TE OGH 1989/9/7 8Ob595/88

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Veröffentlicht am 07.09.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch, Dr.Huber, Dr.Schwarz und Dr.Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Manfred J***, Kaufmann, und 2) Ingeborg J***, Handelsfrau, beide

2333 Leopoldsdorf, Hauptstraße 18, beide vertreten durch Dr.Heinrich Roth, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Christa F***, Angestellte, Atzlergasse 4/6, 1230 Wien, vertreten durch Dr.Herbert Mayer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 16.März 1988, GZ 48 R 535/87-21, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Liesing vom 28.September 1987, GZ 2 C 806/86-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der Beklagten die mit S 1.994,08 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich S 181,28 Umsatzsteuer) binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Auf Grund der Einwendungen der Beklagten hob das Erstgericht die von den klagenden Parteien aus dem Kündigungsgrunde der mangelnden Befriedigung eines regelmäßigen Wohnbedürfnisses, hilfsweise der gänzlichen Untervermietung oder Untervermietung gegen überhöhtes Entgelt, eingebrachte Kündigung auf. Es stellte im wesentlichen fest:

Die aufgekündigte, in einem Hause mit mehreren selbständigen Wohnungen gelegene Wohnung wurde vom Mieter Peter L*** aus zwei früher selbständigen Wohnungen durch Zusammenlegung gebildet. Als er die Wohnung nicht mehr benötigte, ersuchte er den damaligen Eigentümer und Vermieter Peter K*** um Genehmigung der Weitergabe an die mit ihm verwandte Beklagte, um auf diese Weise "seine Investitionen sicherstellen" zu können, und vermittelte sodann den Vertragsabschluß, wobei er dem Vermieter Peter K*** als wesentlichen Vertragswunsch der Beklagten bekanntgab, diese wolle die Wohnung nur als Zweitwohnung benützen und der Vermieter müsse daher sein diesbezügliches Einverständnis erklären. Hierauf verfaßte der Vermieter Peter K*** den Mietvertrag Beilage ./2 und nahm in dessen § 10 die Klausel auf "Unkündbar auf Seite des Vermieters". Der Vertrag wurde anfangs März 1985 von beiden Vertragspartnern unterfertigt. Im September 1985 wurde hinsichtlich des gegenständlichen Wohnhauses die Zwangsversteigerung bewilligt. Peter K*** gab im November 1985 im Zuge der Schätzung gegenüber dem Sachverständigen an, daß sämtliche Wohnungen vermietet seien, und nannte für die gegenständliche Wohnung einen monatlichen Mietzins von S 650,-- zuzüglich S 600,-- Betriebskosten. Diese Angaben sind aus dem Exekutionsakt ersichtlich. Nachdem die Beklagte im November 1985 erfahren hatte, daß der Vertrag beim Finanzamt anzumelden sei, wurde dieser neuerlich, und zwar mit 13.November 1985, datiert und dem Finanzamt am 18.November 1985 vorgelegt. Am 10.April 1986 erwarben die klagenden Parteien die Liegenschaft durch Zuschlag. Bis zur Fertigstellung seiner neuen Wohnung Ende des Jahres 1985 hatte Peter L*** im Einverständnis mit der Beklagten noch die streitgegenständliche Wohnung benützt. Seither wohnte die Beklagte manchmal dort, wenn sie sich in Wien aufhielt. Die Wohnung ist nicht untervermietet.

In seiner rechtlichen Beurteilung nahm das Erstgericht die Geltung der Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes für das gegenständliche Bestandobjekt an und führte aus, daß § 1120 ABGB im Bereiche der vollen Anwendbarkeit des Mietrechtsgesetzes durch § 2 Abs 1 MRG derogiert worden sei. Die Bestimmung des § 2 Abs 1 MRG schränke einerseits die Bindung des Erwerbers gemäß § 1120 ABGB an alle nicht die Beendigung des Mietverhältnisses betreffenden Abreden ein, stelle andererseits aber insbesondere auch beim Kündigungsverzicht eine Erweiterung dar. Auch der Ersteher sei als Rechtsnachfolger im Eigentum an ungewöhnliche Abreden im Bestandvertrag aber nur gebunden, wenn er sie gekannt habe oder kennen habe müssen. Ein gänzlicher Kündigungsverzicht im Bestandvertrag stelle zwar eine ungewöhnliche Nebenabrede dar, nicht jedoch einen Verzicht auf die Geltendmachung einzelner Kündigungsgründe wie zum Beispiel jene nach § 30 Abs 2 Z 4 und 6 MRG. Solche Abreden würden bekanntlich nicht selten getroffen und auch der Gesetzgeber habe diese Möglichkeit schon vorgesehen, indem er hiefür in der Bestimmung des § 27 Abs 2 lit b die Zulässigkeit einer Ablösezahlung bei einer derartigen Vereinbarung normiert habe. Für die Beurteilung, ob zwischen den Vertragspartnern eine solche Vereinbarung getroffen worden sei, erscheine nicht der Wortlaut der Vertragsbestimmung, sondern der Inhalt der zwischen den Vertragsparteien tatsächlich zustandegekommenen Vereinbarung maßgebend. Vorliegendenfalls sei für die Beklagte lediglich der Verzicht auf den Kündigungsgrund der Nichtbenützung wesentlich gewesen, da sie die Wohnung nur als Zweitwohnung und daher nicht zur Befriedigung regelmäßigen Wohnbedürfnisses habe verwenden wollen. Eine vom Vermieter gewählte andere Formulierung des gewünschten Kündigungsverzichtes könne der Beklagten nicht zum Nachteil gereichen, wenn hiedurch nicht die Schädigung des Erwerbers bezweckt werden sollte, wofür hier keine Anhaltspunkte vorlägen. Der Vertrag sei daher korrigierend dahin auszulegen, daß lediglich ein Kündigungsverzicht hinsichtlich der bloßen Benützung als Zweitwohnung Vertragsinhalt geworden sei. Somit liege eine ungewöhnliche Nebenabrede nicht vor, so daß die klagenden Parteien an den Vertrag gebunden seien.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen mit Ausnahme jener über den festgestellten Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses und schloß sich der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes an. Ein genereller Kündigungsverzicht stelle zwar zweifellos eine ungewöhnliche Bestimmung eines Mietvertrages dar, vor allem, wenn hiefür keine im Sinne des § 27 Abs 2 MRG zulässige Gegenleistung erbracht werde. Da von einer Kenntnis der klagenden Parteien hierüber beim Erwerb nicht ausgegangen werden könne, sei er ihnen gegenüber unwirksam. Aus der gegebenen Feststellungsgrundlage folge, daß der Vertragswille der Beklagten darauf gerichtet gewesen sei, die gegenständliche Wohnung lediglich zum Zwecke der fallweisen Benützung zu mieten, und daß der Vermieter hiermit einverstanden gewesen sei. Die Vermietung zum bloßen Zwecke der Benützung als Zweitwohnung stelle keine ungewöhnliche Nebenabrede des Bestandvertrages dar. Hier habe es der typischen Interessenlage der beteiligten Partner entsprochen, daß die Beklagte die gegenständliche Wohnung nicht ständig benützen müsse. Dieses der Beklagten eingeräumte Sonderrecht sei einem Kündigungsverzicht nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG gleichzusetzen. Der Umstand, daß der Vermieter im schriftlichen Vertrag noch einen weitergehenden Kündigungsverzicht abgegeben habe, erscheine unerheblich und es sei jedenfalls ungerechtfertigt, die Vereinbarung über die Benützung bloß als Beweggrund anzusehen, da sich hieraus selbständige Berechtigungen und Verpflichtungen der Vertragspartner ergäben. In ihrer auf den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten Revision beantragen die klagenden Parteien die Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne der Klagestattgebung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Revisionswerber bringen vor, entscheidend sei hier lediglich, daß der Bestandvertrag einen vollen Kündigungsverzicht des Vermierters enthalte. Es käme nicht darauf an, was die Beklagte, die selbst keinen Kontakt zum Vermieter K*** gehabt habe, gewollt habe. Der eindeutige Vertragstext lasse keine Vertragsauslegung oder Vertragsergänzung zu. Mangels eines Hinweises im Vertragstext dürfe der Kündigungsverzicht nicht lediglich als solcher nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG gewertet werden. Dem Vermieter K*** sei im Hinblick auf das Zwangsversteigerungsverfahren das Schicksal des Hauses gleichgültig gewesen, so daß von einer nach dem Wunsche der Beklagten getroffenen Vereinbarung nicht die Rede sein könne. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Rechtliche Beurteilung

Das Erstgericht hat die vom Berufungsgericht übernommene Feststellung getroffen, daß die Beklagte bei Abschluß des Mietvertrages den wesentlichen Vertragswunsch äußerte, die Wohnung nur als Zweitwohnung mieten zu wollen, und der Vermieter hiezu sein diesbezügliches Einverständnis geben müsse. In Abwesenheit der Beklagten hat der Vermieter Peter K*** hierauf den schriftlichen Mietvertrag verfaßt und in diesen ohne Rücksprache mit der Beklagten die Klausel aufgenommen "Unkündbar auf Seite des Vermieters". Damit hat er jedenfalls der von der Beklagten gestellten wesentlichen Vertragsvoraussetzung entsprochen, daß die Beklagte diese Wohnung als Zweitwohnung benützen und aus diesem Grunde keinesfalls gekündigt werden dürfe. Da die Beklagte diesen schriftlichen Vertrag und damit auch den Text der vorgenannten Klausel ohne weitere Erklärung unterschrieb, wurde der von ihr ausdrücklich bedungene Geschäftszweck, die Wohnung als Zweitwohnung zu mieten, wesentlicher Vertragsinhalt.

In der vertragsgemäßen Widmung einer Mietwohnung als Zweitwohnung liegt aber begriffsnotwendig ein Verzicht des Vermieters auf die Geltendmachung des Kündigungsgrundes der nicht regelmäßigen Verwendung der gemieteten Wohnung zur Befriedigung eines dringenden Wohnbedürfnisses nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG (vgl. MietSlg 31.232). Der Verzicht auf diesen dem Geschäftszweck der Vereinbarung entsprechenden Kündigungsgrund wird durch den hier im schriftlichen Mietvertrag formulierten generellen Verzicht des Vermieters jedenfalls abgedeckt. Auf die Frage, inwieweit der noch weitergehende Teil dieser generellen Verzichtserklärung rechtswirksam ist, ist demnach nicht einzugehen. Die festgestellte Benützung der klagegegenständlichen Wohnung durch die Beklagte bloß als Zweitwohnung - die Beklagte nächtigt fallweise in dieser entspricht somit dem Vertrag und schließt das Vorliegen des behaupteten Kündigungsgrundes der mangelnden Befriedigung eines regelmäßigen Wohnungsbedürfnisses aus. Entgegen dem weiteren Kündigungsvorbringen haben die Tatsacheninstanzen festgestellt, daß die Wohnung nicht untervermietet ist.

Die Frage schließlich, aus welchen Motiven Peter K*** auf den Vertragswunsch der Beklagten, die Wohnung nur als Zweitwohnung mieten zu wollen, eingegangen war, ist rechtlich unerheblich, so daß die Revisionsausführungen, dem Peter K*** sei das Schicksal (seines) Hauses im Hinblick "auf das Zwangsversteigerungsverfahren" gleichgültig gewesen, ohne Bedeutung erscheint.

Der Revision war demnach ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E18715

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0080OB00595.88.0907.000

Dokumentnummer

JJT_19890907_OGH0002_0080OB00595_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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