Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder Dominik W***, geboren am 10. Februar 1986, und Romana W***, geboren am 12. April 1988, beide vertreten durch die Mutter Irene W***, Gosau 583, diese vertreten durch Dr. Heinz Kalss, Rechtsanwalt in Bad Aussee, infolge Revisionsrekurses der Mutter gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Rekursgericht vom 12. April 1989, GZ R 293, 294/89-28, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Bad Ischl vom 23. Februar 1989, GZ P 183/88-20, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die mj. Kinder Dominik und Romana W*** (geboren am 10. Februar 1986 bzw. 12. April 1988) entstammen der am 21. Oktober 1988 einvernehmlich geschiedenen Ehe des Josef W*** mit Irene W***. Anläßlich der Ehescheidung schlossen die Eltern einen Vergleich, demzufolge die elterlichen Rechte hinsichtlich der Kinder der Mutter verbleiben, dem Vater jedoch ein Besuchsrecht an jedem zweiten Sonntag jeweils von 8 Uhr bis 18 Uhr eingeräumt wurde. Nachdem die Mutter am 18. November 1988 die Einschränkung des Besuchsrechtes jeweils auf die Zeit von 10 bis 17 Uhr beantragt hatte, erweiterte sie diesen ihren Antrag unter dem Eindruck eines Sachverständigengutachtens dahin, daß dem Vater das Besuchsrecht zur Gänze entzogen werde.
Das Erstgericht hat dem nunmehrigen Antrag der Mutter entsprochen, wobei es feststellte, daß zwischen den Eltern nach wie vor erhebliche Spannungen bestünden und daß insbesondere der Vater stur auf seinen vermeintlichen Rechten beharre. Er nehme hiebei nicht Rücksicht auf die Kinder. Hiedurch werde das Wohl der Kinder gefährdet. Es sei demnach erforderlich, dem Vater vorübergehend das Besuchsrecht zu entziehen (bezüglich der detaillierten Feststellungen sei auf die Ausführungen des Erstgerichtes auf den Seiten 82 bis 86 des Aktes verwiesen).
Das Rekursgericht hat den Antrag der Mutter, dem Vater das Besuchsrecht zur Gänze zu entziehen, abgewiesen und das Besuchsrecht für die Zeit von 10 bis 17 Uhr an jedem zweiten Sonntag festgesetzt. Es hat hiebei in rechtlicher Hinsicht im wesentlichen ausgeführt, Zweck des Besuchsrechtes sei es, eine Entfremdung zu dem nicht erziehungsberechtigten Elternteil zu verhindern. Oberster Grundsatz sei hier die Wahrung des Kindeswohles. Allfällige, im Zuge des Besuchsrechtes auftretende seelische Irritationen eines Kindes seien allerdings oft auf Spannungen zurückzuführen, wie sie häufig nach der Zerstörung einer Ehe zu beobachten seien. Es sei Pflicht und Aufgabe der Eltern, Liebe und Zuneigung der Kinder zu den beiden Elternteilen in gleicher Weise zu fördern. Nur dann, wenn die Irritation jenes Maß überschreite, das als natürliche Folge der Zerreißung des Familienbandes durch die Trennung der Eltern in Kauf genommen werden müsse, sei diesem Konflikt für die Frage der Besuchsrechtsgewährung besondere Bedeutung zuzumessen. Eine Beschränkung des Besuchsrechtes könne auch nur aus wichtigen Umständen erfolgen; eine gänzliche Versagung nur aus besonders schwerwiegenden Gründen, etwa bei Bedrohung der psychischen oder physischen Integrität der Kinder.
Im vorliegenden Fall seien nach den getroffenen Feststellungen die oben erwähnten Voraussetzungen für einen gänzlichen Entzug des Besuchsrechtes nicht gegeben. Das offensichtlich undiplomatische Verhalten des Vaters gegenüber dem Sachverständigen, das zu dessen negativer Beurteilung geführt habe, reiche nicht aus, darin eine Gefährdung des Kindeswohles zu erblicken.
Rechtliche Beurteilung
Der von der Mutter gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist nicht gerechtfertigt.
Der Hinweis des Revisionsrekurses auf ein angeblich sich aus dem Scheidungsakt ergebendes Verhalten des Vaters während der aufrechten Ehe geht daran vorbei, daß die Mutter sich anläßlich der Scheidung ausdrücklich mit einem Besuchsrecht des Vaters einverstanden erklärt hat. Demnach hat sie selbst das Verhalten des Vaters während der aufrechten Ehe nicht so empfunden, daß daraus eine Gefährdung des Wohles der Kinder durch die Ausübung des Besuchsrechtes abgeleitet werden könnte.
Bezüglich jener Grundsätze, die bei einer Entscheidung über das Besuchsrecht zu Kindern aus geschiedener Ehe zu beachten sind, kann auf die zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichtes verwiesen werden. Eine gänzliche Entziehung des Besuchsrechtes käme daher nur in Frage, wenn durch die Ausübung des Besuchsrechtes das Wohl der Kinder ernstlich gefährdet wäre. Dagegen müssen gewisse Irritationen, die sich zwangsläufig aus den unmittelbar nach einer Scheidung bestehenden Spannungen ergeben, in Kauf genommen werden. Richtig hat das Rekursgerhcht erkannt, daß die Schlußfolgerungen des Sachverständigen offensichtlich auf dessen Irritation durch das ihm gegenüber vom Vater zutage gelegte Verhalten zurückzuführen sind. Der Vater hat sich, wahrscheinlich zu Unrecht, bedrängt gefühlt und in diesem Gefühl seiner Unterlegenheit die Absicht eines sturen Beharrens auf seinem "Recht" deklariert. Dies ist aber eine öfter zu beobachtende Reaktion von Personen, die sich durch ihnen intellektuell Überlegene in die Enge getrieben fühlen. Natürlich geht es nicht an, daß ein Elternteil auch gegen das eindeutige Wohl der Kinder auf einem formellen Recht beharrt. Dessen wird sich auch der Vater klar sein müssen. Er wird weiter auch zur Kenntnis zu nehmen haben, daß er, ungeachtet seiner persönlichen Aversion gegen die Mutter und deren Angehörige, dies gegenüber den Kindern nicht zum Ausdruck bringen darf. Spannungen zwischen den geschiedenen Eltern dürfen nicht über oder mit Hilfe der Kinder ausgetragen werden. Sollte der Vater gegen dieses Gebot verstoßen, wäre allerdings zum Schutze des Wohles der Kinder mit einer gänzlichen Entziehung des Besuchsrechtes vorzugehen. Ferner wird der Vater dafür Sorge zu tragen haben, daß auch seine Verwandten bei Kontakten mit den Kindern ihre Aversionen gegen die Mutter nicht zum Ausdruck bringen und nichts unternehmen, was die Gefühle der Kinder gegenüber ihrer Mutter beeinträchtigen könnte. Auch ein diesbezügliches Verhalten der Verwandten des Vaters, das diese anläßlich eines von ihm geduldeten oder geförderten Kontaktes an den Tag legen, wäre allenfalls geeignet, einen negativen Einfluß auf Entscheidungen bezüglich des Besuchsrechtes auszuüben.
Derzeit pflichtet der Oberste Gerichtshof allerdings der Ansicht des Rekursgerichtes bei, daß so schwerwiegende Verstöße des Vaters oder seiner Eltern gegen das Kindeswohl nicht vorliegen, daß sie den Entzug des Besuchsrechtes rechtfertigen könnten. Das Verhalten des Vaters mag im Einzelfall (zB bei dem festgestellten Auftritt anläßlich einer Abholung der Kinder) unangebracht gewesen sein. Desgleichen ist nicht auszuschließen, daß auch die Eltern des Vaters in Gegenwart der Kinder abfällig über die Mutter gesprochen haben. Hier handelt es sich jedoch offensichtlich noch um die unmittelbaren Nachwirkungen der Scheidung, noch dazu im Stadium eines akuten Streites, der geeignet ist, Emotionen freizumachen. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß die bisher festgestellten Entgleisungen einen unwiderruflichen Schluß auf das Verhalten des Vaters oder seiner Eltern zulassen. Vielmehr ist zu erwarten, daß insbesondere die Entscheidung des Erstgerichtes für den Vater eine derartige Warnung war, daß er in Zukunft seine Kontakte zu den Kindern so gestaltet, daß sie keine negativen Auswirkungen auf die Kinder haben. Dem Revisionsrekurs war daher nicht Folge zu geben.
Anmerkung
E18580European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00640.89.0907.000Dokumentnummer
JJT_19890907_OGH0002_0070OB00640_8900000_000