Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Egermann, Dr. Angst und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolf W***, Terrazzomachermeister, Telfs, Bahnhofstraße 32, vertreten durch Dr. Axel Fuith, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Mag. Helmut M***, Akademischer Maler, Wien 8., Strozzigasse 26/1/17, vertreten durch Dr. Willibald Hauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 58.400,-- sA, infolge Rekurses beider Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 4. April 1989, GZ 1 R 20/89-40, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 20.Oktober 1988, GZ 12 Cg 423/86-33, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Beide Rekurse werden zurückgewiesen.
Der Antrag beider Parteien auf Zuspruch von Kosten für die Rekursbeantwortung wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Der Beklagte hatte von der C*** AUSTRIA AG den Auftrag zur künstlerischen Bodengestaltung im neuen Spielcasino Bregenz. Zur Durchführung der handwerklichen Arbeiten bediente er sich des Klägers. Dieser begehrt den restlichen Werklohn von S 58.400,-- sA. Nach anderen Einwendungen behauptete der Beklagte bei der Tagsatzung am 3.10.1988 zunächst das Vorliegen von Mängeln und machte eine Entgeltminderung von mindestens S 60.000 geltend. Schließlich erhob er die Einrede der mangelnden Fälligkeit (ON 28 und 30, AS 115 und 119).
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen hatte der Kläger unter anderem einen Marmorboden vor der Eingangstür und im Foyer zu verlegen. Die Arbeiten waren jedenfalls im Frühjahr 1986 beendet. Mit Schreiben vom 27.6.1986 rügte der Beklagte folgende Mängel: "Casinoschrift: Fugenausbildung unter jeder Kritik; Windfang: Eigenmächtige Umgestaltung einer wichtigen künstlerischen Form; Plattenverlegung 50 x 50: Steinmuster ohne Gefühl und Rücksicht auf seine Gestaltung, oft sogar in Gegenrichtung verlegt." Das Casino Bregenz betritt man von Westen. Vor der Glastür befindet sich im Freien in Gold die Schrift "Casino". Diese Schrift wurde vom Kläger schlampig ausgeführt. Bei den einzelnen Buchstaben ist eine verschieden große Fugenbreite erkennbar, zB bei der unteren Schleife des a oder bei der oberen Schleife des C. Die Fugenbreite ist bei allen Buchstaben nicht einheitlich. Infolge der Uneinheitlichkeit der Fugenbreite wirkt die gesamte Arbeit schlampig. Nach der Auffassung des Erstgerichtes liege ein nicht ganz unerheblicher Mangel vor. Da der Beklagte Verbesserung verlangt habe, könne er bis zur Verbesserung die Bezahlung des restlichen Werklohnes verweigern.
Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß nicht ein bloß unerheblicher Mangel vorliege. Dem Beklagten sei daher das Wahlrecht zwischen Verbesserung des mangelhaften Werkes und Entgeltminderung zugestanden. Der Beklagte habe zunächst Entgeltminderung verlangt. Habe sich der Besteller für die Preisminderung entschieden, sei ein Widerruf der einmal getroffenen Wahl nicht möglich. Der Beklagte könne sich demnach nicht auf die mangelnde Fälligkeit des restlichen Werklohnes berufen. Den Rechtskraftvorbehalt begründete das Berufungsgericht damit, daß eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehle, ob ein Gewährleistungsberechtigter, der sich für die Entgeltminderung entschieden habe, diese Wahl widerrufen und Verbesserung beanspruchen könne.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobenen Rekurse beider Parteien sind unzulässig.
Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß das Vorbringen des Beklagten AS 119 implicite das Begehren auf Verbesserung enthält. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs4 Z 1 ZPO liegt jedoch, entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes, nicht vor. Ob ein weiterer Rechtszug an den Obersten Gerichtshof wegen rghlens einer Rechtsprechung desselben zulässig ist, ist danach zu beurteilen, ob im Zeitpunkt der Erhebung des Rechtsmittels eine solche Rechtsprechung vorhanden war und ob diese dem Rechtsmittelwerber bekannt sein konnte (7 Ob 72/83). Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrmals ausgesprochen, daß der Gewährleistungsberechtigte, der sich dafür entschieden hat, wegen eines Mangels Minderung zu verlangen, wegen dieses Mangels in der Regel nicht mehr Verbesserung fordern kann (8 Ob 559/76; 7 Ob 684/77; 6 Ob 619/80). Ein Zurückgreifen auf den Verbesserungsanspruch und damit auch der10inwand der mangelnden Fälligkeit des noch nicht bezahlten Werklohnes wegen einer noch ausstehenden Mängelbehebung ist dem Besteller dann verwehrt (8 Ob 559/76). Die Entscheidung 8 Ob 559/76 ist auch in der handelsgerichtlichen Entscheidungessmmlung veröffentlicht (HS 10.887) und konnte demnach auch den Parteien bekannt sein. Von der Frage, ob der Widerruf der einmal getroffenen Wahl auch dann ausgeschlossen ist, wenn anerkennenswerte Gründe für das Abgehen von der Wahl vorliegen (WBl 1989, 68), hängt die Entscheidung hier nicht ab, weil der Beklagte Gründe für ein Abgehen von der begehrten Entgeltminderung nicht einmal behauptet hat. Andere erhebliche Rechtsfragen wurden weder von den Rechtsmittelwerbern geltend gemacht noch sind solche ersichtlich. Abgesehen davon, daß die im § 377 HGB statuierte unverzügliche Mängelrüge nur für den beiderseitigen Handelskauf gilt und der § 381 Abs2 HGB ihre Anwendung nur für die Herstellung vertretbarer beweglicher Sachen normiert, ist die Verspätung oder Unterlassung der Mängelrüge nicht von Amts wegen zu beachten (Kramer in Straube, HGB Rz 25 zu den §§ 377, 378 mwN). Ein diesbezüglicher Einwand wurde aber nicht einmal erhoben. Desgleichen wurde ein Verzicht auf die Gewährleistung weder behauptet noch ein diesbezügliches Sachvorbringen erstattet. Dies gilt auch für die Frage, inwieweit der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen gegen den Beklagten durch seinen Auftraggeber Bedeutung zukommt. Die Frage, ob eine unerhebliche Minderung des Wertes im Sinne des § 932 Abs2 ABGB vorliegt, stellt sich im derzeitigen Verfahrensstadium schon deshalb nicht, weil der Beklagte noch weitere als die bisher vom Erstgericht festgestellten Mängel behauptete.
Mangels Vorliegens der Voraussetzungen nach § 519 Abs2 ZPO sind daher die Rekurse zurückzuweisen.
Da keine der Parteien auf die Unzulässigkeit hingewiesen hat, besteht kein Anspruch auf Kostenersatz für die Rekursbeantwortung.
Anmerkung
E18699European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00626.89.0928.000Dokumentnummer
JJT_19890928_OGH0002_0070OB00626_8900000_000