TE Vfgh Erkenntnis 2001/10/11 B2396/98

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Veröffentlicht am 11.10.2001
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art18 Abs2
StGG Art5
Flächenwidmungsplan der Gemeinde Grafenbach - St. Valentin vom 24.04.96
Nö BauO §11 Abs2
Nö ROG 1976 §14 Abs2
Nö ROG 1976 §22 Abs1
Regionales Rauomordnungsprogramm Wiener Neustadt-Neunkirchen. LGBl 8000/75

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Versagung einer Bauplatzerklärung für ein als Grünland gewidmetes Grundstück; keine Bedenken gegen die Umwidmung des Grundstücks von Bauland-Wohngebiet in Grünland-Landwirtschaft; keine Bindungswirkung des regionalen Raumordnungsprogrammes Wiener Neustadt-Neunkirchen mangels normativer Aussagen

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Beschwerdeführer sind je zur Hälfte Eigentümer der Grundparzellen Nr. 746/4 und .211, inneliegend in der EZ 376, KG St. Valentin - Landschach. Die Grundparzelle .211 ist umgeben von der Grundparzelle Nr. 746/4 und entspricht dem Grundriss eines bestehenden Gebäudes. Mit Schreiben vom 9. März 1998 beantragten sie gemäß §11 Abs2 Niederösterreichische Bauordnung 1996 (idF NÖ Bauordnung 1996) bei der Marktgemeinde Grafenbach - St. Valentin, die Grundparzelle Nr. 746/4 zum Bauplatz zu erklären.

Am 16. März 1998 richtete der Bürgermeister der Marktgemeinde Grafenbach - St. Valentin ein mit Briefkopf der Gemeinde versehenes Antwortschreiben an den Rechtsvertreter der Beschwerdeführer, in welchem er mitteilte, dass die Grundparzelle Nr. 746/4 im rechtsgültigen Flächenwidmungsplan im Grünland liege und somit keine Bauplatzerklärung erteilt werden könne. Das Schreiben trug die eigenhändige Unterschrift des Bürgermeisters sowie eine Amtsstampiglie der Marktgemeinde Grafenbach - St. Valentin.

2. Über die dagegen erhobene Berufung entschied der Gemeinderat der Gemeinde Grafenbach - St. Valentin mit Bescheid vom 27. Oktober 1998, indem er sie "als unzulässig" abwies und den angefochtenen Bescheid bestätigte. Begründet wurde die Entscheidung wiederum im Wesentlichen damit, dass die betreffende Grundparzelle im Grünland liege und daher nach §11 Abs1 NÖ Bauordnung 1996 keine Bauplatzerklärung erteilt werden könne.

3. Mit Bescheid vom 19. November 1998 wies die Niederösterreichische Landesregierung die gegen den Bescheid des Gemeinderates erhobene Vorstellung als unbegründet ab und führte aus, dass entgegen der Rechtsauffassung der Vorstellungswerber der Erledigung des Bürgermeisters keinesfalls Bescheidcharakter zukomme, der Gemeinderat habe daher "zu Recht die Berufung als unzulässig zurückgewiesen", weil ein Bescheid nicht vorliege.

Die Vorstellungsbehörde führte weiters in der Sache aus, gemäß §11 Abs2 der NÖ Bauordnung 1996 habe die Baubehörde auf Antrag des Eigentümers eine Grundparzelle im Bauland unter bestimmten Voraussetzungen mit Bescheid zum Bauplatz zu erklären. Nachdem die verfahrensgegenständliche Grundparzelle im Entscheidungszeitpunkt im rechtsgültigen Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde Grafenbach - St. Valentin als Grünland gewidmet sei, stelle sich schon aus diesem Grund die Erklärung derselben zum Bauplatz als unzulässig dar, weshalb auf die Kriterien des §11 Abs2 der NÖ Bauordnung 1976 (wohl gemeint: 1996) auch nicht näher einzugehen sei.

4. Die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 19. November 1998 behauptet die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG, Art7 B-VG) und auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm (Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Grafenbach - St. Valentin über die Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes vom 24. April 1996).

Die Beschwerdeführer bringen vor, die Voraussetzungen des §22 Abs1 Z1 bis 4 Niederösterreichisches Raumordnungsgesetz 1976 (idF NÖ ROG 1976) für die Umwidmung ihrer Grundparzelle seien nicht vorgelegen. Weiters sei nach dem zur Zeit der Umwidmung des Grundstückes geltenden §2 Z7 der NÖ Bauordnung 1976 die Liegenschaft schon von Gesetzes wegen Bauland gewesen, die Grundparzelle sei auch nach §11 Abs1 Z4 NÖ Bauordnung 1996 von Gesetzes wegen ein Bauplatz und es sei auch nicht von der Empfehlung des §5 Abs6 der Verordnung der NÖ Landesregierung über ein regionales Raumordnungsprogramm 115/82 (gemeint wohl: LGBl. 8000/75-0), erfasst, wonach über die empfohlenen Siedlungsgrenzen hinaus Flächen nicht als Bauland ausgewiesen werden sollen. Das Gesetz verleihe dem Flächenwidmungsplan eine erhöhte Bestandsgarantie, der Gemeinderatsbeschluss vom 24. April 1996 über die Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes sei außerdem wegen fehlender Grundlagen und Begründungsmangels gesetzwidrig. Die Voraussetzungen der §§16 und 30 NÖ ROG 1976 seien nicht vorgelegen, daher sei die als "Rückwidmung" bezeichnete Umwidmung gesetzwidrig und es sei ferner auch die Änderung des Bebauungsplanes gesetzlich nicht zulässig. Ebenfalls sei nach Ansicht der Beschwerdeführer die Genehmigung des örtlichen Raumordnungsprogrammes der Gemeinde Grafenbach - St. Valentin durch die Niederösterreichische Landesregierung gesetzwidrig. Schließlich machen die Beschwerdeführer geltend, der angefochtene Bescheid verletze sie in ihrem Recht auf Erklärung ihrer Grundparzelle zum Bauplatz sowie in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums.

5. Die Gemeinde Grafenbach - St. Valentin legte Teile der Verordnungsakten vor.

6. Die Niederösterreichische Landesregierung als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die bekämpfte Verordnung verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

7. Die Beschwerdeführer haben auf die Gegenschrift der belangten Behörde repliziert.

II. Den Akten ist betreffend das Zustandekommen des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Grafenbach - St. Valentin vom 24. April 1996 folgender Sachverhalt zu entnehmen:

1.1. Der Gemeinderat hatte bereits im Jahr 1993 ein Verfahren zur Neuerlassung des damals gültigen Flächenwidmungsplanes (Beschluss des Gemeinderates vom 4. Oktober 1976) eingeleitet.

1.2. Im Bericht zur Grundlagenforschung vom 30. September 1993 wurde im Hinblick auf Bereiche mit bestehender Baulandwidmung Folgendes ausgeführt:

"Die extrem steile Hanglage, sowie das Orts- und Landschaftsbild sind ausschlaggebend für eine Begrenzung der Baulandwidmung in Hanglagen. Eine Forcierung der Baulandentwicklung in diesen Bereichen würde eine Anzahl von infrastrukturellen Maßnahmen seitens der Gemeinde nach sich ziehen und das Orts- und Landschaftsbild nachhaltig beeinflussen und beeinträchtigen."

1.3. Im Erläuterungsbericht vom 28. Oktober 1993 wurden in allgemeiner Weise unter anderem folgende Aussagen getroffen:

"Bei der Erstellung des Örtlichen Raumordnungsprogrammes wurde(n) insbesondere die Vorgaben des regionalen Raumordnungsprogrammes für die Planungsregion Wiener Neustadt-Neunkirchen berücksichtigt, die in dem derzeit vorhandenen Flächenwidmungsplan in keiner Weise eingearbeitet waren. Insbesondere landwirtschaftlich wertvolle Flächen und die Siedlungsgrenzen, die zwar nicht rechtsverbindlich sind, wurden bei der Ortsentwicklung beachtet. (...)

Bei der gesamten Analyse des Siedlungsraumes in der Gemeinde Grafenbach - St. Valentin zeigte sich, daß teilweise eine Fehlentwicklung - Bebauung in peripherer Lange - stattgefunden hat. In günstigeren Lagen sind jedoch noch große Baulandreserveflächen vorhanden, die ungenützt sind. Als generelles Leitziel wird angestrebt, die schon stattgefundene Fehlentwicklung 'einzufrieren' und im Gegenzug die einzelnen Ortsteile - vom Zentrum nach außen hin -, zu kompakten Siedlungsräumen umzugestalten. Bei der Ortsentwicklung zu kompakten Siedlungsräumen wurden auch alle vorher angeführten Parameter (Wald, regionales Raumordnungsprogramm, Barrieren, etc.) beachtet, aber insbesonders die Topographie. Hangbebauungen sollen in Zukunft speziell aus Orts- und Landschaftsbildgründen, sowie auch aus finanziellen Überlegungen - betreffend die technische Infrastruktur - vermieden werden. (...)

Wie schon (...) erläutert, ist trotz steigender Bevölkerungsentwicklung im derzeit rechtskräftigen Flächenwidmungsplan zuviel Bauland ausgewiesen. Wie schon vorher erläutert, muß es zu einer, der Entwicklung angepaßten Ausweisung von Bauland kommen, die unter Berücksichtigung aller oben angeführten Parameter, erfolgt. (...)"

1.4. Bezüglich der Umwidmung der in der KG St. Valentin - Landschach gelegenen Grundparzelle Nr. 746/4 von Bauland - Wohngebiet in Grünland - Landwirtschaft und der Grundparzelle .211 von Bauland - Wohngebiet in Grünland - erhaltenswerter Bau wird auf S. 11 im Punkt 5 des Erläuterungsberichtes vom 28. Oktober 1993 Folgendes ausgeführt:

"In topographisch ungünstiger Stelle (extreme Hanglage) hat an der zum Siedlungsgebiet entferntesten Stelle die bauliche Entwicklung begonnen. Diese Fehlentwicklung (fingerartige Siedlungsentwicklung) ist nicht weiter zu forcieren, daher wurde das Bauland in diesem Bereich rückgewidmet."

1.5. Die damalige Grundeigentümerin der Grundparzellen Nr. 746/4 und Nr. 211, KG St. Valentin - Landschach, und Rechtsvorgängerin der nunmehrigen Beschwerdeführer erhob schriftliche Einwendungen gegen die Umwidmung ihrer Grundparzellen.

Hiezu führte der Gemeinderat in seiner diesbezüglichen Stellungnahme aus:

"(...)

In topographisch ungünstiger Lage (extreme Hanglage) hat an der zum Siedlungsgebiet entferntester (n) Stelle die bauliche Entwicklung begonnen. Diese Fehlentwicklung (fingerartige Siedlungsentwicklung) ist nicht weiter zu forcieren, daher wurde das Bauland in diesem Bereich rückgewidmet.

Bei Erlassung des örtlichen Raumordnungsprogrammes ist auf weitere Paragraphen des NÖ-ROG besonders Bedacht zu nehmen:

§14, Abs2, Pkt. 1: Die Inanspruchnahme des Bodens für bauliche Nutzungen aller Art ist auf ein unbedingt erforderliches Ausmaß zu begrenzen.

Daraus ist abzuleiten, wie aus der Grundlagenforschung, insbesonders durch die Flächenbilanz und die Bevölkerungsprognose, hervorgeht, daß die derzeit gewidmeten Baulandflächen im Verhältnis zur Bevölkerungsentwicklung im krassen Gegensatz stehen und somit entsprechende Rückwidmungen notwendig sind.

§14, Abs2, Pkt. 2: Die für die land- und forstwirtschaftliche Produktion wertvollen Flächen sind, soweit nicht andere Ziele Vorrang haben, für die land- und forstwirtschaftliche Nutzung sicherzustellen.

§14, Abs2, Pkt. 13: Grünland für land- und forstwirtschaftliche Nutzung ist möglichst so auszuweisen, daß eine rationelle Bearbeitung gewährleistet und eine Behinderung, insbesondere durch nichtland- und nichtforstwirtschaftliche Betriebsstätten oder Baulandeinschlüsse, nach Möglichkeit vermieden wird.

Aus diesen beiden Punkten ist abzuleiten, daß der gegenständliche Bereich, laut Grundlagenforschung in einer landwirtschaftlich wertvollen Zone liegt. Daher überwiegt das Interesse an der Erhaltung der landwirtschaftlichen Funktion. Um diese auch zukünftig sichern zu können, sollen Baulandeinschlüsse wie in diesem Bereich ersichtlich, vermieden werden. Um eine weitere Bebauung zu verhindern, wurde der bauliche Bestand gesichert und gleichzeitig die für die Landwirtschaft notwendigen Produktionsflächen gesichert.

§14, Abs2, Pkt. 6: Wohnbauland ist unter Berücksichtigung der geographischen Verhältnisse, der Siedlungsstruktur und der wirtschaftlichen Gegebenheiten an bebautes Gebiet anzuschließen.

Aus diesem Punkt ist abzuleiten, daß das gegenständliche Gebiet nicht unmittelbar an bebautes Bauland anschließt. Die Parzelle 744 ist eine zirka 150 m lange unbebaute Parzelle. Weiters ist aus der Grundlagenforschung ersichtlich, daß es sich um einen steilen Hang, der weithin sichtbar ist, handelt und somit auch die topographischen Verhältnisse nicht als gut anzusehen sind. (...)"

1.6. Im "Erläuterungsbericht zum Beschlussexemplar vom 14. November 1995" wird dem unter 2.3. genannten Punkt 5 Folgendes angefügt:

"Die im kundgemachten Örtlichen Raumordnungsprogramm festgelegte öffentliche Verkehrsfläche wird als Grünland-Landwirtschaft gewidmet, da sich die jeweiligen Zufahrten zu den einzelnen Grundstücken in Privatbesitz befinden und die Gemeinde in diesem Bereich die Errichtung einer öffentlichen Verkehrsfläche nicht anstrebt."

1.7. Am 24. April 1996 beschloss der Gemeinderat der Gemeinde Grafenbach - St. Valentin die Neuerlassung des örtlichen Raumordnungsprogrammes, am 11. Juli 1996 wurde dieses durch Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung aufsichtsbehördlich genehmigt.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Verfassungsgerichtshof hat bei seiner Entscheidung über die zulässige Beschwerde die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Grafenbach - St. Valentin vom 24. April 1996, aufsichtsbehördlich genehmigt durch Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 11. Juli 1996, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit von 23. Juli 1996 bis 7. August 1996, insofern anzuwenden, als die für die Grundparzelle Nr. 746/4, KG St. Valentin - Landschach ausgewiesene Widmung Grünland - Landwirtschaft entscheidend für die Nichterteilung der beantragten Bauplatzerklärung war. Die Tatsache, dass die Vorstellungsbehörde der Erledigung des Bürgermeisters allenfalls zu Unrecht den Bescheidcharakter absprach und davon ausging, dass der Gemeinderat daher die Berufung zu Recht als unzulässig zurückgewiesen hatte, belastet als formales Begründungselement der angefochtenen Vorstellungsentscheidung diese jedenfalls insgesamt noch nicht mit Rechtswidrigkeit, da der angefochtene Bescheid sich jedenfalls auch auf das materielle Begründungselement der Widmung stützt.

2. Es ist zu prüfen, ob ein in §22 Abs1 NÖ ROG 1976 in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung LGBl. 8000-10 normierter oder ein sonstiger rechtmäßiger Anlass für die Änderung eines örtlichen Raumordnungsprogrammes - das gemäß §13 Abs3 NÖ ROG 1976 insbesondere einen Flächenwidmungsplan zu enthalten hat - gegeben war:

2.1. Die Gemeinde Grafenbach - St. Valentin nennt im Bericht zur Grundlagenforschung vom 30. September 1993 die extrem steile Hanglage und das Orts- und Landschaftsbild als ausschlaggebend für eine Begrenzung der Baulandwidmung in Hanglagen. Eine Forcierung der Baulandwidmung in diesen Bereichen würde eine Anzahl von infrastrukturellen Maßnahmen seitens der Gemeinde nach sich ziehen und das Orts- und Landschaftsbild nachhaltig beeinflussen und beeinträchtigen.

Im Erläuterungsbericht vom 28. Oktober 1993 wurde als generelles Leitziel der örtlichen Raumordnung weiters angeführt, die "stattgefundene Fehlentwicklung" der Bebauung in peripherer Lage "einzufrieren" und im Gegenzug die einzelnen Ortsteile - vom Zentrum nach außen hin - zu kompakten Siedlungsräumen umzugestalten.

Hinsichtlich der Umwidmung der betreffenden Grundparzelle führt die Gemeinde im Erläuterungsbericht vom 28. Oktober 1993 aus, dass an topographisch ungünstiger Stelle an der zum Siedlungsgebiet entferntesten Stelle die bauliche Entwicklung begonnen hätte und dass diese Fehlentwicklung nicht weiter zu forcieren sei, daher würde das Bauland in diesem Bereich rückgewidmet.

In seiner Stellungnahme zu den vorgebrachten Einwendungen der damaligen Grundeigentümerin gegen die Umwidmung führte der Gemeinderat aus, dass das gegenständliche Gebiet nicht unmittelbar an bebautes Bauland anschließe, dass es sich um einen steilen Hang, der weithin sichtbar ist, handle und somit auch die topographischen Verhältnisse nicht als gut anzusehen seien.

2.2. Wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 11.374/1987 zum - bezüglich der Voraussetzungen für die Änderung eines örtlichen Raumordnungsprogrammes mit den niederösterreichischen Regelungen vergleichbaren - burgenländischen Raumplanungsrecht unter Berufung auf VfSlg. 9361/1982 ausgesprochen hat, bewirkt nicht jede Änderungsabsicht schlechthin, sondern begründen nur neue Zielsetzungen allgemeiner Art eine wesentliche, eine Umwidmung rechtfertigende Änderung der Planungsgrundlagen. Es reicht sohin nicht aus, "wenn der Gemeinderat zur Auffassung gelangt, eine andere Widmung als die von ihm seinerzeit festgelegte wäre die bessere, vernünftigere und zweckmäßigere". Der Verfassungsgerichtshof ist jedoch in seiner bisherigen Judikatur auch davon ausgegangen, dass der Verordnungsgeber berechtigt ist, unabhängig von den in den gesetzlichen Bestimmungen - im gegenständlichen Fall in §22 Abs1 NÖ ROG 1976 - aufgestellten Kriterien für die Änderung eines Flächenwidmungsplanes ein früheres (rechtswidriges) Vorgehen zu korrigieren und auf Grund eines nunmehr gesetzmäßigen Planverfahrens eine andere, gesetzmäßige Widmung zu verfügen (VfSlg. 12.555/1990, 13.354/1993, 15.056/1997, 15.682/1999).

2.3. §14 Abs2 Z6 und 7 NÖ ROG 1976 in der zum Zeitpunkt der Erlassung des Flächenwidmungsplanes 1976 geltenden Fassung LGBl. 8000-0 lauteten:

"6. Wohnbauland ist unter Berücksichtigung der geographischen Verhältnisse, der Siedlungsstruktur und der wirtschaftlichen Gegebenheiten an bebautes Gebiet anzuschließen; zentrale Wasserversorgung oder Anschluß an eine solche, Kanalisation mit Kläranlage oder Anschluß an eine solche, Versorgung mit elektrischer Energie, geordnete Müllbeseitigung, Flächen für den ruhenden Verkehr und Fernsprechanschlüsse als Grundausstattung müssen sichergestellt werden können.

7. Für Wohnbauland ohne Anschluß an bebautes Gebiet ist eine Grundausstattung gemäß Z. 6 in einem örtlichen Raumordnungsprogramm vorzusehen."

Die dem §14 Abs2 Z6 und 7 NÖ ROG 1976, LGBl. 8000-0, entsprechende Regelung des §14 Abs2 Z8 der am 1. Jänner 1996 in Kraft getretenen 6. Novelle zum NÖ ROG 1976, LGBl. 8000-10, hat folgenden Wortlaut:

"Wohnbauland ist unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und der Siedlungsstruktur an bestehendes Siedlungsgebiet so anzuschließen, daß geschlossene und wirtschaftlich erschließbare Ortsbereiche entstehen."

Der Verfassungsgerichtshof ist der Ansicht, dass die Umwidmung einer Grundfläche von Bauland - Wohngebiet in erhaltenswerter Bau im Grünland (Grundparzelle .211) mit einer sie umgebenden Widmung Grünland - Landwirtschaft (Grundparzelle Nr. 746/4) zur Korrektur einer sowohl zum Zeitpunkt der Widmung in Bauland - Wohngebiet (Verordnung vom 4. Oktober 1976) als auch zum Zeitpunkt der Umwidmung (Verordnung vom 24. April 1996) gesetzwidrigen - im Widerspruch zu §14 Abs2 Z6 und 7 NÖ ROG 1976, LGBl. 8000-0 und zu §14 Abs2 Z8 NÖ ROG 1976, LGBl. 8000-10, stehenden - Wohnbaulandwidmung diente. Die Gemeinde erkannte die "fingerförmige", gesetzwidrige Siedlungsentwicklung im Grünland in topographisch ungünstiger, weil peripherer Lage und widmete die Grundparzelle Nr. 746/4 und umliegende Grundstücke von Bauland - Wohngebiet in Grünland - Landwirtschaft zurück. Gleichzeitig sicherte sie die bereits bestehenden Gebäude - wie auch jenes der Beschwerdeführer auf der Grundparzelle .211 - durch die Widmung "erhaltenswerte Bauten im Grünland" gemäß §19 Abs5 NÖ ROG 1976 ab und ermöglichte dadurch Veränderungen am erhaltenswerten Bau im Rahmen des §19 Abs5 NÖ ROG 1976. Die Rückwidmung der Grundparzelle Nr. 746/4 steht auch in keinem Widerspruch zum Gleichheitssatz, an dem Planänderungen vom Verfassungsgerichtshof (VfSlg. 3809/1960, 4240/1962, 8163/1977, 8259/1978, 11.075/1986 und 13.282/1992) stets gemessen wurden. Wenn die Beschwerdeführer behaupten, dass die Auswahl der für eine Rückwidmung in Betracht kommenden Liegenschaften nicht nach sachlichen Kriterien erfolgt ist, so ist ihnen zu entgegnen, dass der Gemeinde im Falle der Beseitigung einer gesetzwidrigen Widmung kein Auswahlermessen zusteht.

3. Wenn die Beschwerdeführer meinen, dass die Grundparzelle Nr. 746/4 gerade durch die Verordnung über ein regionales Raumordnungsprogramm für die Planungsregion Wiener Neustadt-Neunkirchen, LGBl. 8000/75-0, als gewidmete Baulandfläche ausgewiesen ist, so ist ihnen entgegenzuhalten, dass dieses Raumordnungsprogramm bezüglich der in der Anlage als gewidmete Baulandfläche gekennzeichneten Flächen keine normativen Aussagen trifft, weshalb das überörtliche Raumordnungsprogramm diesbezüglich keine für die Gemeinde bei der Erstellung ihres örtlichen Raumordnungsprogrammes bindende Wirkung entfaltet.

4. Auch die nicht näher ausgeführten Bedenken gegen den Bebauungsplan gehen ins Leere, da dieser bei der Erlassung eines Bescheides gemäß §11 Abs2 NÖ BauO 1996 nicht präjudiziell ist.

5. Zur behaupteten Verletzung des Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) stützen sich die Beschwerdeführer im Wesentlichen auf ihr Vorbringen bezüglich der Gesetzwidrigkeit der Verordnung. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides ist - mangels weiter gehender Behauptungen - die Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes für den Verfassungsgerichtshof nicht erkennbar. Die Frage der Rechtmäßigkeit der bereits näher ausgeführten formellen und materiellen Begründungselemente des angefochtenen Bescheides ist jedenfalls - ebenso wie die Frage, ob die Grundparzelle Nr. 746/4 bereits nach den Bestimmungen der NÖ BauO 1996 ein Bauplatz ist - einfachgesetzlicher Natur.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Bauplatzgenehmigung, Bescheidbegründung, VfGH / Präjudizialität, Auslegung eines Bescheides

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:B2396.1998

Dokumentnummer

JFT_09988989_98B02396_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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