Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Graf als Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin Ursula B***, Kindergärtnerin, 6385 Hochfilzen Nr. 82, vertreten durch Dr. Herwig Grosch, Dr. Günter Harasser und Dr. Simon Brüggl, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wider den Antragsgegner Helmut B***, derzeit Wienerstraße 25, D-1000 Berlin 36, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 18. November 1988, GZ 3 b R 141/88-39, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 30. November 1987, GZ F 2/87-20, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung:
Die zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner am 10. Oktober 1980 geschlossene Ehe wurde mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 9.Juni 1986, 13 Cg 167/86-5, aus dem alleinigen Verschulden des beklagten Ehemannes geschieden. Beide Teile sind österreichische Staatsbürger. Der Ehe entstammt ein Kind. Während der Ehe wohnten die Eheleute B*** im Haus der Eltern der Antragstellerin, die ihnen auch die Einrichtungsgegenstände zur Verfügung stellten. Beide Teile waren vor der Eheschließung und während der Ehe - die Antragstellerin mit Ausnahme eines Jahres, in dem sie sich in Karenz befand - erwerbstätig. Vor der Eheschließung kauften sie gemeinsam zum Zwecke der Errichtung eines Wohnhauses eine Liegenschaft um 290.000 S; diesen Kauf finanzierten sie mit einem bei der B*** FÜR T*** UND V*** aufgenommenen Darlehen. Die Kosten der Haushaltsführung wurden zur Gänze von der Antragstellerin getragen; dafür versicherte der Antragsgegner, mit seinem Einkommen die Tilgungsraten aus den aufgenommenen Krediten abzutragen. Unmittelbar nach der Eheschließung begannen die Eheleute mit dem Bau eines zweistöckigen Hauses. Die Ehewohnung sollte im Parterre liegen. Zunächst wurde das Obergeschoß weitgehend ausgebaut. Von Dezember 1984 bis Juni 1985 war diese Wohnung vermietet. Das Haus wurde zur Gänze verputzt, der im Parterre gelegene Teil des Hauses ist jedoch noch nicht ausgebaut; ebenso fehlen die Balkone im ersten Stock. Während die Errichtung des Kellers einem Bauunternehmen übertragen worden war, erfolgte der übrige Bau des Hauses mit privaten Arbeitskräften unter der Aufsicht eines Bauunternehmens. Die Antragstellerin arbeitete am Hausbau mit; sie half z.B. Ziegel auf den Bau zu tragen, ihr wesentlicher Beitrag bestand jedoch darin, daß sie für die Arbeiter kochte und die Baustelle jeweils aufräumte. Für die 4 an der Baustelle beschäftigten Arbeiter fielen an den Wochenenden regelmäßig Beträge zwischen 1.000 und 2.000 S an. Die Eheleute wohnten niemals in diesem Haus. Zur Finanzierung des Baues nahmen sie von der B*** DER Ö*** S*** ein Darlehen im Betrag
von 1,6 Mill. S einschließlich Zinsen in Anspruch und bei der B*** FÜR T*** UND V*** einen Kredit in der Höhe von 200.000 S. Darüber hinaus nahm der Antragsgegner allein einen Kredit der L***-H*** in der Größenordnung von rund 1,3 Mill. S in Anspruch. Die Kredite wurden zur Errichtung des Zweifamilienhauses verwendet. Welche Beträge für den Hausbau jedoch insgesamt von den Banken in Anspruch genommen wurden, konnte vom Erstgericht nicht festgestellt werden. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 21.4.1986 wurde der
L***-H*** zur Hereinbringung ihrer Forderung von
61.434 S s.A. die Zwangsversteigerung dieser Liegenschaft bewilligt; der Verkehrswert dieser Liegenschaft wurde in diesem Verfahren, dem mehrere Gläubiger, unter anderem die G*** UND B*** DER Ö*** S*** wegen 1,307.007,82 S sowie die B*** FÜR
T*** UND V*** wegen 37.658 S beigetreten waren, mit 3,170.000 S festgestellt. Mangels eines Anbotes bei der für 18.12.1986 anberaumten Versteigerung wurde das Verfahren eingestellt. Am 22.1.1987 wurde auf Betreiben der G*** UND B*** DER Ö*** S*** zur Hereinbringung der Forderung von 1,307.007,82 S abermals die Zwangsversteigerung der Liegenschaft bewilligt. Mit Beschluß vom 3.Juni 1987 wurde das Zwangsversteigerungsverfahren gemäß § 200/3 eingestellt und in der Folge die Liegenschaft um 1,8 Mill. S an Rudolf H*** verkauft. Aus dem Kauferlös konnten die Verbindlichkeiten der B*** DER Ö*** S*** einschließlich Zinsen in der Höhe von
1,6 Mill. S und darüber hinaus die Verbindlichkeit bei der B*** FÜR T*** UND V*** abgedeckt werden. Derzeit haftet noch ein Betrag von rund 1,3 Mill. S unberichtigt aus.
Die Eheleute haben niemals eigenen Hausrat angeschafft. Mit dem am 25.Februar 1987 (also nach der neuerlichen Bewilligung des Zwangsversteigerungsverfahrens, jedoch vor Veräußerung der Liegenschaft) beim Erstgericht eingebrachten Antrag begehrte Ursula B*** die Aufteilung "des ehelichen Gebrauchsvermögens sowie der Liegenschaft samt darauf errichtetem Wohnhaus" dergestalt, daß das Wohnhaus dem Antragsgegner zufällt, dieser im Innenverhältnis zur Zahlung der aufgenommenen Kreditbeträge verpflichtet und als Hauptschuldner festgestellt werde und ihr eine angemessene Ablösesumme zugesprochen werde. Die von ihr und dem Antragsgegner gemeinsam für den Hausbau aufgenommenen Darlehen seien nicht zur Gänze zweckentsprechend, sondern vom Antragsgegner zum Teil anderwärtig verbraucht worden; der Schuldenstand betrage annähernd 4 Mill. S.
Der Antragsgegner sprach sich gegen das Verfahren aus, erklärte sich jedoch mit einer Aufteilung der restlichen Schulden zwischen ihm und der Antragstellerin je zur Hälfte einverstanden. Das Erstgericht wies den Antrag ab. Bei der rechtlichen Beurteilung des im wesentlichen bereits wiedergegebenen Sachverhaltes ging es davon aus, daß eine Verfügung im Sinne des § 92 EheG nur im Zusammenhang mit der gerichtlichen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens oder der ehelichen Ersparnisse möglich sei. Eheliches Gebrauchsvermögen sei nie vorhanden gewesen. Die ehelichen Ersparnisse in Form der Liegenschaft samt Wohnhaus seien zufolge Veräußerung ebenfalls nicht mehr vorhanden. Damit sei die Grundlage für den Ausspruch des Gerichtes bezüglich der Schulden weggefallen.
Das Gericht zweiter Instanz gab dem von der Antragstellerin gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs nicht Folge und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Es hielt den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt für eine abschließende rechtliche Beurteilung ausreichend und nahm zu den Rekursausführungen im wesentlichen wie folgt Stellung:
Nach § 92 EheG könne das Gericht bezüglich der in §§ 81 Abs 1 und 83 Abs 1 genannten Schulden bestimmen, welcher Ehegatte im Innenverhältnis zu ihrer Zahlung verpflichtet sei. Verfügungen des Gerichtes im Sinne des § 92 EheG seien nur im Zusammenhang mit der gerichtlichen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens oder ehelicher Ersparnisse möglich (EFSlg 41.416). Durch den Verweis auf § 81 Abs 1 EheG habe der Gesetzgeber klarstellen wollen, daß bei der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse unter die Ehegatten die Schulden in Anschlag zu bringen seien, die mit dem ehelichen Gebrauchsvermögen und den ehelichen Ersparnissen in einem inneren Zusammenhang stünden. Daraus folge aber zweifelsfrei, daß Schulden nur aufgeteilt werden könnten, wenn auch Aktiven unter die Ehegatten zu verteilen sind. Dies sei hier aber nicht der Fall. Eheliches Gebrauchsvermögen sei nicht angeschafft worden. Die ehelichen Ersparnisse, nämlich die Liegenschaft samt darauf errichtetem Eigenheim, seien hingegen im Einverständnis zwischen Antragstellerin und Antragsgegner in Form des Verkaufserlöses von 1,8 Mill. S zur Tilgung des Darlehens der B*** DER Ö*** S*** sowie jenes der B***
FÜR T*** UND V*** verwendet worden. Das Rekursgericht stimme mit der Rekurswerberin darin überein, daß im Falle der Veräußerung von Gebrauchsvermögen oder Ersparnissen das Surrogat an deren Stelle zu treten habe, im vorliegenden Fall sei jedoch ein solches wegen der Verwendung des Verkaufserlöses zur teilweisen Schuldentilgung nicht vorhanden. Wenn aber weder eheliches Gebrauchsvermögen noch eheliche Ersparnisse zur Aufteilung vorhanden seien, könne nichts verteilt werden; es könne daher auch zu keiner Schuldzuweisung im Innenverhältnis kommen. Deshalb habe auch das Erstgericht den Antrag auf Feststellung des Hauptschuldners gemäß § 98 EheG nicht übersehen, sondern in richtiger Weise mitabgewiesen, weil eine Entscheidung gemäß § 92 EheG, wer von beiden im Innenverhältnis zur Zahlung von Kreditverbindlichkeiten, für die beide hafteten, verpflichtet sei, nicht habe erfließen können. Damit seien aber auch weitere Feststellungen über das Einkommen des Antragsgegners und die Tilgung von gemeinsamen Schulden bzw. der Schulden des Antragsgegners durch die Rekurswerberin entbehrlich. Schließlich brachte das Rekursgericht noch zum Ausdruck, daß diese Entscheidung nicht besage, die Antragstellerin sei für die von ihr allein getilgten Schulden bzw. für die noch vorhandenen Restschulden allein zahlungspflichtig. Denkbar wäre die Geltendmachung eines Aufwandersatzes bzw. eines Verwendungsanspruches gegen den Antragsgegner, dies allerdings im streitigen Wege.
Gegen diesen Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen.
Der Antragsgegner hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt. Mit Recht wendet sich die Antragstellerin gegen die Ansicht der Vorinstanzen, eine Aufteilung der Schulden sei im vorliegenden Fall nicht möglich.
Nach den §§ 81 f EheG unterliegt - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen nach § 82 EheG abgesehen - der Aufteilung das eheliche Gebrauchsvermögen und die ehelichen Ersparnisse, somit alles, was die Ehegatten während der Ehe erarbeitet oder erspart haben (EFSlg 48.888, 51.706 ua), alle Vermögenswerte, die sie gemeinsam geschaffen und zu deren Erwerb sie während der Ehe beigetragen haben (EFSlg 48.915 f, 51.707 ua). Nach § 81 Abs 1 EheG sind bei der Aufteilung Schulden, die mit dem ehelichen Gebrauchsvermögen und den ehelichen Ersparnissen in einem inneren Zusammenhang stehen, in Anschlag zu bringen; gemäß § 83 Abs 1 EheG ist bei der Aufteilung auf Schulden, die mit dem ehelichen Lebensaufwand zusammenhängen, soweit sie nicht ohnedies bereits nach § 81 Abs 1 EheG in Anschlag zu bringen sind, Bedacht zu nehmen. Schon aus der Wortfolge "in Anschlag zu bringen" und "Bedacht zu nehmen" ergibt sich, daß der Gesetzgeber nur an während der Ehe eingegangene Verbindlichkeiten gedacht hat, die im Zusammenhang mit der Aufteilung von Aktiven stehen (vgl. auch den Bericht des Justizausschusses, 916 BlgNR 14. GP 12, 15); auch dort wird eine Berücksichtigung der Schulden nur im Zusammenhang mit dem vorhandenen Aktivvermögen erwähnt. In Lehre und Rechtsprechung wurde wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß eine Anrufung des Außerstreitrichters bloß wegen der Regelung ehelicher Schulden möglich ist, wenn eheliches Gebrauchsvermögen oder eheliche Ersparnisse vorhanden waren, diese aber bereits real aufgeteilt wurden und nur eine Regelung über die Tragung der Schulden im Innenverhältnis nicht zustande kam (Pichler in Rummel, ABGB, Rz 2 zu §§ 81, 82 EheG; EFSlg 36.471, 51.814 ua). Im vorliegenden Fall waren nach der - erst nach der Antragstellung im vorliegenden Verfahren erfolgten - Veräußerung der gemeinsamen Liegenschaft, deren Erlös nicht einmal zur Befriedigung aller Gläubiger ausreichte, eheliches Gebrauchsvermögen und eheliche Ersparnisse nicht vorhanden. Wie dem Ausschußbericht (aaO 11) zu entnehmen ist, war es gesetzgeberisches Ziel, eine Regelung zu treffen, die dem tatsächlichen Vorgehen von Ehegatten, die einander partnerschaftlich und gleichberechtigt gegenübergestanden sind, im Fall der Scheidung ihrer Ehe entsprach. Unter Bedachtnahme auf diese Übung sollte eine Regelung nach den Grundsätzen der Billigkeit erfolgen. Wenn auch der Gesetzgeber den Fall, daß aufzuteilendes Vermögen nicht, wohl aber sonst damit im Zusammenhang stehende Schulden vorhanden sind, im Gesetz nicht erwähnte, so liegt - wie der Oberste Gerichtshof in seiner in EvBl 1989/57 veröffentlichten Entscheidung vom 28. September 1988, 1 Ob 605/88, bereits zum Ausdruck brachte - doch der Schluß nahe, daß er diesen Fall, hätte er ihn bedacht, ebenfalls nach den Grundsätzen der Billigkeit einer Regelung zugeführt hätte. Es liegt somit eine Gesetzeslücke vor, die immer dann angenommen wird, wenn das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und Teleologie ergänzungsbedürftig ist, ohne daß diese Ergänzung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht (SZ 55/51; SZ 58/206;
EvBl 1987/9; EvBl 1989/57 uva; Rummel, Anmerkungen zum gemeinsamen Irrtum und zur Geschäftsgrundlage JBl 1981, 2; Koziol-Welser8 I 24;
Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff 473 f). Diese aufgezeigte Lücke ist nach den aus dem Gesetz selbst hervorgehenden Intentionen des Gesetzgebers dahin zu schließen, daß auch dann, wenn real aufzuteilendes Gebrauchsvermögen oder Ersparnisse nicht vorhanden sind, die Schuldentragung nicht nach den Regeln des sonstigen bürgerlichen Rechtes (Geschäftsführung ohne Auftrag, Bereicherung ua), sondern ebenfalls im Aufteilungsverfahren (§§ 229 ff AußStrG) nach dessen Grundsätzen zu erfolgen hat (EvBl 1989/57). Die vom Rekursgericht zur Stützung seiner Rechtsansicht angeführte in EFSlg 41.416 veröffentlichte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes betraf einen anders gelagerten Sachverhalt, bei dem die Darlehensaufnahme in keinem Zusammenhang mit ehelichem Gebrauchsvermögen oder ehelichen Ersparnissen stand und das Darlehen überdies erst nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft (Scheidung der Ehe) aufgenommen wurde.
Im vorliegenden Fall sind nach der im Zuge des Verfahrens erfolgten Veräußerung der Liegenschaft als Regelungsgegenstand Schulden verblieben, die die Ehegatten jedenfalls für die Erbauung des gemeinsamen Hauses eingegangen waren. Diese Schulden sind somit im Aufteilungsverfahren zu regeln, wobei deren Aufteilung nach den gleichen Grundsätzen zu erfolgen hat, wie sie für in die Aufteilungsmasse fallende Aktiven gegolten hätten.
Da die Vorinstanzen von einer nicht zu billigenden Rechtsansicht ausgehend eine gründliche Erörterung des gesamten Sachverhaltes und eine abschließende rechtliche Beurteilung der Rechtssache unterlassen haben, erweist sich die Rechtssache noch nicht spruchreif.
Es mußte daher dem Revisionsrekurs Folge gegeben und die Rechtssache nach Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen werden.
Kosten wurden nicht verzeichnet.
Anmerkung
E18540European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0050OB00601.89.0919.000Dokumentnummer
JJT_19890919_OGH0002_0050OB00601_8900000_000