Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Vogel, Dr.Kropfitsch und Dr.Schwarz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei MM-I*** GMBH, 8010 Graz, Merangasse 75, vertreten durch Dr.Johannes Eltz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Friedrich W***, Pensionist, 1100 Wien, Favoritenstraße 198/1, vertreten durch Dr.Heinrich Keller, Dr.Rainer Cuscoleca, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 27.Jänner 1989, GZ 48 R 703/88-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 29.Juni 1988, GZ 46 C 402/86m-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, den Beklagten die mit S 2.966,40 (darin keine Barauslagen und S 494,40 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Das Erstgericht hob die auf § 30 Abs 2 Z 4 MRG gestützte Aufkündigung der vom Beklagten gemieteten Geschäftslokalitäten im Keller des Hauses Gussenbauergasse 4, 1090 Wien, auf und wies das diesbezügliche Räumungsbegehren ab, wobei es seiner Entscheidung im wesentlichen folgende Feststellungen zugrunde legte:
Die Klägerin ist Mehrheitseigentümerin und Vermieterin, der Beklagte Mieter des aufgekündigten Bestandobjekts.
Am 25.9.1929 schloß der damalige Hauseigentümer mit Willy P*** einen Mietvertrag über dieses Bestandobjekt. Das Mietverhältnis begann mit 1.10.1929. In den angemieteten Geschäftsräumlichkeiten betrieb Willy P*** einen Druckereibetrieb, in den der Beklagte 1936 eintrat. Die kriegsbedingte Unterbrechung des Betriebs währte bis zum Jahr 1946. Als P*** 1979 verstarb, hatte er den Beklagten zum alleinigen Testamentserben eingesetzt, worauf diesem der Nachlaß zur Gänze eingeantwortet wurde. Zwei Jahre hindurch führte der Beklagte das Druckereiunternehmen allein weiter, schließlich verkaufte er mit Vertrag vom 15.7.1981 den Betrieb an Ernst G*** und Norbert K***. Gegenstand dieses Kaufvertrags war das gesamte Unternehmen mit allen Aktiven und Passiven, den Gegenständen des Anlage- und Umlaufvermögens, insbesondere auch das Warenlager. Als Unternehmensbestandteil waren auch die Mietrechte des Beklagten betreffend das aufgekündigte Bestandobjekt inbegriffen (Punkt III. 3. des Kaufvertrags). Die Übergabe bzw. Übernahme erfolgte mit Stichtag 31.Juli 1981. Der Beklagte wirkte noch ein Jahr lang im Rahmen eines Dienstverhältnisses im Betrieb mit, um den Übergang reibungslos zu gestalten. Die Druckerei war zu keinem Zeitpunkt geschlossen und verfügte über einen Kundenstock, der ebenfalls von den Erwerbern übernommen wurde (darunter Kunden, die schon fünfzig Jahre lang von diesem Unternehmen beliefert werden). Buch- und Offsetdruck bildeten den Unternehmensgegenstand, der sich nie geändert hatte. Die Gewerbekonzession des Beklagten lautete auf Buchdrucker mit Erweiterung auf Offsetdruck. Er mußte seine Konzession zurücklegen, um den Unternehmenserwerbern den Erhalt ihrer Konzession zu ermöglichen. Der Name V***-Druckerei findet sich bereits im Jahr 1947, als noch Wilhelm P*** das Unternehmen führte. Er blieb unverändert, es wurde ihm lediglich seit 1981 der Zusatz "K*** UND G*** OHG" hinzugefügt. Die Vorgangsweise bei der Mietzinszahlung wurde so gewählt, daß die V***-Druckerei K*** UND G*** OHG den Mietzins an den Beklagten bezahlt, dieser wieder entrichtet ihn an die Hausverwaltung, ebenso die Betriebskosten. Von der OHG wird genau jener Betrag, den die Hausverwaltung dem Beklagten vorschreibt, an diesen bezahlt. Da die Mietzinse teilweise nicht angenommen wurden, mußten sie bei Gericht hinterlegt werden. Die in Rede stehende Betriebsanlage wurde mit Bescheiden vom 12.12.1929 und 16.10.1969 gewerbebehördlich genehmigt. Im Zuge eines neuerlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens, das auf Grund der Neuanschaffung von Maschinen notwendig geworden war, fand am 17.2.1983 ein Ortsaugenschein statt, an welchem der Kurator der früheren Hauseigentümerin Amalia K***, Dr. B*** sowie Herr P*** von der Hausverwaltung anwesend waren. Spätestens zu diesem Zeitpunkt konnten diese Personen zur Kenntnis nehmen, daß zwar immer dasselbe Unternehmen, nun nicht mehr vom Beklagten, sondern von der K*** & G*** OHG geführt, in den Bestandräumlichkeiten etabliert war.
Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, der vorliegende Sachverhalt sei nach den Bestimmungen des Mietengesetzes zu beurteilen. Der geltend gemachte Kündigungsgrund liege nicht vor, da der Beklagte sein lebendes Unternehmen einschließlich der Bestandrechte veräußert habe. Die Veräußerung sei nicht zu dem Zweck erfolgt, die Bestandrechte zu verwerten. Eine Weitergabe der gemieteten Räume liege nicht vor. Dadurch habe im Geltungsbereich des Mietengesetzes nur ein "gespaltenes Mietverhältnis" entstehen können, weshalb die Rechte und Pflichten aus dem Bestandvertrag weiterhin dem Beklagten zustünden und er zur Mietzinszahlung verpflichtet sei.
Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos; das Berufungsgericht sprach aus, daß der "von der Bestätigung betroffene" Streitwert S 300.000 übersteigt; es erachtete das erstgerichtliche Verfahren für mängelfrei und führte weiter aus, Feststellungen dahingehend, daß das Unternehmen unter Eigentumsvorbehalt verkauft wurde, hätten sich insofern nicht treffen lassen, als Punkt III) des Kaufvertrages die Übergabe und Übernahme - und die damit verbundenen Lasten und Gefahren - des Unternehmens bereits mit Stichtag 31.7.1981 vorgesehen habe. Die Rechte und Verpflichtungen aus der Unternehmensführung seien ab diesem Zeitpunkt dem Erwerber zurechenbar. Mangels einer ausdrücklichen Vereinbarung, wonach die Veräußerung des Unternehmens erst mit der vollständigen Entrichtung des Kaufpreises Geltung erlangen sollte, seien bereits am 31.7.1981 sämtliche Voraussetzungen für einen Übergang des Eigentums am Unternehmen vorgelegen, da nicht nur der Erwerbstitel, sondern auch die Erwerbsart, also die Übergabe des Unternehmens, erfüllt wurden. Die Bestimmungen des § 12 Abs 3 MRG fänden im gegenständlichen Fall somit keine Anwendung. Aber auch im Geltungsbereich des Mietengesetzes habe die ständige Rechtsprechung zu § 19 Abs 2 Z 10 MG keine unzulässige Weitergabe des Bestandgegenstands gesehen, wenn die mit der Veräußerung eines Unternehmens verbundene Überlassung der Benützung der gemieteten Geschäftsräumlichkeiten, in denen das Unternehmen betrieben wird, an einen Dritten erfolgte, sofern nicht die Veräußerung des Unternehmens lediglich den Zweck verfolgte, dem Erwerber die Ausnützung der Bestandrechte zu ermöglichen. Dafür hätten sich jedoch aus dem Beweisverfahren keinerlei Anhaltspunkte ergeben. Im Sinne der ständigen Rechtsprechung wäre selbst im Zweifelsfalle bei Veräußerung und Fortführung eines lebenden Unternehmens nicht anzunehmen, daß die Überlassung der Mietrechte den Schwerpunkt der wirtschaftlichen Transaktion bilde. Da das Erstgericht auf Grund der von ihm getroffenen Feststellungen jegliche Weitergabe des Bestandobjekts im Sinne des geltend gemachten Kündigungsgrundes verneint habe und zu dem rechtlichen Ergebnis gelangt sei, daß keine Verwertung der Bestandrechte, sondern die Veräußerung des in sämtlichen aufgekündigten Bestandräumlichkeiten betriebenen, lebenden Unternehmens erfolgt sei, erübrigten sich weitere Ausführungen zu dem einen oder anderen Tatbestandsmerkmal des geltend gemachten Kündigungsgrundes. Gegen das Urteil des Berufungsgerichts wendet sich die Revision der Klägerin aus den Anfechtungsgründen nach § 503 Z 2, 3 und 4 ZPO mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Stattgebung des Kündigungs- und des Räumungsbegehrens; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Revisionsgründe nach § 503 Z 2 und 3 ZPO liegen nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO). In der Rechtsrüge führte der Revisionswerber aus, das Berufungsgericht habe "zufolge irriger Rechtsauffassung" die mangelhaft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichts übernommen. Aus den Feststellungen habe das Berufungsgericht den rechtlichen Schluß gezogen, daß der Veräußerungsvorgang nach dem Recht des Mietengesetzes zu beurteilen sei, da der Übergabestichtag mit 31.7.1981 im Kaufvertrag angeführt sei. Diese rechtliche Folgerung sei nicht zutreffend, da im Kaufvertrag vom 15.7.1981 ein Eigentumsvorbehalt vereinbart worden sei. Ein solcher Eigentumsvorbehalt verschiebe jedoch den sachenrechtlichen Übergang eines Unternehmens. Eine Veräußerung liege dann vor, wenn sowohl ein gültiges Rechtsgeschäft als auch die Übergabe und Übernahme gegeben seien, sodaß das Veräußerungsgeschäft richtig als Verfügungsgeschäft bezeichnet werden müsse. Im gegenständlichen Fall liege zwar ein gültiges Rechtsgeschäft, nämlich der Kaufvertrag vom 15.7.1981 vor, jedoch fehle es zu diesem Zeitpunkt an der Übergabe und Übernahme, da ein Eigentumsvorbehalt vereinbart worden sei. Maßgeblicher Zeitpunkt der Veräußerung sei der Eigentumsübergang. Dies müsse jedoch nicht der vereinbarte Zeitpunkt sein. Sei also in einem Kaufvertrag vereinbart worden, daß das Eigentum erst mit vollständiger Bezahlung des Kaufpreises übergehen solle, so könnten bis dahin auch die Rechtsfolgen des § 12 Abs 3 MRG nicht eintreten. Aus der oben dargelegten Rechtsansicht ergebe sich eindeutig, daß dieses Rechtsverhältnis dem Mietrechtsgesetz unterliegend angesehen werden müsse.
Diesen Ausführungen ist zunächst zu erwidern, daß der Revisionswerber mit seinem Vorbringen, das Berufungsgericht habe "zufolge irriger Rechtsauffassung", mangelhaft gebliebene Feststellungen des Erstgerichts übernommen, keinen auf unrichtiger rechtlicher Beurteilung beruhenden Feststellungsmangel aufzuzeigen vermag, sondern vielmehr den im Revisionsverfahren unzulässigen Versuch einer Bekämpfung der Beweiswürdigung des Berufungsgerichts unternimmt.
Auch den weiteren Ausführungen zum Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung kommt keine Berechtigung zu. Wie der Oberste Gerichtshof mehrfach ausgesprochen hat (vgl. SZ 57/191, EvBl 1983/143 ua.), ist die Bestimmung des § 12 Abs 3 MRG gemäß § 43 Abs 1 MRG auch auf Mietverhältnisse anzuwenden, die vor dem Inkrafttreten des MRG (1.1.1982) abgeschlossen wurden, jedoch nur, wenn die Unternehmensveräußerung nach dem 1.1.1982 erfolgte. Diese Rechtsauffassung wird in der Revision auch nicht bekämpft. Der Revisionswerber vertritt aber die Ansicht, im vorliegenden Fall sei mit Rücksicht auf die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts der für die Unternehmensveräußerung maßgebende Eigentumsübergang erst mit vollständiger Bezahlung des Kaufpreises, somit erst nach dem 1.1.1982 erfolgt, sodaß auf das gegenständliche Rechtsverhältnis die Bestimmungen des MRG, insbesondere daher auch § 12 Abs 3 MRG, anzuwenden sei.
Dem ist zu erwidern, daß nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichts die Übergabe und Übernahme des Unternehmens und der damit verbundenen Lasten und Gefahren am 31.7.1981 erfolgte; in Punkt VI. des Kaufvertrages ist lediglich festgelegt, daß die von den Käufern übernommenen Geschäftseinrichtungen und Waren unter Eigentumsvorbehalt verkauft wurden und bis zur restlosen Abstattung des Kaufpreises im Eigentum des Verkäufers verbleiben.
Unter diesen Umständen ist dem Berufungsgericht beizupflichten, daß von einer vereinbarten Veräußerung des Unternehmens unter Eigentumsvorbehalt nicht die Rede sein kann, vielmehr bereits am 31.7.1981 sämtliche Voraussetzungen für einen Übergang des Eigentums am Unternehmen, nämlich Erwerbstitel und Erwerbsart erfüllt wurden. Ohne Rechtsirrtum hat daher das Berufungsgericht mit Rücksicht auf die vor dem 1.1.1982 stattgefundene Unternehmensveräußerung die Anwendbarkeit der Bestimmungen des MRG, insbesondere auch des § 12 Abs 3 MRG auf den gegenständlichen Fall verneint, sodaß § 19 Abs 2 Z 10 MG, welche Bestimmung sich im übrigen im wesentlichen mit jener des § 30 Abs 2 Z 4 MRG deckte, zur Anwendung gelangt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu § 19 Abs 2 Z 10 MG stellt die mit der Veräußerung eines Unternehmens verbundene Überlassung der Benützung der gemieteten Geschäftsräumlichkeiten, in denen das Unternehmen betrieben wird, an einen Dritten den Kündigungsgrund des § 19 Abs 2 Z 10 MG nicht her, sofern nicht die Veräußerung des Unternehmens lediglich den Zweck verfolgte, dem Erwerber die Ausnützung der Bestandrechte zu ermöglichen. Bei der Veräußerung und Fortführung eines lebenden Unternehmens ist im Zweifel anzunehmen, daß nicht die selbständige Ausnützung der Bestandrechte im Vordergrund steht (vgl. MietSlg 33.362, MietSlg 21.506/58 ua.).
Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist dem Berufungsgericht zu folgen, daß nach den Feststellungen keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß die Veräußerung des Unternehmens lediglich den Zweck verfolgt hätte, dem Erwerber die Ausnützung der Bestandrechte zu ermöglichen. In der Auffassung des Berufungsgerichts, daß der geltend gemachte Kündigungsgrund nicht vorliegt und demgemäß die Aufkündigung aufzuheben und das Räumungsbegehren abzuweisen war, ist somit keine unrichtige rechtliche Beurteilung zu erblicken.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E18484European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0020OB00542.89.0926.000Dokumentnummer
JJT_19890926_OGH0002_0020OB00542_8900000_000