TE OGH 1989/9/26 2Ob581/89

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Veröffentlicht am 26.09.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Friedrich L***, Pensionist, 5071 Siezenheim 145, vertreten durch Dr. Gerwin Brandauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Franz L***, Landwirt, 5110 St. Georgen, Untereching 26, vertreten durch Dr. Kurt Asamer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 136.300,-- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 3. Mai 1989, GZ 6 R 119/89-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 23. Februar 1989, GZ 14 Cg 460/87-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrte mit der am 7. Dezember 1987 beim Erstgericht eingelangten Klage aus dem Titel der Pflichtteilsergänzung nach seinem am 8. Dezember 1984 verstorbenen Vater den Zuspruch eines Betrages von S 136.300,-- sA.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er wendete unter anderem ein, daß die Klageforderung wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens verjährt sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende Feststellungen:

Der Antrag des Klägers auf Gewährung der Verfahrenshilfe gemäß § 64 Abs 1 Z 1 lit a)-f) ZPO wurde mit dem Beschluß vom 18. Dezember 1987 abgewiesen. Der Beschluß wurde dem Klagevertreter am 30. Dezember 1987 zugestellt; der Beschluß wurde rechtskräftig. Am 8. Februar 1988 wurde der Klagevertreter "darauf hingewiesen, daß ohne Überweisung der Pauschalgebühr kein Termin anberaumt werden kann". Am 4. Juli 1988 wurde an den Klagevertreter eine schriftliche Aufforderung, die Pauschalgebühr von S 5.200,-- binnen 14 Tagen einzuzahlen, abgefertigt. Am 9. September 1988 wurde gegen den Beklagten ein schriftlicher Zahlungsauftrag über S 5.200,-- Pauschalgebühr, zahlbar binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution, erlassen. Der Zahlungsauftrag wurde dem Beklagten am 12. September 1988 zugestellt. Am 31. Oktober 1988 wurde vom Klagevertreter die Überweisung der Pauschalgebühr von S 5.200,-- veranlaßt; der Betrag langte am 4. November 1988 bei Gericht ein. Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß die dreijährige Verjährungsfrist des § 1487 ABGB durch die Klage nur unter der Voraussetzung der gehörigen Fortsetzung unterbrochen wurde. Die Pauschalgebühr wäre unmittelbar nach Rechtskraft des den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abweisenden Beschlusses zu entrichten gewesen. Es gelte der allgemeine Grundsatz, daß das Gericht im Zivilprozeß (soweit nicht Verfahrenshilfe bewilligt wurde) nicht tätig wird, bis die Beträge, die den Parteien durch Beschluß bzw. durch das Gesetz zur Zahlung aufgetragen wurden, entrichtet sind. Die rein fiskalische Sanktion des § 31 GGG berühre diesen prozessualen Grundsatz nicht. Daher sei die Klage über 9 Monate lang nicht gehörig fortgesetzt worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es ließ die Revision zu, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob die "Eingangsgerichte" im Zivilprozeß tätig werden müßten, obwohl die Pauschalgebühren nicht erbracht wurden, fehle. Das Gericht zweiter Instanz teile zwar nicht die Ansicht des Erstgerichtes, daß das Gericht im Zivilprozeß nicht tätig werden könne, solange die zahlungspflichtige Partei die Pauschalgebühr nicht entrichtet habe; wie § 31 GGG zeige, bestehe zur Sicherung des Gebührenaufkommens lediglich die Möglichkeit einer Steigerung des ausständigen Gebührenbetrages. Die Einbringung erfolge nach den Bestimmungen des gerichtlichen Einbringungsgesetzes. Daß im streitigen Verfahren das Gericht nicht tätig werden könne, bis die zu entrichtende Pauschalgebühr einbezahlt wurde, könne keiner der vom Erstgericht zur Stützung seines Standpunktes angeführten Bestimmungen der ZPO entnommen werden. Der Oberste Gerichtshof habe jedoch wiederholt ausgesprochen, daß es für die Beurteilung der Frage, ob der Rechtsstreit gehörig fortgesetzt wurde, keine Rolle spielt, ob der Auftrag zur Leistung eines Kostenvorschusses allenfalls ungesetzlich war, wenn nur der Kläger nach dem Verhalten des Prozeßrichters nicht damit rechnen konnte, daß dieser von sich aus für den Fortgang des Rechtsstreites sorgen werde. Unterläßt der Kläger trotz des (wenn auch rechtswidrigen) Beschlusses des Prozeßgerichtes, eine neuerliche Tagsatzung nur über Parteienantrag anzuberaumen, weitere Prozeßhandlungen, obwohl er nach dem Inhalt des Beschlusses nicht damit rechnen konnte, das Gericht werde von sich aus das Verfahren fortsetzen, so sei das Verfahren nicht gehörig fortgesetzt. Im vorliegenden Fall habe das Erstgericht den Klagevertreter am 8. Februar 1988 ausdrücklich darauf hingewiesen, daß ohne Überweisung der Pauschalgebühr kein Termin anberaumt werde. Im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung hätte demnach der Kläger für den Fortgang des Prozesses sorgen müssen, auch wenn der vom Prozeßgericht eingenommene Rechtsstandpunkt gesetzwidrig gewesen wäre. Der Kläger habe aber vom 8. Februar 1988 bis 31. Oktober 1988, also durch mehr als 8 Monate hindurch, nichts für den Fortgang des Prozesses unternommen. Bei einer derart langen Untätigkeit könne von einer gehörigen Fortsetzung der Klage nicht die Rede sein. Die Verjährung des Anspruchs auf Pflichtteilsergänzung beginne mit der Kundmachung des Testamentes, welches am 1. März 1985 erfolgte, sodaß die dreijährige Verjährungsfrist, auch abgestellt auf § 786 ABGB, mit 1. März 1988 als abgelaufen angesehen werden müsse. Das Erstgericht habe demnach mit Recht das Klagebegehren wegen Verjährung abgewiesen, beginne doch auch im allgemeinen die Frist für die Schenkungsanfechtung sogar schon mit dem Tode des Erblassers. Gegen die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz richtet sich die Revision des Klägers aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Vorinstanzen eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Der Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Der Kläger stützt sich in seinem Rechtsmittel mit Recht darauf, daß es sich bei dem in einem Aktenvermerk vom 8. Februar 1987 festgehaltenen gelegentlichen Hinweis des Erstrichters, er werde ohne Überweisung der Pauschalgebühr keinen Termin anberaumen, nicht um eine gerichtliche Willensäußerung der von den Vorinstanzen unterstellten Tragweite handelte. Es ist zwar richtig, daß die Rechtsprechung selbst bei einem gesetzwidrig erteilten Auftrag zur Vornahme einer Prozeßhandlung dem Kläger zur Pflicht macht, von sich aus für den Fortgang des Rechtsstreits zu sorgen (EvBl 1974/196; EvBl 1976/6; 8 Ob 282/82; 2 Ob 155/88 ua); in solchen Fällen war aber das Gericht jeweils in der Wahrnehmung seiner Prozeßleitungsbefugnis tätig. Ein solcher Vorgang ist hier nicht ersichtlich; vielmehr muß - da sich die Vorinstanzen diesbezüglich nur auf den Aktenvermerk vom 8. Februar 1988 berufen können - der "Hinweis" des Erstrichters gelegentlich eines Gesprächs, einer Begegnung oder eines Telefonats stattgefunden haben. Einer solchen gesprächsweisen Äußerung kann aber nicht die Wirkung einer dem Kläger daraus anlastbaren Unterlassung der gehörigen Fortsetzung der Klage nach § 1497 ABGB unterstellt werden, zumal dieser durchaus damit rechnen konnte, daß das Erstgericht ihm entweder einen schriftlichen Antrag erteilen oder - wie es dem Gesetz entsprochen hätte - dennoch von sich aus tätig werde. Letztlich wurde auch nicht festgestellt, daß der Kläger von dem Aktenvermerk des Erstrichters bzw. davon wußte, daß der Erstrichter das Gespräch mit ihm aktenkundig machen werde.

Die Vorinstanzen haben festgestellt, daß der Vater des Klägers am 8. Dezember 1984 verstarb. Der Kläger hat seine Klage am 7. Dezember 1987 bei Gericht eingebracht. Unabhängig davon, ob die Verjährungsfrist vom Todestag des Erblassers oder von dem Tag der Kundmachung des Testamentes berechnet wird, hat der Kläger die Klage jedenfalls innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1487 ABGB gerichtshängig gemacht. Da sich aber die Annahme einer nicht gehörigen Fortsetzung der Klage infolge einer dem Kläger anlastbaren Untätigkeit auf Grund der oben dargelegten Erwägungen nicht als stichhältig erweist, liegt der von den Vorinstanzen herangezogene Grund zur Abweisung des Klagebegehrens nicht vor. Die Urteile der Vorinstanzen waren daher aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Kostenausspruch beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E18651

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0020OB00581.89.0926.000

Dokumentnummer

JJT_19890926_OGH0002_0020OB00581_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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