißt es zu den §§ 11 und 12 PVG unter anderem: "Der Fachausschuß bildet zum einen das Bindeglied (quasi Berufungsinstanz) zwischen Dienststellenausschuß und Zentralausschuß. Durch ihn soll verhindert werden, daß alle Angelegenheiten, über die zwischen Dienststellenausschuß und Dienststelle kein Einvernehmen erzielt werden kann, sogleich an die Zentralstelle gelangen. Der Fachausschuß ist zum anderen in jenen Angelegenheiten, die über den Wirkungsbereich des Dienststellenausschusses hinausgehen und nicht schon in die Zuständigkeit des Zentralausschusses fallen, erstinstanzlich zuständig".
Da zum Ausspruch der Kündigung nicht das Heeresmaterialamt, sondern das Bundesministerium für Landesverteidigung berufen ist, war daher der Fachausschuß beim Heeresmaterialamt gemäß § 12 Abs 1 lit a PVG diesbezüglich nicht beizuziehen. Was hingegen die Antragstellung auf Kündigung betrifft, war bereits der Dienststellenausschuß (im Rahmen seines Wirkungsbereiches) eingeschaltet, sodaß die Beiziehung des Fachausschusses nur in einem Verfahren gemäß § 10 Abs 5 und 6 PVG in Frage gekommen wäre. Ein derartiges Verfahren ist aber nur für den Fall vorgesehen, daß eine Verständigung mit dem Dienststellenausschuß nicht erzielt wird (siehe Waas, Objektive Rechtsverfolgungsmöglichkeiten für öffentlich Bedienstete, Strasser FS, 723). Da bezüglich der Kündigung des Klägers zwischen dem Leiter der Dienststelle und dem Dienststellenausschuß Einvernehmen erzielt und daher vom Dienststellenausschuß ein Antrag auf Vorlage im Sinne des § 10 Abs 5 PVG nicht gestellt wurde, bestand für den Leiter der übergeordneten Dienststelle Heeresmaterialamt keine Verpflichtung, den dortigen Fachausschuß gemäß § 10 Abs 6 PVG neuerlich mit der Antragstellung auf Kündigung des Klägers zu befassen (vgl. auch Waas aaO, 719, wonach durch das System aufsteigender Zuständigkeiten lediglich gewährleistet sein soll, daß jedenfalls ein Personalvertretungsorgan für die Erfüllung der Obliegenheit zuständig ist).
Dem Berufungsgericht ist somit beizupflichten, daß die Beiziehung des Fachausschusses beim Heeresmaterialamt nicht erforderlich war, sodaß ein die Unwirksamkeit der Kündigung bewirkender Formmangel nicht vorliegt.
Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E18352European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:009OBA00171.89.0830.000Dokumentnummer
JJT_19890830_OGH0002_009OBA00171_8900000_000