Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
GewO 1994 §367 Z25;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde 1. des Dr. J und 2. der C, beide in W und vertreten durch Dr. Josef Olischar und Mag. Martin Kratky, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Museumstraße 4/4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 19. April 2003, MA 63 - W 300/01 (mitbeteiligte Partei: H in W, G-Gasse 12), betreffend gewerbliche Betriebsanlage, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid des Magistrates der Stadt Wien (Magistratisches Bezirksamt für den 9. Bezirk - MBA) vom 16. Juni 1993 wurde der mitbeteiligten Partei die gewerbebehördliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer näher bezeichneten Gastgewerbebetriebsanlage gemäß § 74 GewO 1973 nach Maßgabe der Pläne und der Betriebsbeschreibung unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen erteilt. Die Auflagen Nr. 17 bis 24 dieses Bescheides haben folgenden Wortlaut:
"17. Das Geschäftslokal und der Lagerraum sind mechanisch zu be- und entlüften.
18. Die Ausblasöffnung der Fortluft ist über Dach zu situieren, wobei das Abluftaggregat über Dach auf dem Kopf des Abluftfanges aufzusetzen ist.
19. Über den ordnungsgemäßen baulichen Zustand des zur Ableitung der Küchenabluft vorgesehenen Fanges ist erstmals vor Inbetriebnahme ein Befund durch den zuständigen Rauchfangkehrermeister erstellen zu lassen und in der Betriebsanlage zur Einsichtnahme durch behördliche Organe stets bereit zu halten.
20. Der zur Ableitung der Küchenabluft verwendete Fang ist jährlich auf seinen ordnungsgemäßen baulichen Zustand durch den zuständigen Rauchfangkehrermeister nachweisbar überprüfen zu lassen.
21. Es sind bei der Zuluftanlage Einrichtungen vorzusehen, die ein Vorwärmen der eingebrachten Luft ermöglichen.
22. Die Menge der Zuluft und der Abluft ist jeweils so zu dimensionieren, daß eine ausgeglichene Lüftungsbilanz erreicht wird (d.h. die Menge der Zuluft hat etwa der Menge der Abluft zu entsprechen).
23. Die mechanische Lüftungsanlage ist so zu dimensionieren und so zu betreiben, daß der erforderliche Luftwechsel bei größtmöglicher Zugfreiheit erreicht wird.
24. Die Frischluftansaugung darf nicht aus Luftschächten erfolgen, in die Fenster oder Entlüftungsleitungen von Toilettenanlagen münden."
2. Mit Schriftsatz vom 16. September 1995 beantragte die mitbeteiligte Partei die gewerbebehördliche Genehmigung zur Änderung ihrer mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 16. Juni 1993 rechtskräftig genehmigten Gastgewerbebetriebsanlage. Die Änderung bestehe darin, dass anstelle der Abluftführung bis über Dach eine Aktivkohleanlage mit Ausblasöffnung in die G.-Gasse eingerichtet werden solle.
Mit Bescheid des - im Devolutionswege angerufenen - Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 2. Mai 1997 wurde der mitbeteiligten Partei im Instanzenzug die beantragte Änderung nach Maßgabe der vorgelegten Projektsunterlagen gemäß § 81 GewO 1994 genehmigt.
Dieser Bescheid wurde mit hg. Erkenntnis vom 25. November 1997, Zl. 97/04/0100, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben und zwar mit der Begründung, eine Gegenüberstellung der - näher dargestellten - Auflagen des Genehmigungsbescheides vom 16. Juni 1993 mit dem dem gegenständlichen Verfahren zugrunde liegenden Antrag der mitbeteiligten Partei und dem darüber ergangenen Bescheid ergebe, dass die genehmigte "Änderung" lediglich dem Zweck diene, die mitbeteiligte Partei von der Notwendigkeit zu entbinden, die ihr vorgeschriebenen Auflagen zur Entlüftung des Geschäftslokales und des Lagerraumes zu erfüllen und ihr die Möglichkeit zu geben, an dessen Stelle ein anderes Lüftungsprojekt zu verwirklichen. Für ein derartiges, allenfalls nach § 78 Abs. 2 GewO 1994 zu beurteilendes Begehren stehe das Verfahren nach § 81 GewO 1994 allerdings nicht zur Verfügung.
3. Mit dem im fortgesetzten Verfahren ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 10. September 1998 wurde der Spruch des erstbehördlichen Bescheides vom 20. Februar 1996 dahin geändert, "dass er sich auf § 78 Abs. 2 GewO 1994 gründet".
Dieser Bescheid wurde mit hg. Erkenntnis vom 22. März 2000, Zl. 98/04/0186, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben und zwar mit der Begründung, während es im Genehmigungsverfahren nach § 81 Abs. 1 GewO 1994 um die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage gehe, regle § 78 Abs. 2 leg. cit. den Fall, dass Abweichungen vom Genehmigungsbescheid bescheidgemäß für zulässig erklärt werden, wenn dadurch bzw. durch den ersatzlosen Entfall vorgesehener Vorkehrungen die im Genehmigungsbescheid getroffene Vorsorge nicht verringert wird. Indem die belangte Behörde die der mitbeteiligten Partei von der Erstbehörde gemäß § 81 GewO 1994 erteilte Genehmigung zur Änderung ihrer Betriebsanlage im Instanzenzug in eine Genehmigung nach § 78 Abs. 2 GewO 1994 wandelte, habe sie als Berufungsbehörde ihre Zuständigkeit zur Entscheidung "in der Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG überschritten.
4. In der Folge zog die mitbeteiligte Partei mit Schriftsatz vom 30. April 2000 ihren Antrag vom 16. September 1995 auf Änderung ihrer Betriebsanlage zurück.
5. Mit Schriftsatz vom selben Tage (30. April 2000) ersuchte die mitbeteiligte Partei unter Anführung des § 78 Abs. 2 GewO 1994 um Abänderung des Genehmigungsbescheides für ihre Betriebsanlage. Anstelle der Überdachführung der Abluft beabsichtige die mitbeteiligte Partei eine Aktiv-Kohlefilter-Anlage zur G.-Gasse hin einzurichten. Da die mitbeteiligte Partei nunmehr ein Gastgewerbe in Wien 1090 betreibe, werde sich der Kochumfang in der Betriebsanlage auf ein Minimum beschränken. Daher werde infolge des Rückganges des Kochumfanges mit der nunmehr beantragten Aktiv-Kohlefilter-Anlage durchaus das Auslangen gefunden werden können.
6. Mit dem angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 19. April 2003 wurde für diese Betriebsanlage im Instanzenzug gemäß § 78 Abs. 2 GewO 1994 als Abweichung zugelassen, dass die Abluft der Betriebsanlage über eine Aktiv-Kohlefilter-Anlage auf die G.-Gasse anstatt über einen Abluftfang über Dach geführt wird. Gleichzeitig wurde der mitbeteiligten Partei im Instanzenzug gemäß § 79 GewO 1994 eine zusätzliche Auflage vorgeschrieben.
Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides hat der gewerbetechnische Amtssachverständige im Berufungsverfahren im Wesentlichen ausgeführt, die Betriebsanlage befinde sich im Souterrain des Hauses G.-Gasse 12d und verfüge über ein straßenseitiges Verkaufslokal mit Buffetbereich in der Größe von ca. 61 m2, einen lichthofseitigen Lagerraum und ein Arbeitnehmer-WC. In der Betriebsanlage würden täglich etwa 20 Essensportionen verkauft. Die Änderung gegenüber dem mit Bescheid des MBA vom 16. Juni 1993 genehmigten Zustand bestehe darin, dass nach der im Jahre 2000 erfolgten Übernahme des Gastgewerbebetriebes in der Betriebsanlage der Kochbetrieb eingestellt sei und keine Speisen gegart würden. Durch den Entfall des Kochbetriebes seien nur mehr sehr geringe Geruchsemissionen zu erwarten. Zur Filterung dieser geringen Emissionen in der Abluft sei zusätzlich ein Aktivkohlefilter vorgesehen. Die mit Bescheid des MBA vom 16. Juni 1993 genehmigte Lüftungsanlage habe eine Abluftführung über Dach mit einem Abluftvolumenstrom von 800 m3/h vorgesehen. Nunmehr sei vorgesehen, dass die Abluft über eine Dunstabzugshaube direkt über dem Elektroherd erfasst werde und nach Reinigung mit einem Aktivkohlefilter straßenseitig ausgeblasen werde. Der Luftvolumenstrom der Abluft betrage dabei 750 m3/h. Weiters habe sich die Qualität der abzuführenden Luft durch den Entfall des Kochbetriebes und damit des Kochgeruches geändert. Die beim Aufwärmen entstehenden Geruchsstoffe seien kaum wahrnehmbar. Die für den Geschmack und den Geruch von Lebensmitteln verantwortlichen Stoffe seien im Allgemeinen Substanzen, die Heteroatome (Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel) oder konjugierte Doppelbindungen enthalten würden. Viele dieser Verbindungen entstünden erst beim Garen von Speisen. In Lebensmitteln, die Kohlenhydrate und Aminosäuren enthielten, bildeten sich bei Erhitzen Reaktionsprodukte, die für die Bräunung und die Ausbildung von Geruchsstoffen verantwortlich seien. Beim Erhitzen von Fetten entstünden geruchsintensive Oxidationsprodukte. Dabei entstünden Aldehyde, Ketone und Hydroxycarbonsäuren. Diese Stoffe besäßen teilweise sehr niedrige Siedepunkte und lägen beim Kochvorgang in gasförmiger Phase bzw. in Aerosolform vor. Viele dieser Stoffe besäßen auch eine sehr niedrige Geruchsschwelle. Diese Geruchsmoleküle träten durch die hohen Temperaturen beim Garen teilweise mit dem Wasserdampf und teilweise mit dem Fett aus und seien für die Geruchsbelästigungen verantwortlich. Nach Beendigung des Garvorganges träten Geruchsstoffe, bedingt auch durch die niedrigen Temperaturen, nur in sehr geringem Ausmaß auf und würden beim Erwärmen sukzessive abgegeben. Daher bestünde zwischen dem Garvorgang (Kochen der Speisen) und dem Warmhalten oder Aufwärmen der Speisen hinsichtlich der Geruchsstoffemissionen ein wesentlicher Unterschied. Zur Aufnahme der gasförmigen Geruchsstoffe würden Aktivkohlefilter eingesetzt, die Stand der Technik seien. Küchengerüche würden an Aktivkohle sehr gut adsorbiert, im günstigsten Falle könne die Kohle mit 50 % ihres Eigengewichtes beladen werden. Wesentlich für die funktionierende Adsorption sei die Wartung und der Tausch der Filter. Dem sei durch eine Auflage Rechnung getragen worden.
Begründend führte die belangte Behörde weiters aus, seit Genehmigung der Betriebsanlage im Jahre 1993 hätten sich gravierende Änderungen ergeben, da kein Kochbetrieb mehr stattfinde und die Speisenangebote reduziert worden seien. Diese Speisen würden in einem nahegelegenen Lokal fertig gekocht und anschließend in die Betriebsanlage gebracht werden und dort in dem vorhandenen Elektroherd lediglich warmgehalten oder erwärmt werden. Nach dem Gutachten des gewerbetechnischen Sachverständigen sei davon auszugehen, dass der Schutz der Nachbarn vor Geruchsbelästigungen, die von Speisen ausgingen, nicht verringert werde. Zur Behauptung der Beschwerdeführer, beim Erwärmen von Speisen komme es zu nahezu gleichen Geruchsemissionen, seien diese auf das gewerbetechnische Gutachten zu verweisen, dem diese nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten seien. Zu dem Antrag der Beschwerdeführer auf Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Gastronomie sei festzuhalten, dass die von der Behörde allein zu beurteilende Rechtsfrage, ob durch die Abweichung die im Genehmigungsbescheid getroffene Vorsorge nicht verringert werde, auf Grundlage eines Gutachten eines gewerbetechnischen Sachverständigen zu beurteilen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in den ihnen nach der GewO 1994 gewährleisteten Nachbarrechten verletzt.
Sie bringen hiezu im Wesentlichen vor, es liege keine für die Anwendung des § 78 Abs. 2 GewO 1994 erforderliche Änderung des Sachverhaltes vor. Die von der mitbeteiligten Partei vorgenommene Einschränkung der Betriebsart, nach welcher die verabreichten Speisen nicht mehr gekocht, sondern nur mehr aufgewärmt und warm gehalten würden, sei im Hinblick auf die im Lagerraum der Betriebsanlage eingelagerten Speisen und deren Geruchsemissionen keine ausreichende Änderung des Sachverhaltes. Dadurch, dass die vorgefertigten Speisen durch die Einschränkung der Betriebsart noch vermehrt im Lagerraum zwischengelagert werden müssten, sei vielmehr mit einer Erhöhung der dortigen Emissionen zu rechnen. Der Bescheid des MBA vom 16. Juni 1993 habe auch die Ableitung der Abluft aus dem Lagerraum über einen Abluftfang über Dach vorgesehen, sodass im Hinblick auf den Lagerraum eine Änderung des Sachverhaltes nicht eingetreten sei. Dazu kommt, dass bereits im zitierten Bescheid des MBA eine Einschränkung des Kochbetriebes vorgesehen gewesen sei, bei dem nur auf dem Herd gekocht und im Rohr gebacken habe werden dürfen. Beim Erwärmen der Speisen erfolge der idente Vorgang und es trete keine Verminderung der Geruchsbelästigung ein, obwohl allenfalls der mitbeteiligten Partei zuzugestehen wäre, dass beim Erwärmen der Speisen die Dauer der Geruchsstoffbelastung reduziert würde.
Darüber hinaus habe die belangte Behörde nicht festgestellt, mit welcher Geruchsstoffbelastung jeweils im Vergleich der beiden Abluftsysteme zu rechnen sei. Die bloße Feststellung, das zulässige Maß an Emissionen iS des § 77 GewO werde nicht überschritten, reiche in keinem Falle aus. Auch sei die Frage, ob die durch den Genehmigungsbescheid getroffene Vorsorge verringert würde, keine Rechts-, sondern eine Tatsachenfrage. Dabei hätte die belangte Behörde, selbst wenn sie richtig von einer Änderung des Sachverhaltes ausgegangen sei, die unterschiedlichen Abluftanlagen anhand des neuen Sachverhaltes zu untersuchen gehabt. Auch habe sich die Behörde zu den anderen bei Gastgewerbebetrieben projektsgemäß zu erwartenden Emissionsquellen verschwiegen. Auch in den Amtsgutachten fänden sich hiezu keinerlei Ausführungen.
Nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheides betrage der Abluftvolumenstrom der neu vorgesehenen Abluftanlage 750 m3/h im Gegensatz zu der genehmigten Anlage mit 800 m3/h an Abluftvolumenstrom. Diese Verringerung der Effizienz stelle eine Verschlechterung dar, sodass die Abweichung nicht zu genehmigen gewesen wäre.
Auch sei Beweisanträgen der Beschwerdeführer trotz der widersprüchlichen, teilweise unvollständigen und unbegründeten Ausführungen des Amtssachverständigen nicht Folge gegeben worden. Auch sei der Umstand, dass der Lagerraum mechanisch be- und entlüftet werde, aktenwidrig von der belangten Behörde nicht berücksichtigt worden. All dies indiziere eine "rechtswidrige, an Willkür grenzende Vollziehung". Insbesondere habe die Behörde dem Antrag der Beschwerdeführer, einen Sachverständigen aus dem Fachgebiet Gastronomie beizuziehen, nicht entsprochen. Auch das Vorbringen der Beschwerdeführer im Hinblick auf das hofseitige Lager sei ignoriert worden; es werde lediglich angeführt, im Lagerraum sei derzeit ein Kühlschrank und eine Tiefkühltruhe zum Lagern von Lebensmitteln sowie weiters Verpackungspapier, Aktenordner und Dekorationsmaterial.
Das Gutachten gehe von allgemeinen, nicht verifizierbaren Behauptungen aus und treffe keine Quantifizierungen, insbesondere keine Feststellungen über die Intensität und Dauer der Geruchsstoffbelastung bei projektsgemäß eingeschränkter Betriebsart. So sei trotz Beweisantrag der Beschwerdeführer nicht erhoben worden, auf welche Weise die Speisen erwärmt werden sollten, etwa durch Anbraten in der Pfanne, durch Aufkochen mit Wasser oder durch Überbacken im Backrohr.
2. Gemäß § 78 Abs. 2 GewO 1994 hat die Behörde auf Antrag von der Verpflichtung zur Herstellung des dem Genehmigungsbescheid entsprechenden Zustandes dann Abstand zu nehmen, wenn es außer Zweifel steht, dass die Abweichungen die durch den Genehmigungsbescheid getroffene Vorsorge nicht verringern. Die Behörde hat die Zulässigkeit der Abweichungen mit Bescheid auszusprechen.
Diese Bestimmung ermöglicht innerhalb bestimmter Grenzen Abweichungen vom Genehmigungsbescheid bzw. von den darin enthaltenen Auflagen. Nach ihrem normativen Gehalt ermächtigt diese Bestimmung nicht den Betriebsinhaber, an Stelle der vorgeschriebenen Auflagen andere, ihm zweckentsprechend erscheinende Maßnahmen zu setzen. Vielmehr ist er "zur Herstellung des dem Genehmigungsbescheid entsprechenden Zustandes" verpflichtet. § 78 Abs. 2 GewO 1994 ermächtigt jedoch die Behörde, vom Betriebsinhaber eigenmächtig vorgenommene Abweichungen vom Genehmigungsbescheid mit Bescheid zuzulassen, vorausgesetzt, es kommt dadurch nicht zu einer Verringerung des Schutzes, den der Genehmigungsbescheid gewährleistet. So lange die Behörde von dieser Ermächtigung keinen Gebrauch gemacht und einen entsprechenden Bescheid nicht erlassen hat, besteht die Verpflichtung des Betriebsinhabers, die im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen einzuhalten, unverändert - und durch § 367 Z 25 GewO 1994 verwaltungsstrafrechtlich sanktioniert - weiter. Erst der bescheidmäßige Abspruch über die Zulässigkeit der vorgenommenen Abweichungen beseitigt diese Verpflichtung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2004, Zl. 2002/04/0209).
3. Gemäß § 81 GewO 1994 bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage so weit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.
Wie der Verwaltungsgerichtshof dazu in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, ermächtigt § 81 GewO 1994 die Behörde nicht, eine bereits erteilte Genehmigung abzuändern oder zu beheben und insofern die bestehende bescheidmäßige Regelung einer Reform zu unterziehen. Die Behörde ist im Rahmen des Verfahrens nach § 81 GewO 1994 lediglich berechtigt, eine bisher bescheidmäßig nicht geregelte Sache, nämlich die nach § 81 genehmigungspflichtige Änderung, einer solchen Regelung (erstmals) zu unterziehen (vgl. hiezu das zitierte hg. Erkenntnis vom 25. November 1997).
Jeder Betrieb einer Betriebsanlage, der in seiner Gestaltung von dem im Genehmigungsbescheid (Betriebsbeschreibung) umschriebenen Projekt abweicht, bedeutet eine Änderung der genehmigten Betriebsanlage und bedarf unter den Voraussetzungen des § 81 GewO 1994 einer gewerbebehördlichen Genehmigung (vgl. die bei Grabler/Stolzlechner/Wendl, Gewerbeordnung2 (2003), 650, wiedergegebene hg. Rechtsprechung).
4. Im vorliegenden Fall beantragte die mitbeteiligte Partei mit Schriftsatz vom 30. April 2000 eine "Abänderung" der gewerbebehördlichen Genehmigung, bei der die Abluft über eine Aktiv-Kohlefilter-Anlage anstatt - wie bisher - über einen Abluftfang über Dach geführt werden soll, da die mitbeteiligte Partei nunmehr ein Gastgewerbe in Wien 1090 betreibe und sich aus diesem Grund der Kochumfang in der Betriebsanlage auf ein Minimum beschränken werde. Der Sachverständige führte hiezu aus, die Änderung gegenüber dem mit Bescheid des MBA vom 16. Juni 1993 genehmigten Zustand bestehe darin, dass nach der im Jahre 2000 erfolgten Übernahme des Gastgewerbebetriebes in der Betriebsanlage der Kochbetrieb eingestellt sei und keine Speisen gegart würden. Durch den Entfall des Kochbetriebes seien nur mehr sehr geringe Geruchsemissionen zu erwarten.
Im Gegensatz zu dem dem zitierten hg. Erkenntnis vom 25. November 1997 zu Grunde liegenden Beschwerdefall - in welchem bezweckt wurde, die mitbeteiligte Partei ohne Änderung des Betriebes der Betriebsanlage von der Notwendigkeit zu entbinden, die ihr vorgeschriebenen Auflagen betreffend die Überdachführung der Entlüftung zu erfüllen - hatte der verfahrensgegenständliche Antrag der mitbeteiligten Partei nunmehr einen Betrieb der Betriebsanlage zum Inhalt, der in seiner Gestaltung von dem im Genehmigungsbescheid (Betriebsbeschreibung) umschriebenen Projekt abwich und somit eine Änderung der genehmigten Betriebsanlage iS des § 81 Abs. 1 GewO 1994 bedeutete.
Dass die mitbeteiligte Partei im verfahrensgegenständlichen Antrag die Bestimmung des § 78 Abs. 2 GewO 1994 anführte, ändert daran nichts, kommt es doch bei der Beurteilung von Anbringen nicht auf die zufälligen verbalen Formen, sondern auf das erkennbare oder zu erschließende Ziel eines Parteischrittes an (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), 337, E 42 zu § 13 AVG wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall führte die mitbeteiligte Partei in ihrem Antrag aus, dass infolge des nunmehr geänderten Betriebes der Betriebsanlage mit der beantragten Aktiv-Kohlefilter-Anlage das Auslangen gefunden werden könne, was hinreichend deutlich zeigt, dass damit eine Änderung der Betriebsanlage iS des § 81 Abs. 1 GewO 1994 beantragt wurde.
5. Indem die belangte Behörde verkannte, dass für ein derartiges Begehren das Verfahren nach § 78 Abs. 2 GewO 1994 nicht zur Verfügung steht, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
6. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr. 333.
Wien, am 7. November 2005
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2003040104.X00Im RIS seit
05.12.2005