Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 13.September 1989 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Salat als Schriftführerin, in der Strafvollzugssache Franz P*** wegen bedingter Entlassung aus einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs. 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Korneuburg vom 28. Juli 1988, GZ 14 BE 1018/88-9, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, jedoch in Abwesenheit des Entlassenen zu Recht erkannt:
Spruch
Der Beschluß des Kreisgerichtes Korneuburg vom 28.Juli 1988, GZ 14 BE 1018/88-9, verletzt insoweit, als Franz P*** anläßlich seiner bedingten Entlassung aus der Anstalt nach § 21 Abs. 1 StGB die Weisung erteilt wurde, sich einer stationären Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu unterziehen, solange es die dortigen Ärzte für nötig halten, sowie auch in der Folge sich in eine regelmäßige psychiatrische Betreuung zu begeben und dies dem Gericht vierteljährlich nachzuweisen, das Gesetz in der Bestimmung des § 51 Abs. 3 erster Satz StGB.
Gemäß § 292 letzter Satz StPO wird diese Weisung aufgehoben und dem Kreisgericht Korneuburg aufgetragen, diesbezüglich dem Gesetz gemäß vorzugehen.
Text
Gründe:
Der am 2.Feber 1951 geborene Franz P*** wurde mit Urteil des Kreisgerichtes Krems a.d. D. vom 23.Feber 1977, 11 Vr 1100/76, gemäß § 21 Abs. 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Zuletzt wurde er in der Justizanstalt Göllersdorf angehalten. Die psychiatrische Leitung dieser Anstalt schlug am 4. Feber 1988 im Verfahren 14 BE 1018/88 des Kreisgerichtes Korneuburg in einer positiven Stellungnahme zur bedingten Entlassung des Franz P*** vor, er solle sich im Anschluß an die bedingte Entlassung noch einer stationären Behandlung im psychiatrischen Krankenhaus unterziehen, von wo aus die letzten Schritte zur sozialen Reintegration vollzogen werden könnten. Im Zusammenhang mit der Beistellung eines Bewährungshelfers und der "Auflage", sich im Falle der Entlassung aus dem psychiatrischen Krankenhaus einer regelmäßigen ambulanten Kontrolle zu unterziehen, gewährleiste dieses Vorgehen eine ausreichende Sicherung für die Öffentlichkeit (AS 5 in 14 BE 1018/88 des Kreisgerichtes Korneuburg). Dieser Stellungnahme schloß sich im wesentlichen auch die Anstaltsleitung an (ON 3). In einem deswegen eingeholten psychiatrischen Gutachten (ON 6) kam der Sachverständige Univ.Prof. Dr. Gerhard K*** zum Schluß, daß jene Komponente des Schwachsinns, welche bei Franz P*** für die Fremdgefährlichkeit verantwortlich gewesen sei, weitgehend geschwunden, die Fremdgefährlichkeit daher nicht mehr vorhanden sei. Auch er empfahl Kontrollmaßnahmen, durch welche der Übergang in die Freiheit fließend erfolgen könne. P*** solle in einem psychiatrischen Krankenhaus allmählich zunehmenden Kontakt mit der Außenwelt ausgesetzt werden. Überdies wäre ein Bewährungshelfer, der die Einhaltung der Therapie und der ärztlichen Kontrollen sowie das Gesamtverhalten überwache, unerläßlich.
Die Staatsanwaltschaft Korneuburg sprach sich gegen die bedingte Entlassung aus, eine Stellungnahme des Franz P*** wurde nicht eingeholt.
Mit Beschluß vom 28.Juli 1988 (ON 9) verfügte das Kreisgericht Korneuburg die bedingte Entlassung des Franz P*** unter Bestimmung einer Probezeit von 5 Jahren mit Wirkung vom 3.Oktober 1988. Es ordnete ferner Bewährungshilfe an und erteilte dem Entlassenen die Weisung, sich einer stationären Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus (in Ybbs) zu unterziehen, "solange es die dortigen Ärzte für nötig halten, sowie auch in der Folge sich in eine regelmäßige psychiatrische Betreuung zu begeben und dies dem Gericht vierteljährlich - wie jeden Wechsel des Aufenthaltsortes - nachzuweisen". Dieser Beschluß erwuchs ebenso in Rechtskraft wie seine später teilweise Änderung durch Bezeichnung des Landeskrankenhauses für Psychiatrie und Neurologie Maurer bei Amstetten als Ort der in der Weisung vorgesehenen stationären Behandlung mit Beschluß vom 26.September 1988 (ON 14). Franz P*** wird seit 3.Oktober 1988 (mit Unterbrechungen durch kurzfristige Beurlaubungen) in diesem Krankenhaus stationär behandelt.
Rechtliche Beurteilung
Die Erteilung der die stationäre und ambulante psychiatrische Behandlung (und den vierteljährlichen Nachweis dieser Behandlungen) betreffenden Weisung steht, wie der Generalprokurator in seiner gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Beschwerde zutreffend aufzeigt, mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Gemäß § 50 StGB hat das Gericht einem Rechtsbrecher, der aus einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme bedingt entlassen wird, Weisungen zu erteilen, soweit das notwendig oder zweckmäßig ist, um den Rechtsbrecher von weiteren mit Strafe bedrohten Handlungen abzuhalten. Gebote und Verbote, die dazu geeignet scheinen, kommen zwar gemäß § 51 Abs. 1 (erster Satz) StGB als Weisungen grundsätzlich in Betracht, doch sind Weisungen, die einen unzumutbaren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte oder in die Lebensführung des Rechtsbrechers darstellen würden, unzulässig (§ 51 Abs. 1 zweiter Satz StGB). Mit seiner Zustimmung kann dem Rechtsbrecher (über Weisungen der im § 51 Abs. 2 StGB demonstrativ aufgezählten Art hinaus) unter den Voraussetzungen des Abs. 1 auch die Weisung erteilt werden, sich einer Entwöhnungsbehandlung, einer psychotherapeutischen oder sonst einer medizinischen Behandlung zu unterziehen. Die Weisung, sich einer einen operativen Eingriff umfassenden medizinischen Behandlung zu unterziehen, darf jedoch auch mit Zustimmung des Rechtsbrechers nicht erteilt werden (Abs. 3 leg. cit.).
Aus § 51 Abs. 3 StGB - insbesondere aus dem Hinweis auf die auch bei Weisungen betreffend eine medizinische Behandlung (einschließlich der Entwöhnungsbehandlung) zu beachtenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 StGB - ergibt sich, daß auch eine (etwa bei Entwöhnungsbehandlungen keineswegs einen Ausnahmefall darstellende) stationäre Behandlung nicht grundsätzlich als unzumutbarer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte oder die Lebensführung des Rechtsbrechers anzusehen, mithin eine solche Weisung (zumindest so lange hierin keine Umgehung zeitlicher Beschränkungen von Maßnahmenvollzügen liegt) zulässig ist (siehe - jeweils zu § 51 StGB - Kunst in Wiener Kommentar, Rz 23 und Leukauf-Steininger2 RN 22). Es bestehen auch keine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit einer Weisung, sich einer stationären Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu unterziehen, zumal eine stationäre Behandlung keineswegs der zwangsweisen Anhaltung (aufgrund behördlicher Einweisung) in einer solchen Anstalt (§§ 49, 50 KAG) gleichgehalten werden kann. Während nämlich Pfleglinge, die nach den bestehenden Vorschriften zwangsweise angehalten werden (und deren Entlassung nach § 52 KAG nur unter besonderen Kautelen zulässig ist), ohne besonderes Verfahren Beschränkungen der Freiheit, der Bewegung oder des Verkehrs mit der Außenwelt unterworfen werden können (§ 51 Abs. 1 KAG), sind bei Pfleglingen, die auf eigenes (wenn auch über eine Weisung geäußertes) Verlangen aufgenommen werden (und zu entlassen sind), solche Beschränkungen nur bei Erfüllung strengerer formeller und materieller Voraussetzungen (§ 51 Abs. 2 KAG) möglich. Auch der Beisatz zur Weisung, sich der stationären psychiatrischen Behandlung zu unterziehen, "solange es die dortigen Ärzte für nötig halten", ist unbedenklich, mag es seiner auch gar nicht bedurft haben, weil es selbstverständlicher Inhalt jeder die medizinische Behandlung betreffenden Weisung ist, daß die Dauer der Behandlung - von Ausnahmefällen (vgl. Leukauf-Steininger aaO) abgesehen - von ihrer ärztlicherseits zu beurteilenden Notwendigkeit abhängt. Das Vollzugsgericht unterließ es allerdings, vor Erteilung der auf die medizinische Behandlung bezüglichen Weisung die nach § 51 Abs. 3 StGB vorausgesetzte Zustimmung des Rechtsbrechers einzuholen. Im Hinblick auf den jedenfalls mit dieser Weisung verbundenen Eingriff in die persönliche Sphäre des Probanden und auf die Gefahr eines Widerrufs der bedingten Entlassung nach § 53 Abs. 3 StGB war die Behebung des betreffenden Ausspruchs nach § 292 letzter Satz StPO geboten. Sollte in weiterer Folge die Zustimmung zu dieser medizinischen Behandlung erlangt werden, steht einer neuerlichen Erteilung dieser Weisung nichts im Wege.
Anmerkung
E18791European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0140OS00107.89.0913.000Dokumentnummer
JJT_19890913_OGH0002_0140OS00107_8900000_000