TE OGH 1989/8/30 2Ob564/89

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Veröffentlicht am 30.08.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Warta als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Ernestine B***, Hilfsarbeiterin, 3125 Statzendorf, Kuffern 64, vertreten durch Dr. Adolf Lientscher, Rechtsanwalt in St. Pölten, wider den Antragsgegner Hans-Jürgen B***, Arbeiter, 3125 Statzendorf, Kuffern 84, vertreten durch Dr. Eduard Pranz, Dr. Oswin Lukesch und Dr. Anton Hintermeier, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen gesonderter Wohnungnahme, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgerichtes vom 17. Mai 1989, GZ R 284/89-7, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Herzogenburg vom 4. April 1989, GZ Nc 24/89-4, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten des Revisionsrekurses wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Ernestine und Hans-Jürgen B*** haben am 12.September 1970 vor dem Standesamt Oberwölbling die Ehe geschlossen, der vier minderjährige Kinder entstammen.

Die Antragstellerin begehrte, ihr "die abgesonderte Wohnungnahme zu bewilligen" und brachte zur Begründung vor, daß ihr der Antragsgegner ein weiteres Zusammenleben im Sinne des § 92 Abs 2 ABGB deshalb unzumutbar mache, weil er seine Unterhaltsverpflichtung vernachlässige, seiner Pflicht zur anständigen Begegnung nicht nachkomme und ehewidrige Beziehungen zu einer anderen Frau unterhalte. Der Antragsgegner verfüge über ein monatliches Nettoeinkommen von 15.000 S, während die Antragstellerin monatlich 8.000 S verdiene, sodaß ihr unter Berücksichtigung der Familienbeihilfe von 5.000 S ein monatliches Budget von 13.000 S zur Verfügung stehe. Für ein während der Ehe errichtetes Zweifamilienhaus seien namhafte Kreditverbindlichkeiten eingegangen worden, wofür monatliche Rückzahlungsraten von 8.000 S zu leisten seien. Während die Antragstellerin diese Tilgungsraten aus ihren Einkünften zu bestreiten habe, zahle der Antragsgegner nur die fixen Haushaltskosten, wie Strom, Heizmaterial, Radio, Telefon u.dgl. Der Antragstellerin verbleibe daher für den Unterhalt der Familie nur noch die Familienbeihilfe. Hans-Jürgen B*** habe die Antragstellerin wissen lassen, daß er an der Aufrechterhaltung der Ehe nicht mehr interessiert sei, an eine Scheidung jedoch erst in zwei Jahren denke; zu diesem Zeitpunkt sei er in der Lage, ihr eine Ausgleichszahlung in Höhe von 500.000 S zu leisten. Es gebe zwischen den Streitteilen keine Gemeinsamkeiten; der Antragsgegner verbringe die meiste Zeit außer Haus und spreche fast nichts. Überdies bestehe für die Antragstellerin kein Zweifel daran, daß ihr Ehegatte seit zumindestens einem Jahr ehewidrige Beziehungen zur Nachbarin Hildegard M*** unterhalte. Die Anwesenheit in deren Haus begründe er mit der Möglichkeit, in einer dort befindlichen Werkstätte basteln zu können. Er halte sich während der Freizeit und auch zu den Wochenenden überwiegend im Haus von Frau M*** auf, welche für ihn auch koche und zum Teil die Wäsche wasche. Die Antragstellerin habe einmal gesehen, daß ihr Ehegatte um 22 Uhr bei Frau M*** ferngesehen habe. Im übrigen unternehme ihr Ehegatte mit Frau M*** gemeinsame Ausfahrten mit dem PKW. Da sich die Antragstellerin nicht mehr in der Lage sehe, diesen Zustand noch länger aufrecht zu erhalten, habe sie sich entschlossen, die Ehewohnung zu verlassen und mit den Kindern zu ihren Eltern zu übersiedeln.

Nach Vernehmung der Antragstellerin, die im wesentlichen das Antragsvorbringen bestätigte, sprach das Erstgericht - ohne Anhörung des Antragsgegners - aus, daß der Antragstellerin die abgesonderte Wohnungnahme bewilligt werde, weil besondere wichtige persönliche Gründe die gesonderte Wohnungnahme der Antragstellerin rechtfertigten.

Infolge Rekurses des Antragsgegners änderte das Gericht zweiter Instanz den Beschluß des Erstgerichtes im Sinne der Abweisung des Antrages der Antragstellerin ab. Das Rekursgericht führte aus, ein Ausfluß der Verpflichtung der Ehegatten zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft sei die Pfilcht zum gemeinsamen Wohnen. § 92 Abs 2 ABGB gestatte einem Ehegatten vorübergehend eine gesonderte Wohnungnahme dann, wenn und solange ihm ein Zusammenleben mit dem anderen Ehegatten - besonders wegen körperlicher

Bedrohung - unzumutbar oder dies aus wichtigen persönlichen Gründen gerechtfertigt ist. Unter "wichtigen persönlichen Gründen" verstehe man solche, die ausschließlich in der Person des Antragstellers gelegen sind. Solche Gründe lägen aber diesfalls nicht vor, weil die Antragstellerin ihre Gründe auf das Verhalten des Ehegatten stütze. Es sei daher zu untersuchen, ob diese Gründe von derartigem Gewicht seien, daß der Antragstellerin ein Zusammenleben mit dem Antragsgegner unzumutbar sei. Unzumutbarkeit des Zusammenlebens sei dann gegeben, wenn der Ehegatte durch sein Verhalten die körperliche oder seelische Integrität des anderen Ehegatten erheblich gefährde. Dies treffe hier, selbst wenn man vom Vorbringen der Antragstellerin ausgehe, nicht zu.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Feststellung der Rechtmäßigkeit ihrer abgesonderten Wohnungnahme.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Die Antragstellerin führt in ihrem Rechtsmittel aus, sie habe während der gesamten Dauer der Ehe neben ihrer Berufstätigkeit für die gesamte zuletzt sechsköpfige Familie den Haushalt alleine ohne Mithilfe des Antragsgegners besorgt, das Essen gekocht, die Kleider gewaschen und gebügelt, das Haus gereinigt und geputzt sowie darüber hinaus den Kindern eine entsprechende Erziehung angedeihen lassen. Mit dem Einkommen aus ihrer Erwerbstätigkeit habe sie die Rückzahlung der für den Hausbau eingegangenen Kreditverbindlichkeiten geleistet und ihr sei im wesentlichen für die Haushaltsführung nur die Kinderbeihilfe zur Verfügung gestanden. Noch viel schwerer wiegend und für sie eine kaum zu ertragende psychische Belastung bildend stelle sich das vom Antragsgegner zu Frau M*** aufgenommene ehewidrige Verhältnis dar, wodurch es so weit gekommen sei, daß der Antragsgegner seine Freizeit und die Wochenenden überwiegend bei Frau M*** verbracht habe, wodurch er kaum mehr Zeit für die Antragstellerin und die Kinder zur Verfügung gehabt habe.

Diesen Ausführungen ist zu erwidern, daß § 92 Abs 2 ABGB einem (grundsätzlich zum Zusammenwohnen verpflichteten) Ehegatten gestattet, vorübergehend gesondert Wohnung zu nehmen, solange ihm ein Zusammenleben mit dem anderen Ehegatten, besonders wegen körperlicher Bedrohung, unzumutbar ist. Der Gesetzestext stellt durch den Gebrauch des Wortes "besonders" klar, daß nicht nur körperliche Bedrohung, sondern auch anderes Verhalten des anderen Ehegatten das Zusammenleben unzumutbar machen kann; er hebt nur den Fall der körperlichen Bedrohung hervor. Das Gesetz weist durch das gewählte Beispiel und den Gebrauch des Wortes "unzumutbar" darauf hin, daß nicht jede schwere Eheverfehlung des anderen Ehegatten schon eine gesonderte Wohnungnahme rechtfertigen kann; es muß sich um ein Verhalten des anderen Ehegatten handeln, das das weitere Zusammenleben unzumutbar macht (EFSlg 28.539 ua). Dem entspricht die ständige Rechtsprechung, daß in der Regel nur besonders schwere Eheverfehlungen die eigenmächtige Aufgabe der ehelichen Gemeinschaft durch den anderen Teil rechtfertigen (EFSlg 33.923, 38.689, 46.174 uva); auch hier muß es sich um Eheverfehlungen handeln, die das weitere Zusammenleben unzumutbar machen.

Werden diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewendet und wird berücksichtigt, daß die Antragstellerin als Verfehlungen des Antragsgegners, die sie ihrer Ansicht nach zur gesonderten Wohnungnahme veranlaßt hätten, im wesentlichen nur eine Verletzung seiner Unterhaltspflicht, sein mangelndes Interesse an der Aufrechterhaltung der Ehe und den Verdacht ehewidriger Beziehungen zu einer Nachbarin geltend macht - eine körperliche Bedrohung durch den Antragsgegner wurde nicht behauptet -, kann aber in der Auffassung des Rekursgerichtes, daß selbst bei Unterstellung der Richtigkeit des Vorbringens der Antragstellerin das Verhalten des Antragsgegners nicht als derart schwerwiegende psychische Beeinträchtigung der Antragstellerin zu qualifizieren ist, die das weitere Zusammenleben mit ihm für sie unzumutbar erscheinen ließe, sodaß die abgesonderte Wohnungnahme der Antragstellerin nicht gerechtfertigt ist, keine unrichtige rechtliche Beurteilung erblickt werden.

Dem Revisionsrekurs mußte daher ein Erfolg versagt bleiben. Der Antrag auf Zuspruch der Kosten des Revisionsrekurses war zurückzuweisen, weil im Verfahren außer Streitsachen - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - ein Kostenersatz nicht stattfindet.

Anmerkung

E18281

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0020OB00564.89.0830.000

Dokumentnummer

JJT_19890830_OGH0002_0020OB00564_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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