Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Alfred Mayer und Mag.Karl Dirschmied als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei V*** DER Ö***
B*** Versicherungs-AG, Wien 2, Praterstraße 1-7, vertreten durch Dr.Helmut Destaller und Dr.Gerald Mader, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Josef H***, Kraftfahrer, Eduard-Keil-Gasse 7, 8041 Graz, vertreten durch Dr.Helmut Thomich, Rechtsanwalt in Graz, wegen 140.000 S sA (Revisionsstreitwert 98.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3.Mai 1989, GZ 8 Ra 24/89-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 16. Dezember 1988, GZ 33 Cga 62/88-9, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.629,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 771,60 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Rechtliche Beurteilung
Da die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Urteils zutrifft, genügt es, auf ihre Richtigkeit hinzuweisen (§ 48 ASGG). Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin folgendes zu erwidern:
Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, muß der Einwand, den Arbeitgeber treffe ein Mitverschulden an dem eingetretenen Schaden, nicht ausdrücklich erhoben werden; es genügt die Behauptung eines Sachverhaltes, aus dem sich ein Mitverschulden des Arbeitgebers ergibt. Der vorliegende Sachverhalt - Übermüdung des zuvor nahezu ununterbrochen eingesetzt gewesenen Beklagten - indizierte nun geradezu ein Mitverschulden des Arbeitgebers. Die klagende Partei suchte daher bereits mit dem Klagsvorbringen - am Vortag des Unfalles sei der Beklagte bis wenige Minuten nach 12.00 Uhr eingesetzt gewesen und habe danach frei gehabt; dennoch habe er keine Ruhezeit eingelegt und sich nicht schlafen gelegt, sondern sei aus eigenem Interesse und ohne Notwendigkeit um 18.00 Uhr in Graz weggefahren - einem entsprechenden Einwand des Beklagten zuvorzukommen, brachte aber mit dieser Vorgangsweise gleichzeitig auch die Frage des Mitverschuldens des Arbeitgebers ins Spiel. Mit der ausdrücklichen Bestreitung des Vorbringens, der Beklagte habe am 14.Jänner 1988 ab 12.00 Uhr mittags frei gehabt und dem Einwand, er habe an diesem Tag bis zum Antritt der Fahrt nach Ravenna praktisch ununterbrochen im Auftrag der Firma P*** Transportaufträge und dergleichen durchgeführt, ist der Beklagte der diesbezüglichen Darstellung der klagenden Partei entgegengetreten und hat damit, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, einen Sachverhalt behauptet, aus dem sich ein Mitverschulden des Arbeitgebers ergibt.
Zu Unrecht wendet sich die Revisionswerberin auch gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Verschuldensteilung. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß sich die Revisionswerberin mit den Ausführungen, der Beklagte hätte sieben Stunden lang rasten können und dennoch, wie vorgesehen, spätestens am Freitag um 11.00 Uhr in Ravenna ankommen können, in Widerspruch zu den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen setzt. Nach diesen Feststellungen wurde der Beklagte - er hatte bereits von Montag bis Donnerstag vor dem Unfall zwei Transporte von Koper nach Traiskirchen durchgeführt - von seinem Arbeitgeber sofort nach der Rückkehr nach Wien zu einer weiteren Fahrt nach Ravenna eingesetzt, deren Vorbereitung und fristgerechte Durchführung dem Beklagten keine Ruhepause ermöglichte. Durch diesen gegen §§ 14 Abs 2 und 15 AZG grob verstoßenden und nicht nur das eingesetzte Fahrzeug, sondern auch den Lenker und andere Verkehrsteilnehmer gefährdenden Einsatz wurde die zum gegenständlichen Unfall führende Übermüdung verursacht. Dem Beklagten ist dagegen lediglich anzulasten, daß er sich diesen gesetzwidrigen Anordnungen seines Arbeitgebers nicht widersetzte. Wie der Oberste Gerichtshof bereits zu 9 Ob A 38/89 ausgesprochen hat, ist bei dieser Sachlage dem Arbeitgeber das weit überwiegende Verschulden am Unfall anzulasten und tritt das Mitverschulden des Arbeitnehmers demgegenüber fast völlig in den Hintergrund. Mäßigt man diesen geringen gemäß § 1304 ABGB vom Beklagten zu tragenden - vom Berufungsgericht mit einem Achtel jedenfalls nicht zu niedrig angesetzten - Anteil (vgl. Csebrenyak, Geppert, Maßl, Rabofsky, ABGB und Arbeitsrecht, 345 f; Dirschmied, Dienstnehmerhaftpflichtgesetz 71 und 82) sodann unter Beachtung der für den Kläger zutreffenden persönlichen Mäßigungskriterien nach § 2 Abs 1 Satz 2 erster Halbsatz DHG (vgl. Dirschmied aaO 70) - insbesondere der Schadensgeneigtheit der Tätigkeit des Beklagten und der das übernommene Wagnis nur unzureichend abgeltenden Entlohnung - dann ist ein höherer Ersatz als der vom Berufungsgericht zugebilligte (vom Beklagten nicht mehr bekämpfte) Betrag von 22.000 S jedenfalls nicht gerechtfertigt. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E18595European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:009OBA00230.89.0927.000Dokumentnummer
JJT_19890927_OGH0002_009OBA00230_8900000_000