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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
GewO 1994 §74 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer sowie Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des Z in S, vertreten durch Mag. Horst Bruckner, Rechtsanwalt in 8430 Leibnitz, Kadagasse 19, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 12. Jänner 2001, Zl. 04- 15/474-2000/3, betreffend gewerbliche Betriebsanlage, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurden gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 dem Beschwerdeführer für die Ausübung des mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 26. Juli 1999 gewerberechtlich genehmigten Gastgewerbebetriebes (Kaffeehaus und Bar) folgende zusätzliche Auflagen vorgeschrieben:
"1.) Für den Parkplatz (dargestellt im genehmigten Lageplan des Ing. R vom April/Mai 1999) wird eine Betriebszeit bis längstens 23.00 Uhr festgelegt.
2.) Es ist vor dem Parkplatz ein Hinweisschild mit folgender Aufschrift aufzustellen: 'Benützung des Parkplatzes nur bis 23.00 Uhr zulässig'."
In der Begründung heißt es im Wesentlichen, nach dem Schallmessprotokoll vom 20. Oktober 1999 hätten örtliche Erhebungen am 20. September 1999 sowie am 16. Oktober 1999 stattgefunden. Am 18. August 2000 sei vom lärmtechnischen Amtssachverständigen ein Gutachten erstellt worden, welches die Lärmsituation mit und ohne Errichtung von Lärmschutzwänden beurteilt habe. Am 9. November 2000 habe eine Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers stattgefunden, bei welcher das Gutachten vom 18. August 2000 erörtert worden sei. Anlässlich dieser Verhandlung sei festgestellt worden, dass der tatsächliche Verlauf der Zufahrtsstraße nicht mit dem Lageplan übereinstimme und der vorgesehene Lärmschutzdamm daher nicht wie vorgesehen durchführbar sei. Am 13. November 2000 habe der medizinische Amtssachverständige ein Gutachten erstellt, in dem auf Grund der Lärmbelastung für die Nachbarn vorgeschlagen worden sei, die Betriebszeiten für den Parkplatz bis 23.00 Uhr zu beschränken, um gesundheitliche Schäden der Nachbarn durch Lärm zu vermeiden.
Der Aussage des Beschwerdeführers, die Lärmmessungen seien nicht als repräsentativ zu werten, könne nicht gefolgt werden, weil zu einem Zeitpunkt gemessen worden sei, an dem der Betrieb das eine Mal geöffnet und das andere Mal geschlossen gewesen sei. Die Behauptung, es habe an diesem Tag außergewöhnlich viel Lärm geherrscht, sei für das Verfahren irrelevant. Eine Messung an einem Werktag, an dem eventuell fast kein Betrieb geherrscht hätte, sei nicht sinnvoll gewesen und hätte keinen Vergleich zu der Messung ergeben, die ohne "Betrieb Z" stattgefunden habe. Die Behauptung allein, das Lärmgutachten sei nicht ausreichend, lasse die belangte Behörde jedoch nicht an der Richtigkeit und Schlüssigkeit der Gutachten zweifeln. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe jeder, der an der Klärung eines Sachverhaltes mitwirken wolle, solchen Ausführungen eines Sachverhaltes, die nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennen seien, auf gleicher fachlicher Ebene, also durch Vorlage entsprechender Gutachten, entgegenzutreten. Dies sei im gegenständlichen Fall nicht erfolgt.
Zum Einwand der Verhältnismäßigkeit werde festgehalten, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung darauf hingewiesen habe, dass der mit der Erfüllung der Auflage verbundene Aufwand niemals außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg stehen könne, wenn das Ziel einer Auflage dem Schutz vor einer Gesundheitsgefährdung diene. Subjektive wirtschaftliche Gesichtspunkte (z.B. die Ertragslage eines Unternehmens) seien jedenfalls nicht zu berücksichtigen, "zumal" im medizinischen Gutachten vom 13. November 2000 von gesundheitlichen Schäden durch Lärm die Rede sei, welche durch Auflagenvorschreibung hintangehalten werden könnten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 79 Abs. 1 GewO 1994 - in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 115/1997 - bestimmt (u.a.), dass die Behörde, wenn sich nach Genehmigung der Anlage ergibt, dass die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, die nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs. 1) vorzuschreiben hat. Die Behörde hat solche Auflagen nicht vorzuschreiben, wenn sie unverhältnismäßig sind, vor allem wenn der mit der Erfüllung der Auflage verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit den Auflagen angestrebten Erfolg steht. Dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und die technischen Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen.
Bei dieser Rechtslage kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2001, Zl. 99/04/0229, und die dort zitierte Vorjudikatur) in dem Fall, dass das Ziel einer Auflage dem Schutz vor einer Gesundheitsgefährdung dient, der mit der Erfüllung der Auflage verbundene Aufwand niemals außer Verhältnis zu dem damit angestrebten Erfolg stehen, was die belangte Behörde zutreffend erkannt hat. Insofern vermag eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht mit dem Beschwerdevorbringen aufgezeigt werden, bei der Durchführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung ergebe sich, dass der Existenzgefährdung des Beschwerdeführers (lediglich) der Umstand gegenüberstehe, einzig in den Nächten zwischen Samstag und Sonntag im Zeitraum vom 23.00 bis 02.00 Uhr sei "eine geringere Lärmemission möglich".
Wenn aber der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auch vorbringt, unter der Woche sowie am Montag, dem Ruhetag, gehe von der Betriebsanlage überhaupt kein Lärm aus, weshalb es nicht nachvollziehbar sei, dass der Parkplatz (auch) an diesen Tagen nach 23.00 Uhr nicht benützt werden dürfe, so ist dem Beschwerdeführer einzuräumen, dass ungeachtet des vordargestellten, nach dem Gesetz für die Auflagenvorschreibung vorgegebenen Rahmens die Behörde im Einzelfall auch zu prüfen hat, mit welcher am wenigsten einschneidenden Vorkehrung das Auslangen gefunden werden kann (vgl. nochmals das vorzitierte hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2001 und die dort zitierte Vorjudikatur). Ein derartiges Vorbringen - unter der Woche keine Lärmbelastung durch die Betriebsanlage und deshalb "völlige Untersagung der Benützung des Parkplatzes" als zu einschneidende Vorkehrung - wurde aber auf Verwaltungsebene nicht dargetan. Dieses Beschwerdevorbringen stellt damit eine unbeachtliche Neuerung dar, weil es sich dabei um eine aus rechtlichen und tatsächlichen Elementen bestehende Frage (quaestio mixta) handelt und unter das Neuerungsverbot auch Rechtsausführungen fallen, wenn deren Richtigkeit nur auf Grund von Tatsachenfeststellungen überprüft werden kann, die deshalb unterblieben sind, weil im Verwaltungsverfahren diesbezüglich nichts vorgebracht wurde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2002, Zl. 2002/04/0037, und die dort zitierte Vorjudikatur).
In der Beschwerde wird weiters vorgebracht, das Schallmessprotokoll reiche für eine Beurteilungsgrundlage nicht aus, weil es lediglich eine Momentaufnahme zu zwei Zeitpunkten, nämlich am 20. September 1999, während des Ruhetages, und am 16. Oktober 1999, zum Zeitpunkt der höchsten vom Parkplatz ausgehenden Lärmbelastung, wiedergebe. Weiters sei einzig die gutachtliche Aussage, dass durch den Betrieb die bereits vorhandene Belastung eine zusätzliche Erhöhung erfahre. Es lasse sich dem Schallmessprotokoll, welches auch die Grundvoraussetzung eines Gutachtens nicht erfülle, nicht entnehmen, in welchem Ausmaß und in welcher Art es zu einer Erhöhung der Belastung komme.
Dabei wird zunächst vom Beschwerdeführer übersehen, dass es gerade Ziel der beiden Messungen - an einem Ruhetag einerseits und an einem Tag mit Vollbetrieb andererseits - war, einen Vergleich zwischen dem tatsächlichen Ist-Zustand ohne Betrieb und dem Zustand während des Betriebes der Anlage zu ermöglichen (vgl. Schallmessprotokoll vom 20. Oktober 1999). Weshalb eine solche Vorgangsweise nicht geeignet sein soll, als Beurteilungsgrundlage herangezogen zu werden, wird in der Beschwerde nicht näher dargelegt und ist Derartiges für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht zu finden, zumal eine entscheidende Frage im Beschwerdefall war, ob es im Hinblick auf die Lärmbelastung aus dem Verkehrslärm durch den Betrieb der Betriebsanlage (überhaupt) zu einer weiteren Erhöhung der Emissionsbelastung kommt. Was aber den nicht näher konkretisierten Vorwurf der mangelnden Nachvollziehbarkeit des Schallmessprotokolls hinsichtlich Ausmaß und Art der Belastung betrifft, ist dieser angesichts des Umstandes, dass nach der Aktenlage die dB-Höhe pro Ereignis für jeden Messpunkt aufgezeichnet wurde und der Beurteilungspegel zum Grundgeräuschpegel in Bezug gesetzt wurde, nicht nachvollziehbar.
Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auch vorbringt, es sei völlig unberücksichtigt geblieben, dass der erzielte Messwert am 16. Oktober 1999 einen Spitzenwert für wenige Stunden in der Woche darstelle und daher für die Beurteilung nicht repräsentativ sein könne, so ist dieser Beschwerdevorwurf (für sich genommen) nicht geeignet eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen (siehe aber unten), weil nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann, wenn zu erwarten ist, dass von einer Betriebsanlage bei unterschiedlichen Betriebssituationen unterschiedlich hohe Immissionen auf die Nachbarn einwirken, der Beurteilung jene Betriebssituation zu Grunde zu legen ist, die bei den Nachbarn die höchsten Immissionen erwarten lässt (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 2005, Zl. 2004/04/0066, und die dort zitierte Vorjudikatur). Das auch in diesem Zusammenhang gemachte Beschwerdevorbringen, allein auf Basis eines Spitzenwertes dürfe der gesamte Geschäftsbetrieb nicht auch unter der Woche eingeschränkt werden, unterfällt, wie bereits ausgeführt, dem Neuerungsverbot.
Der Beschwerdeführer ist im Ergebnis aber im Recht, wenn er rügt, es gebe keine (medizinische) Sachverständigenbeurteilung, aus der hervorgehe, welche gesundheitlichen Beschwerden für wen in welcher Form befürchtet werden müssten, und es gebe letztlich auch überhaupt keine Begründung und keinen Hinweis auf die wissenschaftlichen Grundlagen der getätigten Aussagen.
Die (sachverhaltsbezogene) medizinische Beurteilung des Amtssachverständigen im Gutachten vom 13. November 2000 beschränkt sich nämlich darauf festzustellen, dass es "unbedingt erforderlich" sei, eine Betriebszeitenregelung auflagenmäßig vorzuschreiben, um gesundheitliche Schäden der Nachbarn durch Lärm zu vermeiden. Die Benützung des genehmigten Parkplatzes wäre mit 23.00 Uhr zu begrenzen. Damit wäre gewährleistet, dass die Nachbarn während der Nacht in ihrem Ruhe- und Erholungsbedürfnis nicht "beeinträchtigt" würden. Eine nähere Begründung dafür, warum die Benützung des genehmigten Parkplatzes über 23.00 Uhr hinaus zu gesundheitlichen Schäden der Nachbarn führen würde, wird nicht gemacht; ohne auf fachlicher Ebene die Erwägungen aufzuzeigen, auf Grund derer der Sachverständige von einer Beeinträchtigung des Ruhe- und Erholungsbedürfnisses zum Schluss auf eine Gesundheitsgefährdung der Nachbarn gelangte, ist diese Aussage nicht geeignet, als taugliches Gutachten eines Sachverständigen angesehen zu werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. September 1994, Zl. 92/05/0132). Dabei fällt im Beschwerdefall insbesondere auch ins Gewicht, dass der Frage der Abgrenzung einer Gesundheitsgefährdung von einer (bloß) unzumutbaren Belästigung der Nachbarn im Hinblick auf die obigen Ausführungen zur Verhältnismäßigkeitsprüfung besondere Bedeutung zukommt; aber auch dem Umstand kommt Bedeutung zu, dass es nach den Behauptungen des Beschwerdeführers "einzig" in den Nächten zwischen Samstag und Sonntag im Zeitraum vom 23.00 bis 02.00 Uhr zu einer relevanten Lärmbelastung kommt.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2. Die Umrechnung beruht auf § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000. Wien, am 7. November 2005
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2001040040.X00Im RIS seit
28.11.2005