TE OGH 1989/8/30 14Os87/89

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Veröffentlicht am 30.08.1989
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Der Oberste Gerichtshof hat am 30.August 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vondrak als Schriftführerin in der Strafsache gegen Cäcilia Manuela S***-M*** wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146 ff StGB über die Beschwerde der Oberstaatsanwaltschaft Linz gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 26. April 1989, AZ 11 Ns 579/88, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben und festgestellt, daß auch für die von Cäcilia Manuela S***-M*** in der Zeit vom 2.Mai 1987, 12 Uhr 45, bis 20.Mai 1987, 15 Uhr, erlittene strafgerichtliche Anhaltung im Verfahren AZ 24 Vr 1086/87 des Landesgerichts Salzburg die Voraussetzungen eines Ersatzanspruchs nach § 2 Abs. 1 lit. a und Abs. 3 StEG nicht vorliegen.

Text

Gründe:

Das Oberlandesgericht Linz (als gemäß § 6 Abs. 1 StEG zuständiger Gerichtshof) sprach mit dem angefochtenen Beschluß aus, daß Cäcilia Manuela S***-M*** für die durch die Anhaltung vom 2. Mai 1987, 12 Uhr 45, bis zum 20.Mai 1987, 15 Uhr, entstandenen vermögensrechtlichen Nachteile gegen den Bund ein Ersatzanspruch gemäß § 2 Abs. 1 lit. a StEG zustehe, dies jedoch für die Anhaltung vom 11.April 1987, 12 Uhr 45, bis zum 2.Mai 1987, 12 Uhr 45, nicht der Fall sei.

Die von der Oberstaatsanwaltschaft Linz dagegen erhobene Beschwerde strebt auch die Verneinung der Anspruchsvoraussetzungen nach der zitierten Gesetzesstelle für die Zeit vom 2.Mai 1987, 12 Uhr 45, bis 20.Mai 1987, 15 Uhr, an. Für den übrigen Zeitraum erwuchs der angefochtene Beschluß in Rechtskraft.

Das Oberlandesgericht Linz ging deswegen von der Gesetzwidrigkeit der Anhaltung ab 2.Mai 1987, 12 Uhr 45, aus, weil es zunächst einen Anhaltungszeitraum von 15 Tagen (5. bis 20. Mai 1987) wegen nötiger Verfahrensschritte als nicht gesetzwidrig beurteilte. Dazu wurde die Zeit bis 17.April 1987, dem Tag, an dem nach Ansicht des Oberlandesgerichts spätestens die Gesetzwidrigkeit der Anhaltung hätte erkannt werden müssen, gezählt. Insgesamt ergab dies einen Zeitraum von 21 Tagen, erst die darüber hinausgehende Anhaltungszeit habe nicht dem Gesetz entsprochen (S 11 und 12 des angefochtenen Beschlusses).

Aus den Akten ergibt sich hiezu:

Anfang März 1987 wurden zunächst in Salzburg, später auch in Wels und Linz bei verschiedenen Bankinstituten jeweils von einer Frau sogenannte "freie Schillingkonten" eröffnet, wobei sich die Kontoantragstellerin unter Benützung von Ausweispapieren der Bundesrepublik Deutschland in Salzburg als Martina W*** und Julia A***-G***, in Linz und Wels als Mechthild S*** und Petra M*** auswies. Ein bis zwei Wochen nach Kontoeröffnung wurde den einzelnen Bankinstituten von jener Frau, die das Konto eröffnet hatte, jeweils ein (ungedeckter) Verrechnungsscheck eines deutschen Bankinstituts in beträchtlicher Höhe (von 62.900 DM bis 88.000 DM) zur Gutschrift vorgelegt. Ein bis zwei Tage danach fragte die Kontoinhaberin nach dem Stand des Kontos. Bei vier Bankinstituten in Salzburg und einem in Wels wurden dabei, weil Gutschriften ohne Nachfrage bei den deutschen Instituten erfolgt waren, insgesamt 2,290.000 S (in Beträgen zwischen 400.000 und 500.000 S) behoben. Bei den anderen Bankinstituten erfolgte keine Gutschrift, weil die dazu präsentierten Schecks allesamt ungedeckt waren. Die entsprechenden deutschen Konten waren am 12. und 13.März 1987 in Gießen, Trier, Saarbrücken, Marburg und Bitburg ebenso jeweils von einer Frau eröffnet worden, die sich dort mit Schweizer Papieren als Erika W*** und Lotte M*** auswies und Scheckformulare ausgefolgt erhielt.

Im Zuge der Fahndung nach (zunächst) einer Täterin, wandte sich die Bundespolizeidirektion Salzburg auch mit einer Personsbeschreibung an die Öffentlichkeit und erhielt dazu Hinweise auf Cäcilia Manuela S***-M*** als mögliche Verdächtige. S***-M*** wurde deswegen von der Polizei überwacht. Dabei wurden auch Observierungslichtbilder angefertigt. Nach einem Aktenvermerk der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 10.April 1987 erkannten einige Bankangestellte Cäcilia Manuela S***-M*** mit Sicherheit als Täterin (AS 135/I), von fünf als Zeugen niederschriftlich vernommenen Angestellten Salzburger Banken wurden die Fotos als die Täterin sehr ähnlich (AS 137/I), fast sicher (AS 139/I) bzw. mit großer Wahrscheinlichkeit die Täterin zeigend (AS 141/I) bezeichnet, eine Zeugin erkannte in der abgebildeten Person die Täterin wieder (AS 143/I).

Am 10.April 1987 wurde gegen Cäcilia Manuela S***-M*** ein Haftbefehl erlassen. Sie wurde am 11.April 1987 um 12 Uhr 45 in Wien in der Wohnung eines Berufskollegen, des Schauspielers Manfred H***, der sie auf ihr Ersuchen für einige Tage aufgenommen hatte, festgenommen (AS 169/I). Noch am selben Tag wurde sie (zwischen 19 Uhr 30 und 21 Uhr 30) in Wien ausführlich polizeilich vernommen (AS 189 bis 199/I), wobei sie jeden Verdacht zurückwies. Zu ihrer Person sagte sie aus, daß sie von ihrem zweiten Ehegatten, von dem sie geschieden sei, aus der Schweiz Unterhaltszahlungen angewiesen erhalte. Sie habe sich mit ihm von 1979 bis 1980 in Spanien (Mallorca) aufgehalten, wo sie mit ihm wegen Betruges mit Euroscheckkarten etwa drei Monate in Untersuchungshaft angehalten, später aber über München nach Österreich ausgeliefert worden sei. Zu diesem Verfahren sei aber nie ein Urteil ergangen (AS 191/I). Dazu wurde erhoben, daß ihr früherer Gatte (als "amtsbekannter Rechtsbrecher") unbekannten Aufenthaltes sowie derzeit wegen §§ 146 f StGB vom Landesgericht für Strafsachen Wien zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben ist und darüber hinaus unter anderem wegen Betrugs in New York zu vier Jahren und fünf Monaten Gefängnis sowie vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden war. Die Polizei vermutete deswegen, daß S*** seine frühere Gattin allenfalls zur Begehung der gegenständlichen Betrugstaten vorschiebe (AS 243 bis 249/I). S***-M*** selbst hatte sich tatsächlich am 27. November 1981 als aus Palma de Mallorca, Calle Ponce de Leon Nr. 9, kommend in Wien polizeilich angemeldet (AS 479/I). Bereits im März 1987 hatten die österreichischen Behörden zwecks Erhebungen über die in der Bundesrepublik Deutschland eröffneten Konten Kontakt mit dem Bundeskriminalamt, Interpol Wiesbaden, aufgenommen. Es wurden Erhebungen wegen der Aliasnamen Erika W***, Martina W***, Mechthild S***, Julia A***-G***, Petra M***, Elfriede M*** und Lotte M*** (AS 395/I) geführt, die ergaben, daß die Reisepässe dieser Personen entwendet worden waren. Weiters wurde festgestellt, daß am 13.März 1987 bei der D*** B*** in Trier ein Konto Nr. 715 23500 eröffnet worden war, dessen Inhaberin sich als Erika W*** mit einem Schweizer Reisepaß Nr. 4119178 der Kantonspolizei Bern ausgewiesen hatte (AS 259/I). Ein Verrechnungsscheck dieses Kontos war am 17.März 1987 über

68.700 DM der V*** L*** zur Gutschrift übergeben worden, bei der die Täterin am 5.März 1987 als Mechthild S***, ausgewiesen mit einem deutschen Reisepaß Nr. E 7029567, ein Konto eröffnet hatte. Diese Gutschrift war am 19.März 1987 auch mit einem Betrag von 430.000 S realisiert worden (AS 155/III).

In diesem Zusammenhang wurde weiters erhoben, daß etwa zu den Tatzeiten in Wels in einer Konditorei verschiedene Euroscheckformulare, unter anderem auch solche der D*** BANK M***, gefunden worden waren (AS 311/I), die dem berechtigten Kontoinhaber am 14.März 1987 in Wien abhanden gekommen waren (AS 315/I).

Cäcilia Manuela S***-M*** wurde nach ihrer Überstellung nach Salzburg im Zuge einer Wahlkonfrontation insgesamt 15 Zeugen gegenübergestellt, wobei sechs Zeugen keine brauchbaren Angaben machen konnten bzw. sich nicht festlegen wollten. Von den übrigen wurde sie zum Teil mit Sicherheit wiedererkannt (AS 211 bis 241/I). Cäcilia Manuela S***-M*** wurde am 13.April 1987 um 12 Uhr 45 dem landesgerichtlichen Gefangenenhaus Salzburg eingeliefert (ON 7) und am 14.April 1987 um 11 Uhr 20 vom Untersuchungsrichter des Landesgerichts Salzburg erstmals vernommen (ON 4). Dabei hielt sie ihre Verantwortung vor den Sicherheitsbehörden aufrecht. Nach Einleitung der Voruntersuchung wegen §§ 146 ff StGB wurde über sie am 14.April 1987 die Untersuchungshaft gemäß § 180 Abs. 1 und 2 Z 1 und 3 lit. a StPO verhängt (AS 400/I).

Am 14.April 1987 langten beim Landesgericht Salzburg weitere Untersuchungsergebnisse ein, unter denen sich Abschnitte zur telegraphischen Postanweisung von Geldbeträgen des Walter S*** an seine geschiedene Gattin (in der Höhe von 2.000 bis 23.000 S) aus den Jahren 1985 bis 1987 befanden (AS 443 bis 453/I). Einer dieser Abschnitte wies als Stempel des Abgabepostamtes "Vöcklabruck, 13.3.1987, 12, 4840" auf (AS 443/I).

In einem Bericht der Bundespolizeidirektion Wels, Kriminalpolizeiliche Abteilung, vom selben Tag, der beim Landesgericht Salzburg am 21.April 1987 einlangte, wurde unter Anschluß von Fahndungsfotos von insgesamt sieben Frauen, wobei die Fotos zweimal S***-M*** (einmal mit und einmal ohne Brille) zeigen, mitgeteilt, daß diese zur Erzielung eines objektiven Ergebnisses, weil Vergleichsbilder von Personen angeschlossen waren, die Ähnlichkeiten mit der Verdächtigten aufweisen, insgesamt sechs Bankangestellten in Wels vorgezeigt worden waren, die mit der Täterin Kontakt hatten. Alle zeigten "mit erstaunlicher Spontanität" auf jenes Foto, welches S***-M*** mit Brille darstellt (ON 12). Deren Verteidiger bot in der Folge Alibibeweise für die Tatzeiten an und bezeichnete unter anderem für die Zeit vom 9. bis 13. März 1987 Wien als Aufenthaltsort, wobei allerdings Irrtümer nicht ausgeschlossen wurden (ON 13).

Schon am 15.April 1987 (eingelangt beim Landesgericht Salzburg am 17.April 1987) hatte eine Lichtbildvorlage bei der K*** B***-P***/BRD ergeben, daß die dortige Angestellte in Cäcilia Manuela S***-M*** mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Kontoeröffnerin Lotte M*** erkannt hatte (ON 10). Zwischenzeitig war auch eine Verbindung mit ähnlichen Taten, welche Ende 1986 in Vorarlberg begangen worden waren, hergestellt worden. Bei einer Präsentierung der Lichtbilder von S***-M*** an Angestellte von neun Vorarlberger Banken war sie ohne jeden Zweifel als jene Täterin bezeichnet worden, die unter dem Namen Heike F*** dort aufgetreten war (ON 11).

Die Ratskammer des Landesgerichts Salzburg beschloß nach der am 22. April 1987 über Beschwerde gegen die Untersuchungshaft durchgeführten Haftprüfungsverhandlung die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den Haftgründen des § 180 Abs. 1 und 2 Z 1 und 3 lit. a StPO und stützte sich bezüglich des dringenden Tatverdachts auf die geschilderten Erhebungsergebnisse, insbesondere auch auf die zuletzt aus Wels und Vorarlberg eingelangten. Die Haftgründe wurden mit dem Mangel eines festen Wohnsitzes und eines Erwerbs sowie der Faktenhäufung begründet (ON 14). Dieser Beschluß erwuchs infolge Rechtsmittelverzichts der Beschuldigten in Rechtskraft.

Eine Lichtbildpräsentation bei Linzer Bankangestellten hatte mittlerweile ergeben, daß drei von fünf Befragten in S***-M*** "einwandfrei" die Täterin erkannten (ON 15). Eine solche in Trier verlief bei der D*** B*** positiv, bei der D*** BANK jedoch negativ (ON 16).

Am 5.Mai 1987 langte beim Landesgericht Salzburg der Akt Vr 651/87 des Landesgerichtes Feldkirch, betreffend das Strafverfahren gegen Cäcilia Manuela S***-M*** wegen §§ 146 ff StGB ein, den dieses Gericht am 30.April 1987 dem Landesgericht Salzburg zu dem dort anhängigen Verfahren abgetreten hatte (ON 24). Eine Präsentation der Lichtbilder von S***-M*** in Vorarlberg an 28 Personen ergab bei 23 Sicherheit bzw. völlige Zweifelsfreiheit über ihre Identität als Täterin (Aliasname Heike F***), fünf bezeichneten sie mit Wahrscheinlichkeit bzw. größter oder hoher Wahrscheinlichkeit als Täterin, lediglich eine Zeugin konnte sie nicht identifizieren, stellte aber eine Ähnlichkeit mit der Täterin fest (ON 24).

Am 7.Mai 1987 traf beim Landesgericht Salzburg ein Ersuchen der Bundespolizeidirektion Salzburg ein, der P*** beschlußmäßig die Herausgabe der Übernahmebestätigung bezüglich des am 13. März 1987 von Walter S*** nach VÖcklabruck an seine geschiedene Frau angewiesenen Betrags aufzutragen. Es sollte in diesem Zusammenhang untersucht werden, inwieweit ein Zusammenhang mit der am selben Tag bei der D*** BANK in Trier erfolgten Kontoeröffnung auf den Namen Erika W*** besteht (ON 25). Der Untersuchungsrichter fertigte noch am selben Tag diesen Auftrag aus (ON 26).

Am Tag danach langten bei der Staatsanwaltschaft Salzburg weitere polizeiliche Erhebungsergebnisse ein. Unter anderem ergab sich daraus, daß die Schweizer Pässe lautend auf Erika W*** sowie Lotte, Monika und Hansruedi M*** am 30.September 1983 in Spanien aus einer Ferienwohnung gestohlen worden waren (siehe ua AS 177/II). Am 13.März 1987 hatte eine Frau unter dem Namen Erika W***, ausgewiesen mit dem diesbezüglichen Schweizer Paß (nicht nur in Trier sondern auch) in Saarbrücken ein Konto eröffnet und es waren ihr Scheckformulare ausgehändigt worden (AS 191/II). Am selben Tag war dies unter dem Namen Lotte M*** in Bitburg geschehen (AS 201 bis 203/II). Unter anderem wurde berichtet, daß die Insel Mallorca geographisch jenem Gebiet in Spanien gegenüberliegt (Denia), wo die Schweizer Pässe entwendet worden waren (AS 241/II). In der weiteren Folge teilte die Bundespolizeidirektion Salzburg dem Untersuchungsrichter am 15.Mai 1987 (Freitag) telefonisch mit, daß sich die Täterin am 13.März 1987 zwischen 15 und 16 Uhr in Trier anläßlich einer Kontoeröffnung mit dem Schweizer Reisepaß Nr. 4119178, lautend auf Erika W***, ausgewiesen hat, andererseits Cäcilia Manuela S***-M*** am selben Tag um 17 Uhr am Postamt Vöcklabruck eine Geldabhebung durchführte, bei der sie die Übernahme des Betrages eigenhändig quittierte (ON 28). Der Untersuchungsrichter setzte davon den Staatsanwalt in Kenntnis, der jedoch einer Enthaftung wegen des Wiedererkennens von S***-M*** durch zahlreiche Zeugen nicht zustimmte (AS 10). Mangels Zustimmung des Staatsanwaltes zur Enthaftung wurde noch am selben Tag (Freitag) der Akt zur Anberaumung einer Haftprüfungsverhandlung vorgelegt (AS 1 d) und diese am 18.Mai 1987 (Montag) für 20.Mai 1987 (Mittwoch) ausgeschrieben. Bei dieser wurde die Untersuchungshaft aufgehoben, weil die Dringlichkeit des Tatverdachtes weggefallen wäre. Bei der Hausdurchsuchung wären bei S***-M*** weder falsche Ausweise noch Geld gefunden worden. Da sie nachweislich am 13.März 1987 um 17 Uhr in Vöcklabruck gewesen war, könne sie nicht etwa zur selben Zeit in Trier gewesen sein (ON 32).

Infolge Rechtsmittelverzichts des Staatsanwalts wurde S***-M*** am 20.Mai 1987 um 15 Uhr enthaftet (AS 33/III). Die Voruntersuchung gegen sie lief in der Folge unter Einbeziehung zahlreicher Nachtragsfakten weiter, die kriminalistischen Erhebungen wurden aber, wie bereits vorher, auch in Richtung einer anderen Tätergruppe geführt (Vorarlberg). Der diesbezügliche Verdacht verstärkte sich in dem Maß, in dem jener gegen S***-M*** abgeschwächt wurde. Über Antrag des Staatsanwalts vom 10.Mai 1988 wurde letztlich das Verfahren gegen S***-M*** wegen §§ 146 ff StGB des Landesgerichts Salzburg am 16. Mai 1988 gemäß § 109 Abs. 1 StPO eingestellt und jenes gegen unbekannte Täter gemäß § 412 StPO abgebrochen (AS 1 j). Cäcilia Manuela S***-M*** stellte in der weiteren Folge einen Antrag auf Feststellung eines Ersatzanspruches für die Zeit ihrer strafgerichtlichen Anhaltung, den sie auf § 2 Abs. 1 lit. a und b StEG stützte (ON 65 und 67). Die Ratskammer des Landesgerichts Salzburg lehnte mit Beschluß vom 27.Juli 1988, ON 68, einen solchen Anspruch ab. Über Beschwerde der Anspruchswerberin hob das Oberlandesgericht Linz diesen Beschluß, soweit er sich auf § 2 Abs. 1 lit. a StEG (gesetzwidrige Anordnung der Anhaltung) bezog, ersatzlos auf und trug dem Landesgericht Salzburg die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b StEG (Entkräftung des Tatverdachtes) auf (ON 72). Nach Vernehmung der Antragstellerin und Stellungnahme des Untersuchungsrichters sowie der Polizeibehörden wurde der Akt neuerlich dem Oberlandesgericht Linz als gemäß § 6 Abs. 1 StEG zur Entscheidung über einen Ersatzanspruch nach § 2 Abs. 1 lit. a StEG wegen gesetzwidriger Anordnung oder Verlängerung der Anhaltung zuständigem Gericht vorgelegt, das daraufhin den eingangs dieser Entscheidungsgründe dargestellten Beschluß faßte.

Die Beschwerde der Oberstaatsanwaltschaft Linz dagegen macht geltend, daß infolge der Faktenvielzahl und der Bezeichnung von S***-M*** in vielen Fällen an Hand von Fotos bzw. Wahlkonfrontationen als Täterin der Tatverdacht während der Zeit der Anhaltung weiterhin dringend geblieben ist.

Da die Entscheidung des Oberlandesgerichts Linz über den Mangel der Voraussetzungen eines Ersatzanspruchs nach § 2 Abs. 1 lit. a) und Abs. 3 StEG für den Zeitraum vom 11.April 1987, 12 Uhr 45, bis 2. Mai 1987, 12 Uhr 45, in Rechtskraft erwachsen ist, ist der angefochtene Beschluß darauf zu prüfen, ob durch die Anhaltung ab 2. Mai 1987 die Anhaltung von Cäcilia Manuela S***-M*** gesetzwidrig verlängert wurde.

Rechtliche Beurteilung

Die Überlegungen des Oberlandesgerichts Linz, das als gemäß § 6 Abs. 1 StEG berufener (übergeordneter) Gerichtshof über den Ersatzanspruch zu entscheiden hatte, wenn die Anhaltung der Geschädigten von einem inländischen Gericht gesetzwidrig angeordnet oder verlängert worden ist (§ 2 Abs. 1 lit. a StEG), wobei die vorangehende Verwahrung durch die Verwaltungsbehörde der strafgerichtlichen Anhaltung gleichgesetzt ist (§ 2 Abs. 3 StEG), gehen in verschiedener Hinsicht fehl.

Zunächst kann nicht mit Grund gesagt werden, daß das Landesgericht Salzburg die Haft gegen Cäcilia Manuela S***-M*** ohne gesetzliche Grundlage oder gegen eine zwingende gesetzliche Anordnung (§ 193 Abs. 2 StPO) aufrecht erhalten hätte. Die Fortsetzung einer strafgerichtlichen Anhaltung ist nicht gesetzwidrig, wenn während der Haft sowohl ein dringender Tatverdacht - der Begehung irgendeiner gerichtlich strafbaren Handlung - bestand als auch ein entsprechender Haftgrund vorlag. Dabei ist auf den Erhebungsstand jeweils im Zeitpunkt der Entscheidung (über die Anordnung bzw. Aufrechterhaltung der Haft) abzustellen (vgl. NRsp. 1988/11; auch OGH vom 1.März 1988, 11 Ns 2/88-6 ua). Nachträglich hervorgekommene, gegen einen dringenden Tatverdacht oder die Annahme von Haftgründen sprechende Umstände müssen außer Betracht bleiben.

Entgegen der Annahme des Oberlandesgerichts "waren die die Ausschließbarkeit der Täterschaft der Angeklagten (gemeint: damals Beschuldigten) betreffenden zeitlichen Konstellationen (13.3.1987: Trier bzw. Vöcklabruck)" nicht aktenkundig. Die Aktenlage für den Untersuchungsrichter ergab lediglich das von den Polizeibehörden unter anderem erhobene Auftreten einer Frau, die sich der S*** K***- UND W***, dem B*** B*** sowie der S***

S***, der V*** S*** und der BANK FÜR A*** UND

W*** S*** gegenüber als Martina W*** mit einem in Speyer/BRD ausgestellten Reisepaß Nr. E 8213831 auswies. Dazu waren unter anderem Namen bei anderen Banken parallele Vorgänge festgestellt worden. S***-M*** war nach Vorlage von Fotos und in von der Polizei durchgeführten Wahlkonfrontationen mit geringen Ausnahmen (zum Teil mit Sicherheit und jeden Zweifel ausschließend) als Täterin bezeichnet worden.

Dazu war, bezogen auf einen konkreten Tag, das Auftreten einer Frau am 13.März 1987 in Trier bei der D*** BANK erhoben worden, die sich unter Vorlage eines von der Kantonspolizei Bern ausgestellten Schweizer Reisepasses Nr. 4119178 als Erika W*** auswies (AS 259/I). Nach Verhängen der Untersuchungshaft langten am 15. April 1987 weitere Erhebungsergebnisse ein, aus denen unter anderem hervorgeht, daß ein bei S***-M*** gefundener Abschnitt über eine telegraphische Postanweisung von Walter S***, aufgegeben am 13.März 1987 in Zürich, am 13.März 1987 vom Postamt Vöcklabruck als Abgabepostamt gestempelt wurde (AS 433/I). Dieser Stempel bezeichnet keineswegs die Übergabezeit der Sendung an die Empfängerin, sondern lediglich das Einlangen der telegraphischen Anweisung beim Abgabepostamt, während erst bei tatsächlicher Übernahme der Auszahlungsstempel auf der beim Postamt verbleibenden Bestätigung des Empfängers angebracht wird (vgl. insbes. AS 15/II). Abgesehen von dem Umstand, daß auch ein mit Postvollmacht Ausgestatteter für den Empfänger den angewiesenen Betrag beheben könnte, ist es auch an objektiven Kriterien gemessen in keiner Weise erfindlich, wodurch dieses eine Erhebungsergebnis allen anderen gegenüber in der Weise ausgezeichnet gewesen wäre, daß spätestens am 17. April 1987 die Dringlichkeit des gegen S***-M*** gerichteten Tatverdachtes beseitigt gewesen wäre. Diese Dringlichkeit wurde auch in der weiteren Folge bis zur Haftprüfungsverhandlung am 22.April 1987 nicht abgeschwächt sondern durch die weiteren, oben bereits dargestellten Erhebungsergebnisse, insbesondere wegen fortlaufender Identifikation der Verhafteten als Täterin im In- und Ausland, noch verstärkt.

Angesichts der gesamten Verdachtslage bis zum Haftende, die durch eine Vielzahl von Taten in verschiedensten Teilen Österreichs durch längere Zeit, dem Auftreten eines oder mehrerer Täter im In- und Ausland, der Benützung einer Mehrzahl entfremdeter Reisepässe verschiedener Staaten, der Vermutung, daß auch abhanden gekommene Schecks verwendet wurden, der Vielzahl von Aliasnamen und vor allem der belastenden Zeugenaussagen, kann eine besondere Relevanz gerade des vom Postamt Vöcklabruck als Abgabeamt am 13. März 1987 gestempelten Überweisungsschein keinesfalls festgestellt werden. Der geographisch breit gefächerte Rahmen der Straftaten, die Beschaffung der Ausweisdokumente durch Straftaten im Ausland und die Mehrzahl der Kontoeröffnungen auch in der BRD am selben Tag (13.März 1987 Trier, Saarbrücken, AS 191/II f, Bitburg, AS 201/II f) ließen auch keineswegs den Verdacht auf bloß eine Einzeltäterin zu, von dem das Oberlandesgericht Linz ausging. Dabei darf auch die von den Polizeibehörden vermutete Beteiligung des schwer einschlägig vorbelasteten Walter S***, der Umstand der gemeinsamen Inhaftierung mit diesem in Spanien wegen Scheckkartenbetrugs sowie eine geographische Verbindung zwischen dem Ort, an dem die bei den Straftaten benützten Schweizer Pässe abhanden kamen, mit dem früheren spanischen Wohnort von S***-M*** nicht übersehen werden.

Das zur Enthaftung durch die Ratskammer des Landesgerichts Salzburg führende Erhebungsergebnis war bis zu seiner Verifizierung keineswegs so besonders naheliegend, daß das Unterbleiben der vordringlichen Verfolgung dieses Hinweises auf Grund des singulären Zusammentreffens der Konteneröffnung in Trier und Einlangen eines Geldbetrages für die damals Beschuldigte beim Postamt Vöcklabruck eine Gesetzwidrigkeit ihrer Anhaltung begründen könnte. Ob der Umstand, daß sie letztlich etwa zur selben Zeit in Vöcklabruck Geld behob, zu der in Trier ein Konto unter einem Falschnamen eröffnet wurde, angesichts der übrigen damaligen Verfahrenslage die Dringlichkeit des gegen sie gerichteten Verdachts wegfallen ließ, kann wegen der dadurch bewirkten Enthaftung dahingestellt bleiben.

Insgesamt ist daher auch in der Zeit vom 17.April bis 5.Mai 1987 die strafgerichtliche Anhaltung von Cäcilia Manuela S***-M*** nicht gesetzwidrig erfolgt. Das Vorliegen von Haftgründen ist auch von ihr niemals bekämpft worden.

Die Ansicht des Oberlandesgerichtes Linz bei Zusammenfallen von gesetzkonformer und gesetzwidrigen Anhaltungszeiten wären jene gesetzmäßiger Anhaltung zusammenzurechnen, ab Beginn der Anhaltung zu zählen und die noch verbleibende Zeitspanne als gesetzwidrige Anhaltung zu werten, ist verfehlt. Der bekämpfte Ausspruch, für die Anhaltung vom 2.Mai 1987, 12 Uhr 45, bis 20.Mai 1987, 15 Uhr, bestehe ein Anspruch auf Ersatz nach § 2 Abs. 1 lit. a StEG, steht in unlösbarem Widerspruch zur Feststellung, die Anhaltung für die Dauer von 15 Tagen vom 5. bis 20.Mai 1987 sei gerechtfertigt und nicht gesetzwidrig (AS 11 des bekämpften Beschlusses). Für die Zeiten gerechtfertigter Anhaltung kann niemals ein Ersatzanspruch nach der zitierten Gesetzesstelle begründet werden. Bei widerrechtlicher, unbegründeter Freiheitsentziehung sind nur vermögensrechtliche Schäden zu vergüten, die sich aus der Tatsache der Freiheitsentziehung ergeben haben (EvBl. 1963/441). Die Haftung ist also auf jene Fälle beschränkt, die durch den Freiheitsentzug (während einer bestimmten Zeit), aber nicht während des Freiheitsentzuges erlitten wurden (JBl. 1964/370). Daraus folgt, daß es in den Fällen des § 2 Abs. 1 lit. a) StEG der genauen datumsmäßigen Feststellung der gesetzwidrigen Anhaltung bedarf, um im Anschluß daran die sich aus der Anhaltung gerade zu dieser Zeit ergebenden Schäden feststellen zu können.

Da somit die Anhaltung von Cäcilia Manuela S***-M*** auch in der Zeit vom 2.Mai 1987, 12 Uhr 45, bis 20.Mai 1987, 15 Uhr, nicht gesetzwidrig verlängert wurde, steht ihr ein Ersatzanspruch begründet lediglich auf § 2 Abs. 1 lit. a StEG nicht zu. Über das Vorliegen eines Ersatzanspruches nach § 2 Abs. 1 lit. b StEG (nachträgliche Entkräftung des Tatverdachts) wird die gemäß § 6 Abs. 2 letzter Satz StEG zuständige Ratskammer des Landesgerichtes Salzburg zu entscheiden haben.

Anmerkung

E18244

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0140OS00087.89.0830.000

Dokumentnummer

JJT_19890830_OGH0002_0140OS00087_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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