Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter und durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Elmar Peterlunger (AG) und Mag.Walter Holub (AN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Therese B***, Pensionistin, 1110 Wien, Muhrhoferweg 1-5/6/31, vertreten durch Dr.Hans Schwarz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*** DER A***
(Landesstelle Wien), 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Feststellung von Versicherungszeiten infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28.Oktober 1988, GZ 33 Rs 201/88-46, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 17.Mai 1988, GZ 11 Cgs 1052/87-41, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
1. Das im Revisionsstadium befindliche Verfahren wird solange unterbrochen, bis über die Vorfrage des Beginnes bzw Endes der Versicherung der Klägerin als Dienstnehmerin des Friedrich G*** als Hauptfrage im Verfahren in Verwaltungssachen einschließlich eines allenfalls anhängig gewordenen Verwaltungsgerichtshofsverfahrens rechtkräftig entschieden worden ist.
2. Für den Fall, daß im Zeitpunkt der Unterbrechung des Verfahrens noch kein Verfahren in Verwaltungssachen anhängig sein sollte, regt der Oberste Gerichtshof die Einleitung des Verfahrens bei der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse und bei der Wiener Gebietskrankenkasse an.
3. Das Erstgericht wird ersucht, je eine Ausfertigung dieses Beschlusses den Parteien und den im Punkt 2. genannten Trägern der Krankenversicherung zuzustellen, letzteren mit dem Ersuchen, den Obersten Gerichtshof seinerzeit zwecks Aufnahme des unterbrochenen Revisionsverfahrens im Wege des Erstgerichtes von der Entscheidung im Verfahren in Verwaltungssachen zu verständigen.
Text
Begründung:
Mit Bescheid vom 27.Dezember 1985 stellte die beklagte Partei auf Antrag der am 10.August 1932 geborenen Klägerin deren Versicherungszeiten der Pensionsversicherung zum Stichtag 1.Oktober 1985 außerhalb des Leistungsfeststellungsverfahrens mit 413 Versicherungsmonaten, die 28 Kalendermonate vom April 1954 bis Juli 1956 jedoch nicht als Versicherungszeiten fest (§§ 247 und 367 Abs 1 ASVG).
Mit ihrer rechtzeitigen Klage machte die Klägerin geltend, daß es sich auch bei den erwähnten 28 Kalendermonaten um Beitragszeiten der Pflichtversicherung handle, weil sie vom 15.Oktober 1951 bis 5. Oktober 1958 ununterbrochen bei dem Dienstgeber Friedrich G*** beschäftigt gewesen sei.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage und wendete ein, für die Klägerin lägen nur für die Zeiten vom Oktober 1951 bis 15.Oktober 1953, vom 1.Jänner bis 31.März 1954 und vom 1. August 1956 bis Oktober 1958 Meldungen vor, und zwar für den 1. und 3. Zeitraum bei der Wiener, für den 2. Zeitraum bei der NÖ Gebietskrankenkasse.
Im zweiten Rechtsgang wies das Erstgericht das Klagebegehren, "die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den Zeitraum vom April 1985" (richtig 1954) "bis Juli 1956 als erworbene Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung anzurechnen", ab. Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger Tatsachenfeststellung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge und bestätigte das erstgerichtliche Urteil mit der Maßgabe, "daß der Beklagten gegenüber feststeht, daß die Klägerin die im Bescheid der Beklagten vom 27.Dezember 1985 angeführten Versicherungszeiten erworben hat". Nach den vom Berufungsgericht als unbedenklich bezeichneten erstgerichtlichen Feststellungen war die Klägerin, die damals noch F*** hieß, vom 15.Oktober 1951 bis 5.Oktober 1958 beim Steuerberater Friedrich G*** als Hausgehilfin beschäftigt. Sie hatte nicht nur den gesamten Haushalt des Dienstgebers zu führen, sondern auch dessen Büroräume zu reinigen. Vom 15.Oktober 1951 bis 15. Oktober 1953 war sie bei der Wiener Gebietskrankenkasse auf dem zunächst auf Hilda G***, dann auf Friedrich und Hilda G*** lautenden Arbeitgeberkonto 21-836 angemeldet, wobei die Abmeldung erst am 4.Jänner 1954 erfolgte. Der Hauptsitz der Steuerberatungskanzlei Friedrich G*** war in Wien. Eine weitere Niederlassung befand sich in Mistelbach (Niederösterreich). Beide Kanzleien wurden praktisch getrennt geführt. Zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt verlegte Friedrich G*** den Hauptsitz seiner Kanzlei nach Mistelbach. Vom November 1951 bis März 1954 waren mehrere zunächst in Wien beschäftigte Arbeitnehmer Friedrich G*** ab verschiedenen Tagen, die Klägerin ab 1.Jänner 1954 bei der NÖ Gebietskrankenkasse unter dem Dienstgeberkonto Friedrich G*** 13-65-303 angemeldet. Die Klägerin war am 2. Kanzleisitz Friedrich G*** in Mistelbach, wo dieser auch ein Haus besaß, nicht beschäftigt. Alle bei der NÖ Gebietskrankenkasse angemeldeten Dienstnehmer Friedrich G***, darunter auch die Klägerin, wurden ex offo mit 31.März 1954 abgemeldet, weil der Dienstgeber mitgeteilt hatte, er werde sämtliche Dienstnehmer mit 1.April 1954 bei der Wiener Gebietskrankenkasse anmelden. Ob dies tatsächlich geschah, konnte nicht festgestellt werden. Bei der NÖ Gebietskrankenkasse bestand noch ein weiteres Dienstgeberkonto für Angestellte, auf dem die Klägerin nicht aufscheint. Sie wurde mit Anmeldung vom 25.März 1954 neuerlich mit 1.April 1954 zur NÖ Gebietskrankenkasse unter der Kontonummer 13-65-303 angemeldet. Diese Anmeldung langte am 30.März 1954 bei der genannten Gebietskrankenkasse ein und wurde mit dem Vermerk "mit 1.April 1954 bei der Wiener Gebietskrankenkasse gemeldet" versehen. Ob diese Anmeldung an die Wiener Gebietskrankenkasse weitergeleitet wurde, konnte nicht festgestellt werden. Auch eine Weitermeldung der Klägerin ab 1.April 1954 bei der NÖ Gebietskrankenkasse konnte nicht festgestellt werden. Als die Klägerin bei der letztgenannten Gebietskrankenkasse schriftlich einen Ersatzanspruch geltend machte, wurde sie mit Schreiben vom 15. Juni 1956 an die Wiener Gebietskrankenkasse verwiesen. Am 1. August 1956 wurde die Klägerin auf dem Friedrich G*** mit 1. Februar 1956 dort eingeräumten Dienstgeberkonto 11-14-53 angemeldet. Auf dem bei der Wiener Gebietskrankenkasse mit 1.April 1954 für die als Angestellte beschäftigten Dienstnehmer Friedrich G*** begründeten Angestelltenkonto 13-65-88 scheint die Klägerin nicht auf. Daß für den Dienstgeber Friedrich G*** vor 1956 bei der Wiener Gebietskrankenkasse ein Arbeiterkonto bestand, ob die Klägerin in der Zeit vom 1.April 1954 bis 31.Juli 1956 von der die Lohnverrechnung durchführenden Hermine M*** Krankenscheine erbat und erhielt und ob während dieser Zeit (für die Klägerin) Beiträge an eine Krankenkasse abgeführt wurden, konnte nicht festgestellt werden.
Das Berufungsgericht billigte auch die erstgerichtliche Rechtsansicht, daß bis Ende 1955 nach § 8 des 1.SV-NG Beitragszeiten nur bei nachgewiesener Beitragsentrichtung angenommen werden könnten. Ein solcher Nachweis sei der Klägerin nicht gelungen. Ab 1. Jänner 1956 sei nach § 225 Abs 1 ASVG nicht die Beitragsentrichtung, sondern die zeitgerechte Meldung eines der Pflichtversicherung unterliegenden Beschäftigungsverhältnisses Voraussetzung für die Annahme von Beitragszeiten. Der Nachweis einer solchen Krankenkassenmeldung für die Zeit vom Jänner bis Ende Juli 1956 sei der Klägerin ebenfalls nicht gelungen.
Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit den Anträgen, die vorinstanzlichen Urteile im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder sie allenfalls zwecks Zurückverweisung an das Erstgericht aufzuheben.
Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Über die nach § 46 Abs 4 ASGG (SSV-NF 1/18) ohne die Beschränkungen des Abs 2 dieser Gesetzesstelle zulässige Revision kann derzeit nicht entschieden werden.
Ist in einer Rechtsstreitigkeit nach § 65 Abs 1 Z 1...ASGG die Versicherungspflicht, die Versicherungsberechtigung, der Beginn oder das Ende der Versicherung (§ 355 Z 1 ASVG),... als Vorfrage strittig, so ist das Verfahren nach § 74 Abs 1 ASGG zu unterbrechen, bis über diese Vorfrage als Hauptfrage im Verfahren in Verwaltungssachen rechtskräftig entschieden worden ist, dies einschließlich eines allenfalls anhängig gewordenen Verwaltungsgerichtshofsverfahrens. Ist im Zeitpunkt der Unterbrechung des Verfahrens noch kein Verfahren in Verwaltungssachen anhängig, so hat das Gericht die Einleitung des Verfahrens beim Versicherungsträger anzuregen. Einem Rekurs gegen den Unterbrechungsbeschluß kann aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt werden.
Eine § 74 Abs 1 ASGG vergleichbare Bestimmung war in der Regierungsvorlage nicht enthalten und wurde erst im Zuge der parlamentarischen Beratungen eingefügt. Ihr lagen nachstehende Erwägungen des Ausschusses zugrunde (Ausschußbericht 527 BlgNR 16. GP 10):
"Über die zu Beginn des Abs 1 aufgezählten Vorfragen ist als Hauptfrage im Verwaltungsverfahren (§§ 355, 410 ASVG) zu entscheiden. Es handelt sich hiebei um jene Vorfrage, die in den heutigen Leistungsstreitverfahren am häufigsten auftreten.
Wird eine solche Vorfrage relevant, so wurde bisher von den Schiedsgerichten der Sozialversicherung entweder das Verfahren unterbrochen und der Ausgang des (teils sehr lange dauernden) Verwaltungsverfahrens abgewartet oder die Vorfrage selbständig beurteilt und auf dieser Grundlage das Leistungsstreitverfahren entschieden (vgl SV-Slg 26209 ua).
Hat ein Schiedsgericht der Sozialversicherung den zweiten Weg gewählt und die Leistungsklage auf Grund seiner Vorfragenbeurteilung abgewiesen, so wird auch die Rechtsansicht vertreten, daß eine nachmalige gegenteilige Entscheidung der zuständigen Verwaltungsbehörde über diese Vorfrage als Hauptfrage keinen Wiederaufnahmsgrund für das schiedsgerichtliche Verfahren begründe (vgl SV-Slg 20849).
Das bisherige System barg sohin zwei Gefahren für den Versicherten in sich:
Unterbrach das Schiedsgericht der Sozialversicherung das Leistungsstreitverfahren, so konnte wegen des Verwaltungsverfahrens viel Zeit verstreichen, bis das schiedsgerichtliche Verfahren fortgesetzt wurde. Während dieser gesamten Verfahrensdauer erhielt aber der Versicherte keine Leistung.
Unterbrach das Schiedsgericht der Sozialversicherung das Leistungsstreitverfahren nicht, wies es aber das Leistungsbegehren nur deshalb ab, weil es die Vorfrage für das Begehren des Klägers negativ beurteilte, während die Verwaltungsbehörde diese Frage als Hauptfrage nachher positiv entschied, so lief der Versicherte dennoch Gefahr, daß ihm die beantragte Wiederaufnahme des (schieds)gerichtlichen Verfahrens verweigert wird, und er damit seinen ehedem zu Recht geltend gemachten Anspruch jedenfalls nicht mehr mit dem selben Stichtag durchzusetzen vermocht. Dagegen soll durch zwei einander ergänzenden Vorkehrungen Abhilfe geschaffen werden:
a) Stellt sich eine der aufgezählten Vorfragen, so soll das Gericht sein Verfahren zu unterbrechen haben, bis im Verfahren der zuständigen Verwaltungsbehörde (einschließlich jenem des Verwaltungsgerichtshofs) über die Vorfrage als Hauptfrage abgesprochen ist.
b) Unterbricht das Gericht das Verfahren und stellt der Kläger einen diesbezüglichen Antrag, so soll es die Vorfrage - nach den Grundsätzen des Bescheinigungsverfahrens, sohin ohne umwendige Erhebungen - selbst zu beurteilen und bei Glaubhaftmachung des Anspruchs durch den Versicherten dem Versicherungsträger eine entsprechende vorläufige Leistungspflicht aufzuerlegen haben. Einem Rekurs gegen einen solchen Beschluß, mit dem behauptet wird, daß die obigen Voraussetzungen nicht vorlägen, soll eine aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt werden können, weil die Leistungsansprüche grundsätzlich von existentieller Natur sind. Die Verwirklichung dieses Systems beseitigt somit die für Versicherte bislang gegebenen, oben geschilderten Gefahren bzw Nachteile".
Wenn eine der im ersten Halbsatz des § 74 Abs 1 ASGG aufgezählten Fragen als Vorfrage strittig ist und die Entscheidung über die Klage von der Beurteilung einer solchen Vorfrage abhängt, muß das gerichtliche Verfahren unterbrochen werden (arg: "so ist das Verfahren zu unterbrechen" im zweiten Halbsatz der zitierten Gesetzesstelle), ohne daß das Gericht eine dem § 190 ZPO vergleichbare Wahlmöglichkeit hätte (Kuderna, ASGG § 74 Erl 3; Fasching, ZPR ErgH Rz 2301; derselbe in Tomandl, SV-System 3.ErgLfg 719 f; Fink, ASGG 110; Wresounig, ASGG 160).
Nach dem im § 74 Abs 1 ASGG zitierten § 355 Z 1 ASVG gehören insbesondere zu den Verwaltungssachen die Feststellung der Versicherungspflicht, der Versicherungsberechtigung sowie des Beginnes und Endes der Versicherung.
Die Versicherungsträger sind im Rahmen ihrer örtlichen und
sachlichen Zuständigkeit zur Behandlung der Verwaltungssachen
berufen. Zur Behandlung der Verwaltungssachen, welche die
Versicherungspflicht sowie den Beginn und das Ende der Versicherung
von Vollversicherten, ... und von in der Unfall- und
Pensionsversicherung Teilversicherten (§ 7 Z 2 ASVG)... betreffen,
sind, unbeschadet der Bestimmung des § 411 ASVG, die Träger der Krankenversicherung berufen (§ 409 ASVG).
Der Versicherungsträger hat in Verwaltungssachen, zu deren Behandlung er nach § 409 berufen ist, einen Bescheid zu erlassen, wenn er die sich aus diesem Bundesgesetz in solchen Angelegenheiten ergebenden Rechte und Pflichten von Versicherten und von deren Dienstgebern ... feststellt und nicht das Bescheidrecht der Versicherungsträger in diesem Bundesgesetz ausgeschlossen ist. Hienach hat der Versicherungsträger in Verwaltungssachen insbesondere Bescheide zu erlassen: 1. wenn er die Anmeldung zur Versicherung wegen Nichtbestandes der Versicherungspflicht oder Versicherungsberechtigung oder die Abmeldung wegen Weiterbestandes der Versicherungspflicht ablehnt oder den Versicherungspflichtigen (Versicherungsberechtigten) mit einem anderen Tag in die Versicherung aufnimmt oder aus ihr ausscheidet, als in der Meldung angegeben ist, 2. wenn er einen nicht oder nicht ordnungsgemäß Angemeldeten in die Versicherung aufnimmt oder eine nicht oder nicht ordnungsgemäß Abgemeldeten aus der Versicherung ausscheidet; 3. wenn er die Entgegennahme von Beiträgen ablehnt,... 7. wenn der Versicherte oder der Dienstgeber die Bescheiderteilung zur Feststellung der sich für ihn aus diesem Gesetz ergebenden Rechte und Pflichten verlangt (§ 410 Abs 1 ASVG).
In den Fällen des Abs 1 Z 7 ist über den Antrag des Versicherten (des Dienstgebers) ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber 6 Monate nach Einlangen des Antrages, der Bescheid zu erlassen. Wird der Partei innerhalb dieser Frist der Bescheid nicht zugestellt, so geht auf ihr schriftliches Verlangen die Zuständigkeit zur Entscheidung an den Landeshauptmann über. Ein solches Verlangen ist unmittelbar beim Landeshauptmann einzubringen. Das Verlangen ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden des Versicherungsträgers zurückzuführen ist (§ 410 Abs 2 ASVG). Hat der Träger der Krankenversicherung einen Bescheid in einer Angelegenheit erlassen, welche die Unfall-, Pensions- oder Arbeitslosenversicherung betrifft, so hat der Träger der beteiligten Versicherung bzw das Landesarbeitsamt im Verfahren vor den Verwaltungsbehörden über diese Bescheide Parteistellung (§ 411 ASVG). Bescheide der Versicherungsträger in Verwaltungssachen können durch Einspruch an den zuständigen Landeshauptmann angefochten werden (§ 412 ASVG), gegen dessen Bescheid über die Versicherungspflicht oder die Berechtigung zur Weiter- oder Selbstversicherung die Berufung an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zusteht.
Wie der erkennende Senat schon in der Entscheidung 20. Oktober 1987 SSV-NF 1/41 ausgeführt hat, wird das Leistungsverfahren im Falle eines Antrages nach § 247 ASVG zweigeteilt. Die bis zu dem durch den Antrag ausgelösten Stichtag erworbenen Versicherungszeiten werden - abgesehen von einer Änderung der maßgeblichen Entscheidungsgrundlage - im Feststellungsverfahren bindend festgestellt und sind dem späteren Leistungsverfahren zugrundezulegen. Bei der Feststellung von Versicherungszeiten nach § 247 ASVG handelt es sich daher um einen vorgezogenen Teil des Leistungsverfahrens. Daraus folgerte der erkennende Senat in der Entscheidung 7.März 1989 10 Ob S 63/89, daß die Feststellung der Versicherungszeiten im Verfahren nach § 247 ASVG in der gleichen Form und nach denselben Grundsätzen vorgenommen wird, wie dies in einem Leistungsverfahren zur Beurteilung der Frage der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen und der Leistungshöhe erfolgt. Es wäre mit der Teleologie des Gesetzes unvereinbar, würden die im § 74 Abs 1 ASGG genannten Vorfragen in einem Verfahren nach § 247 ASVG vom Gericht gelöst und auf dieser Grundlage Zeiten für das spätere Leistungsverfahren bindend festgestellt, während in Fällen, in denen der Bestand von Versicherungszeiten (erst) in einem Leistungsverfahren strittig wird und dabei die Versicherungspflicht in Frage steht, nach § 74 Abs 1 ASGG vorzugehen wäre. Daß § 65 Abs 1 Z 4 ASGG in der letztgenannten Gesetzesstelle nicht genannt wird, kann daher nur auf einem Redaktionsversehen beruhen. Daher ist auch in einem Rechtsstreit nach § 65 Abs 1 Z 4 ASGG den Gerichten unter anderem die Prüfung des als Vorfrage strittigen Beginnes oder Endes der Versicherung entzogen, das Verfahren zu unterbrechen, das eingeleitete oder zu veranlassende Verwaltungsverfahren abzuwarten und die rechtskräftige bindende Sachentscheidung des Verwaltungsverfahrens dem weiteren gerichtlichen Verfahren zugrundezulegen.
Im vorliegenden Fall sind (zwischen den Parteien) unter anderem der Beginn bzw das Ende der Versicherung der Klägerin auch in der Pensionsversicherung als bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigter Dienstnehmerin in den Jahren 1953 bis 1956 strittig. Während die Klägerin behauptet, daß sie vom 15.Oktober 1951 bis 5. Oktober 1958 ununterbrochen beim Dienstgeber Friedrich G*** beschäftigt gewesen sei, behauptet die beklagte Partei, die Klägerin sei nur vom Oktober 1951 bis 15.Oktober 1953 (bei der Wiener Gebietskrankenkasse), vom 1.Jänner bis 31.März 1954 (bei der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse) und vom 1.August 1956 bis Oktober 1958 (wieder bei der Wiener Gebietskrankenkasse) gemeldet gewesen. Strittig ist daher, wann die im Oktober 1951 begonnene Versicherung beendet wurde und ob allenfalls am 1.Jänner 1954 eine neue Versicherung begann und wann diese beendet wurde. Die Frage, ob die Klägerin auch während der Zeiten vom 16. Oktober bis 31.Dezember 1953 und vom 1.April 1954 bis 31.Juli 1956 in der Pensionsversicherung versichert war, und wann diese Versicherung begann bzw endete, ist für die Frage, ob diese Zeiten als Zeiten einer Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung anzusehen und als solche nach § 247 ASVG festzustellen sind, präjudiziell. Hinsichtlich der Möglichkeit, Beiträge in Fällen besonderer Härte als wirksam entrichtet anzuerkennen, wird auf § 225 Abs 3, § 226 Abs 3 und § 230 Abs 2 lit c ASVG hingewiesen. Das Verfahren war daher - auch noch in dritter Instanz (Kuderna, ASGG § 74 Erl 3; SSV-NF 2/22) - zu unterbrechen (Punkt 1. des Spruches).
Da sich weder aus dem Vorbringen der Parteien noch aus dem die Klägerin betreffenden Pensionsakt der beklagten Partei ein Hinweis darauf ergibt, daß im Zeitpunkt der Unterbrechung des gerichtlichen Verfahrens ein Verfahren in Verwaltungssachen anhängig war, ist bei den sachlich und örtlich zuständigen Versicherungsträgern die Einleitung des Verfahrens anzuregen (Punkt 2. des Spruches). Dazu war das Erstgericht zu ersuchen, je eine Ausfertigung dieses Beschlusses den Krankenversicherungsträgern mit dem Ersuchen zuzustellen, den Obersten Gerichtshof seinerzeit zwecks Aufnahme des unterbrochenen Revisionsverfahrens im Wege des Erstgerichtes von der Entscheidung im Verfahren in Verwaltungssachen zu verständigen (Punkt 3. des Spruches).
Anmerkung
E18619European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:010OBS00005.89.0912.000Dokumentnummer
JJT_19890912_OGH0002_010OBS00005_8900000_000