Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel, Dr.Melber, Dr.Kropfitsch und Dr.Warta als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Edith G***, Hauseigentümerin, Millergasse 41, 1060 Wien, vertreten durch Dr.Nikolaus Bilowitzki, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Helmuth M***, Kaufmann, Storchengasse 19, 11500 Wien, 2. Peter E***, Angestellter, Weissgasse 33/2/2, 1170 Wien, vertreten durch Dr.Herwig Hirzenberger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 16.März 1989, GZ 41 R 142/89-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 20.Dezember 1988, GZ 42 C 236/88y-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 3.263,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 543,84 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin, die Eigentümerin des Hauses Wien 6, Millergasse 41 ist, kündigte den Beklagten das von diesen gemietete Geschäftslokal auf. Sie machte den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 7 MRG geltend und brachte vor, die Beklagten verwendeten das Mietobjekt nicht entsprechend dem Mietvertrag zum Betrieb einer Imbißstube sondern als Nachtlokal.
Die Beklagten wendeten ein, nach dem Mietvertrag seien sie berechtigt, im Lokal eine Imbißstube oder ein Espresso zu betreiben, derzeit werde ein Espresso betrieben.
Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:
Mit Mietvertrag vom 28.September 1981 mieteten die Beklagten das Geschäftslokal zum Betrieb einer Imbißstube. Es wurde ausdrücklich vereinbart, daß eine Änderung des Verwendungszweckes ohne vorherige schriftliche Zustimmung der Vermieterin nicht zulässig sei. Ursprünglich wurde das Lokal als Cafe-Espresso in Betrieb genommen und zwar von 15.00 bis 24.00 Uhr, manchmal war bis 2.00 Uhr morgens geöffnet. Man servierte Kaffee, alkoholische Getränke und nach einem halben Jahr nach Inbetriebnahme kleinere Imbisse. Das Lokal war von außen einsichtig, es war jedermann zugänglich und als "Club Espresso" bezeichnet. Die Kunden waren vielschichtig. Das Lokal war insbesondere nicht in erster Linie auf einen männlichen Kundenkreis fixiert. Auf Grund der Nähe zum Gürtel kam es immer häufiger dazu, daß Prostituierte in männlicher Begleitung das Lokal aufsuchten und es zwischen den männlichen Begleitern zu Streitigkeiten kam. Dies führte in weiterer Folge dazu, daß sich die anderen Kunden dadurch weniger wohl fühlten und ausblieben. Aus diesem Grund entschloß sich der Zweitbeklagte, der in erster Linie die Führung des Lokals inne hat und auch gewerbebehördlicher Geschäftsführer ist, anläßlich eines Wasserrohrbruchs auch eine Umgestaltung im Lokal vorzunehmen und auf einen anderen Kundenkreis abzustellen. Dies auch auf Grund des Umstandes, daß das Lokal nicht allzu gut ging. Auf Wunsch der damaligen Hauseigentümerin, die inzwischen verstorben ist, installierten die Beklagten beim Eingang des Objektes ein Eisengitter. Dies deshalb, weil die Verstorbene nicht wollte, daß sich in diesem größeren Raum, der zum Lokal hinführt, Betrunkene aufhalten oder Prostituierte auf Kunden warten. Im Zuge von Adaptierungsarbeiten, die im Jahr 1988 zur Gänze abgeschlossen waren, wurde eine durchsichtige Klebefolie an den Fenstern zum Objekt angebracht, damit man von außen nicht mehr einsehen kann. Überdies verfügt das Lokal über einen roten Spot innen, es ist ein kleines Stehpult in einem Hauptraum angebracht. Der zweite Hauptraum wurde als Billiardraum adaptiert. Da der Billiardtisch aber keinen Gewinn brachte, gilt dieser Raum nunmehr als Fernsehraum und wird praktisch nicht benützt. Musik wird dort nicht gespielt. Von Anfang an war im Espresso eine Bar mit Barhockern vorhanden. Nach wie vor werden Kaffee, alkoholische Getränke und kleine Imbisse gereicht, wobei Preise verrechnet werden, wie sie in einem Espresso üblich sind und nicht überhöhte Preise, wie in einer "Bar", insbesondere mit Varietebetrieb. Ein Varietebetrieb finden nicht statt. Das Lokal heißt nunmehr "Mens-Club". Das nunmehrige Zielpublikum für das Objekt sind ausschließlich Männer. Frauen wird jedoch auch Zutritt gewährt, es finden sich nach wie vor einige Frauen, auch Prostituierte, ein, aber nicht männlicher Begleitung. Auf Grund der schlechten Erfahrung in früheren Jahren haben sich die Beklagten entschlossen, eine Türklingel anbringen zu lassen, um dadurch zu verhindern, daß es zu Ausschreitungen kommt. Auf Grund der schlechten Lage des Objektes, das sich in der Nähe zum Gürtel hin, insbesondere zu der als "Strich" bekannten Zone befindet, wurde diese Sicherung gegenüber unliebsamen Kunden angebracht. Mittlerweile sind die Beklagten jedoch davon abgekommen, da die Glocke nicht mehr funktionierte, zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung war jedermann der Zutritt zum Lokal möglich. Im Lokal können Männer Männerbekanntschaften machen, doch finden Frauen, die sich daran nicht stören, jederzeit Zugang. Es handelt sich beim aufgekündigten Objekt nicht um ein ausschließlich für Männer bestimmtes Tanzlokal. Es ist kein bestimmtes Stammpublikum vorhanden.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt im wesentlichen dahin, die nunmehr im Geschäftslokal ausgeübte Tätigkeit sei der vereinbarten als gleichwertig anzusehen, sodaß der geltend gemachte Kündigungsgrund nicht gegeben sei. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil, sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000, nicht aber S 300.000 übersteige und erklärte die Revision für zulässig. Das Gericht zweiter Instanz führte aus, ob im Objekt Tanzveranstaltungen oder sonstige Vorführungen stattfänden, könne auf sich beruhen, weshalb der Unterlassung des zu diesem Thema beantragten Augenscheines keine Relevanz zukomme. Die bekämpfte Feststellung, daß in dem primär auf einen männlichen Kundenkreis abzielenden Lokal auch Frauen Zutritt hätten, werde als unerheblich nicht übernommen, nicht relevant sei, ob eine clubmäßige Atmosphäre im Lokal herrsche.
Zur rechtlichen Beurteilung führte das Berufungsgericht aus, die Vorschrift des § 30 Abs 2 Z 7 MRG solle einer Umwandlung von Räumlichkeiten, die zu regelmäßiger geschäftlicher Betätigung gemietet worden seien, in nicht gleichwertige Verwendungsformen entgegen wirken. Der Mieter habe zwar jetzt die gemieteten Geschäftsräume grundsätzlich zu dem ausdrücklich oder stillschweigend bedungenen Vertragszweck zu verwenden. Verwende er sie aber zu einem anderen Zweck, dann sei dadurch allein noch nicht der Kündigungsgrund verwirklicht sondern zu prüfen, ob die Verwendung der vertraglich bedungenen zumindest gleichwertig sei. Das Wesen dieses Kündigungsgrundes sei der Wegfall eines schutzwürdigen Interesses des Mieters an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses. Aus diesem Blickwinkel müsse daher auch die Gleichwertigkeit beurteilt werden. Ändere der Mieter vertragswidrig den Gegenstand seines Unternehmens, dann liege zwar keine gleichartige, aber - aus der hier entscheidenden Sicht des Mieters - eine gleichwertige geschäftliche Betätigung vor, die den Kündigungsgrund nicht verwirkliche. Gehe man von den unbekämpften Feststellungen aus, wonach das zum Betrieb einer Imbißstube gemietete und als Cafe-Espresso geführte, als "Club Espresso" bezeichnete Geschäftslokal auch nach seiner Adaptierung und Umbenennug in "Mens-Club" in der Weise geführt werde, daß Kaffee, alkoholische Getränke und kleine Imbisse zu für Espressos üblichen Preisen angeboten werden, dann sei die Gleichwertigkeit der Verwendungsform zu bejahen, auch wenn sich der ursprünglich vielschichtige Kundenkreis in ein ausschließliches Männerpublikum umgewandelt habe, die Öffnungszeiten sich von 15.00 bis 24.00 Uhr, maximal 2.00 Uhr früh eher in die Abendstunden verlegt hätten und Einlaß nur nach Betätigung einer Klingel gewährt werde. Die Änderung des Kundenkreises habe auf die Verwendungsform keinen so wesentlichen Einfluß, daß diese als ungleichwertig anzusehen sei. Selbst wenn die Atmosphäre nunmehr als clubmäßig zu bezeichnen sei oder gar Tanzveranstaltungen stattfänden, vermöge dies angesichts der regelmäßigen Verwendung als Lokal, in dem Kaffee, alkoholische Getränke und kleine Imbisse serviert werden, am schutzwürdigen Interesse des Mieters an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses nichts zu ändern. Die Revision sei für zulässig zu erklären gewesen, weil eine gesicherte Rechtsprechung zum Begriff der "Gleichwertigkeit" fehle.
Die Klägerin bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision, macht den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise stellt die Klägerin einen Aufhebungsantrag.
Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der geltend gemachte Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 7 MRG liegt vor, wenn die vermieteten Räumlichkeiten nicht zu der im Vertrag bedungenen oder einer gleichwertigen geschäftlichen Betätigung verwendet werden, es sei denn, daß der Mieter nur vorübergehend wegen Urlaubs, Krankheit oder Kuraufenthaltes abwesend ist. Ein Fall der Abwesenheit des Mieters liegt hier nicht vor. Unbestritten ist, daß die Mieter die Räumlichkeiten zu einer geschäftlichen Betätigung regelmäßig verwenden. Strittig ist lediglich, ob die im Bestandobjekt ausgeübte geschäftliche Tätigkeit der im Bestandvertrag bedungenen zumindest gleichwertig ist. Die Gleichwertigkeit ist am Wesen des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 7 MRG, nämlich des Wegfalles eines schutzwürdigen Interesses des Mieters an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses, zu prüfen (MietSlg Bd.XXXIX/41; Derbolav in Korinek-Krejci, Mietrechtsgesetz 447). Die Revisionsausführungen, mit denen die Unterschiede hervorgehoben werden, die zwischen der früheren Art des Betriebes und seiner derzeitigen Führung bestehen und mit denen die Ansicht vertreten wird, oberste Maxime sei die Parteiabsicht, sind nicht zielführend. Wäre die Parteiabsicht allein entscheidend, käme es nur darauf an, ob das Bestandobjekt zum bedungenen Gebrauch verwendet wird. Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes liegt der geltend gemachte Kündigungsgrund aber auch dann nicht vor, wenn die Geschäftsräumlichkeiten zwar nicht zu der im Vertrag vereinbarten, wohl aber zu einer gleichwertigen geschäftlichen Betätigung verwendet werden. Weder die geänderten Öffnungszeiten noch ein anderes "Zielpublikum" (nur Männer) haben zur Folge, daß die geschäftliche Betätigung nicht gleichwertig ist. Auch der Umstand, daß die Eingangstür geschlossen gehalten und Gästen nur geöffnet wurde, wenn sie die Klingel betätigten, hat nicht Ungleichwertigkeit der geschäftlichen Betätigung zur Folge.
Verfehlt sind auch die Revisionsausführungen, der Hauptzweck des Betriebes liege nun nicht mehr im Verkauf von Speisen und Getränken, sondern in der Anbahnung von Bekanntschaften zwischen Männern. Daß die Beklagten aus dem Lokal auf eine andere Art Nutzen ziehen, als durch den Verkauf von Speisen und Getränken zu üblichen Preisen, wurde nicht einmal behauptet. Es muß daher davon ausgegangen werden, daß die Beklagten das Mietobjekt nach wie vor zu dem Zweck benützen, aus dem Verkauf derartiger Dinge Einnahmen zu erzielen. Die Motive, die die Gäste dafür haben, gerade dieses Lokal zu besuchen, vermögen daran nichts zu ändern.
Soweit die Revisionswerber die Ansicht vertreten, es müßten auch die schutzwürdigen Interessen der anderen Mieter und vor allem jene der Hauseigentümerin berücksichtigt werden, der Schutz des Bestandnehmers könne nicht so weit gehen, daß er ohne Zustimmung des Vermieters eine für die anderen Benützer des Hauses unzumutbare Verwendungsform wähle, ist darauf hinzuweisen, daß - abgesehen davon, daß eine Beeinträchtigung der Interessen der Mitbewohner nicht einmal behauptet wurde - eine Führung des Betriebes, die für die anderen Mieter unzumutbar wäre, allenfalls den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 MRG darstellen könnte, der aber nicht geltend gemacht wurde.
Aus diesen Gründen war der Revision ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Kostenbemessungsgrundlage ist gemäß § 10 Z 2 lit a RATG ein Streitwert von S 24.000, der Bewertungsausspruch des Berufungsgerichtes nach § 500 Abs 2 ZPO ist für die Rechtsanwaltskosten ohne Bedeutung.
Anmerkung
E18042European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0020OB00553.89.0830.000Dokumentnummer
JJT_19890830_OGH0002_0020OB00553_8900000_000