TE OGH 1989/9/26 2Ob70/89

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Veröffentlicht am 26.09.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gertrude P***, Pensionistin, 381 Woodland Road, Highland Park II, USA, vertreten durch Dr. Karl Heinz Klee, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Ö*** B***, vertreten durch die Finanzprokuratur,

Singerstraße 17-19, 1011 Wien, wegen S 1,284.918,92 s.A. und Feststellung (S 100.000,--), Revisionsstreitwert S 923.279,28, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 14. Februar 1989, GZ 1 R 348/88-61, womit infolge Berufung der klagenden Partei und der beklagten Partei das Teil- und Zwischenurteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 15. Juli 1988, GZ 11 Cg 28/84-54, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Endurteil vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin fuhr am 4.2.1981 als Fahrgast der Beklagten auf Grund eines mit dieser abgeschlossenen Beförderungsvertrags mit dem Zug TS 165 "Bodensee", einer 6-teiligen Städtezugeinheit, Länge 149,2 m, von St. Anton nach Innsbruck. Sie befand sich im Speisewagen, als der Zug in Innsbruck-Hauptbahnhof anhielt. Beim Aussteigen kam die Klägerin zu Sturz und wurde schwer verletzt. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte die Klägerin aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Unfall die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von S 1,284.918,92 s A; überdies stellte sie ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten für alle Unfallschäden gerichtetes Feststellungsbegehren.

Dem Grunde nach stützte die Klägerin ihr Begehren im wesentlichen auf die Behauptung, daß sie aus Verschulden der Beklagten beim Aussteigen deswegen zu Sturz gekommen sei, weil der Zug, als sie beim Aussteigen bereits auf dem Trittbrett des Speisewagens gestanden sei und sich mit einer Hand noch festgehalten habe, nach einem unverhältnismäßig kurzen Aufenthalt zum Verschieben angefahren sei. Eine Warnung durch einen Lautsprecher sei vor Beginn der Verschubfahrt nicht erfolgt; auch ein Achtungspfiff sei nicht abgegeben worden.

Der Höhe nach wurden alle Positionen des von der Klägerin gestellten Leistungsbegehrens mit je S 1,-- außer Streit gestellt. Das Feststellungsinteresse der Klägerin ist nicht mehr strittig. Die Beklagte wendete im wesentlichen ein, der von der Klägerin benützte Zug sei in Innsbruck fünf Minuten gestanden, sodaß ausreichend Zeit zum Ein- und Aussteigen gewesen wäre, bevor der Zug nach Schließen aller Türen und nach Abgabe eines Achtungspfiffs zum Zweck des Verschubs wieder abgefahren sei. Dabei sei nur Schrittgeschwindigkeit erreicht und eingehalten worden. Als sich der Zug bereits in Bewegung gesetzt habe, habe ein älterer Herr die Tür des Speisewagens geöffnet. Die Klägerin habe sich zu diesem Zeitpunkt noch im Speisewagen befunden. Sie sei noch vom Speisewagenkellner gewarnt worden. Trotzdem sei zuerst der ältere Herr trotz des Anfahrens des Zugs ausgestiegen. Die Klägerin sei erst nach ihm auf den Bahnsteig abgestiegen. Sie habe dabei den Haltegriff nicht losgelassen, sondern sei etwa 2 m neben dem Zug hergegangen, bis sie gestolpert und zwischen Bahnsteigkante und Wagenboden gestürzt sei. Damit habe die Klägerin ihren Unfall selbst verschuldet. Die Beklagte habe jede mögliche und gebotene Sorgfalt beachtet, um einen derartigen Unfall zu vermeiden. Eine Ankündigung des Verschubbeginns durch Lautsprecheransage sei nicht erfolgt. Hiezu habe weder eine Veranlassung noch eine Verpflichtung bestanden. Das Erstgericht entschied nach Einschränkung des Verfahrens auf den Grund des Anspruchs mit Teil- und Zwischenurteil, daß das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht besteht und daß die Beklagte der Klägerin unter Bedachtnahme auf die gemäß § 15 Abs 1 Z 1 EKHG zur Unfallszeit geltenden Haftungshöchstbeträge für alle zukünftigen Schäden aus dem Unfall vom 4.2.1981 haftet.

Die Wiedergabe der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen kann unterbleiben, weil das Berufungsgericht nach Beweiswiederholung zu teilweise abweichenden Feststellungen gelangte.

Rechtlich führte das Erstgericht im wesentlichen aus, daß der Klägerin kein Schuldvorwurf zu machen sei. Sie habe mit dem Aussteigen begonnen, als der Zug noch gestanden sei. Das Beendigen des Aussteigevorgangs beim Anfahren des Zugs sei eine verständliche Reaktion, zumal die Klägerin ihr Reiseziel erreicht gehabt habe und ihr Ehemann bereits ausgestiegen gewesen sei.

Die Beklagte hafte gemäß § 5 EKHG für die Unfallsfolgen. Der Nachweis eines unabwendbaren Ereignisses im Sinne des § 9 EKHG sei ihr nicht gelungen. So sei die unmittelbar bevorstehende Verschubfahrt des Zugs weder durch eine Lautsprecheransage noch sonst durch ein akustisches Warnsignal angezeigt worden. Die Waggontüren seien nicht ordnungsgemäß verschlossen gewesen. Die Beklagte habe nicht jede erdenkliche Sorgfalt angewendet, um den Unfall zu verhindern.

Hinsichtlich des Leistungsbegehrens stehe damit der Anspruch der Klägerin dem Grunde nach fest. Im Hinblick auf in Zukunft noch mögliche Dauer- und Spätfolgen sei auch das Feststellungsbegehren berechtigt.

Diese Entscheidung des Erstgerichts wurde von beiden Streitteilen mit Berufung bekämpft.

Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Urteil der Berufung der Beklagten keine Folge. Hingegen gab es der Berufung der Klägerin Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichts, die es im Umfang des gefällten Zwischenurteils bestätigte, im Abspruch über das Feststellungsbegehren (Teilurteil) dahin ab, daß es feststellte, daß die Beklagte der Klägerin für alle künftigen Schäden aus dem Unfall vom 4.2.1981 zu haften hat.

Das Berufungsgericht stellte nach Beweiswiederholung, abgesehen von dem bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt, im wesentlichen folgendes fest:

In Innsbruck-Hauptbahnhof hielt der Zug nur kurze Zeit, etwa ein bis zwei Minuten. Er setzte sich sodann ohne Abgabe eines Warnsignals und ohne Durchsage der Abfahrt durch den Bahnhofslautsprecher zu Verschubzwecken langsam in Bewegung. Der Ehemann der Klägerin und die Klägerin selbst wollten in Innsbruck-Hauptbahnhof aussteigen. Es verließ zuerst der Ehemann der Klägerin den Speisewagen und stieg auf den Bahnsteig aus. Danach stieg die Klägerin hinter ihrem Ehemann aus, wobei nicht feststellbar ist, ob sich der Zug schon vor Beginn des Aussteigens der Klägerin, damit also vor Verlassen des Waggoninneren und Betreten des Trittbretts, in Bewegung gesetzt hatte. Die Klägerin hielt sich beim Aussteigen mit der linken Hand an der Haltestange der Tür des Speisewagens fest; in der rechten Hand trug sie Gepäck. Als die Klägerin auf dem untersten Trittbrett stand, war der Zug bereits in Bewegung oder begann sich gerade in Bewegung zu setzen. Die Klägerin versuchte darauf, auf den Bahnsteig herabzutreten, hielt sich dabei an der Haltestange des fahrenden Zugs weiterhin fest und stürzte darauf nach einem Stolpern zwischen Wagenwand und Bahnsteigkante, wodurch sie mit dem rechten Fuß unter die Räder geriet. Dabei wurden ihr am rechten Fuß Zehen abgetrennt. Dies führte in der Folge zu einer Amputation des rechten Vorfußes. Es kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden, ob die von der Klägerin zum Aussteigen benützte Waggontür (des Speisewagens) bis zum Anfahren des Zugs geschlossen war, ob sie erst in diesem Augenblick oder kurz vorher oder nachher geöffnet worden ist bzw allenfalls bereits länger offen gestanden hat.

Rechtlich führte das Berufungsgericht im wesentlichen aus, die Beklagte sei auf Grund des mit der Klägerin geschlossenen Beförderungsvertrags zu ihrem gefahrlosen Transport verpflichtet gewesen, wozu auch das Ein- und Aussteigen im Bahnhofsbereich gehört habe. Bei Verletzung eines Reisenden durch ein allenfalls verfrühtes und unvorsichtiges Abfahren des Zugs habe die Beklagte zu beweisen, daß sie ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht verletzt habe. Dieser sie treffenden Beweispflicht sei die Beklagte nicht nachgekommen.

Zum gleichen Ergebnis - abgesehen von den nach den Bestimmungen des EKHG sich ergebenden Haftungsgrenzen - komme man auch, wenn man ohne Vorliegen eines Beförderungsvertrags die Beklagte nur nach den Bestimmungen des EKHG haften ließe. Auch in diesem Fall gehe jede nicht aufklärbare Ungewißheit über wesentliche Einzelheiten des Unfalls zu Lasten des Halters.

Es sei davon auszugehen, daß die Tür des Speisewagens, durch welche die Klägerin ausgestiegen sei, noch vor dem Anfahren des Zugs durch ihren Ehemann oder einen anderen Reisenden geöffnet worden sei und daß die Klägerin mit dem Aussteigen, also dem Absteigen auf die Trittbretter, begonnen gehabt habe, bevor sich der Zug in Bewegung gesetzt habe.

Ein Mitverschulden der Klägerin, das gemäß § 1304 ABGB bzw § 7 Abs 1 EKHG zu einer Kürzung ihrer Ansprüche dem Grunde nach führen müßte, sei zu verneinen. Die Beklagte habe durch Abfahren des Zugs mit geöffneter Waggontür und trotz des bereits begonnenen Aussteigens der Klägerin ohne Abgabe eines Warnsignals und ohne entsprechende Lautsprecherdurchsage nach sehr kurzer Aufenthaltsdauer auf dem Innsbrucker Hauptbahnhof schuldhaft und rechtswidrig die Klägerin in eine Gefahrensituation gebracht, aus welcher es ihr nicht zumutbar gewesen sei, vom Trittbrett wieder zurück in den Speisewagen zu steigen. Die am 29.5.1920 geborene Klägerin, die zum Unfallszeitpunkt über 60 Jahre alt gewesen sei und die in einer Hand Gepäck gehalten habe, während sie sich mit der anderen Hand an einer Haltestange angeklammert habe, hätte nur unter größten Schwierigkeiten wieder in den Waggon zurücksteigen können. Für die Klägerin, die in Innsbruck aussteigen habe wollen, deren Ehemann bereits auf dem Bahnsteig gestanden sei und die sich überdies in einem fremden Land befunden habe, möge vielleicht der Abstieg auf den Bahnsteig - rückblickend betrachtet - eine Art Panikreaktion gewesen sein. Die Beklagte habe aber die Klägerin durch das Anfahren des Zugs während ihres Ausstiegs in eine Gefahrensituation gebracht, aus der sie sich durch das Abspringen oder Absteigen vom Zug befreien habe wollen. Dieser Versuch, der mißlungen sei und zu ihrer Verletzung geführt habe, begründe jedoch keinen Schuldvorwurf ihr gegenüber.

Der Beginn einer aus dem Fahrplan nicht ersichtlichen Verschubfahrt im Innsbrucker Hauptbahnhof bei sehr kurzem vorhergehenden Aufenthalt hätte nur mit besonderer Vorsicht und nach einer für die Reisenden erkennbaren Ankündigung, sei es durch ein Pfeifsignal, einen Hupton des Triebwagens oder eine (allenfalls zur Hauptverkehrszeit auch mehrsprachige) Durchsage zu erfolgen gehabt. Daß eine Verschubfahrt erst nach Schließen aller Türen eines mit Fahrgästen besetzten Zugs begonnen werden dürfe, wobei das Verschlossenbleiben bis zum Fahrtbeginn zu beobachten sei, entspreche einer selbstverständlichen Vorsichtsmaßnahme; es dürfe ja auch ein Autofahrer sein Fahrzeug nicht mit offenen Türen und während des Ein- und Aussteigens seiner Mitfahrer in Bewegung setzen. Es sei daher die Haftungsbegrenzung der Beklagten auf die gemäß § 15 Abs 1 Z 1 EKHG zum Unfallszeitpunkt geltenden Haftungshöchstbeträge aus dem Urteilsspruch über das Feststellungsbegehren auszuscheiden und damit eine Haftung der Beklagten in unbegrenzter Höhe zu bejahen.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten. Sie bekämpft sie aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren dem Grunde nach nur mit einem Drittel als zu Recht bestehend erkannt und festgestellt werde, daß die Beklagte nur zu einem Drittel für alle künftigen Schäden der Klägerin aus dem Unfall vom 4.2.1981 zu haften habe. Die Klägerin hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision der Beklagten keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sachlich aber nicht berechtigt. Die Beklagte bekämpft in ihrer Revision nicht die Richtigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, daß sie nach den Vorschriften des ABGB ohne die im EKHG normierten Haftungshöchstgrenzen für den der Klägerin entstandenen Schaden zu haften hat (§ 19 EKHG), versucht aber darzutun, daß der Klägerin ein mit zwei Dritteln zu bewertendes Mitverschulden anzulasten sei, weil sie aus einem in Bewegung befindlichen Zug ausgestiegen sei und damit die Schutznorm des § 44 Abs 3 EisbG übertreten habe. Dem ist nicht zu folgen.

Nach ständiger Rechtsprechung trifft die Behauptungs- und Beweislast für ein Mitverschulden des Klägers den Beklagten; diesbezüglich geht jede verbleibende Unklarheit im erhobenen Sachverhaltsbild zu seinen Lasten (ZVR 1988/68 mwN uva; zuletzt etwa 2 Ob 82/88; 2 Ob 54/89). Es kann daher in tatsächlicher Hinsicht bei Beurteilung der Frage eines allfälligen Mitverschuldens der Klägerin unter Bedachtnahme auf die vom Berufungsgericht getroffenen Negativfeststellungen nur davon ausgegangen werden, daß die Klägerin aus dem Speisewagen bei stehendem Zug und geöffneter Tür auszusteigen begann und daß sich der Zug ohne jedes Warnsignal in Bewegung zu setzen begann, als die Klägerin beim Aussteigen bereits das unterste Trittbrett des von ihr benützten Ausstiegs erreicht hatte.

Nach § 44 Abs 3 EisbG ist, solange sich ein Fahrzeug in Bewegung befindet, das Öffnen der Außentüren des Fahrzeugs, das Betreten der Trittbretter, das Verweilen auf ungesicherten Plattformen und das Ein- und Aussteigen, soweit dies nicht bei einzelnen Arten von Eisenbahnen vorgesehen ist (wie etwa bei Sesselliften), verboten. Mit dieser Vorschrift wird eindeutig bezweckt, die Gefährdung der Sicherheit von Benützern einer Eisenbahn durch Ein- und Aussteigen in einen oder aus einem in Bewegung befindlichen Zug zu vermeiden. Es handelt sich hier zweifellos um eine Schutzvorschrift im Sinne des § 1311 ABGB mit dem dargestellten Schutzzweck.

Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift war es der Klägerin auch untersagt, vom untersten Trittbrett des von ihr benützten Ausstiegs auf den Bahnsteig herabzusteigen, nachdem sich der Zug in Bewegung gesetzt hatte.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs macht aber nicht schon die objektive Übertretung einer Schutznorm haftbar, sondern nur ihre verschuldete Übertretung, wobei allerdings der Übertreter den Beweis für seine Schuldlosigkeit erbringen muß (SZ 51/109 mwN; SZ 57/134 uva).

Nach den im vorliegenden Fall vom Berufungsgericht festgestellten Umständen kann der Klägerin eine schuldhafte Übertretung der Schutznorm des § 44 Abs 3 EisbG indes nicht angelastet werden. Sie hatte das Aussteigen in durchaus zulässiger und unbedenklicher Weise begonnen, indem sie bei stehendem Zug und geöffneter Tür über die vorhandenen Trittbretter den Bahnsteig zu erreichen versuchte. Sie wurde, wie das Berufungsgericht durchaus zutreffend ausführte, durch das unangekündigte Anfahren des Zugs, während sie sich auf dem untersten Trittbrett befand, in eine gefährliche Situation gebracht, die von ihr eine sofortige Entscheidung verlangte. Auf dem Trittbrett des fahrenden Zugs konnte sie nicht stehenbleiben, zumal ihr Zweck und Dauer der begonnenen Fahrt nicht bekannt waren. Es blieb ihr daher nur die Wahl, umzukehren und zu versuchen, über die Trittbretter wieder das Innere des Waggons zu erreichen oder zu versuchen, vom gerade anfahrenden Zug aus den Bahnsteig zu erreichen. Dabei kann nicht übersehen werden, daß auch die erste Möglichkeit für die Klägerin, die über 60 Jahre alt war und zudem dadurch behindert wurde, daß sie in einer Hand Gepäck trug, durchaus nicht ungefährlich erscheinen mußte und daß für sie die Überlegung, es sei in dieser Situation für sie leichter und ungefährlicher, zu versuchen, aus dem langsam anfahrenden Zug vom untersten Trittbrett auf den Bahnsteig zu gelangen, der ihrem Fahrziel entsprach und wo sich bereits ihr Ehegatte befand, auch bei von ihr vorauszusetzenden gewöhnlichen Fähigkeiten (§ 1297 ABGB) durchaus nahelag. Unter diesen Umständen kann aber der Klägerin, wenn sie sich in der für sie gegebenen Gefahrensituation für die zweite Möglichkeit entschloß, auch dann, wenn sich dieser Entschluß nachträglich als unrichtig herausstellt, entgegen den Revisionsausführungen eine schuldhafte Übertretung der Schutzvorschrift des § 44 Abs 3 EisbG nicht angelastet werden. Mit Recht hat daher das Berufungsgericht die Annahme eines Mitverschuldens der Klägerin abgelehnt.

Der Revision der Beklagten muß somit ein Erfolg versagt bleiben. Der Vorbehalt der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 393 Abs 2, 52 Abs 2 ZPO.

Anmerkung

E18668

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0020OB00070.89.0926.000

Dokumentnummer

JJT_19890926_OGH0002_0020OB00070_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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