Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler (Arbeitgeber) und Walter Benesch (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Liselotte W***, Pensionistin, 1210 Wien, Karl Benzweg 8, vertreten durch Dr. Alfred Pribik, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*** DER A***, 1021 Wien, Friedrich
Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wegen Witwenpension, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 5. April 1989, GZ 32 Rs 50/89-30, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 22. Dezember 1988, GZ 16 Cgs 1201/87-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit 3.087,- S (darin 514,50 S Umsatzsteuer und keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Ehe der Klägerin wurde am 21. September 1981 geschieden. Ihr früherer Ehemann verstarb am 9. Mai 1987. Er war auf Grund des Teilanerkenntnisurteils vom 7. April 1982 verpflichtet, ihr ab 1. Februar 1982 einen Unterhalt in der Höhe von 20 % des jeweiligen Nettoeinkommens aus einem Dienst-, Arbeits- oder Pensionsverhältnis zu bezahlen. In einem außergerichtlichen Vergleich vom 27. Oktober/4. November 1983 vereinbarte die Klägerin mit ihrem früheren Ehemann ab 1. November 1983 die Erhöhung des angeführten Prozentsatzes auf 24 %.
Der frühere Ehemann der Klägerin erhielt in der Zeit von Mai 1986 bis April 1987 aus seinem Dienstverhältnis ein Entgelt von insgesamt 476.054,36 S netto, wovon 114.621,59 S auf Sonderzahlungen entfielen. Sein Dienstgeber zahlte hievon zur Erfüllung der Unterhaltsverpflichtung 115.465,- S an die Klägerin. Mit Bescheid vom 23. September 1987 anerkannte die beklagte Partei den Anspruch der Klägerin auf Witwenpension und setzte deren Höhe mit 7.500,- S monatlich fest.
Die Klägerin begehrte zuletzt die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihr "die Witwenpension von 7.500,- S nicht brutto, sondern netto unter Berücksichtigung der jeweiligen Pensionsanpassung auszubezahlen". Um einen Nettobetrag von 7.500,- S zu erhalten, sei ein Bruttobetrag von 8.360,- S (monatlich) notwendig. Ihr Unterhaltsanspruch gegenüber ihrem früheren Ehemann sei höher gewesen.
Die beklagte Partei wendete ein, daß der frühere Ehemann der Klägerin ohne Berücksichtigung der Sonderzahlungen nur zu einer Unterhaltsleistung von 7.079,- S monatlich verpflichtet gewesen sei. Da er tatsächlich (ohne Berücksichtigung der Sonderzahlungen) 7.500,- S bezahlt habe, sei die Witwenpension in dieser Höhe festgesetzt worden.
Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin ab 9. Mai 1987 eine Witwenpension von 8.360,- S monatlich brutto unter Berücksichtigung der jeweiligen Pensionsanpassung zu bezahlen. Bei der Ermittlung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin, der gemäß § 264 Abs.4 ASVG die Höhe der Witwenpension begrenze, seien entgegen der Ansicht der beklagten Partei die Sonderzahlungen zu berücksichtigen, die der frühere Ehemann der Klägerin erhalten habe. Nach diesen Grundsätzen betrage der gesetzliche Pensionsanspruch der Klägerin zum Stichtag 1. Juni 1987 9.622,08 S (monatlich). Das Begehren auf Bezahlung eines Nettobetrages von 7.500,- S, der einem Bruttobetrag von 8.360,- S entspreche, sei daher berechtigt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Für ihre Ansicht, daß bei der Ermittlung des für die Pensionshöhe maßgebenden Unterhaltsanspruchs der Klägerin die Sonderzahlungen, die ihr früherer Ehemann erhielt, nicht zu berücksichtigen seien, finde sich im Gesetz kein Anhaltspunkt. Gegen dieses Urteil richtet sich, soweit damit die Witwenpension in einem 7.500,- S monatlich übersteigenden Ausmaß zuerkannt wurde, die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß das Klagebegehren auf Zuerkennung einer höheren Bruttopension als 7.500,- S, allenfalls 8.247,50 S monatlich abgewiesen wird.
Die Klägerin erstattete eine Revisionsbeantwortung, ohne darin einen Antrag zu stellen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Klägerin hat gemäß § 258 Abs.4 ASVG Anspruch auf Witwenpension. Gemäß § 264 Abs.4 dieses Gesetzes darf eine solche Witwenpension den gegen den Versicherten (die Versicherte) zur Zeit seines (ihres) Todes bestehenden und mit dem im Zeitpunkt des Pensionsanfalls für das Jahr des Todes geltenden Aufwertungsfaktor (§ 108 c) aufgewerteten Anspruch auf Unterhalt (Unterhaltsbeitrag), vermindert um eine der (dem Anspruchsberechtigten nach dem (der) Versicherten gemäß § 215 Abs.3 gebührenden Witwen(Witwer)Rente, sowie die der hinterlassenen Witwe (dem hinterlassenen Witwer) aus demselben Versicherungsfall gebührenden Witwen(Witwer)Pension nicht übersteigen.
Hier ist strittig, ob bei der Ermittlung des Unterhaltsanspruchs, der die Höhe der Witwenpension begrenzt, die Sonderzahlungen zu berücksichtigen sind, die der verstorbene unterhaltspflichtige Versicherte erhielt. Die beklagte Partei verneint dies mit der Begründung, daß auch bei der Frage des Ruhens einer Pension gemäß § 94 ASVG und des Wegfalls einer vorzeitigen Alterspension gemäß § 253 b Abs.2 ASVG Sonderzahlungen nicht berücksichtigt würden und daß bei Berücksichtigung der Sonderzahlungen die Witwe ungerechtfertigt begünstigt werde, weil sie gemäß § 105 ASVG Anspruch auf Pensionssonderzahlungen habe. Der beklagten Partei ist einzuräumen, daß es Ziel der Regelung des § 264 Abs.4 ASVG ist, die Versorgung der geschiedenen Frau höchstens in dem Ausmaß sicherzustellen, in dem sie zu Lebzeiten des Mannes Unterhalt erhielt (vgl. EBzRV 29. ASVGNov. 404 BlgNR 13.GP 105). Es ist ihr ferner zuzugeben, daß dieses Ziel nicht erreicht wird, wenn man bei der Ermittlung des Unterhaltsanspruchs der Witwe die ihrem früheren Ehemann zustehenden Sonderzahlungen berücksichtigt. Der Unterhalt war ihr nämlich gemäß § 1418 ABGB nur zwölfmal im Jahr zu bezahlen, während sie den entsprechenden Pensionsbetrag zufolge § 105 ASVG vierzehnmal jährlich erhält. Dem angeführten Ziel des § 264 Abs.4 ASVG würde daher Rechnung getragen, wenn man bei einem in Bruchteilen der Bezüge des früheren Ehemannes geschuldeten Unterhalt (vgl. § 10 a EO) die Sonderzahlungen außer Betracht ließe, weil dann die der Witwe insgesamt zu leistenden Pensionszahlungen etwa dem ihr gebührenden Unterhalt entsprächen, während sie andernfalls diesen Unterhalt übersteigen. Dennoch kann der Ansicht der beklagten Partei nicht gefolgt werden:
Wenn sich - wie hier - aus dem Titel nichts anderes ergibt, ist der in einem Bruchteil der Bezüge geschuldete Unterhalt auch von den dem Unterhaltspflichtigen gebührenden Sonderzahlungen zu leisten. Der Anspruch auf Unterhalt richtet sich daher auch nach der Höhe dieser Sonderzahlungen. Der Wortlaut des § 264 Abs.4 ASVG bietet keinen Anhaltspunkt dafür, daß für die Witwenpension etwas anderes gilt. Die von der beklagten Partei gewünschte Auslegung würde zu einer Begünstigung jener Witwen führen, denen der Unterhalt in einem festen Betrag geschuldet wird. Da einerseits für ihren Unterhaltsanspruch auch die Sonderzahlungen maßgebend sind und in der Praxis auch herangezogen werden (vgl. EFSlg. 47.497 uva.), anderseits hier aber bei der Festsetzung der Witwenpension mangels verläßlicher Grundlagen nicht von einem anderen als dem geschuldeten Unterhaltsbetrag ausgegangen werden kann, sind die Sonderzahlungen bei diesen Witwen auf die Höhe der Pension von Einfluß, obwohl auch sie ihnen vierzehnmal jährlich zu bezahlen ist. Eine Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung läßt sich nicht finden. Die von der beklagten Partei gewünschte Auslegung des § 264 Abs.4 ASVG würde daher gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen und somit zu einem verfassungswidrigen Ergebnis führen, weshalb sie abzulehnen ist (vgl. JBl. 1978, 438 ua.). Schon deshalb ist für den Standpunkt der beklagten Partei auch aus den §§ 94 und 253 b ASVG nichts zu gewinnen, weshalb auf die von ihr hieraus abgeleiteten Argumente nicht weiter eingegangen werden muß.
Die beklagte Partei meint ferner zu Unrecht, die Pension der Klägerin dürfe jedenfalls nicht mehr als 8.247,50 S betragen. Der ihr im Jahr vor dem Tod ihres früheren Ehemannes bezahlte Unterhalt von 115.465,- S müsse nämlich durch 14 geteilt werden, weil sie in diesem Zeitraum "de facto" vierzehn und nicht zwölf Unterhaltsbeträge erhalten habe. Da die Witwenpension monatlich gebührt (vgl. § 104 Abs.2 ASVG), kommt es auf die Höhe des in einem Monat zustehenden Unterhaltsanspruchs an. Dieser Anspruch kann aber nur dadurch ermittelt werden, daß der für einen bestimmten Zeitraum gebührende Unterhalt durch die Anzahl der in diesen Zeitraum fallenden Monaten geteilt wird, bei Berücksichtigung des Jahresunterhalts daher durch zwölf. Ohne Bedeutung ist hingegen, wie oft der Unterhaltspflichtige in diesem Zeitraum Bezüge erhielt und ob darin Sonderzahlungen enthalten sind.
Dem § 264 Abs.4 ASVG ist nicht zu entnehmen, aus welchem Zeitraum der für das Ausmaß der Witwenpension maßgebende Unterhaltsanspruch heranzuziehen ist. Grundsätzlich wird es auf den Unterhaltsanspruch des Monats ankommen, in dem der Versicherungsfall eingetreten, also der Versicherte verstorben ist (vgl. § 223 Abs.1 Z 3 ASVG). Der Oberste Gerichtshof ist aber in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen und den Parteien der Auffassung, daß es das dargestellte Ziel der angeführten Bestimmung erfordert, einen längeren Zeitraum zu berücksichtigen, wenn die Heranziehung des Unterhaltsanspruchs für den Monat, in den der Tod des Versicherten fällt, zu einem atypischen und daher sachlich nicht gerechtfertigten Ergebnis führen würde, wobei im allgemeinen der Zeitraum eines Jahres in Betracht kommen wird.
In dem vor dem Tod ihres früheren Ehemannes liegenden Jahr hatte die Klägerin Anspruch auf einen Unterhalt in der Höhe von 114.253,04 S (= 24 % von 476.054,36 S) und somit 9.521,09 S im Monat. Die Pension, die das Erstgericht der Klägerin zusprach, liegt unter diesem Betrag. Es wurde von der beklagten Partei nicht behauptet und es ergibt sich auch aus dem Verfahren kein Anhaltspunkt dafür, daß sie aus anderen Gründen nicht dem Gesetz entspricht. Hiezu muß daher nicht weiter Stellung genommen werden. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 77 Abs.1 Z 2 lit.a ASGG.
Anmerkung
E18953European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:010OBS00228.89.0926.000Dokumentnummer
JJT_19890926_OGH0002_010OBS00228_8900000_000