Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** Österreichische Warenhandels-Aktiengesellschaft, Salzburg, Europastraße 150, vertreten durch Dr.Peter Raits, und andere Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1. F*** Handelsgesellschaft AG, Dornbirn, Marktstraße 67, 2. F.M. Z*** Gesellschaft mbH & Co, Dornbirn, Wallenmahd 46, beide vertreten durch Dr.Leonhard Lindner, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Unterlassung (Streitwert S 350.000) infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 3.März 1989, GZ 4 R 46/89-8, womit der Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 28.Dezember 1988, GZ 5 Cg 376/88-3, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der Beschluß des Rekursgerichtes wird aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten des Rekursverfahrens.
Text
Begründung:
Die Klägerin, die Erstbeklagte und die Zweitbeklagte betreiben in verschiedenen Standorten in Österreich den Einzelhandel mit Waren aller Art in der Betriebsform sogenannter Verbrauchermärkte. Seit 1. Juli 1988 betreibt die Erstbeklagte den "D***-Markt" in Wels, Ginzkeystraße 27. In einem Rundschreiben an Lieferanten vom 3. Oktober 1988 teilte die F.M. Z*** GmbH die Rechnungsadressen der zur sogenannten "Z***-Gruppe" gehörenden Unternehmen mit; dabei gab sie für den "D***-Markt" in Wels die Firma der Zweitbeklagten an.
Im Herbst 1988 wurden im "D***-Markt" in Wels die 500-Gramm-Flasche Maresi-Alpenmilch zum Endverbraucherpreis von S 17,90, die 10-Rollenpackung Cosy-Toilettenpapier zum Endverbraucherpreis von S 29,70 und die 2-Literdose Kronenöl zum Endverbraucherpreis von S 29,90 angeboten und verkauft. Diese Preise wurden auch in der Kundenzeitschrift "Tip der Woche" als die für alle "D***-Märkte" gültigen Preise angekündigt.
Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches beantragt die Klägerin, der Erstbeklagten und der Zweitbeklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr Waren, insbesondere Maresi-Milc, Cosy-Toilettenpapier und Kronenöl, zum oder unter dem Einstandspreis zuzüglich der Umsatzsteuer und aller sonstigen Abgaben, die beim Verkauf anfallen, zu verkaufen oder zum Verkauf anzubieten. Die Zweitbeklagte fungiere gegenüber Lieferanten als Einkäuferin der im "D***-Markt" in Wels von der Erstbeklagten verkauften Waren. Die Beklagten hätten die genannten Waren unter dem Einstandspreis verkauft. Die F.M. Z*** GmbH als Hauptgesellschaft der sogenannten "Z***-Gruppe" habe mit Schreiben vom 20.September 1988 alle Lieferanten aufgefordert, bei Nachfragen von Schutzverbänden, Handelskammern etc. bei Gewerbe und Industrie im Zusammenhang mit der Verletzung des Verbotes des Verkaufes unter dem Einstandspreis keine Auskünfte über Einstandspreise der Z***-Verbrauchermärkte zu erteilen. Die Beklagten hätten mit den Preisen für die genannten Artikel gegen § 3 a Abs 1 NVG und damit auch gegen § 1 UWG verstoßen. Die Erstbeklagte und die Zweitbeklagte beantragten die Abweisung des Sicherungsantrages. Die Zweitbeklagte sei passiv nicht legitimiert, weil sie den Verbrauchermarkt in Wels nicht betreibe. Mit dem an die Lieferanten gerichteten Rundschreiben vom 20. September 1988 sollte nur klargestellt werden, daß Einstandspreise dem Geschäftsgeheimnis unterliegen und darüber keine Auskunfspflicht bestehe. Die Klägerin selbst habe in ihrer Betriebsstätte im Messepark Dornbirn die 500-Gramm-Flasche Maresi-Alpenmilch zu einem Preis angeboten und verkauft, der unter ihrem eigenen Einstandspreis liege. Da sie somit selbst gegen § 3 a Abs 1 NVG verstoßen habe, sei sie zur Verfolgung eines gleichartigen Verstoßes durch einen Mitbewerber nicht berechtigt. Die von der Erstbeklagten verlangten Verkaufspreise lägen unter Berücksichtigung aller Konditionen, Preisnachlässe und Rabatte nicht unter dem Einstandspreis. Den Preis für die 2-Literdose Kronenöl habe die Erstbeklagte an den von "C***" am 14.Oktober 1988 öffentlich angekündigten Preis angepaßt; diesem Mitbewerber sei der Verkauf des genannten Artikels um diesen Preis nicht untersagt worden. Es liege daher der Ausnahmetatbestand der Anpassung an die von Mitbewerbern offenbar zulässigerweise geforderten Preise gemäß § 3 a Abs 2 Z 4 NVG vor. Im Hinblick darauf, daß die Klägerin nur den Verkauf dreier Artikeln unter dem Einstandspreis geltend gemacht habe, sei das beantragte Verbot, Waren schlechthin zum oder unter dem Einstandspreis zu verkaufen, zu weit gefaßt.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Auf Grund der von der Klägerin vorgelegten eidesstättigen Erklärungen traf es - neben dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt - die weitere Feststellung, daß die festgestellten Endverbraucherpeise der drei genannten Artikel unter dem Einstandspreis gelegen seien, zu welchem diese Artikel für den Großmarkt in Wels von den jeweiligen Lieferanten nach Abzug aller Rabatte und sonstigen Preisnachlässe, die im Zeitpunkt der Rechnungslegung eingeräumt werden, erworben werden und jemals erworben wurden; die sehr günstigen Einstandspreise der Klägerin für diese Artikel lägen über den entsprechenden Endverbraucherpreisen der Beklagten.
In rechtlicher Hinsicht bejahte zwar das Erstgericht die Sittenwidrigkeit des beanstandeten Verhaltens der Beklagten; es wies aber die Klage dennoch ab, weil auch die Klägerin gegen § 3 a Abs 1 NVG verstoßen habe.
Das Rekursgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteige.
In rechtlicher Hinsicht ging das Rekursgericht davon aus, daß - entgegen der Auffassung des Erstgerichtes - das Klagerecht des Mitbewerbers nach § 14 UWG durch von ihm selbst begangene gleichartige Wettbewerbsverstöße nicht beeinträchtigt werde. Ein Verstoß gegen § 3 a Abs 1 NVG idF der Novelle BGBl 1988/424 sei in den drei festgestellten Fällen gegeben. Auf die in § 3 Abs 2 Z 4 NVG normierte Ausnahme könnten sich die Beklagten nicht berufen, wenn sie ihren Preis für Kronenöl an den Preis eines einzigen Mitbewerbers angepaßt hätten. In einem solchen Fall könne von einem "offenbar zulässigerweise geforderten Preis" keine Rede sein; hiefür hätten die Beklagten weitere Tatsachen behaupten und bescheinigen müssen.
Eine zumindest fahrlässig begangene Verletzung des § 3 a Abs 1 NVG begründe aber auch einen Verstoß gegen § 1 UWG, wenn sie in der Absicht begangen werde, im Wettbewerb einen Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern zu erlangen. Daß die Beklagten zumindest eine fahrlässige Verletzung des § 3 a Abs 1 NVG zu verantworten hätten, ergebe sich aus dem insoweit klaren und unmißverständlichen Wortlaut dieser Gesetzesstelle; ihre Absicht, sich durch den beanstandeten Verkauf unter dem Einstandspreis einen sachlich nicht gerechtfertigten Wettbewerbsvorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen, bedürfe schon auf Grund des objektiven Charakters eines solchen Verhaltens keines Beweises. Auch die Zweitbeklagte habe für den Verstoß gegen § 1 UWG einzustehen, weil sie durch ihr Verhalten den Verstoß der Erstbeklagten gefördert habe. Das der Zweitbeklagten zuzurechnende Schreiben ihrer Komplementärgesellschaft vom 20.September 1988 an die Lieferanten der Z***-Verbrauchermärkte habe den Zweck verfolgt, den Beweis von Verstößen gegen § 3 a Abs 1 NVG so schwer wie möglich zu machen; damit seien den Lieferanten, die sich an das "Auskunftverbot" nicht halten sollten, auch wirtschaftliche Nachteile angedroht worden.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sei das bekämpfte Verbot schon deshalb nicht zu weit gefaßt, weil ein Unterlassungsgebot dem Erfordernis, Umgehungen nicht allzu leicht zu machen, Rechnung zu tragen habe.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der wegen Mangelhaftigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revsisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist berechtigt.
Die Beklagten rügen als Verfahrensmangel, daß die in ihrer Äußerung zum Sicherungsantrag angebotene Auskunfsperson Dr.Peter H*** zur Bescheinigung ihrer Behauptung, die von der Klägerin beanstandeten Waren seien unter Berücksichtigung aller Konditionen, Preisnachlässe und Rabatte nicht unter dem Einstandspreis verkauft worden, nicht vernommen wurde. Diese Rüge ist berechtigt. Auch wenn es sich dabei um einen Mangel des Verfahrens erster Instanz handelt, waren die in erster Instanz siegreichen Beklagten nicht verpflichtet, solche Mängel in der Rekursbeantwortung zu rügen (vgl. JBl 1976, 144 betreffend das Berufungsverfahren). Der Grundsatz, daß die in erster Instanz siegreich gebliebene Partei in ihrer Rechtsmittelgegenschrift die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes nicht bekämpfen muß (SZ 26/362; SZ 48/9; SZ 55/122), ist zufolge §§ 78, 402 EO auch im Provisorialverfahren anzuwenden; er ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes auch nach der ZVN 1983, mit der das rechtliche Gehör des Berufungsgegners verbessert (669 BlgNR 15.GP 56) und das des Rekursgegners durch die Einführung der Rekursbeantwortung in § 521 a ZPO festgelegt wurde, für ordentliche Rechtsmittel aufrecht erhalten worden (SZ 59/101; 1 Ob 7/89; 1 Ob 505/89; 5 Ob 518/89). Da die Entscheidung des Rekursgerichtes auf der mit dem aufgezeigten Verfahrensmangel behafteten Tatsachenfeststellung beruht, die Beklagten hätten bestimmte Waren zum oder unter dem Einstandspreis verkauft, mußte der angefochtene Beschluß schon aus diesem Grund aufgehoben und die Sache an das Rekursgericht zur Verfahrensergänzung zurückverwiesen (§ 496 Abs 3 ZPO) werden.
Der Vernehmung der genannten Auskunftsperson zum Nachweis der Behauptung der Zweitbeklagten, sie habe mit dem Lieferantenrundschreiben vom 20.September 1988 Verstöße gegen § 3 a Abs 1 NVG nicht verschleiern wollen (auch in dieser Richtung erblicken die Beklagten eine relevante Mangelhaftigkeit des Verfahrens), bedarf es dagegen nicht; die Haftung der Zweitbeklagten für die im "D***-Markt" in Wels begangenen Wettbewerbsverstöße ergibt sich nämlich schon daraus, daß sie gegenüber den Lieferanten als Betreiber dieses Marktes aufgetreten ist. Daran kann auch die Tatsache, daß dieser Großmarkt seit 1.Juli 1988 auf Grund einer Gewerbeanmeldung (Anmerkung einer weiteren Betriebsstätte) der Erstbeklagten betrieben wird, nichts ändern. Treten aber die Erstbeklagte und die Zweitbeklagte dem Publikum gegenüber als Betreiber dieses Unternehmens auf, dann haften sie für die in diesem Unternehmen begangenen Wettbewerbsverstöße gemäß § 18 UWG. Die mit den Lieferantenrundschreiben vom 20.September 1988 verfolgte Absicht kann daher auf sich beruhen.
Beizupflichten ist dem Rekursgericht - entgegen den nicht näher begründeten Rechtsmittelausführungen der Beklagten - auch darin, daß das Klagerecht des Mitbewerbers nach § 14 UWG durch eigene gleichartige Wettbewerbsverstöße nicht beeinträchtigt wird (SZ 50/139; ÖBl. 1980, 95; ÖBl. 1986, 100; ÖBl. 1986, 102 = SZ 59/25). Daß die Klägerin allenfalls selbst Waren unter dem Einstandspreis verkauft hat, ist daher für ihre Klageberechtigung ohne Bedeutung.
Da somit vorerst noch gar nicht feststeht, ob die Beklagten überhaupt Waren unter dem Einstandspreis verkauft haben, braucht auf den Ausnahmetatbestand des § 3 a Abs 2 Z 4 NVG derzeit nicht eingegangen zu werden.
Aus den dargelegten Gründen war dem Revisionsrekurs daher im Sinne einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses stattzugeben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 78, 402 EO, § 52 Abs 1 ZPO.
Anmerkung
E18852European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0040OB00068.89.0926.000Dokumentnummer
JJT_19890926_OGH0002_0040OB00068_8900000_000