Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 13.September 1989 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Salat als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hans Jürgen S*** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3, 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 3.Mai 1989, GZ 22 Vr 4.331/87-72, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Presslauer, und des Verteidigers Dr. Josef Wegrostek, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, daß die Summe der Schadensbeträge beim Betrug (A/I/1 bis 6 und II des Urteilssatzes) 500.000 S übersteigt, demgemäß im Ausspruch über die rechtliche Beurteilung des Betruges nach § 147 Abs. 3 StGB sowie im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf den kassatorischen Teil dieser Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Hans Jürgen S*** wurde des Verbrechens des teils
vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3, 15 StGB (A/I und II des Urteilssatzes) und des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB (B) schuldig erkannt.
Nach dem Inhalt des (in Ansehung der irrtümlichen Doppelnumerierung
bei A/I/3 im folgenden richtiggestellten) Schuldspruchs hat der
Angeklagte
A) mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten
unrechtmäßig zu bereichern, folgende Personen durch die Vorgabe
seiner Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit, sohin durch
Täuschung über Tatsachen, zu Handlungen, die diese am Vermögen
schädigten, wobei der (eingetretene und gewollte) Schaden 500.000 S
überstiegen hat,
I) verleitet, und zwar
1. im Oktober 1985 in Innsbruck Verantwortliche der Firma
J*** GmbH & Co KG zur Lieferung von Kunststoffenstern im
Gesamtwert von 145.354,80 S;
2. am 2.Juli 1987 in Zell am See Verantwortliche der Firma
"MÖBEL-L***" zu Verkauf und Lieferung einer Einbauküche, Modell R 41
samt Einbaugeräten im Wert von 71.813,-- S;
3. am 13.Oktober 1987 in Straßwalchen Verantwortliche der
Firma Mathias L*** zu Verkauf und Übergabe eines LKW der Marke
Mercedes 1617 samt Zubehör im Gesamtwert
von 234.000,-- S;
4. am 29.Oktober 1987 in Zirl den Leiter des B*** der
Marktgemeinde Zirl zum Verkauf von Alteisen im Gesamtwert von
1.680,-- S;
5. am 28.Mai 1988 in Wels Margit W*** zur Vermietung von
Gästezimmern im Gasthof
"G***", Schaden 14.160,-- S;
6. am 6.September 1988 in Wien Dipl.Ing. Daryouch K***
unter der Vorgabe, seine Geldtasche vergessen zu haben, zur
Gewährung eines Darlehens in Höhe von 100,-- S;
II) zu verleiten versucht, und zwar
am 6.Februar 1988 in Wels Dipl.Ing. Friedrich S*** zum Verkauf der Liegenschaft EZ 80 Grundbuch Holzhausen (im Ausmaß von 1.761 m2) samt darauf errichtetem Wohnhaus "Jebenstein 17" im Gesamtwert von 2 000.000,-- S;
B) am 26.November 1987 in Kundl/Liesfeld im gemeinsamen und
gewollten Zusammenwirken mit abgesondert verfolgten Mittätern versucht, eine fremde bewegliche Sache in einem 25.000 S nicht übersteigenden Wert, nämlich einen LKW-Reifen der Marke Pilot 315/80 im Werte von zumindest 3.500 S dem Franz P*** mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern. Der Angeklagte bekämpft mit seiner auf die Gründe der Z 5, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde den Schuldspruch wegen versuchten Betruges (A/II) sowie die Annahme der Qualifikation nach § 147 Abs. 3 StGB, wobei sich diese Anfechtung auf die Schadensbeträge beim Faktum A/I/3 (Herauslockung eines Lastkraftwagens im Wert von 234.000 S) und beim Faktum A/II (versuchter betrügerischer Ankauf einer Liegenschaft zum Preis von 2 Mio S) bezieht.
Rechtliche Beurteilung
Die als Nichtigkeit nach Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO vorgetragene Rechtsrüge, mit welcher zum Faktum A/II Straflosigkeit infolge absolut untauglichen Versuches (§ 15 Abs. 3 StGB) eingewendet wird, ist verfehlt.
Nach den Sachverhaltsfeststellungen ging es dem Angeklagten darum, in den Besitz eines Hauses mit Garten zu kommen, um eine Wohnmöglichkeit zu haben. Er schloß am 6.Februar 1988 einen Kaufvertrag über die betreffende Liegenschaft ab, in welchem er sich zur Bezahlung des Kaufpreises von 2 Mio S binnen 6 Wochen verpflichtete. Der Angeklagte war zur Bezahlung des vereinbarten Preises weder willig, noch fähig. Er nahm mit seiner Familie das Kaufobjekt sogleich in Besitz und benützte es ungefähr 4 Monate, ohne eine Gegenleistung zu erbringen.
Es trifft zwar zu, daß laut abgeschlossenem Kaufvertrag die Vertragsparteien den öffentlichen Notar Dr. Walter M*** angewiesen haben, "den Kauf nicht vor gänzlicher Zahlung des Kaufpreises zu verbüchern" (Band I, ON 21, S 77), jedoch ist die gesicherte Einverleibungsmöglichkeit des Eigentumsrechtes des betrügerischen Käufers keine notwendige Voraussetzung für die Strafbarkeit der Tat. Bei der aus strafrechtlicher Sicht gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise trat im vorliegenden Fall die tätergewollte Vermögensschädigung beim getäuschten Grundstücksverkäufer bereits durch die Überlassung der Liegenschaft an den Angeklagten zu deren unbeschränkter Nutzung ein. Schon durch diese Überlassung ist es unter den gegebenen Umständen zu einem effektiven Verlust an Vermögenssubstanz auf seiten des Verkäufers gekommen, wobei der Betrugsschaden nach Lage des Falles jedenfalls die Höhe des Ertragswertes der Liegenschaft ausmacht. Daß das Erstgericht trotzdem - und insoweit vom Ankläger unangefochten - bloß versuchten und nicht bereits vollendeten Betrug angenommen hat, gereicht dem Beschwerdeführer zum Vorteil, sodaß es dabei sein Bewenden haben muß. Von einem absolut untauglichen Versuch im Sinne des § 15 Abs. 3 StGB, wie er in der Beschwerde behauptet wird, kann allerdings keine Rede sein (SSt. 55/71).
Im bisher erörterten Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.
Weil als Betrugsschaden jedenfalls der Ertragswert der Liegenschaft zu veranschlagen ist, geht zwar auch der weitere Beschwerdeeinwand fehl, wonach der Angeklagte nur für die Differenz zwischen Kaufpreis und Verkehrswert im Zeitpunkt der Räumung des Grundbesitzes einstehen müßte. Mit dieser Argumentation wird nicht auf die vom Geschädigten durch die Täuschung erlittene Vermögenseinbuße, sondern auf eine nachträgliche Schadensreduktion abgestellt, welche zwar als Milderungsgrund bei der Strafbemessung, nicht aber als schadensmindernder Faktor auf Tatbestandsebene zu berücksichtigen ist.
Allerdings wurde der Ertragswert der Liegenschaft nicht festgestellt, sodaß es hinsichtlich des Betrugsfaktums A/II derzeit an einer rechtlich einwandfreien Bezifferung des Schadens fehlt, welcher zu den insgesamt 500.000 S noch nicht übersteigenden Schadensbeträgen aus den anderen Betrügereien (A/I/1 bis 6) hinzutreten und solcherart durch Zusammenrechnung gemäß § 29 StGB bei Überschreitung der Gesamtsumme von 500.000 S der erstgerichtlichen Annahme einer Schadensqualifikation nach § 147 Abs. 3 StGB tatsächlich Deckung bieten könnte.
Dazu kommt noch, daß - wie der Beschwerdeführer mit Recht reklamiert - auch in Ansehung des Betrugsfaktums A/I/3 betreffend Herauslockung eines Lastkraftwagens samt Zubehör im Gesamtwert von 234.000 S Feststellungsmängel zur Schadenshöhe unterlaufen sind, weil das Erstgericht die Bedeutung eines vereinbarten Eigentumsvorbehalts des Geschädigten an dem abgelisteten Fahrzeug für die Ermittlung des Betrugsschadens verkannt hat. Die Relevanz des Eigentumsvorbehalts des Veräußerers an einer betrügerisch herausgelockten Sache ist nämlich der Meinung des Erstgerichtes zuwider nicht davon abhängig, ob der Betrüger die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts überhaupt wünschte, sondern davon, ob die individuelle Interessenslage des Geschädigten eine Vorteilsausgleichung bei Ermittlung des anzulastenden Betrugsschadens zuläßt. Wenn und soweit nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten sowohl die Verwirklichung des Rückforderungsrechtes als auch die Verwertung der rückzunehmenden Sache realisiert wird oder realistischerweise realisierbar erscheint, ist dem Täter bloß die Differenz zwischen der offenen Kaufpreisforderung und dem Verkehrswert der betrügerisch herausgelockten Sache anzulasten; nur wenn eine solche Realisierungsmöglichkeit nicht besteht, ist - trotz des vereinbarten Eigentumsvorbehaltes - der gesamte noch aushaftende Kaufpreis als objektiv eingetretener Schaden zuzurechnen (EvBl. 1985/7).
Da nach den Urteilsfeststellungen der betroffene Kraftfahrzeughändler sein Eigentum 4 Wochen nach Übergabe des Fahrzeuges zurückholte, lag eine bestimmungsgemäße Realisierung des Eigentumsvorbehalts vor, weshalb nach dem Gesagten zur Klärung der Höhe des Betrugsschadens weitere Feststellungen über den damaligen Verkehrswert des Lastkraftwagens samt Zubehör erforderlich gewesen wären.
In diesen beiden Punkten (A/I/3 und A/II) sind somit die Schadensfeststellungen mangelhaft geblieben, weshalb insoweit der Nichtigkeitsbeschwerde Folge zu geben und das Ersturteil in den aus dem Spruch ersichtlichen Teilen zu kassieren war.
Anmerkung
E18440European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0140OS00081.89.0913.000Dokumentnummer
JJT_19890913_OGH0002_0140OS00081_8900000_000