Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache Hans A***, geboren am 3. Februar 1934, 4264 Grünbach, Schlag 60, infolge Revisionsrekurses des Hans A*** gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 3. Mai 1989, GZ 18 R 352/89-47, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Freistadt vom 30. März 1989, GZ SW 12/88-42, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht ordnete mit Beschluß vom 30. März 1989, SW 12/88-42, für Hans A*** eine Sachwalterschaft gemäß § 273 Abs 3 Z 2 ABGB mit folgendem Wirkungskreis des Sachwalters an:
a) Vertretung bei Ämtern, Behörden und Gerichten einschließlich der eigenhändigen Empfangnahme deren amtlicher Zustellungen,
b) Vertretung in außerordentlichen Rechtsgeschäften. Zum Sachwalter wurde Erwin C***, Kfz-Mechanikermeister in Schlag, Grünbach, bestellt.
Hans A*** war bereits mit Beschluß des Erstgerichtes vom 11. Juli 1980, L 18/79-40, wegen Geisteskrankheit beschränkt entmündigt worden. Die beschränkte Entmündigung ging nach dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Sachwalterschaft für behinderte Personen am 1. Juli 1984 in eine Sachwalterschaft über. Diese Sachwalterschaft wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 5. Dezember 1984, SW 147/84-185, beendet, weil nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens von Univ.Prof.Dr.Gerhard K*** eine Beruhigung des Verhaltens des Betroffenen erwartet wurde. Das gegenständliche Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters für Hans A*** nahm seinen Anfang durch eine Verständigung durch das Bezirksgericht Linz gemäß § 6 a ZPO. Hans A*** hatte zu 9 C 5/88 beim Bezirksgericht Linz eine selbst verfaßte Besitzstörungsklage gegen seinen Bruder Engelbert A*** eingebracht. Die Klage war weder schlüssig noch wies sie die sonstigen Schriftsatzerfordernisse auf. Disziplinaranzeigen des Hans A*** gegen den Vertreter seines Prozeßgegners und seine Strafanzeige gegen den Verhandlungsrichter und den Beklagtenvertreter blieben erfolglos.
Nach Anhörung des Betroffenen und seines gemäß § 238 Abs 1 AußStrG bestellten einstweiligen Vertreters Dr. Helge F***, öffentlicher Notar in Freistadt, sowie nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens von Univ.Prof.Dr.Gerhard K*** samt mündlicher Erörterung und nach Einsichtnahme in die Akten 9 C 5/88 des Bezirksgerichtes Linz und 1 Nc 16/86, SW 147/84 und L 18/79 des Bezirksgerichtes Freistadt stellte das Erstgericht fest, daß sich die Hoffnung auf eine Anpassung des Betroffenen an die Erfordernisse des Lebens nicht erfüllt habe. Es bestehe beim Betroffenen eine Involutionsdepression mit paranoid-querulatorischen Mechanismen, die den Betroffenen bei seinen Handlungen beeinflussen. Bei der vielfach gezeigten Unfähigkeit des Betroffenen, seine Angelegenheiten vor Gerichten und Behörden in seinem wohlverstandenen eigenen Interesse zu vertreten, erachtete das Erstgericht die Bestellung eines Sachwalters gemäß § 273 ABGB im beschriebenen Umfang für geboten.
Der Rekurs des Hans A*** blieb erfolglos. Das Rekursgericht führte aus, bezüglich der vom Rekurswerber geltend gemachten Unterlassung der Beiziehung eines zweiten Sachverständigen bestimme § 241 Abs 2 AußStrG, daß ein Sachwalter nur nach Beiziehung eines oder erforderlichenfalls mehrerer Sachverständiger bestellt werden dürfe. Das Rekursgericht vermöge die Erforderlichkeit der Beiziehung eines zweiten Sachverständigen im Sinne dieser Gesetzesstelle nicht zu erblicken. Das von Univ.Prof.Dr.Gerhard K*** erstattete Sachverständigengutachten bilde nicht nur wegen der gerichtsbekannten Sorgfalt und Sachkunde des Genannten, sondern auch deshalb eine hinreichende Entscheidungsgrundlage, weil bereits in den Vorakten medizinishce Gutachten enthalten seien. Hievon sei das vom Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Perg Dr. Hansjörg K*** am 13. September 1979 erstattete Gutachten besonders hervorzuheben. Die Beweiswürdigung des Erstgerichtes erscheine daher unbedenklich. Aber auch in rechtlicher Hinsicht könne ein Fehler des Erstgerichtes nicht gefunden werden. Hervorzuheben sei, daß das Erstgericht einen Sachwalter nicht deshalb bestellt habe, um andere vor Ansprüchen Hans A*** zu schützen, sondern um den Betroffenen selbst vor Nachteilen zu bewahren. Der Rekurswerber bringe selbst vor, daß er im Verfahren 2 C 406/85 gegen die R*** nach Ruhen des Verfahrens nichts mehr bezahlen hätte müssen, wenn er nicht mangels Rechtsbelehrung die Fortsetzung des Verfahrens beantragt hätte. Schon daraus ergebe sich, daß eine Sachwalterbestellung im beschriebenen Umfang zur Verhinderung von Nachteilen für den Betroffenen notwendig sei. Der vom Erstgericht verwendete Begriff des "außerordentlichen Rechtsgeschäftes" sei hinreichend bestimmt, weil zu seiner Auslegung § 154 Abs 3 ABGB herangezogen werden könne. Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der von Hans A*** beim nunmehr zuständigen Bezirksgericht Pregarten zu Protokoll gegebene Revisionsrekurs mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Einstellung des Sachwalterschaftsverfahrens; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Rechtsmittelwerber bringt vor, er erblicke eine "Gesetz- und Aktenwidrigkeit" darin, daß ihm trotz seines Antrages vom 26. Oktober 1988 auf Beigebung eines Rechtsanwaltes zur Verfahrenshilfe ein solcher nicht bestellt worden, vielmehr über diesen Antrag vom Erstrichter nicht entschieden worden sei. Weiters sehe er eine Aktenwidrigkeit und eine Gesetzwidrigkeit darin, daß kein zweiter Sachverständiger dem Sachwalterschaftsverfahren beigezogen worden sei. Seines Erachtens hätte ein zweiter Sachverständiger bestellt werden müssen, weil dadurch ein für ihn günstigeres Ergebnis zu erwarten gewesen wäre. Darüberhinaus sei der Begriff des "außerordentlichen Rechtsgeschäftes" nicht hinreichend bestimmt, sodaß man gar nicht konkret wisse, welche Angelegenheiten der Sachwalter für ihn zu besorgen habe. Überdies sei er selbst in der Lage, sämtliche Angelegenheiten gehörig zu besorgen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist unzulässig.
Da das Rekursgericht den Beschluß des Erstgerichtes bestätigte, wäre ein Revisionsrekurs gemäß § 16 Abs 1 AußStrG - diese Bestimmung gilt auch im Verfahren zur Bestellung von Sachwaltern für behinderte Personen (ÖAV 1986, 53; NZ 1987, 95 uva) - nur im Fall einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer begangenen Nullität statthaft.
Eine Aktenwidrigkeit, die nur dann gegeben wäre, wenn das Rekursgericht in einer Entscheidung in einem wesentlichen Punkt den Akteninhalt unrichtig wiedergegeben und so ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen hätte (EFSlg 50.005 ua), vermag der Rechtsmittelwerber nicht aufzuzeigen. Mit seinem Vorbringen, es sei ihm trotz seines Antrages kein Rechtsanwalt zur Verfahrenshilfe bestellt und dem Sachwalterschaftsverfahren kein zweiter Sachverständiger beigezogen worden, macht er vielmehr angebliche Verfahrensmängel des Erstgerichtes geltend. Die Bekämpfung eines Verfahrensmangels ist aber mit einem außerordentlichen Revisionsrekurs im Sinne des § 16 AußStrG nur dann zulässig, wenn der Mangel das Gewicht einer Nichtigkeit erreicht (EFSlg 52.804 ua). Davon kann aber im vorliegenden Fall keine Rede sein. Hans A*** hat im Schriftsatz vom 25. Oktober 1988, den er als Rekurs gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Freistadt vom 13. Oktober 1988, mit dem ihm gemäß § 238 AußStrG als Rechtsbeistand und einstweiliger Sachwalter der öffentliche Notar Dr. F*** bestellt und die Tagsatzung zur gerichtsärztlichen Untersuchung angeordnet wurde, den Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe gestellt, der sich aber offenbar auf ein von ihm geführtes Besitzstörungsverfahren sowie ein Verfahren nach den §§ 81 ff EheG beziehen sollte. Im Verfahren 9 C 5/88 des Bezirksgerichtes Linz wegen Besitzstörung wurde ihm vom Prozeßgericht jedoch ohnehin die Verfahrenshilfe bewilligt, im Verfahren nach den §§ 81 ff EheG wird er durch Notar Dr. F*** als gewählten Rechtsbeistand vertreten (AS 10). Über den Rekurs ist noch nicht entschieden worden. Ein Verfahrensmangel vom Gewicht einer Nullität hinsichtlich der gegenständlichen Entscheidung über die Anordnung der Sachwalterschaft wurde damit also vom Rechtsmittelwerber nicht aufgezeigt. Gleiches gilt hinsichtlich der vom Rechtsmittelwerber geforderten Beiziehung eines zweiten Sachverständigen, die das Rekursgericht auf Grund der Vorschrift des § 241 Abs 2 AußStrG insbesondere mit Rücksicht auf das ausführliche und vollständige Gutachten des Sachverständigen Univ.Prof.Dr.K*** für entbehrlich erachtete. Die Ausführungen des Rechtsmittelwerbers stellen sich diesbezüglich als Versuch einer im Rahmen eines außerordentlichen Revisionsrekurses unzulässigen Bekämpfung der Beweiswürdigung des Rekursgerichtes dar (vgl. EFSlg 52.744 ua). Dem Anfechtungsgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit, der sich nur auf materiellrechtliche Verstöße bezieht (EFSlg 49.936 ua) ist somit lediglich das Rechtsmittelvorbringen zu unterstellen, der Begriff des "außerordentlichen Rechtsgeschäftes" in der Umschreibung des Wirkungskreises des Sachwalters durch das Erstgericht sei nicht hinreichend bestimmt und der Rechtsmittelwerber sei selbst in der Lage, sämtliche Angelegenheiten gehörig zu besorgen, womit offenbar die Berechtigung der Sachwalterbestellung in Frage gestellt werden sollte.
Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt jedoch nur dann vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (SZ 44/80, SZ 46/98 uva). Eine bloß unrichtige rechtliche Beurteilung entspräche somit nicht einer offenbaren Gesetzwidrigkeit (EFSlg 49.934 ua). Eine offenbare Gesetzwidrigkeit kann indes schon begrifflich nicht vorliegen, wenn es sich um eine Ermessensentscheidung handelt (SZ 49/76 ua). Ob und inwieweit jemand eines Sachwalters bedarf, ist im § 273 ABGB nicht in allen Einzelheiten geregelt, sodaß offenbare Gesetzwidrigkeit aus diesem Grund nicht in Betracht kommt (6 Ob 528/89 ua). Darüber hinaus kann, wie das Rekursgericht zutreffend erkannte, zur Auslegung des Begriffes "Vertretung in außerordentlichen Rechtsgeschäften" die Bestimmung des § 154 Abs 3 ABGB herangezogen werden. Da der Rechtsmittelwerber somit keinen der im § 16 AußStrG genannten Anfechtungsgründe aufzuzeigen vermochte, mußte der außerordentliche Revisionsrekurs als unzulässig zurückgewiesen werden.
Anmerkung
E18487European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0020OB00578.89.0912.000Dokumentnummer
JJT_19890912_OGH0002_0020OB00578_8900000_000