TE OGH 1989/9/20 Okt2/89

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Veröffentlicht am 20.09.1989
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Kopf

Das Kartellobergericht beim Obersten Gerichtshof hat durch den stellvertretenden Vorsitzenden Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs Dr. Resch als Vorsitzenden sowie durch seine weiteren Miglieder Kommerzialräte Dr. Bauer, Hon.Prof. DDr. Dittrich, Dkfm. Dr. Grünwald, Mag. Kinscher, Dr. Lettner und Dr. Placek in der Kartellrechtssache des Antragstellers S*** G*** U*** W***, 1040 Wien, Schwarzenbergplatz 14, vertreten durch Dr. Walter Prunbauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegnerin B*** Warenhandel Aktiengesellschaft, 2351 Wiener Neudorf, Industriegelände, NÖ-Süd Straße 3, vertreten durch Dr. Kurt Wanek, Rechtsanwalt in Wien, wegen Untersagung gemäß § 3a NVG, infolge Rekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluß (vorläufige Untersagung) des Kartellgerichtes beim Oberlandesgericht Wien vom 29. Dezember 1988, NaV 29/88-6, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß er unter Einbeziehung der rechtskräftigen Teilabweisung (Punkt 3. des angefochtenen Beschlusses) zu lauten hat:

"Der Antrag des Antragstellers, es werde zur Sicherung seines Anspruches wider die Antragsgegnerin dieser vorläufig untersagt, im geschäftlichen Verkehr Waren, insbesondere Ariel Plus 4 kg zu oder unter dem Einstandspreis zuzüglich der Umsatzsteuer und aller sonstigen Abgaben, die beim Verkauf anfallen, zu verkaufen oder zum Verkauf anzubieten, wird abgewiesen."

Text

Begründung:

Der antragstellende S*** G*** U*** W***

brachte vor, die Antragsgegnerin habe im September 1988 in ihrer Filiale in Bleiburg eine großangelegte Werbeaktion durchgeführt und dabei unter anderem das Waschmittel Ariel Plus 4 kg um den Bruttoverkaufspreis von S 99 verkauft, was einem Nettopreis von S 82,50 entspreche. Der Einstandspreis vergleichbarer Konkurrenten betrage S 110 brutto und S 100 netto. Die Antragsgegnerin habe daher unter ihrem Einstandspreis verkauft. Der Antragsteller beantrage somit, der Antragsgegnerin gemäß § 6 NVG zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr Waren, insbesondere Ariel Plus 4 kg zu oder unter dem Einstandspreis zuzüglich Umsatzsteuer und aller sonstigen Abgaben, die beim Verkauf anfallen, zu verkaufen oder zum Verkauf anzubieten. Er stellte ferner gemäß § 7 Abs 4 NVG unter der Behauptung, durch die Art der Werbeaktion drohe den Konkurrenten der Antragsgegnerin ein unwiederbringlicher Schaden, ein gleichlautendes Begehren auf vorläufige Untersagung.

Die Antragsgegnerin B*** Warenhandels AG stellte außer Streit, daß sie in ihrer Filiale Bleiburg Ariel Plus 4 kg um S 99 verkauft habe, bestritt jedoch, daß der Verkauf unter ihrem Einstandspreis erfolgt sei. Die völlig unexakte Behauptung eines Konkurrenzunternehmens über ihre eigenen Einstandspreise reiche nicht einmal für den Beweis des ersten Anscheins aus und biete keine Grundlage, der Antragsgegnerin aufzutragen, ihre konkreten Einkaufsbedingungen darzutun und damit für den Konkurrenten offenzulegen: Die mit ihrem Lieferanten vereinbarten Sonderkonditionen über Rabatte, Skonti, Werbekostenbeteiligung etc. bildeten für den Geschäftspartner Geschäftsgeheimnisse. Würde die Antragsgegnerin die ihr gewährten Konditionen preisgeben, müsse sie gewärtigen, daß sie nicht mehr beliefert würde. Der angebliche Einstandspreis eines Unternehmens lasse auch keinen zwingenden Schluß auf die Einkaufspreise des Konkurrenten zu. Die Antragsgegnerin sei schließlich gezwungen gewesen, eine derartige Sonderaktion zu setzen, weil Konkurrenten bereits vorher gleichartige Produkte zum gleichen Preis verkauft hätten. Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Erstgericht alle Beweisanträge, sofern sie im Zusammenhang mit der Erlassung der vorläufigen Untersagung gestellt wurden, ab (Punkt 1.), untersagte der Antragsgegnerin vorläufig, und zwar bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung des Kartellgerichtes über den zu NaV 24/88 gestellten Antrag nach § 3 a NVG die Ware Ariel Plus 4 kg zum oder unter dem Einstandspreis zuzüglich der Umsatzsteuer und aller sonstigen Abgaben, die beim Verkauf anfallen, zu verkaufen oder zum Verkauf anzubieten (Punkt 2.) und wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren des Antragstellers, es werde der Antragstellerin vorläufig untersagt, im geschäftlichen Verkehr Waren, insbesondere Ariel Plus 4 kg zu oder unter dem Einstandspreis zuzüglich der Umsatzsteuer und aller sonstigen Abgaben, die beim Verkauf anfallen, zu verkaufen oder zum Verkauf anzubieten, ab (Punkt 3.).

Das Kartellgericht bejahte die von der Antragsgegnerin nicht bestrittene Aktivlegitimation des S*** G*** U***

W*** nach § 7 Abs 4 NVG und die Passivlegitimation der Antragsgegnerin. Es ging davon aus, daß die Antragsgegnerin in einer ihrer Filialen zugestandenermaßen das Waschmittel Ariel Plus 4 kg zum Preis von S 99 verkauft hat. Darüber hinaus sei aufgrund des Schreibens der S***-Österreichische Warenhandels AG vom 11.10.1988 davon auszugehen, daß der Einstandspreis, zu dem diese Gesellschaft Ariel Plus 4 kg kaufte, netto über S 100 betragen habe und sich im Vergleich hiezu der Nettoverkaufspreis der Antragsgegnerin für diese Ware mit S 82,50 errechne, wenn von einem Bruttoverkaufspreis von S 99 ausgegangen werde. In diesem Fall hätte die Antragsgegnerin zum Einstandspreis verkauft und bereits damit gegen § 3 a Abs 1 NVG verstoßen. Auf ihre mit dem Lieferanten vereinbarten besonderen Einkaufsbedingungen könne sich die Antragsgegnerin nicht mit Erfolg berufen, weil unter den in § 3 a Abs 1 Satz 2 NVG angeführten Rabatten und Preisnachlässen nur solche verstanden werden könnten, welche dem kaufmännischen Wohlverhalten (§ 1 NVG) entsprechen. Diesbezüglich sei der sogenannte "Wohlverhaltenskatalog" der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft von Bedeutung. Danach entspreche es nicht dem kaufmännischen Wohlverhalten, wenn die Rabattgewährung durch einen Lieferanten sachlich nicht gerechtfertigt sei, also nicht in genereller Weise für alle Händler, die bestimmte Voraussetzungen sachlicher Art erfüllten, gestaffelt sei, sondern ein Generalrabatt oder ein Rabatt für einen bestimmten Warenbezug einem einzelnen Händler gesondert und unter Geheimhaltung vor den anderen Händlern, damit er diesen trotz gleicher Sachlage nicht gewährt werden müsse, zugestanden worden sei (Wohlverhaltenskatalog Punkt 4.). Schon die Annahme eines solchen Rabattes durch die Antragsgegnerin widerspreche dem gemäß § 1 NVG erzwingbaren kaufmännischen Wohlverhalten. Die Gewährung und Annahme eines Werbekostenzuschusses würde gegen Punkt 1. lit k des Wohlverhaltenskatalogs verstoßen. Bei einer dem Gesetz entsprechenden Berechnung hätte sich daher auch für die Antragsgegnerin ein Nettoeinstandspreis von über S 100 ergeben. Es bestehe auch kein schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung unzulässiger Preisabschlagsvereinbarungen.

Feststellungen darüber, daß die Antragsgegnerin wegen der Preise von Konkurrenzunternehmen gezwungen gewesen sei, mit ihrer Aktion nachzuziehen, seien nicht erforderlich gewesen, weil die Antragsgegnerin nicht behauptet habe, die anderen Händler hätten in offenbar zulässiger Weise ihre Preise herabgesetzt (§ 3 a Abs 2 Z 4 NVG).

Der Antrag auf vorläufige Untersagung sei gerechtfertigt, weil ein unwiederbringlicher Schaden für Konkurrenten schon dann drohe, wenn ein Verstoß gegen § 3 a NVG begangen worden sei und der Antragsgegner nicht sofort einen vollstreckbaren Vergleich betreffend die Unterlassung des von ihm begangenen Verstoßes anbiete. Das Nahversorgungsgesetz schütze ein Rechtsgut, bei dessen Verletzung der angerichtete Schaden nicht adäquat durch Leistung eines Geldersatzes abgegolten werden könne. Auch Feststellungen über ein Verschulden der Antragsgegnerin seien nicht erforderlich, weil es nur darauf ankomme, ob ein Gesetz, das der zufälligen Beschädigung vorzubeugen suche, übertreten worden sei. § 3 a Abs 1 NVG sei ein solches Gesetz.

Allerdings beziehe sich der Anspruch der Antragstellerin nur auf den Verstoß beim Verkauf von Ariel Plus 4 kg. Das Unterlassungsgebot könne sich daher immer nur auf die konkrete Verletzung des Schutzgesetzes beziehen, weshalb das Mehrbegehren abzuweisen gewesen sei.

Gegen die Punkte 1. und 2. dieses Beschlusses richtet sich der Rekurs der Antragsgegnerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß allenfalls nach Verfahrensergänzung dahin abzuändern, daß dem Antrag auf Erlassung einer vorläufigen Untersagung nicht stattgegeben werde oder ihn aufzuheben und die Rechtssache zur Neudurchführung und Verhandlung an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen.

Der Antragsteller beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben. Zunächst muß auf die im Rekurs behauptete Verfassungswidrigkeit einzelner Bestimmungen des Kartellgesetzes und des Nahversorgungsgesetzes eingegangen werden.

Grundsätzlich bestünde auch für das Kartellobergericht die Möglichkeit, gesetzliche Bestimmungen, die es im konkreten Fall anzuwenden hat und gegen die es verfassungsrechtliche Bedenken hegt, beim Verfassungsgerichtshof anzufechten. Beim Kartellobergericht handelt es sich nämlich jedenfalls um ein Gericht zweiter Instanz, weshalb die Voraussetzungen des Art. 89 Abs 2 B-VG gegeben wären. Die Antragsgegnerin meint, die Bestimmung des § 88 Abs 2 KartG 1988, wonach der Rechtszug gegen Beschlüsse des Kartellgerichtes in zweiter und letzter Instanz an das Kartellobergericht beim Obersten Gerichtshof gehe, verstoße gegen Art. 92 Abs 1 B-VG, wonach oberste Instanz in Zivilsachen der Oberste Gerichtshof ist. Es verstoße auch gegen die Bundesverfassung, wenn ein Nichtmitglied des Obersten Gerichtshofs Vorsitzender eines Senates des beim Obersten Gerichtshof eingerichteten Kartellobergerichtes sei. Schließlich sei entgegen dem OGH-Gesetz für das Kartellobergericht lediglich ein Richter anstatt mindestens drei Berufsrichter vorgesehen, was eine unsachliche Differenzierung darstelle.

Rechtliche Beurteilung

Was zunächst die Frage des Instanzenzuges anlangt, soll nach überwiegender Lehre (Walter-Mayer, Grundriß6 Rz 766; Walter, Österreichisches Bundesverfassungsrecht 540 f; ähnlich Ringhofer,

Die österreichische Bundesverfassung 288 und Walter, Verfassung und Gerichtsbarkeit 170 f; ablehnend dagegen Hellbling in JBl 1956,

331) Art. 92 B-VG nur den Bestand des Obersten Gerichtshofs garantieren, doch ist damit nicht ausgesprochen, daß der Oberste Gerichtshof stets in allen Zivil- und Strafrechtssachen als oberste Instanz einschreiten muß. Auch der Verfassungsgerichtshof hat ausgesprochen, weder aus Art. 92 B-VG noch aus den Art. 82 ff B-VG könne ein Schluß auf den Umfang der Gerichtsbarkeit und damit auch nicht auf einen verfassungsgesetzlich garantierten Aufgabenbereich des Obersten Gerichtshofs gezogen werden (VfSlg. 3121). Ebenso hat der Oberste Gerichtshof unter Berufung auf Walter (Verfassung und Gerichtsbarkeit 171 f) die Ansicht vertreten, Art. 92 Abs 1 B-VG stelle keine Regelung des Instanzenzuges, insbesonders nicht in dem Sinne dar, daß der Oberste Gerichtshof zur Entscheidung über jede Zivil- und Strafrechtssache berufen wäre (EvBl 1970/211). Der Gesetzgeber kann daher auch Materien des Zivilrechtes sowohl den Verwaltungsbehörden als auch dafür geschaffenen außerordentlichen Gerichten zur Entscheidung zuweisen.

Bei dem Kartellgericht und dem Kartellobergericht handelt es sich um Sondergerichte des Privatrechts (Fasching Kommentar I 53 und Zivilprozeßrecht Rz 107; Schönherr, Österreichisches Kartellrecht 23). Der Umstand, daß sie beim Oberlandesgericht Wien bzw. beim Obersten Gerichtshof eingerichtet sind, ist daher verfassungsrechtlich nicht bedenklich. Die Regelung hinsichtlich des Kartellobergerichtes ist ähnlich wie die seinerzeitige Regelung des § 15 Abs 4 Drittes Rückstellungsgesetz über die Oberste Rückstellungskommission beim Obersten Gerichtshof. Dazu hat der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung VfSlg. Anhang 1948/1 ausgesprochen, daß es sich dabei zwar nicht um ordentliche Gerichte, sondern um Sondergerichte handelt, jedoch keine verfassungsrechtlichen Bedenken geäußert (vgl. dazu auch VfSlg. 3121). Gegen die Regelung des Rechtszuges im Kartellgesetz und zufolge der Verweisung des § 6 NVG auch in Verfahren nach diesem Gesetz, bestehen daher keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Selbst wenn man aber die Auffassung vertreten wollte, die Regelung des § 88 Abs 2 KartG 1988 sei verfassungsrechtlich bedenklich, könnte eine nähere Prüfung unterbleiben. Die Frage, ob gegen Entscheidungen des Kartellobergerichtes der Oberste Gerichtshof angerufen werden kann, ist nämlich keine solche, die den rechtmäßigen Bestand des Kartellobergerichtes als Rechtsmittelinstanz gegenüber dem Kartellgericht in Frage stellen könnte. Diese Frage würde sich erst dann stellen, wenn nach einer den Rechtsstreit beendenden Entscheidung des Kartellobergerichtes der Versuch unternommen würde, gegen diese Entscheidung den Obersten Gerichtshof anzurufen oder wenn nach einer solchen Anrufung, aber noch vor der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, Exekution geführt würde.

Daß gemäß § 91 Abs 1 KartG nur der Vorsitzende des Kartellobergerichtes dem Kreis der Mitglieder des Obersten Gerichtshofs zu entnehmen ist, nicht aber auch seine Stellvertreter, ist verfassungsrechtlich ohne Bedeutung, weil derzeit sämtliche richterlichen Mitglieder des Kartellobergerichtes Mitglieder des Obersten Gerichtshofs sind. Die Möglichkeit, daß ein Nichtmitglied des Obersten Gerichtshofs Vorsitzender in einem Senat des Kartellobergerichtes ist, besteht daher derzeit nicht. Schließlich bestehen auch gegen die Regelung über die Zusammensetzung der Senate keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Bei den vom Kartellobergericht zu beurteilenden Fragen handelt es sich vorwiegend um schwierige wirtschaftliche Fragen, die es rechtfertigen, von der üblichen Besetzung abzugehen und die Senate so zusammenzusetzen, daß durch die nichtrichterlichen Mitglieder zu den wirtschaftlichen Problemen aus allen denkbaren Blickwinkeln (aus der Sicht der Arbeitnehmer und Konsumenten, der gewerblichen Wirtschaft und der öffentlichen Interessen) Stellung genommen werden kann. Daß dem Senat nur ein Berufsrichter als Vorsitzender angehört, beruht daher nach Meinung des erkennenden Senates auf sachlichen Erwägungen und ist somit verfassungsrechtlich nicht bedenklich. Die Antragsgegnerin sieht ferner in den Bestimmungen des § 3 a NVG, die sich nur auf Warenhändler bezögen und nicht auch auf den Hersteller der Ware, einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Auch dagegen bestehen keine Bedenken.

Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz liegt auch bei der Beschränkung auf Händler schon deshalb nicht vor, weil der Gesetzgeber Unterschiede im Tatsächlichen auch unterschiedlich regeln kann. Der Gleichheitssatz verwehrt es dem Gesetzgeber nicht, sachlich gerechtfertigte Differenzierungen vorzunehmen (VfSlg. 2930, 2957, 4036, 5356 ua.). Zwischen den Produzenten von Waren und Händlern bestehen aber grundlegende Unterschiede. Aufgabe des Handels ist die Beschaffung von Waren und deren Verkauf, ohne daß eine nennenswerte Veränderung dieser Waren stattfindet. Im weiteren Sinn wird darunter jeder Austausch von wirtschaftlichen Gütern verstanden (Brockhaus Enzyklopädie17 VIII 129; Meyers Enzyklopädisches Lexikon9 XI 389; Herder Staatslexikon7 II 1179). Gegenstand der Industrie ist dagegen die Gewinnung von Rohstoffen sowie die Be- und Verarbeitung von Rohstoffen und Halbfabrikaten. Merkmale der Industrie sind Arbeitsteilung und Spezialisierung, Mechanisierung und Rationalisierung der Produktion (Meyers Enzyklopädisches Lexikon9 XII 569) sowie eine starke Fixkostenbelastung aus dem Bestreben, die Kapazität voll auszunützen (Gablers Wirtschaftslexikon11 I 2129). Daraus ergeben sich unterschiedliche Kostenstrukturen, die eine Differenzierung sachlich gerechtfertigt erscheinen lassen.

Auch aus dem Gesichtspunkt der Unverletzlichkeit des Eigentums bestehen gegen § 3 a NVG keine Bedenken. § 3 a NVG stellt - wenn überhaupt - eine bloße Eigentumsbeschränkung, nicht aber einen (teilweisen) Entzug des Eigentumsrechtes dar. Unter einer Eigentumsbeschränkung ist die bloße Einschränkung der Befugnis zu verstehen, mit der Sache nach Willkür zu schalten. Entziehung ist dagegen der Entzug der Befugnis, jeden anderen davon auszuschließen, und die daraus folgende Einräumung entsprechender Einwirkungsbefugnisse an andere (Spielbüchler in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 365; VfSlg. 6390, 5208, 5105, 4908 ua.). Für bloße Eigentumsbeschränkungen als inhaltliche Gestaltung des Rechtes im Verhältnis zum Allgemeininteresse genügt aber nach dem rechtspolitischen Ermessen des Gesetzgebers die Sachlichkeit der Maßnahme, soweit sie nicht den Wesenskern des Rechtes verletzt (Spielbüchler aaO Rz 4; VfSlg. 8212, 7306, 6780, 5208 ua.). Mit dem Verbot des Verkaufes unter dem Einstandspreis wird aber weder der Wesenskern des Eigentumsrechtes verletzt noch kann gesagt werden, es handle sich um eine unsachliche Maßnahme. § 3 a NVG soll nämlich einerseits vor unlauteren Wettbewerbshandlungen schützen, andererseits zur Sicherung eines leistungsgerechten Wettbewerbs und dem Konsumentenschutz dienen. Es liegt auch kein Verstoß gegen die MRK vor, weil Art. 1 Abs 1 des Zusatzprotokolls zur MRK nur auf den Eigentumsentzug, nicht aber auch bloße Eigentumsbeschränkungen Anwendung findet (VfSlg.8212). Schließlich bestand trotz der Schutzbestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb auch ein Regelungsbedürfnis, weil damit auch die Rechtsprechung festgeschrieben wurde.

Für einen Antrag an den Verfassungsgerichtshof zur Prüfung der Verfassungsgemäßheit der §§ 81 Abs 2 und 91 Abs 1 KartG sowie des § 3 a NVG besteht daher kein Grund.

Der Rekurs ist jedoch sachlich gerechtfertigt.

Im vorliegenden Fall geht es noch nicht um die Sachentscheidung auf (endgültige) Untersagung eines Verkaufes zum oder unter dem Einstandspreis nach § 3 a NVG, sondern nur um die Berechtigung der begehrten vorläufigen Maßnahme im Sinn des § 7 Abs 4 NVG. Dabei handelt es sich um einen Fall einer einstweiligen Verfügung im Sinn des § 381 EO. Die Anwendbarkeit der Bestimmungen der Exekutionsordnung ist zwar im Nahversorgungsgesetz nicht ausdrücklich vorgesehen, es ist aber anerkannt, daß einstweilige Verfügungen auch im außerstreitigen (hier gemäß § 7 Abs 1 NVG anzuwendenden) Verfahren zulässig sind (SZ 34/105; EvBl 1971/107 uva.), was auch von der Lehre zum Nahversorgungsgesetz gebilligt wird (Farnleitner-Straberger, NVG 28; Heil, GesRZ 1977, 88). Bei Erlassung einer einstweiligen Maßnahme reicht daher auch hier eine Bescheinigung des Anspruches aus (§ 389 Abs 1 EO). Ebenso sind Gegenbescheinigungen durch den Antragsgegner möglich (SZ 43/154; JBl 1980, 374 ua.). Im Verfahren über die einstweilige Verfügung gilt auch der Untersuchungsgrundsatz nicht (Heller-Berger-Stix III 2829; EFSlg 37.044 ua.). Voraussetzung dafür, daß ein Gericht zur Frage, ob ein Anspruch in genügendem Maß bescheinigt ist, Stellung zu nehmen hat, ist, daß die gefährdete Partei die erforderlichen Tatsachenbehauptungen aufstellt (EFSlg 42.054, 37.085 ua.). Es ist nicht Sache des Gerichtes, von Amts wegen auf ein ergänzendes Vorbringen zu dringen (EFSlg 37.044, 42.054 ua.). Wenn die gefährdete Partei bereits in ihrem Sicherungsantrag Bescheinigungsmittel anbietet und vorlegt, darf das Gericht davon ausgehen, daß ihr sonstige zur Bescheinigung taugliche Mittel nicht zu Gebote stehen. In einem solchen Fall entfällt die Verpflichtung des Gerichtes, die gefährdete Partei zur Bezeichnung weiterer Bescheinigungsmittel und zum Antritt ihrer Beweisführung aufzufordern (EvBl 1978/139; EFSlg 42.016).

Die Frage, ob das Kartellobergericht von unmittelbar aufgenommenen Beweisen abgehen kann (vgl. dazu die Judikatur zum Provisorialverfahren: SZ 27/204; RdW 1986, 340; JBl 1987, 728;

EFSlg 52.449 uva. und zum Außerstreitverfahren: RZ 1967, 17;

EvBl 1956/90; JBl 1961, 232 ua.) stellt sich hier nicht, da es sich nur um die Auslegung von Urkunden handelt.

Wendet man die dargelegten Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, dann liegt eine Bescheinigung des Anspruches durch den Antragsteller nicht vor, weshalb auch eine vorläufige Untersagung gegen Sicherheitsleistung, wie sie bei nicht ausreichender Bescheinigung im Provisorialverfahren möglich wäre, nicht erfolgen kann. Bei der Frage, ob ein Anspruch nach § 3 a NVG bescheinigt ist, muß auf die Besonderheiten dieser Bestimmung und die Auswirkungen für den Antragsgegner und seinen Vertragspartner ebenso Bedacht genommen werden, wie auf die Beweisschwierigkeiten des Antragstellers.

Der Antragsteller hat sich zum Nachweis seiner Behauptung, die Antragsgegnerin verkaufe Ariel Plus 4 kg unter dem Einstandspreis, nur auf das Schreiben des S***-Kaufmannes Franz K***, Beilage ./D, in Verbindung mit dem Kassastreifen über den Testkauf und Fotos über die Angebote der Antragsgegnerin sowie auf das Schreiben der S*** Österreichische Warenhandels AG, Beilage ./I, berufen. Dem Schreiben Beilage ./D ist überhaupt nichts über den Einstandspreis zu entnehmen, während im Schreiben Beilage ./I zwar behauptet wird, daß der Nettoeinstandspreis der S*** über S 100 liegt, ohne daß dafür aber irgendwelche Unterlagen vorgelegt oder weitere Bescheinigungsmittel angeboten wurden. Der Antragsgegnerin ist beizupflichten, daß dies zur Bescheinigung eines Verstoßes gegen § 3 a NVG nicht ausreicht. Es ist zwar richtig, daß der Antragsteller kaum in der Lage sein wird, den genauen Nettoeinstandspreis der Antragsgegnerin nachzuweisen. Es genügt daher, daß er in Form des prima-facie-Beweises durch Offenlegung der Einkaufskonditionen vergleichbarer anderer Händler dartut, daß diese den Artikel zu höheren Einstandspreisen erwerben, als der Verkaufspreis der Antragsgegnerin abzüglich Umsatzsteuer und sonstige Abgaben beträgt. Die Antragsgegnerin kann danach die ernstliche Möglichkeit eines atypischen Verlaufes dartun, also ihrerseits eine Art Anscheinsbeweis dafür erbringen, daß der Schluß vom allgemeinen Einstandspreisniveau auf ihren Einstandspreis nicht zwingend ist (Fitz-Roth, Verkauf unter dem Einstandspreis, RdW 1989, 241 (248); vgl. auch Fasching, Kommentar III 236 und Zivilprozeßrecht Rz 895; SZ 56/145 ua.) Gelingt ihm dies, müßte der Antragsteller seinerseits den vollen Beweis für den behaupteten Verstoß liefern. Es geht nun nicht an, durch die bloße, in keiner Weise konkretisierte Behauptung eines einzelnen Konkurrenzunternehmens, für die keinerlei Sanktionen bestehen, die Antragsgegnerin zu zwingen, ihrerseits ihre Einstandspreise zu nennen. Der Konkurrent hätte es nämlich dann in der Hand, durch die bloße nicht präzisierte Behauptung, sein eigener Einstandspreis liege über dem Nettoverkaufspreis der Antragsgegnerin abzüglich Umsatzsteuer und sonstiger Abgaben, letztere zu zwingen, ihrerseits ihre genauen Einkaufskonditionen darzutun, obgleich der Konkurrent dies selbst nicht getan hat. Bei den Einkaufskonditionen handelt es sich aber um Geschäftsgeheimnisse, an deren Geheimhaltung nicht nur der Antragsgegner, sondern auch dessen Vertragspartner ein erkennbares Interesse haben (Fitz-Roth aaO, 246; Fasching, Kommentar III, 427; Barfuß, WBl. 1989, 140). Der gegenteiligen Ansicht von Prunbauer (Medien und Recht 1989, 82 (84 f)), wonach die Einkaufskonditionen keine schützenswerte Leistung seien und deren Offenlegung die Markttransparenz erhöhen würde, kann nicht beigepflichtet werden. Eine allgemeine Konditionentransparenz hätte vielmehr zur Folge, daß auch sachlich gerechtfertigte Differenzierungen von vielen Lieferanten kaum mehr durchsetzbar wären. All dies muß auch gelten, obgleich der einzelne Konkurrent nicht zu Anträgen nach § 3 a NVG legitimiert ist, sondern nur öffentlich-rechtliche Institutionen sowie Vereinigungen zur Förderung wirtschaftlicher Interessen von Unternehmen, bei denen auch gewisse im Gesetz genannte Körperschaften öffentlichen Rechts Mitglieder sind, wie dies etwa auch beim Antragsteller der Fall ist. Auch bei sogenannten Verbandsklagen geht nämlich häufig die Initiative von einem Konkurrenten aus, der dem Verband eventuell sogar als Mitglied angehören kann und diesen mit entsprechenden Informationen versorgt (Fitz-Roth aaO 248), wie dies nach den mit dem Antrag vorgelegten Urkunden auch hier offenbar der Fall war. Auch ist nach der Konstruktion des Nahversorgungsgesetzes zwar der einzelne Konkurrent in den Fällen des § 3 a NVG nicht antragsberechtigt, rechtskräftige Entscheidungen aber können in erster Linie nur von dem durch ein gegen § 3 a verstoßendes Verhalten betroffenen Unternehmen und nur subsidiär von der berechtigten Antragstellerin exequiert werden.

Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob und inwieweit zur Bescheinigung des Anspruches Geschäftsunterlagen von Konkurrenzunternehmen vorzulegen gewesen wären (vgl. dazu Fitz-Roth aaO 247) oder ob die Vernehmung von Auskunftspersonen oder die Vorlage eines - allenfalls anonymisierten - Gutachtens eines beeideten Wirtschaftsprüfers über die Einstandspreise vergleichbarer Konkurrenzunternehmen zur Bescheinigung genügt hätte. Die bloße, noch dazu völlig unpräzise Behauptung eines einzelnen Konkurrenten genügt dazu jedenfalls nicht. Auch auf den im Außerstreitverfahren gemäß § 2 Abs 2 Z 5 AußStrG geltenden Untersuchungsgrundsatz und auf § 19 Abs 1 AußStrG kann sich der Antragsteller zumindest im Rahmen des Verfahrens über die vorläufige Untersagung nicht stützen. Schließlich kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß die Antragsgegnerin Rabatte oder Sonderkonditionen in Anspruch genommen hätte, die sachlich nicht gerechtfertigt waren und daher gegen § 1 NVG verstießen. Eine solche Behauptung wurde vom Antragsteller weder aufgestellt noch bescheinigt. Dieser hat vielmehr behauptet, daß der Antragsgegnerin keine anderen Lieferbedingungen wie den übrigen Wiederverkäufern gewährt worden seien. Die Frage, ob gegen § 1 NVG verstoßende Rabatte oder Sonderkonditionen im Sinn des § 3 a Abs 1 NVG zu berücksichtigen sind, muß daher nicht näher geprüft werden. Das Rekursgericht hält daher entgegen dem Erstgericht nicht für bescheinigt, daß die Antragsgegnerin Ariel Plus 4 kg unter dem Einstandspreis verkauft hat, weshalb in Stattgebung des Rekurses der Antrag auf vorläufige Untersagung zur Gänze abzuweisen war.

Anmerkung

E18621

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:000OKT00002.89.0920.000

Dokumentnummer

JJT_19890920_OGH0002_000OKT00002_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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