Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Hofmann, Dr.Schlosser und Dr.Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christian B***, Fernmeldetechniker, Klagenfurt, Alter Platz 23, vertreten durch Dr.Norbert Moser, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei L*** K***, vertreten durch Dr.Ulrich Polley, Dr.Helmut Sommer, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen S 102.150,-- samt Anhang, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 5. April 1989, GZ 4 a R 41/89-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 20. Dezember 1988, GZ 30 Cg 331/88-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.172,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.028,70 USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 18.3.1987 führten Bedienstete der Straßenbaumeisterei Greifenburg Baumaßnahmen unmittelbar nördlich der Drautalbundesstraße (B 100) im Gemeindegebiet von Kleblach durch. Mit Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau wurden aus Anlaß dieser Arbeiten Überholverbots- und Geschwindigkeitsbeschränkungen angeordnet. Über Weisung des Straßenmeisters stellten in Durchführung dieser von der Behörde erlassenen Verkehrsbeschränkungen Bedienstete der Straßenmeisterei auf der Bundesstraße 100 auf Dreiecksständern Überholverbots- und Geschwindigkeitsbeschränkungstafeln auf. Zur Befestigung der Dreiecksständer sind U-Haken vorgesehen, die in das Erdreich zu drücken sind. Zur Zeit der Aufstellung der Verkehrszeichen war es windstill. Da im oberen Drautal öfters sehr starker Wind auftritt, hatte der Straßenmeister an die Partieführer den Auftrag erteilt, die Verkehrszeichen mit den dafür vorgesehenen U-Haken zu sichern. Gegen 12.45 Uhr setzte starker böiger Wind ein. Um 13.30 Uhr fuhr der Kläger als Lenker seines PKWs Mercedes 280 SE mit dem Kennzeichen K 404.446 auf der Bundesstraße 100 in Richtung Lienz. Er hielt eine Geschwindigkeit von rund 73 km/h ein. Als er sich den aufgestellten Verkehrszeichen näherte, fiel durch einen Windstoß das Verkehrszeichen "Überholen verboten" in die Fahrbahn. Der Kläger verriß deshalb den von ihm gelenkten PKW nach links; dieser kam ins Schleudern und überschlug sich schließlich auf der südlich an die Fahrbahn angrenzenden Böschung. Dem Kläger entstand an Reparatur- und Bergungskosten ein Schaden von S 102.150. Den Zuspruch dieses Betrages begehrt der Kläger aus dem Titel der Amtshaftung. Das Alleinverschulden am Unfall treffe Organe der beklagten Partei, die beim Aufstellen der Verkehrszeichen den herrschenden Witterungsbedingungen nicht Rechnung getragen hätten. Die Verkehrszeichen seien nicht im Erdreich verankert gewesen. Das Aufstellen der Verkehrszeichen stelle einen Akt der Hoheitsverwaltung dar.
Die beklagte Partei wendete, soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist, ein, mit dem Aufstellen der Verkehrszeichen sei die Kundmachung der Verordnung und damit die Akte der Hoheitsverwaltung abgeschlossen gewesen. Der rein technische Vorgang der Verankerung der Verkehrstafeln gehöre in den Bereich der Straßenverwaltung. Es läge daher weder ein Amtshaftungsanspruch vor noch sei die beklagte Partei passiv legitimiert. Im übrigen seien die Dreiecksständer ordnungsgemäß verankert worden. Es liege höhere Gewalt vor.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest:
Vom Straßenwärter Adolf M*** und den Landesbediensteten Franz S***, Johann L*** und Anton G*** sei das schließlich umgestürzte Gestell mit dem Verkehrszeichen "Überholen verboten" am nördlichen Fahrbahnrand der B 100 derart aufgestellt worden, daß es nur geringfügig in die Fahrbahn ragte. Das Gestell sei nicht zusätzlich mit dem dafür vorgesehenen und auch im Mannschaftsfahrzeug mitgeführten U-Haken im Erdreich verankert worden.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Fall dahin, daß die Anordnung und das Aufstellen der Verkehrstafeln zum Vollzugsbereich der beklagten Partei gehöre. Die Vollziehung der Verordnung einer Behörde, ein Vorschriftszeichen an der von ihr bestimmten Stelle anzubringen, stelle als deren Kundmachung den notwendigen Abschluß der hoheitlichen Tätigkeit dar. Da der Hoheitsakt ohne Kundmachung nicht in Erscheinung trete, sei die Kundmachung als integrierender Bestandteil der Hoheitsverwaltung anzusehen. Daß der behördliche Wille nach außen trete, sei jedoch nur dann gewährleistet, wenn Verkehrszeichen stehen blieben und entsprechend abgesichert seien. Die Absicherung eines aufgestellten und hiemit kundgemachten Verkehrszeichens dem Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung zuzuordnen, erscheine daher willkürlich. Es sei Aufgabe der Rechtsprechung, gerade bei schwierigen Abgrenzungsproblemen, die in Amtshaftungsfällen häufig vorkämen, möglichst einfache und auch für den Rechtsunkundigen weitgehend nachvollziehbare eindeutige Richtlinien aufzustellen. Den Kläger treffe kein Mitverschulden. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Die Revision erklärte es für nicht zulässig. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes. Daß die Erlassung von Verordnungen über Verkehrsbeschränkungen zur Sicherung von Reparaturarbeiten in Anwendung der §§ 98 und 43 StVO zur Hoheitsverwaltung zu rechnen sei und daß dazu auch das die Kundmachung ersetzende Aufstellen der entsprechenden Verbotstafeln gehöre, sei in der Rechtsprechung nicht strittig. Die Anordnung einer Behörde, eine Baustelle durch Aufstellen von Verkehrszeichen mit Geschwindigkeitsbeschränkungen und Überholverboten zu sichern, sei hoheitlicher Natur. Die Kundmachung könne dem Baumeister (Straßenerhalter und seinen bediensteten Organen) übertragen werden; diese seien dann aber Organe im Sinn des § 1 Abs 2 AHG. Da die Aufstellung auf eine Verordnung der Straßenaufsichtsbehörde zurückgehe, sei die Zurechnung zur Hoheitsverwaltung und damit die Annahme der Haftung der beklagten Partei als Straßenaufsichtsbehörde in mittelbarer Bundesverwaltung gerechtfertigt. Die beklagte Partei könne sich nicht mit dem Hinweis exculpieren, die Kundmachung sei mit dem Aufstellen der Tafeln beendet gewesen, die weiteren Ereignisse fielen nicht mehr in ihren Zuständigkeitsbereich. Durch das Unterbleiben der entsprechenden Absicherung gegen Umstürzen sei ein Dauerzustand geschaffen worden, dessen Gefahrenlage bis zur Entfernung der Tafeln bei Arbeitsende oder einer entsprechenden Absicherung gewährt habe. Der dadurch schuldhaft herbeigeführte Dauerzustand sei den Organen als schuldhafte Unterlassung zuzurechnen.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei ist zwar, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu einem konkret vergleichbaren Fall fehlt, zulässig, sie ist aber nicht berechtigt. Gemäß § 43 Abs 1 lit b Z 2 StVO in der zum Unfallszeitpunkt maßgeblichen Fassung hat die Behörde ua für bestimmte Straßenstrecken durch Verordnung den Straßenbenützern ein bestimmtes Verhalten vorzuschreiben, wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs erfordert. Bei Vollziehung von Normen der Straßenverkehrsordnung wird ein Organ im Bereich der dem Land obliegenden Vollziehung der Gesetze tätig (Art 11 Abs 1 Z 4 B-VG; SZ 59/83; SZ 53/70; Loebenstein-Kaniak, AHG2 63), so daß, liegt Vollziehung der Gesetze vor, sich die beklagte Partei rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten ihrer Organe zurechnen lassen müßte. Aus diesem Grunde und nicht, wie das Berufungsgericht rechtsirrig annimmt, weil das beklagte Land (richtig: der Landeshauptmann; Art 102 Abs 1 B-VG) in mittelbarer Bundesverwaltung tätig geworden wäre, ist die beklagte Partei passiv legitimiert. Die Kundmachung von Verordnungen, die auf Grund der Bestimmung des § 43 Abs 1 lit b Z 2 StVO erlassen wurden, hat nach den Vorschriften der §§ 44, 48 StVO und der StraßenverkehrszeichenV, BGBl.1966/83 idgF, zu erfolgen. Auch der Kundmachungsakt gehört, wie vom Obersten Gerichtshof in seiner Entscheidung SZ 59/4 mwN (vgl schon Kaniak, ZVR 1976, 230) bereits klargestellt wurde, in den Bereich der Hoheitsverwaltung. Eine fehlerhafte Kundmachung kann zur Haftung nach dem Amtshaftungsgesetz führen. Nach § 44 Abs 1 StVO sind die im § 43 StVO genannten Verordnungen durch Straßenverkehrszeichen kundzumachen. Nach § 48 Abs 1 StVO sind die Straßenverkehrszeichen als Schilder aus festem Material unter Bedachtnahme auf die Art der Straße und unter Berücksichtigung der auf ihr üblichen Verkehrsverhältnisse, namentlich der darauf üblichen Geschwindigkeit von Fahrzeugen, in einer solchen Art und Größe anzubringen, daß sie von den Lenkern herannahender Fahrzeuge leicht und rechtzeitig erkannt werden können. Dies ist aber nur möglich, wenn die Verkehrszeichen auch stabil angebracht sind (vgl ZVR 1963/304). Auch die technisch einwandfreie Aufstellung der Verkehrszeichen gehört entgegen den Ausführungen in der Revision zu den bei der Kundmachung zu berücksichtigenden üblichen Verkehrsverhältnissen und demnach zum Kundmachungsakt. Dem Erfordernis der technisch einwandfreien Aufstellung entsprach aber die Aufstellung des den Unfall des Klägers auslösenden Verkehrszeichens nicht. Die mit der Kundmachung der Verordnung in Pflicht genommenen Bediensteten der Straßenverwaltung unterließen vielmehr trotz ausdrücklicher Weisung des Straßenmeisters schuldhaft die ordnungsgemäße Verankerung im Erdreich, so daß durch diese Art der Aufstellung Verkehrsteilnehmer gefährdet werden konnten. Es liegt somit entgegen den Ausführungen der Revision nicht ein Fehler der Straßenverwaltung vor, die es unterlassen hätte, ein ordnungsgemäß aufgestelltes Verkehrszeichen in der Folge dahin zu überprüfen, ob es infolge einer Änderung der Situation nunmehr eine Gefahr für Straßenbenützer darstellen könnte. Der den Schaden des Klägers herbeiführende Fehler lag vielmehr bereits im mangelhaften Kundmachungsakt, der in Vollziehung der Gesetze erfolgte, selbst. Daß der Schaden später eintrat, ist ohne Belang. Die von der Revision angeführte Entscheidung SZ 41/59 betraf einen anders gelagerten Sachverhalt (Verletzung der Vorschrift des § 98 Abs 4 StVO durch den Straßenerhalter). In dieser Entscheidung wurde überdies ausdrücklich ausgesprochen, daß eine Konkurrenz von Schadenersatzansprüchen gegen den Straßenerhalter mit Amtshaftungsansprüchen gegen den Rechtsträger wegen desselben Unfallsgeschehens möglich ist.
Der Revision ist der Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E18481European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0010OB00026.89.0906.000Dokumentnummer
JJT_19890906_OGH0002_0010OB00026_8900000_000