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97 VergabewesenNorm
B-VG Art19Leitsatz
Aufhebung einer die umfassende Suspendierung der Bundesverfassung für landesgesetzliche Vorschriften über die Organisation und Zuständigkeit von Vergabekontrolleinrichtungen bewirkenden Verfassungsbestimmung des Bundesvergabegesetzes wegen Widerspruchs zum rechtsstaatlichen und demokratischen Prinzip; Verfassungswidrigkeit der im Sbg Landesvergabegesetz vorgesehenen Kontrolle oberster Organe der Vollziehung durch den Vergabekontrollsenat; Aufhebung dieser Bestimmung im AnlaßverfahrenSpruch
I. 1. §126a des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 1997 - BVergG), BGBl. I Nr. 56/1997 idF BGBl. I Nr. 125/2000, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Die aufgehobene Bestimmung ist nicht mehr anzuwenden.
2. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
II. 1. Die Wortfolge "das Land," in §1 Abs1 Z1 des Gesetzes vom 23. Oktober 1997 über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Landesvergabegesetz - LVergG), LGBl. für das Land Salzburg Nr. 1/1998, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. September 2002 in Kraft.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
2. Der Landeshauptmann von Salzburg ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl B2214/98 eine Beschwerde gegen einen Bescheid des Vergabekontrollsenates des Landes Salzburg (künftig: VKS) vom 1. Oktober 1998, Z6/-602/VKS/123-1998, anhängig.
a) Diesem Bescheid liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Landesnervenklinik Salzburg hat die Lieferung von zwei Ganzkörper-MR-Kernspintomographieanlagen ausgeschrieben. Der Zuschlag wurde an eine Bietergemeinschaft erteilt, die aus zwei Unternehmen bestand.
Die nicht zum Zuge gekommene beschwerdeführende Gesellschaft beantragte beim VKS die Feststellung, daß der Zuschlag wegen einer Rechtswidrigkeit nicht dem Bestbieter erteilt worden sei.
Mit Bescheid vom 1. Oktober 1998 entschied der VKS, daß ein Verstoß gegen die Bestimmungen des Salzburger Landesvergabegesetzes idF LGBl. 1/1998 (künftig: SVergG) nicht feststellbar sei und "dem Begehren der Antragstellerin ... keine Berechtigung zukommt".
b) Gegen diesen Bescheid wendete sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und die Verletzung in sonstigen Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides begehrt wird.
c) Bei Behandlung der Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "das Land," in §1 Abs1 Z1 SVergG entstanden. Denn diese Worte scheinen in ihrem normativen Zusammenhang mit dem Einleitungssatz des §1 Abs1 und den Bestimmungen des 2. Abschnittes des Gesetzes, der das Nachprüfungsverfahren durch den VKS regelt, diese Behörde mit der Zuständigkeit auszustatten, Vergabeentscheidungen auch der obersten Organe der Landesverwaltung zu kontrollieren. Der Verfassungsgerichtshof hat daher, da er dies für verfassungsrechtlich bedenklich hielt, beschlossen, von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der genannten Worte einzuleiten.
d) Die Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie beantragte, die in Prüfung gezogene Wortfolge nicht als verfassungswidrig aufzuheben.
e) Auch die beschwerdeführende Gesellschaft im Anlaßverfahren B2214/98 hat eine Stellungnahme abgegeben; in ihr wird die Ansicht vertreten, daß die in Prüfung gezogene Wortfolge als verfassungswidrig aufzuheben sei.
2. Der Verwaltungsgerichtshof beantragte mit Beschlüssen vom 22. März 2000 aus Anlaß von vier bei ihm anhängigen Beschwerdeverfahren ebenfalls die Aufhebung der "Worte 'das Land' in §1 Abs1 Z1 des Gesetzes vom 23. Oktober 1997 über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Landesvergabegesetz - LVergG), LGBl. Nr. 1/1998, als verfassungswidrig". Mit seinen Beschlüssen vom 10. April 2000 hat der Verwaltungsgerichtshof seine Anträge dahingehend berichtigt, daß im Spruch nach dem Ausdruck "LGBl." die Wortfolge "für das Land Salzburg" einzufügen sei:
a) Die hg. zu G48/00, G50/00 und G51/00 protokollierten Anträge wurden vom Verwaltungsgerichtshof aus Anlaß dreier Beschwerdeverfahren gestellt, die sich gegen Bescheide des VKS richten, die in Nachprüfungsverfahren betreffend die Auftragsvergabe des Landes Salzburg zur Besorgung zweier Kernspintomographieanlagen für die Landesnervenklinik Salzburg ergangen sind und jenes Vergabeverfahren betreffen, das auch dem zu B2214/98 bekämpften Bescheid des VKS zugrundeliegt:
Dem zu G48/00 protokollierten Antrag liegt eine Beschwerde zugrunde, in der die Aufhebung eines Bescheides des VKS vom 6. Mai 1998 beantragt wird, mit dem mehrere Nachprüfungsanträge der beschwerdeführenden Gesellschaft gemäß §8 Abs1 SVergG als unzulässig zurückgewiesen wurden.
Der zu G50/00 protokollierte Antrag wurde vom Verwaltungsgerichtshof aus Anlaß eines Beschwerdeverfahrens gestellt, in dem er die Rechtmäßigkeit jenes Bescheides des VKS vom 1. Oktober 1998 zu prüfen hat, der auch Gegenstand des zu B2214/98 protokollierten hg. Beschwerdeverfahrens ist.
Dem zu G51/00 protokollierten Antrag liegt ein Verfahren über eine Beschwerde zugrunde, die sich gegen einen Bescheid des VKS vom 25. September 1998 richtet, mit dem mehrere Anträge der beschwerdeführenden Gesellschaft wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurden.
b) Der zu G49/00 protokollierte Antrag wurde vom Verwaltungsgerichtshof aus Anlaß eines Beschwerdeverfahrens gestellt, in dem er über eine Beschwerde gegen einen Bescheid des VKS vom 5. Oktober 1998 zu entscheiden hat, mit dem Anträge der beschwerdeführenden Gesellschaft, festzustellen, daß in einem dort näher bezeichneten Vergabeverfahren des Landes Salzburg (Landeskrankenanstalten) die Zuschlagserteilung an einen Mitbieter rechtswidrig gewesen und der Zuschlag wegen eines Gesetzesverstoßes nicht der beschwerdeführenden Gesellschaft als Bestbieterin erteilt worden sei, abgewiesen wurden.
c) Bei der Entscheidung über die den in a) und b) bezeichneten Anträgen zugrundeliegenden Beschwerdeverfahren habe der Verwaltungsgerichtshof die Bestimmung des §1 Abs1 Z1 SVergG anzuwenden. In der Sache schließt sich der Verwaltungsgerichtshof jenen Bedenken an, die der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluß vom 15. Dezember 1999, B2214/98-11, zum Ausdruck gebracht habe.
d) In diesen Verfahren hat die Salzburger Landesregierung eine gemeinsame Äußerung erstattet, in der sie unter Bezugnahme auf ihre bereits zu G12/00 erstattete schriftliche Äußerung ihren Antrag, die in Prüfung gezogenen Worte in §1 Abs1 Z1 SVergG nicht als verfassungswidrig aufzuheben, wiederholte.
e) Die vor dem Verwaltungsgerichtshof in den Anlaßbeschwerdeverfahren zu G48/00, G50/00 und G51/00 beschwerdeführende Gesellschaft hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Ansicht vertrat, daß den Anträgen des Verwaltungsgerichtshofes auf Aufhebung der genannten Wortfolge stattzugeben sei.
3. Die in Prüfung stehende Wortfolge hat - im Zusammenhang betrachtet - folgenden normativen Gehalt:
Das SVergG enthält in seinem 1. Abschnitt u.a. Bestimmungen über seinen Anwendungsbereich, wobei sich der persönliche Geltungsbereich aus §1 ergibt. Die Z1 des Abs1 dieser Bestimmung lautet in ihrem hier maßgeblichen Teil (die in Prüfung genommenen Worte sind hervorgehoben):
"(1) Dieses Gesetz gilt für die Vergabe von Aufträgen durch folgende Auftraggeber:
1. das Land, die Gemeinden, die Gemeindeverbände;
..."
Hinsichtlich des bei der Vergabe öffentlicher Aufträge einzuhaltenden Verfahrens bestimmt der unter der Rubrik "Vergabeverfahren, Anwendung von Bundesrecht" stehende §4:
"(1) Auf die gemäß den §§1 und 2 erfaßten Auftragsvergaben sind der 2. und 3. Teil des BVergG und die Anhänge VII bis XVIII zum BVergG mit nachfolgenden Abweichungen anzuwenden:
1. An die Stelle der Zuständigkeit der obersten Organe der Vollziehung des Bundes tritt die Zuständigkeit der Landesregierung.
... "
Die Teile 2 und 3 des damit verwiesenen, gemäß §21 SVergG (idF LGBl. 99/2000) in der Fassung der Gesetze BGBl. I 27/1998 sowie BGBl. I 80 und 120/1999 anzuwendenden Bundesvergabegesetzes 1997 (BVergG) enthalten die allgemeinen Regelungen über das bei der Vergabe von Aufträgen einzuhaltende Verfahren und besondere Bestimmungen, die für Auftragsvergabeverfahren im Anwendungsbereich der entsprechenden Vergaberechtsrichtlinien der EG (also für Vergaben oberhalb der sogenannten Schwellenwerte) gelten.
Der 2. Abschnitt des SVergG enthält Regelungen über den Rechtsschutz; die Abs1 und 2 des unter der Rubrik "Nachprüfungsverfahren, Allgemeine Bestimmungen" stehenden §6 lauten:
"(1) Ein Unternehmer, der ein Interesse am Abschluß eines dem Anwendungsbereich dieses Gesetzes unterliegenden Vertrages mit einem Auftraggeber glaubhaft macht, kann die Nachprüfung einer Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, wenn ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.
(2) Über einen Antrag gemäß Abs1 entscheidet der Vergabekontrollsenat in erster und letzter Instanz. Seine Bescheide unterliegen nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg. Die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes ist zulässig."
Die näheren Bestimmungen über die Einrichtung des VKS enthält §7 leg.cit.; dem VKS ist die Zuständigkeit zur Aufhebung bestimmter Entscheidungen im Vergabeverfahren, die Zuständigkeit zur Feststellung, ob der Zuschlag rechtmäßig dem Bestbieter erteilt wurde, und die Zuständigkeit zur Erlassung einstweiliger Verfügungen übertragen (§§8 bis 10 SVergG).
4. a) In seinem das Verfahren G12/00 einleitenden Prüfungsbeschluß hielt der Verfassungsgerichtshof die diesem Verfahren zugrundeliegende Beschwerde für zulässig. Er ging vorläufig davon aus, daß sich die Beschwerde gegen einen Bescheid des VKS richte, mit dem über die Rechtmäßigkeit einer Vergabeentscheidung der Landesnervenklinik Salzburg abgesprochen werde. Da der Rechtsträger der Landesnervenklinik Salzburg das Land Salzburg sei (vgl. §1 der Anstaltsordnung für die Landesnervenklinik Salzburg) dürfte diese Entscheidung der Salzburger Landesregierung zuzurechnen sein, die mit der Besorgung von Aufgaben der sogenannten Privatwirtschaftsverwaltung für das Land Salzburg betraut sei. Seine Zuständigkeit zur Kontrolle von Vergabeentscheidungen der Landesnervenklinik Salzburg hätte der VKS offensichtlich auf §1 Abs1 Z1 SVergG gestützt. Der Verfassungsgerichtshof ging daher vorläufig davon aus, daß er die in Prüfung genommenen Worte im Anlaßbeschwerdeverfahren anzuwenden hätte.
b) Seine Bedenken formulierte der Verfassungsgerichtshof in seinem dem Verfahren G12/00 zugrundeliegenden Prüfungsbeschluß wie folgt:
"Die in Prüfung genommene Bestimmung dürfte den VKS und damit eine Verwaltungsbehörde zur Kontrolle von Entscheidungen auch der obersten Organe der Landesverwaltung berufen. Dies scheint - ungeachtet des Umstandes, daß es sich beim VKS, dessen Bescheide gemäß §6 Abs2 SVergG nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg unterliegen, dem zwingend ein Richter angehört (§7 Abs1 leg.cit.) und bei dem auch die übrigen Mitglieder in Ausübung ihres Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden sind (Art20 Abs2 B-VG und §7 Abs4 SVergG), um eine kollegiale Verwaltungsbehörde mit richterlichem Einschlag handelt, gegen deren Bescheide aber kraft der ausdrücklichen Bestimmung des §6 Abs2 letzter Satz SVergG die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes zulässig ist, - verfassungsrechtlich unzulässig zu sein. Denn auch für solche qualifizierte Verwaltungsbehörden gilt - wie der Verfassungsgerichtshof mehrfach zu Recht erkannt hat (vgl. etwa VfSlg. 8917/1980, 9164/1981, 9476/1982, 12.220/1989) -, daß es von Verfassungs wegen unzulässig ist, sie einem obersten Organ der Vollziehung überzuordnen.
In concreto hegt der Verfassungsgerichtshof gegen die in Prüfung genommenen Worte des SVergG eben jene verfassungsrechtlichen Bedenken, die ihn in den zu G44-46/99 protokollierten Verfahren bewogen haben, die gleichartige Geltungsbereichsbestimmung für Vergaben des Bundes in §11 Abs1 Z1 BVergG 1997 als verfassungswidrig aufzuheben."
5. Der Verwaltungsgerichtshof legte in seinen zu G48/00 bis G51/00 protokollierten Anträgen dar, warum er seiner Ansicht nach die Worte "das Land" in §1 Abs1 Z1 SVergG anzuwenden hätte und schloß sich den vom Verfassungsgerichtshof formulierten Bedenken an.
a) Die Salzburger Landesregierung trat den Bedenken im wesentlichen mit folgenden Argumenten entgegen und brachte u.a. vor:
"Gegenstand der Nachprüfung durch den Vergabekontrollsenat sind 'Entscheidungen' der vergebenden Stellen, die im Fall eines Verstoßes gegen das (Salzburger) Landesvergabegesetz für nichtig zu erklären bzw aufzuheben sind. Da die hier im Gesetz enthaltene Terminologie an den von Österreich umzusetzenden Rechtsmittelrichtlinien (RL 89/665/EWG und 92/13/EWG) orientiert ist, ist der Begriff 'Nachprüfung' nicht in einen originär nationalen Kontext zu stellen, sondern gemeinschaftsrechtskonform zu interpretieren. Vor dem Hintergrund der divergierenden Ausgestaltung des Vergaberechtsschutzes in den Mitgliedsstaaten der Union führten die Rechtsmittelrichtlinien subjektive Rechte von Interessenten und Bietern ein und schrieben die Anfechtbarkeit der dem Vertragsabschluss vorausgehenden Einzelschritte im Vergabeverfahren ('Entscheidungen') vor. Thienel, Vergabekontrollämter verfassungswidrig?, ZfV 1999, 332 ff, weist darauf hin, dass nicht die (intern gefasste) Entscheidung, 'sondern erst die nach außen in Erscheinung tretende unzulässige Ausschreibung oder Gestaltung sonstiger Unterlagen' anfechtbar sei. Gegenstand der Vergabekontrolle sei folglich weder ein Hoheitsakt noch der Akt der internen Willensbildung, sondern die Frage, ob der Auftraggeber die ihn auf Grund des Vergabegesetzes treffenden Handlungs- oder Unterlassungspflichten verletzt hat."
Während es für den Bereich der Hoheitsverwaltung unbestritten sei, daß die Kontrolle oberster Organe durch andere Verwaltungsbehörden ohne bundesverfassungsrechtliche Ermächtigung unzulässig ist, lasse sich für die dem Art17 B-VG zugrundeliegende Privatwirtschaftsverwaltung die Zulässigkeit der Kontrolle privatwirtschaftlicher Akte auch oberster Organe durch eine Verwaltungsbehörde ableiten:
"Wenn ein Land als Privatrechtssubjekt auftritt, untersteht
es gleich anderen juristischen Personen den einschlägigen Gesetzen
und Vollzugsakten. ... Dabei ist es gänzlich unbestritten, dass die
ordentlichen Gerichte ... auch Akte der Landesregierung zu überprüfen
haben. ... Eine besondere verfassungsrechtliche Grundlage dafür gibt
es nicht, sie ist auch nicht erforderlich, wenn der Begriff eines obersten Organes der Vollziehung (Art19 Abs1 B-VG) nicht überzogen verstanden wird. Die Landesregierung ist hier nicht anders zu sehen, wie jedes andere geschäftsführende Organ einer juristischen Person:
Intern an oberster Stelle der Hierarchie, nach außen aber den gleichen Rechtskontrollen unterworfen wie die obersten Organe aller anderen Rechtsträger."
In gewissem Rahmen könnten für die Zuständigkeiten, die sonst den Zivilgerichten zukommen, auch Verwaltungsbehörden eingerichtet werden. Davon wurde mit der Schaffung des VKS Gebrauch gemacht. Auch sonst seien verschiedentlich, wenn auch selten, Verwaltungsbehörden eingerichtet, die Streitigkeiten, an denen die Landesregierung als Organ des Landes in dessen Funktion als Betriebsinhaber beteiligt ist, zu entscheiden haben. Als Beispiel wird §255 Abs1 der Salzburger Landarbeitsordnung 1997 genannt, der die Land- und Forstwirtschaftliche Schlichtungsstelle zur Entscheidung von Streitigkeiten über den Abschluß, die Änderung und die Aufhebung von Betriebsvereinbarungen berufe.
Unter Berufung auf Ausführungen von Thienel (ZfV 1999, 336 ff.) meint die Landesregierung, daß
"eine systematische Betrachtung des B-VG dafür (spreche), dass es dem Gesetzgeber frei steht, die Prüfung der Einhaltung der außenwirkenden Normen durch den privatwirtschaftlich handelnden Staat entweder den Gerichten oder den Verwaltungsbehörden zu übertragen, gleichgültig, durch welche Organe der Gebietskörperschaften die privatwirtschaftlichen Akte gesetzt werden",
und erachtet zusammenfassend
"die im (Salzburger) Landesvergabegesetz vorgesehene Nachprüfung des Vergabeverfahrens durch den Vergabekontrollsenat auch hinsichtlich der Vergabeentscheidungen der Landesregierung (bzw des Landes) für verfassungsrechtlich zulässig".
b) Die im Anlaßverfahren B2214/98 sowie in drei den Anträgen des Verwaltungsgerichtshofes zugrundeliegenden Beschwerdeverfahren (G48/00, G50/00 und G51/00) als Beschwerdeführerin auftretende Gesellschaft hat in der Sache unter anderem vorgebracht, daß es
"verfassungswidrig (sei), eine Behörde gemäß Art133 Z4 B-VG zur Überprüfung des Verhaltens eines obersten Organs in der Weise zu berufen, daß ihr eine Kontrollfunktion gegenüber dem obersten Organ zukommt (VfSlg 13.626/1993). ...
Es ist ständige Rechtsprechung des VfGH, daß die dargelegte Unzulässigkeit der Entscheidungsbefugnis einer Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag als Kontrollinstanz über einer obersten Verwaltungsbehörde jedenfalls für den Bereich der Hoheitsverwaltung verfassungsrechtlich unzulässig ist (vgl dazu etwa VfSlg 13.626/1993).
Art19 und 20 B-VG unterscheiden hinsichtlich der Nachprüfung von von obersten Organen erlassenen Entscheidungen nicht zwischen der Kontrolle von hoheitlichen Verwaltungsakten und Akten der Privatwirtschaftsverwaltung (Grabenwarter in Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht, Rz 53 zu Art133). Der Verfassungsgerichtshof sprach zum Bundesvergabeamt aus, daß es nicht nur außenwirksames privatrechtsförmiges Handeln vergebender Stellen im Hinblick auf bestimmte Rechtsfolgen beurteilt, sondern daß ihm vielmehr von den öffentlichen Auftraggebern gesetzte Handlungen selbst zur Kontrolle übertragen sind (VfGH 30.9.1999, G44-46/99 (= VfSlg. 15.578/1999)). In der gleichen Entscheidung leitet der VfGH aus dem nicht differenzierenden Wortlaut der Artikel 19 u. 20 B-VG ab, daß eine Kontrollinstanz über den obersten Verwaltungsorganen auch zur Kontrolle von privatrechtsförmigem Handeln verfassungsrechtlich unzulässig ist."
II. 1. a) Aus Anlaß der unter I. geschilderten Gesetzesprüfungsverfahren G12/00 und G48/00 bis G51/00 hat der Verfassungsgerichtshof am 10. März 2001 den Beschluß gefaßt, auch die Verfassungsbestimmung des §126a BVergG idF BGBl. I 125/2000 auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.
§126a BVergG hat folgenden Wortlaut:
"§126a. (Verfassungsbestimmung) Die am 1. Jänner 2001 in Geltung stehenden landesgesetzlichen Bestimmungen betreffend die Organisation und Zuständigkeit von Organen, denen der Rechtsschutz hinsichtlich der Vergabe öffentlicher Aufträge obliegt, gelten als nicht bundesverfassungswidrig."
Gleichfalls mit der BVergG-Novelle BGBl. I 125/2000 wurde dem §99 Abs2 BVergG als Verfassungsbestimmung folgender Satz angefügt:
"Das Bundesvergabeamt übt seine Befugnisse auch gegenüber den in Art19 B-VG bezeichneten obersten Organen der Vollziehung des Bundes aus."
Nach dem ebenfalls mit der Novelle BGBl. I 125/2000 in das BVergG eingefügten §128 Abs8 trat §126a leg.cit. (wie auch der dem §99 Abs2 leg.cit. angefügte Satz) mit 1. Jänner 2001 in Kraft und soll (wie der letzte Satz des §99 Abs2) "mit 31. August 2002" außer Kraft treten.
b) Der dieser Novelle zugrundeliegende Antrag war folgendermaßen begründet (vgl. AB 360 BlgNR XXI. GP):
"Der Nationalrat beabsichtigt, die Bundesregierung mit der Vorlage eines bundeseinheitlich geltenden Vergaberechts aufzufordern. Da auf Grund der zur Verfügung stehenden Zeit die Ausarbeitung dieses Gesetzesvorhabens nicht realisierbar ist, sollen die unumgänglich notwendigen Anpassungen im BVergG 1997 vorgenommen werden. Diese Anpassungen betreffen die 'Umsetzung' des Ökopunkte-Erkenntnisses des EuGH und die befristete bundesverfassungsrechtliche Absicherung des Status quo im Bereich der Rechtsschutzorganisation.
Im Bereich der Länder existieren derzeit verschiedene Vergabekontrolleinrichtungen (UVS, Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag und Sonderkonstruktionen). Bis zur Erlassung eines bundeseinheitlichen Vergaberechts, das auch Regelungen betreffend die Organisation der Vergabekontrolleinrichtungen enthalten soll, wird auch der Status quo der Vergabekontrollorgane in den Ländern zeitlich befristet bundesverfassungsrechtlich abgesichert."
2. Der Verfassungsgerichtshof ging vorläufig davon aus, daß er bei seiner Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der in den Verfahren G12/00 und G48/00 bis G51/00 in Prüfung stehenden Wortfolge "das Land," in §1 Abs1 Z1 SVergG §126a BVergG dann anzuwenden haben dürfte, wenn er zur Auffassung gelange, daß diese Bestimmung Bundesverfassungsrecht widerspreche. Denn angesichts der Verfassungsbestimmung des §126a BVergG hätte er in diesen Verfahren wohl (bloß) auszusprechen, daß die in Prüfung stehende Wortfolge des SVergG (bis zum Ablauf des 31. Dezember 2000) verfassungswidrig war, da sie nach §126a iVm §128 Abs8 BVergG ab 1. Jänner 2001 bis 31. August 2002 nicht als bundesverfassungswidrig zu gelten hätte; käme es - so der Verfassungsgerichtshof in seinem Einleitungsbeschluß vom 10. März 2001 - jedoch zur Aufhebung des §126a BVergG, so wäre die in Prüfung stehende Wortfolge auf Basis der bereinigten Rechtslage wohl als verfassungswidrig aufzuheben.
III. Der Verfassungsgerichtshof hat angesichts dessen in sinngemäßer Anwendung der §§187, 404 ZPO (§35 VerfGG) nicht nur beschlossen, die dieselbe Bestimmung des SVergG betreffenden Gesetzesprüfungsverfahren G12/00 und G48/00 bis G51/00, sondern auch diese Verfahren mit dem die Frage der Verfassungsmäßigkeit des §126a BVergG betreffenden, zu G132-136/01 protokollierten Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden.
IV. Zur Zulässigkeit der Verfahren G12/00 und G48/00 bis G51/00:
1. Im Verfahren G12/00 wurde nichts vorgebracht und ist auch sonst nichts hervorgekommen, was gegen die vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofs (vgl. Pkt. I.4.a)) spräche. Auch die Salzburger Landesregierung hat in ihrer Äußerung die Präjudizialität der in Prüfung genommenen Wortfolge des SVergG außer Streit gestellt und die Zulässigkeit des Anlaßbeschwerdeverfahrens nicht bestritten.
Da auch alle übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist dieses Verfahren sohin zulässig.
2. Auch in den Verfahren G48/00 bis G51/00 ist nichts hervorgekommen, was daran zweifeln ließe, daß der Verwaltungsgerichtshof die zur Aufhebung beantragte Wortfolge in §1 Abs1 Z1 SVergG in der in Prüfung stehenden Fassung in den seinen Anträgen zugrundeliegenden Beschwerdeverfahren anzuwenden habe oder daß der meritorischen Behandlung seiner Anträge sonstige Prozeßhindernisse entgegenstünden. Auch die Salzburger Landesregierung ist in ihrer Äußerung diesen Präjudizialitätsannahmen nicht entgegengetreten.
Auch die Anträge des Verwaltungsgerichtshofes erweisen sich sohin als zulässig.
V. Zur Verfassungsmäßigkeit der Salzburger landesgesetzlichen Bestimmung:
1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis VfSlg. 15.578/1999 mit allen nunmehr von der Salzburger Landesregierung in den Verfahren G12/00 und G48/00 bis G51/00 vorgebrachten Argumenten auseinandergesetzt und ist zur Auffassung gelangt, daß die gleichartige Geltungsbereichsbestimmung für Vergaben des Bundes in §11 Abs1 Z1 BVergG 1997 verfassungswidrig ist: Es sei verfassungsrechtlich unzulässig, kollegiale Verwaltungsbehörden einem obersten Organ der Vollziehung überzuordnen (Verweis auf VfSlg. 8917/1980, 9164/1981, 9476/1982, 12.220/1989). Einer solchen Überordnung komme es gleich, wenn eine Verwaltungsbehörde mit der Kompetenz ausgestattet ist, Entscheidungen oberster Organe nachprüfend zu kontrollieren und sie im Fall ihrer Rechtswidrigkeit zu beheben (VfSlg. 13.626/1993). Der Verfassungsgerichtshof hielt in diesem Erkenntnis in Auseinandersetzung mit der damals von der Bundesregierung vertretenen, auf Thienel (Vergabekontrollämter verfassungswidrig?, ZfV 1999, 336 ff.) gestützten Argumentationslinie (auf die sich in den vorliegenden Verfahren auch die Salzburger Landesregierung stützt) fest, daß eine Vergabekontrollbehörde bei Wahrnehmung ihrer Kompetenz - schon um den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen gerecht werden zu können - nicht bloß außenwirksames privatrechtliches Handeln der obersten Organe im Hinblick auf seine Wirksamkeit und bestimmte Rechtsfolgen zu beurteilen oder eine gesetzlich vorgesehene Genehmigung zu erteilen oder zu versagen habe, sondern die in den einzelnen Schritten des Verfahrens nach außen zum Ausdruck kommenden Entscheidungen selbst zu beurteilen und gegebenenfalls aufzuheben hätte.
Was der Verfassungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis hinsichtlich des Bundesvergabeamtes (BVA) festgestellt hat, trifft auch auf den VKS zu: In bei ihm anhängigen Nachprüfungsverfahren hat diese Behörde - genauso wie das BVA hinsichtlich der seiner Kontrolle unterliegenden Vergaben - zu beurteilen, ob das vergebende Organ sich etwa zu Recht für die Durchführung eines nicht offenen Vergabeverfahrens entschieden habe, ob es zulässigerweise produktspezifische Angaben in der Ausschreibung gemacht habe oder ob es mit der Entscheidung, ein Alternativangebot auszuscheiden, rechtmäßig gehandelt habe. Kommt der VKS bei seiner Beurteilung zum Ergebnis, das vergebende Organ habe sich in dem Sinn rechtswidrig verhalten, daß es die seine Entscheidung determinierenden Vorschriften des Salzburger Vergabegesetzes verletzt hat, so hat er die Entscheidung des vergebenden Organs, genauer gesagt: jenen Teilakt im Vergabeverfahren, in dem diese Entscheidung zum Ausdruck kommt, aufzuheben.
Der VKS ist also nicht etwa zur Gewährung oder Versagung einer Genehmigung oder zur Beurteilung der Rechtsfolgen, die mit einem bestimmten Vorgehen der vergebenden Organe verbunden sind, berufen, sondern zur Kontrolle des jeweiligen Aktes selbst, und er hat diesen Akt im Falle seiner Rechtswidrigkeit aufzuheben. Genau das ist aber dann, wenn sich die Aufhebung auf einen Akt eines obersten Organs bezieht, eine verfassungsrechtlich verpönte Kontrolle eines obersten Organs durch ein im B-VG mit einer solchen Kontrollbefugnis nicht ausgestattetes Verwaltungsorgan (vgl. VfSlg. 13.626/1993).
An dieser Einschätzung ändert auch nichts, daß gemäß §6 Abs2 SVergG gegen Bescheide des VKS die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes zulässig ist.
2. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes haben sich daher als zutreffend erwiesen: die Wortfolge "das Land," in §1 Abs1 Z1 des Salzburger Landesvergabegesetzes steht - sieht man zunächst von der (erst) seit 1. Jänner 2001 geltenden Verfassungsbestimmung des §126a BVergG ab - in Widerspruch zur Verfassung.
VI. Die Konsequenz für die Zulässigkeit des Verfahrens zur Prüfung des §126a BVergG:
Das unter der Prämisse der Verfassungswidrigkeit der in den Verfahren G12/00 und G48/00 bis G51/00 in Prüfung stehenden Wortfolge des SVergG eingeleitete Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §126a BVergG (vgl. oben Pkt. II.) erweist sich aufgrund der unter Pkt. V. dargelegten Erwägungen als zulässig:
Der Verfassungsgerichtshof hätte bei der Beurteilung der Frage, ob die als verfassungswidrig erkannte Wortfolge des SVergG als verfassungswidrig aufzuheben ist oder ob bloß festzustellen ist, daß sie bis 31. Dezember 2000 verfassungswidrig war, §126a BVergG anzuwenden; diese Bestimmung erweist sich sohin als präjudiziell. Auch was die übrigen Prozeßvoraussetzungen des Verfahrens betrifft, ist ein Umstand, der gegen die Zulässigkeit des Verfahrens sprechen würde, weder von der Bundesregierung oder anderen beteiligten Parteien vorgebracht worden noch sonst hervorgekommen.
Das Verfahren G132-136/01 ist daher zulässig.
VII. Zur Verfassungsmäßigkeit des §126a BVergG:
1. In seinem Einleitungsbeschluß zu G132-136/01 äußerte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß die in Prüfung gezogene Verfassungsbestimmung des §126a BVergG offenkundig bewirken solle, alle landesgesetzlichen Regelungen über Einrichtung und Aufgaben der Vergabekontrolle in umfassender Weise von bundesverfassungsrechtlichen Bindungen freizustellen, mit anderen Worten, daß die Bundesverfassung auf derartige Bestimmungen überhaupt nicht Anwendung zu finden habe. Denn was immer die Vorschriften der Landesgesetze hinsichtlich der Organisation und Zuständigkeit der Vergabekontrolleinrichtungen am 1. Jänner 2001 angeordnet hätten, sie würden als "nicht bundesverfassungswidrig" gelten. Damit solle die Bundesverfassung ihre Funktion als Schranke für den Landesgesetzgeber verlieren.
Der Verfassungsgerichtshof führte dazu näher aus:
"Diese Freizeichnung dürfte sowohl die staatsorganisatorischen Vorschriften des Bundesverfassungsrechts wie auch diejenigen Vorschriften, die das Rechtsstaatsgebot konkretisieren sollen, betreffen; auch die Grundrechte - wie etwa das Grundrecht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Entscheidung durch ein unabhängiges und unparteiliches Tribunal oder der Gleichheitsgrundsatz -, ja selbst die Schranke des Art44 Abs3 B-VG sollen anscheinend durch §126a BVergG für diesen Teilbereich der österreichischen Rechtsordnung außer Kraft gesetzt werden. Die Erklärung einer bestimmten Gruppe von Rechtsvorschriften als 'nicht bundesverfassungswidrig' scheint daher zu bewirken, daß die damit angesprochenen Teile der österreichischen Rechtsordnung aus der von der Verfassung vorgesehenen umfassenden Bindung des einfachen Gesetzesrechtes an das Verfassungsrecht eximiert werden, was gleichzeitig auch zu bewirken scheint, daß eine Überprüfung dieser Vorschriften an den verfassungsrechtlichen Vorgaben durch den Verfassungsgerichtshof nicht mehr möglich ist.
Der Verfassungsgerichtshof ist vorläufig der Ansicht, daß der (einfache) Verfassungsgesetzgeber nicht dazu ermächtigt ist, die Wirkung der Bundesverfassung in derartiger Weise einzuschränken und ihrer Maßgeblichkeit für das einfache Gesetzesrecht zu entkleiden, mit anderen Worten, daß der Verfassungsgesetzgeber nicht zur Verfassungssuspendierung ermächtigt sein dürfte, und zwar auch dann nicht, wenn er diese Verfassungssuspendierung 'nur' - wie im vorliegenden Fall - für einen bestimmten Teilbereich der Rechtsordnung und nur für einen begrenzten Zeitraum verfügt, zumal der Bereich der landesgesetzlich eingerichteten Vergabekontrolle angesichts der häufigen Inanspruchnahme weder in quantitativer Sicht noch in seiner ökonomischen Bedeutung und vor allem auch nicht im Hinblick auf seine rechtsstaatliche Bedeutung als bloß klein oder geringfügig anzusehen sein dürfte.
Dabei kann im vorliegenden Zusammenhang dahinstehen, ob das Bundesverfassungsrecht überhaupt dazu ermächtigt, sich selbst außer Kraft zu setzen, oder ob es zulässig wäre, eine solche Verfassungssuspendierung in einem Verfahren nach Art44 Abs3 B-VG vorzunehmen, da ein solches Verfahren gar nicht stattgefunden hat. So verneint etwa Pernthaler, Der Verfassungskern, 1998, 80 f. und 85, die Zulässigkeit von Verfassungsdurchbrechungen als 'Mißbrauch der Verfassungsform' und von Verfassungssuspendierungen, die sich inhaltlich gesehen gerade nicht als Gesamtänderung der Bundesverfassung darstellten, und meint, daß es sich dabei um eine Verfassungswidrigkeit oder Verfassungsverletzung handelt, zu der 'der verfassungsändernde Gesetzgeber genauso wenig befugt ist, wie irgendein anderes Staatsorgan'.
Sofern aber derartige verfassungssuspendierende Bestim-mungen überhaupt zulässig sein sollten, dürften sie - wie der Verfassungsgerichtshof vorläufig annimmt - wohl nur in einem Verfahren nach Art44 Abs3 B-VG erlassen werden. Es entspricht nämlich der herrschenden Auffassung und der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, von der abzugehen er vorläufig keinen Anlaß sieht, daß der (einfache) Verfassungsgesetzgeber an die Erzeugungsvorschriften und die Inhalte des nur in einem Verfahren nach Art44 Abs3 B-VG abänderbaren qualifizierten Verfassungsrechts gebunden ist, das die richtungsweisende Grundlage für das einfache Verfassungsrecht darstellt (so Winkler, Verfassungsrecht und Verfassungsrechtsdenken, in: derselbe, Studien zum Verfassungsrecht, 1991, 1 ff. (hic: 31); vgl. auch Adamovich/Funk/Holzinger, Österreichisches Staatsrecht, Band 1, 1997, 128 ff., oder Pernthaler, a. a.O., 46 ff., alle mwH; aus der Rechtsprechung vgl. etwa VfSlg. 2455/1952, 11.829/1988, 15.215/1998, 15.373/1998 u.v.a.). Zum Inhalt des qualifizierten Verfassungsrechts - wie der Verfassungsgerichtshof vorläufig annimmt - zählt, daß es nicht dazu ermächtigt, sich selbst auszuschalten. Denn derartiges dürfte mit dem rechtsstaatlichen Prinzip in Widerspruch stehen, dem es entspricht, 'daß alle Akte staatlicher Organe im Gesetz und mittelbar letzten Endes in der Verfassung begründet sein müssen und daß für die Sicherung dieses Postulates wirksame Rechtsschutzeinrichtungen bestehen' (VfSlg. 2455/1952). Das Prinzip der Maßgeblichkeit der Verfassung dürfte ebenso wie 'die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Normenkontrolle als zentrales Element des rechtsstaatlichen Baugesetzes der österreichischen Bundesverfassung' (VfSlg. 15.215/1998) anzusehen sein und derartige Grundsätze dürften in ihrem Kern dem Verfassungsgesetzgeber im Sinne des Art44 Abs1 B-VG nicht zur beliebigen Disposition stehen (vgl. VfSlg. 15.373/1998)."
2. Die Bundesregierung ist diesen vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes entgegengetreten:
Sie verweist zunächst auf den rechtspolitischen Hintergrund des §126a BVergG (vgl. hier Pkt. II.1.) und die Pflicht zu seiner "baugesetzkonformen" Interpretation:
"Aus der ... Entstehungsgeschichte und aus dem Regelungskontext der in Prüfung gezogenen Bestimmung folgt nach Ansicht der Bundesregierung, dass eine - wie im Prüfungsbeschluss vorgenommene - letztlich überschießende Auslegung der Auswirkungen des §126a BVergG - auch wenn eine gewisse Kritik an dessen Wortlaut berechtigt sein mag - nicht geboten ist.
Die Bundesregierung weist einleitend darauf hin, dass nach der ständigen Judikatur des Gerichtshofes eine Verpflichtung zur baugesetzkonformen Interpretation von Verfassungsbestimmungen besteht. Diesen darf daher 'im Zweifel' kein Inhalt beigemessen werden, der sie in Widerspruch zu den leitenden Grundsätzen des Bundesverfassungsrechts (Art44 Abs3 B-VG) stellen würde (vgl. etwa VfSlg 11.403/1987, 11.829/1988 und VfGH 28.9.2000, A10/00). Dass die in Rede stehende Bestimmung des §126a zweifelsfrei eine Ausschaltung eines (oder gar mehrerer) leitender Grundsätze des B-VG (d.h. der Baugesetze) bewirkt, erscheint aber schon vor dem Hintergrund der ... Entstehungsgeschichte als nicht zutreffend. Allein schon aus diesem Grund kann der Bestimmung nach Ansicht der Bundesregierung nicht ein überschießender, die Selbstausschaltung des B-VG bewirkender Inhalt beigemessen werden.
Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner Judikatur hervorhebt, ist bei der Ermittlung des Norminhaltes nicht nur allein der Wortlaut der fraglichen Regelung, sondern auch deren Entstehungsgeschichte sowie der Gegenstand und Zweck der Regelung zu beachten. Auch in der Lehre (vgl. Korinek, Zur Interpretation von Verfassungsrecht, in: FS Walter (1991), 363; Thienel, Kritischer Rationalismus und Jurisprudenz (1991)) wird betont, dass Interpretation nicht dem blanken Wortsinn verhaftet bleiben soll, sondern Begriffe unter Berücksichtigung ihres systematischen Zusammenhanges und ihres Sinnes zu verstehen sind. Vor diesem Hintergrund ist darauf aufmerksam zu machen, dass gemäß Z4 der Novelle BGBl. I Nr. 125/2000 dem §99 Abs2 des BVergG 1997 eine (weitere) Verfassungsbestimmung angefügt wird, wonach das Bundesvergabeamt seine Befugnisse auch gegenüber den in Art19 B-VG bezeichneten obersten Organen der Vollziehung des Bundes ausübt. Diese Bestimmung trat zum selben Zeitpunkt wie die in Prüfung gezogene Bestimmung des §126a BVergG in Kraft und tritt auch zum selben Zeitpunkt außer Kraft. Das verfassungsrechtliche 'Übergangsregime' zielt nach dem expliziten Wortlaut des §126a BVergG auf die 'Bestimmungen betreffend die Organisation und Zuständigkeit von Organen, denen der Rechtsschutz hinsichtlich der Vergabe öffentlicher Aufträge obliegt'. Es ist daher nach Ansicht der Bundesregierung aus dem geschilderten Zusammenhang evident, dass der §126a BVergG das verfassungsrechtliche 'Pendant' in Bezug auf die Vergabekontrolleinrichtungen der Länder zur Z4 der zitierten Novelle bildet. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Tatsache, dass im Zusammenhang mit der Organisation und Zuständigkeit der Vergabekontrollorgane in den Ländern aktuell die Prüfungskompetenz von Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag in Bezug auf die Vergaben von obersten Organen der Landesverwaltung (vgl. das Erkenntnis G 44 bis 46/99 sowie die gegenständlichen Vorverfahren G 12 und 48 bis 51/00) sowie bei Unabhängigen Verwaltungssenaten die Prüfungskompetenz in Bezug auf die Vergaben von Gemeinden bzw. von (privaten) Sektorenauftraggebern verfassungsrechtlich problematisiert werden, sollten ganz offensichtlich diese (einfach)verfassungsrechtlichen Aspekte einer temporären verfassungsrechtlichen Absicherung zugeführt werden, um im Sinne der zitierten Entschließung des Nationalrates eine insgesamt einheitliche Regelung der Vergabe öffentlicher Aufträge zu ermöglichen. Dieser Zusammenhang ist nach Auffassung der Bundesregierung evident.
Vor diesem Hintergrund ist die Bundesregierung der Ansicht, dass die fragliche Bestimmung einschränkend auszulegen ist, nämlich dahingehend, dass der Bundesverfassungsgesetzgeber mit der Formulierung 'gelten nicht als bundesverfassungswidrig' die Ebene der Baugesetze gar nicht angesprochen hat und auch nicht die Schranke des Art44 Abs3 B-VG durch §126a BVergG für diesen Teilbereich der österreichischen Rechtsordnung außer Kraft gesetzt hat. In Anlehnung an die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes (im Erkenntnis VfSlg 15.287/1998) könnte man fragen, ob die vom Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss angedeutete Lesart des §126a BVergG, wonach diese Norm ja offensichtlich außerhalb des Systems des B-VG stünde, dem Bundesverfassungsgesetzgeber überhaupt 'zusinnbar' ist. Dass Baugesetze der Bundesverfassung nur mit obligatorischer Volksabstimmung geändert werden können, muss auch den Abgeordneten des Nationalrates klar sein. Auch nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes selbst gilt das Gebot konformer Auslegung auch in der Relation zwischen den Ebenen des (einfachen) Verfassungsrechts und den Grundprinzipien (vgl. z.B. VfSlg 11.829/1988). Auch hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 28.9.2000, A10/00 zu §8 Abs3 FAG - auch eine Verfassungsbestimmung -, darauf abgestellt, dass diese Bestimmung (über den abgestuften Bevölkerungsschlüssel) nicht verfassungswidrig wäre, wenn sie auf der Stufe eines einfachen Bundesgesetzes erlassen worden wäre. Mit diesem Argument hat es der Verfassungsgerichtshof vermieden auf die Argumentation der antragstellenden Landesregierungen einzusteigen, die Verfassungsbestimmung stünde - wieder wegen des Ausschlusses der Prüfungskompetenz des Verfassungsgerichtshofes - mit Art44 Abs3 B-VG in Widerspruch. Überträgt man diese Argumentation auf die hier relevante Ebene, so könnte dem Umstand, dass die Regelungen 'an sich' nicht gesamtändernd sind, eine gewisse Bedeutung zukommen. Nach Ansicht der Bundesregierung handelt es sich bei dieser Argumentation, die versucht, alle den Gesetzesbeschluss begleitenden Umstände mit in Betracht zu ziehen, nicht um eine reine petitio principii. Sie geht vielmehr davon aus, dass der (einfache) Verfassungsgesetzgeber auf der Basis des Systems des B-VG eine Regelung erlassen hat, deren Bindung an die höchstrangige Rechtsschicht des B-VG (i.e. die Grundprinzipien) aus Sicht der Bundesregierung gegeben ist."
Zum Vorwurf des "gesamtändernden" Charakters des §126a BVergG führt die Bundesregierung aus:
"Wie der Gerichtshof in seiner Judikatur ausführt, kann eine Verfassungsbestimmung dann im Widerspruch zu den leitenden Grundsätzen des Bundesverfassungsrechts stehen, wenn einerseits schwerwiegende und umfassende Eingriffe in die Grundprinzipien vorgenommen werden oder wenn andererseits bloß partiell wirkende Eingriffe aufgrund ihrer Häufung im Effekt zu einer Gesamtänderung führen (vgl. dazu umfassend Hiesel, Verfassungsgesetzgeber und Verfassungsgerichtshof (1995), 122ff mwN der Lit. und Judikatur). Dass durch §126a BvergG nach Ansicht der Bundesregierung kein umfassender und schwerwiegender Eingriff in die Grundprinzipien vorgenommen wurde, wurde bereits oben ausgeführt.
Der Vollständigkeit halber ist zu bemerken, dass durch die gegenständliche Regelung denkbarer Weise vor allem (vor dem Hintergrund des ggst. Anlassfalls G12/00 u.a.) das demokratische und in allgemeiner Weise das rechtsstaatliche Grundprinzip betroffen sein könnten; es könnte auch ein Eingriff in die Grundrechte vorliegen. Der Gerichtshof erwähnt diese Maßstäbe eingangs in seiner Begründung, wenn er davon spricht, dass die 'Freizeichnung' u.a. sowohl die staatsorganisatorischen Vorschriften des Bundesverfassungsrechts beträfe als auch die Grundrechte, wobei er das Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, die Entscheidung durch ein unabhängiges und unparteiliches Tribunal und den Gleichheitsgrundsatz nennt.
Die Verantwortung oberster Organe gegenüber dem Nationalrat bzw. den Landtagen ist sicher ein mit dem demokratischen Grundprinzip in enger Verknüpfung stehendes Element. Es wäre unbestreitbar eine Verletzung des demokratischen Grundprinzips, wenn der Verfassungsgesetzgeber die obersten Organe der Verwaltung schlechthin etwa auf rein rechtspolitische Aufgaben beschränken würde. Aus dem System des B-VG ist jedoch nicht erkennbar, dass es unzulässig wäre, die Ministerverantwortlichkeit bis zu einem gewissen Grad einzuschränken. Bei anderer Betrachtung wäre bereits die Einrichtung der Unabhängigen Verwaltungssenate bedenklich. Letztlich läuft es auch hier - wie in der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ausgeführt - auf eine quantitative Beurteilung der Eingriffe in das demokratische Prinzip hinaus. Dabei ist auch zu beachten, dass, wie Öhlinger, Verfassungsgesetzgebung und Verfassungsgerichtsbarkeit, ÖJZ 1990, 2 (7), ausführt, das demokratische Prinzip auch beinhaltet, dass die Letztentscheidungskompetenz über den Sinngehalt der (einfachen) Verfassung beim Parlament verbleibt. Einschränkungen des parlamentarisch-demokratischen Prinzips durch den Verfassungsgesetzgeber selbst sind daher zulässig, soweit und solange nicht eine (weitreichende) Beseitigung desselben stattfindet. Trotz seiner wirtschaftlichen Bedeutung ist das (Landes)Vergabewesen nur ein relativ kleiner Zweig der Verwaltung: so wurden etwa beim Salzburger Vergabekontrollsenat 1996 zwei, 1997 drei, 1998 14, 1999 sechs und 2000 zehn Vergabekontrollverfahren durchgeführt. In dieser Hinsicht wird man daher eine Gesamtänderung nicht annehmen können.
Auch hinsichtlich der zitierten Grundrechte ist nach Ansicht der Bundesregierung nicht erkennbar, dass in diese in so wesentlicher Weise eingegriffen würde, dass dies einer Gesamtänderung gleichkäme. Jedenfalls hatte die Aufhebung des §11 Abs1 Z1 BVergG 1997 (vgl. dazu G 44 bis 46/99) ihre Begründung in der Problematik der Stellung oberster Organe, und nicht in einem grundrechtlichen Bezug. Auch die Vorverfahren zum Salzburger Landesvergabegesetz bieten keinen Anhaltspunkt für eine grundrechtliche Problematik.
Das Hauptgewicht der Bedenken des Gerichtshofes liegt wohl eindeutig auf dem Element des 'Ausschlusses der Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Normenkontrolle als zentrales Element des rechtsstaatlichen Baugesetzes der österreichischen Bundesverfassung'.
Der Verfassungsgerichtshof zitiert insbesondere das Erkenntnis VfSlg 15.215/1998, nach dem die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Normenkontrolle als zentrales Element des rechtsstaatlichen Baugesetzes der österreichischen Bundesverfassung anzusehen sei. In einer Reihe von Erkenntnissen hat der Verfassungsgerichtshof seine Ansicht deutlich gemacht, dass er es für bedenklich hält, wenn seine Prüfungszuständigkeit in einem erheblichen Ausmaß eingeschränkt wird (vgl. dazu Hiesel, aa0, 101). Aber auch hier ist nach der bisherigen Judikatur auf das 'Häufungsargument' (vgl. VfSlg 11.829/1988, 11.918/1988 oder 11.927/1988) abzustellen: Eine baugesetzwidrige Einschränkung der Gesetzesprüfungskompetenz des Verfassungsgerichtshofes liegt (erst) dann vor, wenn partiell wirkende Maßnahmen - gehäuft vorgenommen - im Effekt zu einer Gesamtänderung der Bundesverfassung führen. Dies bedeutet, dass nicht jeder Einbruch in die Kontrollkompetenz des Verfassungsgerichtshofes zur Baugesetzwidrigkeit der die Kontrollkompetenz des Verfassungsgerichtshofes beschränkenden Regelung führt, sondern nur Eingriffe von besonderem quantitativen oder qualitativen Gewicht es vermögen, das Rechtsstaatsprinzip zu verletzen.
Abgesehen von Extremfällen, wie die Abschaffung der Zuständigkeit zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen in Art140 Abs1 B-VG schlechthin oder die Hebung weitester Teile der einfachen Gesetzgebung in den Rang des Bundesverfassungsrechts, fällt es bei der Beurteilung an Hand dogmatisch begründeter und nachvollziehbarer Kriterien sehr schwer, zu sagen, ob einzelne Regelungen die Prüfungszuständigkeit des Gerichtshofes in derart exzessiver Weise unterlaufen, dass das rechtsstaatliche Grundprinzip beseitigt würde. Nach Ansicht der Bundesregierung ziehen jedenfalls einzelne und darüber hinaus zeitlich begrenzte Sonderregelungen, wie die prüfungsgegenständliche, in einem quantitativ wie qualitativ nicht überragend bedeutsamen Teil der österreichischen Rechtsordnung (noch) nicht derart weitgehende Konsequenzen nach sich, dass man von einer 'Ausschaltung der Prüfungszuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes' ausgehen müsste."
Der Verfassungsgerichtshof möge aus diesen Gründen aussprechen, daß §126a BVergG nicht verfassungswidrig ist.