TE OGH 1989/9/6 1Ob605/89

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Veröffentlicht am 06.09.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing. Hellmuth M***, Betriebsberater, Wien 19., Cottagegasse 19, vertreten durch Dr. Maximilian Eiselsberg, Dr. Dieter Natlacen, Dr. Franz Terp, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Eduard C***, Kaufmann, Wien 16., Landsteinergasse 12/3, vertreten durch Dr. Edgar Kollmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 8. Februar 1989, GZ. 48 R 734/88-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 21. September 1988, GZ. 5 C 1607/88g-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.966,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 494,40 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit schriftlichem Mietvertrag, für den ein von der Landesinnung Wien der Immobilien- und Vermögenstreuhänder empfohlenes Formular verwendet wurde, vermietete der Kläger, vertreten durch die Gebäudeverwaltung Brigitta G***, an die Rechtsvorgängerin des Beklagten die im Hause Wien 17., Hernalser Hauptstraße 56, Tür 3/4, gelegenen Geschäftsräume mit 59,46 m2 Nutzfläche zur Führung eines Gastronomiebetriebes. § 2 dieses Mietvertrages lautet unter Auslassung der im Formular durchgestrichenen Wörter wie folgt:

"Das Mietverhältnis beginnt am 1. Jänner 1985 und wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Es kann von beiden Teilen a) unter Einhaltung einer vierteljährigen Kündigungsfrist zum Ende des Kalendermonats - des Kalendervierteljahres gerichtlich aufgekündigt werden, b) zu den gesetzlichen Kündigungsfristen und -terminen gerichtlich aufgekündigt werden."

Der Kläger kündigt dem Beklagten unter Geltendmachung des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 4 MRG dieses Geschäftslokal für den letzten Tag des Monats August 1988 auf.

Der Beklagte, der vorerst nur das Vorliegen des Kündigungsgrundes bestritt, wendete in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 5. Juli 1988 ein, der vereinbarte Kündigungstermin sei nicht eingehalten worden.

Das Erstgericht erkannte die Aufkündigung für wirksam und gab dem Räumungsbegehren statt. Da im Vertrag unter § 2 lit b zusätzlich die Kündigungsmöglichkeit zum gesetzlichen Kündigungstermin, also jeweils zum Quartal jedes Jahres, vereinbart worden sei, müsse ein redlicher und verständlicher Erklärungsempfänger die unter § 2 lit a getroffene Regelung objektiv dahin verstehen, daß der Erklärende zusätzlich eine Kündigungsfrist habe vereinbaren wollen, die von der gesetzlichen Kündigungsfrist differiere. Die Aussage des Beklagten, bei Vertragsabschluß sei nicht ausdrücklich über Kündigungsfristen und -termine gesprochen worden, unterstütze diese Auslegung. Im Mietvertrag sei daher unter § 2 lit a von den Parteien objektiv ein Kündigungstermin zum Ende des Kalendermonats vereinbart worden. § 2 lit a des Mietvertrages sei nicht als undeutliche Erklärung im Sinn des § 915 ABGB anzusehen und daher nicht zum Nachteil des Erklärenden zu verstehen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es die Aufkündigung aufhob und das Räumungsbegehren abwies. Es sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteigt. Unter § 2 lit a des Mietvertrages sei von den Parteien vereinbart worden, das Mietverhältnis könne von beiden Teilen unter Einhaltung einer vierteljährigen Kündigungsfrist "zum Ende des Kalendermonats - des Kalendervierteljahres" gerichtlich aufgekündigt werden. Im Zusammenhang damit finde sich eine Streichung im Formularvertrag nur bei den Wörtern "einmonatigen" und "halbjährigen". Somit sei lediglich die Kündigungsfrist, nicht aber der Kündigungstermin hinlänglich bestimmt. Es bleibe offen, ob als Kündigungstermin jedes Monatsende oder die im § 560 Abs 1 Z 2 lit e ZPO genannten Termine gemeint seien. Auch durch Vertragsauslegung lasse sich keine Klarheit gewinnen. Damit sei aber entgegen der Ansicht des Erstgerichtes der Kündigungstermin nicht im Vertrag selbst bestimmt. Es könne daher mangels wahrer Einwilligung im Sinn des § 863 ABGB keine vom Gesetz abweichende Vereinbarung über den Kündigungstermin angenommen werden. Durch die Aufkündigung zum Ende des Monats August sei die gesetzliche Regelung nicht eingehalten worden. Dies müsse zur Aufhebung der Aufkündigung führen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Die Auslegung der in einem schriftlichen Bestandvertrag über den Kündigungstermin getroffenen Vereinbarungen gehört, wenn hiezu keine weiteren Beweismittel herangezogen wurden, in das Gebiet der rechtlichen Beurteilung (MietSlg 23.674; vgl. SZ 59/171). Die Nichteinhaltung vertraglicher oder gesetzlicher Kündigungsfristen und -termine hat die materiellrechtliche Wirkung, daß das Bestandverhältnis nicht aufgelöst ist (SZ 59/171; MietSlg 35.823, 24.579). Vertragliche Kündigungstermine und -fristen gehen grundsätzlich der gesetzlichen Regelung des § 560 ZPO vor (§ 560 Abs 1 Z 1 ZPO; MietSlg 35.822; Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19 Rz 20 zu § 33 MRG). Eine vertragliche Abweichung von der Vorschrift des § 560 ZPO muß aber klar formuliert sein. Sie darf keinen Zweifel darüber offen lassen, zu welchem Termin zu kündigen ist (EvBl 1969/43). Dies war hier nicht der Fall. Das unbestritten von der Hausverwaltung des Klägers verwendete Formular sieht entgegen den Ausführungen in der Revision je nachdem, ob Miete einer Wohnung oder eines Geschäftslokales vorliegt (§ 560 Abs 1 Z 2 lit d und e ZPO), zwei verschiedene, von der gesetzlichen Regelung abweichende Kündigungsmöglichkeiten vor. Nun ist zwar das Ende eines Kalendervierteljahres immer auch das Ende eines Kalendermonats, umgekehrt kann aber der hier getroffenen Regelung nicht klar entnommen werden, daß der Vermieter berechtigt sein sollte, ein Geschäftslokal auch zu jedem Ende eines Kalendermonats aufzukündigen. Es blieb zumindest undeutlich, ob die Streichung einer der beiden Möglichkeiten vergessen oder aber, wie die Revision meint, wirklich zwei Möglichkeiten eingeräumt wurden, was, da das Ende eines Kalendervierteljahres immer auch an ein Monatsende fällt, ungewöhnlich wäre. Eine abweichende Regelung der im Gesetz vorgesehenen dreimonatigen Kündigungsfrist (§ 560 Abs 1 Z 2 lit e ZPO) wurde im Vertrag nicht getroffen. Bediente sich der Vermieter in dem von ihm in das Vertragsgeschehen eingeführten Formular der durch Nichtstreichen einer von zwei im Text vorgesehenen Möglichkeiten, einen allenfalls vom Gesetz abweichenden Kündigungstermin zu vereinbaren, dieser dargestellten undeutlichen Wendung, hat dies gemäß § 915 ABGB zu seinem Nachteil auszuschlagen (Rummel, ABGB, Rz 4 zu § 915; vgl. SZ 57/150); dem Kläger ist dann aber der bei dieser undeutlichen Formulierung ihm obliegende Beweis einer Abweichung vom gesetzlichen Kündigungstermin nicht gelungen. Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E18261

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0010OB00605.89.0906.000

Dokumentnummer

JJT_19890906_OGH0002_0010OB00605_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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