TE OGH 1989/9/14 13Os71/89 (13Os72/89)

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Veröffentlicht am 14.09.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.September 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Lachner, Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Edelmann als Schriftführers in der Strafsache gegen Josef D*** und Gerhard D*** wegen des Verbrechens des Raubs nach § 142 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Beschwerde des Angeklagten Gerhard D*** gemäß § 494 a StPO, sowie über die Berufungen der beiden Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 14. Februar 1989, GZ. 2 b Vr 7.149/88-58, sowie gegen den Beschluß desselben Gerichts vom 14.Februar 1989, GZ. 2 b Vr 7.149/88-58a, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Stöger, sowie der Verteidiger Dr. Höhne und Dr. Hock sen., jedoch in Abwesenheit der Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Gerhard D*** wird verworfen.

Den Berufungen der Angeklagten Josef D*** und Gerhard D*** sowie der Beschwerde des Angeklagten Gerhard D*** wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen beiden Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 14.April 1963 geborene Josef D*** und der am 9. Februar 1967 geborene Gerhard D*** wurden des Verbrechens des Raubs nach § 142 Abs 1 StGB (I A), des Vergehens des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB (I B) und des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 3 StGB (I C), Gerhard D*** überdies des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB (I D) schuldig erkannt.

Gerhard D*** bekämpft mit Nichtigkeitsbeschwerde den Schuldspruch wegen des Verbrechens des Raubs aus § 281 Abs 1 Z. 10 StPO sowie den Schuldspruch wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung, eingeschränkt auf das Faktum I C 1 a, aus § 281 Abs 1 Z. 5 a StPO.

Der Beschwerdeführer hat inhaltlich der Schuldsprüche I A und I C 1 a in Wien jeweils im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem Mitangeklagten Josef D***, dessen Nichtigkeitsbeschwerde bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückgewiesen worden ist, durch Versetzen von Faustschlägen und Fußtritten am 23.Juli 1988 Bernhard H*** mit Gewalt gegen dessen Person eine angebrochene Packung Zigaretten und eine Metallschachtel mit zwei Zigarillos mit dem Vorsatz abgenötigt, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern und am 17.Juni 1988 Andreas D*** vorsätzlich am Körper verletzt, wobei er (insgesamt: Schuldsprüche C 1 a, b, 2 a, b) mehr als drei selbständige Taten ohne begreiflichen Anlaß und unter Anwendung erheblicher Gewalt begangen hat.

Eine unrichtige Lösung der Rechtsfrage erblickt der Beschwerdeführer darin, daß das Erstgericht das Vorliegen eines (minderschweren) Raubs nach § 142 Abs 2 StGB ablehnte. Das Hochreißen des Bernhard H*** von einer Sitzbank und das Versetzen von Fußtritten ins Gesicht könne nicht als Anwendung erheblicher Gewalt beurteilt werden. Die eingetretenen "Schwellungen und Blutergüsse" stellen nach Meinung des Beschwerdeführers nur eine "ganz geringe Körperverletzung" dar, wozu der geringe Wert der Beute (13,80 S) komme.

Rechtliche Beurteilung

Dem ist folgendes entgegenzuhalten: Erhebliche Gewalt, bei deren Prüfung auch auf die Beschaffenheit des Überfallenen Bedacht zu nehmen ist (JBl 1985, S. 248), ist der Einsatz beachtlicher physischer Kraft in vehementer Weise (SSt 51/50). Nach den Urteilsfeststellungen hat D*** den Jugendlichen Bernhard H*** von einer Sitzbank hochgerissen, zu seinem Körper gezogen und festgehalten. Dann versetzten ihm beide Angeklagten Fußtritte unter anderem ins Gesicht, wodurch H*** mehrfache Schwellungen und Blutergüsse, hauptsächlich im Gesicht, und eine offene Wunde im Mund erlitt (S. 367 I). Rechtsrichtig beurteilte das Schöffengericht dieses brutale Vorgehen der beiden erwachsenen Angeklagten als Anwendung erheblicher Gewalt. Da die Bedingungen des § 142 Abs 2 StGB - nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes - kumulativ gegeben sein müssen und es schon an der ersten Voraussetzung gebricht, haftet der Unterstellung der Tat unter § 142 Abs 1 StGB kein Rechtsirrtum an und erübrigt es sich, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.

Die gegen den Schuldspruch I C 1 a wegen Körperverletzung gerichtete Tatsachenrüge (Z. 5 a) entbehrt der gesetzlichen Ausführung. Mit dem bloßen Hinweis auf die im Urteil (S. 376) ohnedies berücksichtigte, gegenüber seinen Angaben vor der Polizei und dem Untersuchungsrichter abschwächende Aussage des Zeugen Andreas D*** in der Hauptverhandlung zeigt der Beschwerdeführer aktenkundige Beweisergebnisse nicht auf, die den entscheidenden Sachverhaltsfeststellungen nach den Gesetzen der Logik oder nach der allgemeinen Lebenserfahrung entgegenstünden; er unternimmt vielmehr den in der Kollegialgerichtsbarkeit nach wie vor unzulässigen Versuch, die Argumente der Tatrichter zur Glaubwürdigkeit eines Zeugen zu bemängeln und seiner leugnenden Verantwortung doch noch zum Durchbruch zu verhelfen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Gerhard D*** war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte Josef D*** und Gerhard D*** unter Anwendung des § 28 StGB nach § 142 Abs 1 StGB zu Freiheitsstrafen, und zwar D*** zu vier und D*** zu dreieinhalb Jahren. Bei der Strafbemessung wurden bei beiden Angeklagten als erschwerend deren einschlägigen Vorstrafen gewertet, die bei D*** sogar die Voraussetzungen des § 39 StGB erfüllen, ferner das Zusammentreffen mehrerer strafbaren Handlungen und der rasche Rückfall. Mildernd hingegen fielen bei beiden Angeklagten das teilweise Geständnis, daß eine Tat beim Versuch geblieben ist sowie beim Raub der geringe Wert der Beute und die diesbezügliche Schadensgutmachung, bei D*** überdies dessen Alter unter 21 Jahren und der ebenfalls geringe Schaden im Betrugsfaktum (114 S) ins Gewicht.

Darüber hnaus wurden beschlußmäßig (ON. 58a) die in vorangehenden Verurteilungen des Jugendgerichtshofs Wien, des Bezirksgerichts Liesing (2 Urteile) und des Landesgerichts für Strafsachen Wien dem Gerhard D*** gewährten bedingten Strafnachsichten gemäß § 494 a StPO widerrufen.

Den Widerruf gemäß § 494 a Abs 1 Z. 4 StPO erachtete das Erstgericht wegen des gleichartigen massiven Rückfalls für geboten. Weder den Berufungen der beiden Angeklagten, mit denen diese eine Strafreduktion anstreben, noch der Beschwerde des Gerhard D*** gegen den Widerruf kommt Berechtigung zu.

Die Strafzumessungsgründe wurden vom Erstgericht zutreffend angeführt. Beide Berufungswerber können keine zusätzlichen Milderungsgründe ins Treffen führen. Soweit D*** die geringe Raubbeute besonders herausstreicht, ist demgegenüber darauf zu verweisen, daß beim vorliegenden Raub die massiv ausgeübte Gewalt im Vordergrund stand, D*** zahlreiche weitere Aggressionsdelikte (§§ 83, 84 Abs 3 StGB) begangen hat und er überdies Rückfallstäter in der Bedeutung des § 39 StGB ist. Darnach könnte über ihn eine Strafe bis zu fünfzehn Jahren (§§ 39, 142 Abs 1 StGB) verhängt werden. Eine noch weitere Ermäßigung der für den Angeklagten geschöpften Unrechtsfolge kommt sonach nicht in Betracht.

Bloße Beteuerungen zukünftiger Besserung, wie sie Gerhard D*** in seinem Rechtsmittel vorbringt, mindern nicht die Tatschuld. Eine günstige Prognose ist nicht erstellt worden, vielmehr sind D*** und D*** schon einen Tag nach der letzten Haftentlassung wieder rückfällig geworden (S. 6 I, 249, 250 I). Daß die Mitgliedschaft bei der Gruppe der "Skinheads" den Angeklagten D***, wie er behauptet (S. 421 I), zu den Straftaten veranlaßt hat, mag zutreffen. Indes könnte dieser Zusammenhang nicht mildernd sein, sondern läßt nur eine gewisse zusätzliche Bedeutung der Generalprävention hervortreten. Die Loslösung aus dieser Gruppe ist angesichts aufrechter Haft unschwer zu erklären und gleichfalls nicht geeignet, die vorher verübten Taten in ein günstigeres Licht zu rücken. Ergibt sich damit aber, daß nur die Vollstreckung der ohnehin im unteren Bereich des zur Verfügung stehenden Rahmens (§ 142 Abs 1 StGB) ausgemessenen Strafe dem Angeklagten D*** die Chance der Resozialisierung bietet, so ist es sachgerecht, auch den Widerruf der bedingten Nachsichten der Vorstrafen auszusprechen.

Anmerkung

E18418

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0130OS00071.89.0914.000

Dokumentnummer

JJT_19890914_OGH0002_0130OS00071_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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