TE OGH 1989/9/28 12Os111/89

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Veröffentlicht am 28.09.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.September 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Edelmann als Schriftführer in der Strafsache gegen Walter F*** wegen des Vergehens nach § 63 Abs. 2 Z 1 LMG 1975 über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 15.März 1985, GZ 6 U 2466/83-38, in der Fassung des Beschlusses vom 6.September 1988, GZ 6 U 2466/83-55, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Stöger, und des Verteidigers Dr. Heissig, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten, zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 15.März 1985, GZ 6 U 2466/83-38, in der Fassung des Angleichungsbeschlusses vom 6. September 1988, GZ 6 U 2466/83-55, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 63 Abs. 2 Z 1 LMG 1975.

Dieses Urteil, das in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, wird aufgehoben und es wird gemäß §§ 292, letzter Satz, 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Walter F*** wird von der wider ihn erhobenen Anklage, in Wien

am 20.September 1983 Frankfurter,

am 22.September 1983 Waldviertler,

am 26.September 1983 Waldviertler,

am 26.Juli 1984, Waldviertler, Frankfurter und Bratwürste,

am 2.August 1984 Waldviertler, Frankfurter und Bratwürste,

am 13.September 1984 Bratwürste und

am 1.Oktober 1984 Bratwürste,

sohin Lebensmittel in Verkehr gebracht zu haben, von denen er wußte (§ 5 Abs. 3 StGB), daß sie falsch bezeichnet sind und worüber im Österreichischen Lebensmittelbuch Bestimmungen bestehen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Text

Gründe:

Mit dem - in einem Protokolls- und Urteilsvermerk gemäß § 458 Abs. 2 StPO aF beurkundeten - Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 15.März 1985, GZ 6 U 2466/83-38, das auch andere Fakten betreffende Freisprüche nach § 259 Z 3 StPO enthält, wurde der am 27. September 1936 geborene, für die Wursterzeugung in der Wurstfabrik der Firma A. W*** & Söhne KG in Wien verantwortliche Wurstmeister Walter F*** des Vergehens nach § 63 Abs. 2 Z 1 LMG 1975 schuldig erkannt und hiefür zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er in der Zeit vom 20.September 1983 bis 1. Oktober 1984 in Wien in insgesamt 14, im einzelnen näher angeführten Fällen Wurstwaren, und zwar "Frankfurter", "Waldviertler" und "Bratwürste", sohin Lebensmittel, die (durch unrichtige Angabe der Haltbarkeitsdauer) falsch bezeichnet waren, "durch Außerachtlassung der im Verkehr mit Lebensmitteln gebotenen Sorgfalt, sohin fahrlässig, ... in Verkehr gesetzt" hatte (S 274).

Dieses vom Beschuldigten und vom öffentlichen Ankläger unbekämpft

gelassene Urteil ist mit Ablauf des 18.März 1985 in Rechtskraft

erwachsen (ON 39). Über Anregung des Landesgerichtes für Strafsachen

Wien als Beschwerdegericht (aus Anlaß einer vom Verteidiger des

Verurteilten eingebrachten Kostenbeschwerde - vgl. ON 51 und ON 53)

faßte das Strafbezirksgericht Wien am 6.September 1988 einen

"Angleichungsbeschluß", demzufolge der Urteilsvermerk (ON 38) dem in

der Hauptverhandlung am 15.März 1985 mündlich verkündeten Urteil

dahin angeglichen wurde, daß die betreffende Passage des

Urteilsspruchs richtig zu lauten habe: "..... sohin wissentlich

Lebensmittel in Verkehr gesetzt, die im Sinne des LMG zu beanstanden

waren, und zwar: ....". Dieser Angleichungsbeschluß wurde damit

begründet, daß im Urteilsspruch die Worte "..... sohin fahrlässig

Lebensmittel in Verkehr gesetzt, ....." irrtümlich in den

Urteilsvermerk Eingang gefunden hätten und somit der Urteilsspruch

insoweit in Übereinstimmung mit dem mündlich verkündeten Urteil (das

ein wissentliches Handeln des Verurteilten zum Gegenstand hatte) zu

korrigieren gewesen wäre (ON 55). Unter Berücksichtigung dieses

Angleichungsbeschlusses ergibt sich somit folgender (berichtigte)

Wortlaut des im Protokolls- und Urteilsvermerks vom 15.März 1985

(ON 38), beurkundeten Schuldspruchs des Walter F*** wegen

Vergehens nach § 63 Abs. 2 Z 1 LMG 1975: "Walter F*** ist

schuldig, er hat in Wien durch Außerachtlassung der im Verkehr mit

Lebensmitteln gebotenen Sorgfalt, sohin wissentlich, Lebensmittel in

Verkehr gesetzt, die im Sinne des LMG zu beanstanden waren, und zwar

falsch bezeichnete Lebensmittel, nämlich

am 20.September 1983 Frankfurter, U-Zl: A 4120/83,

am 22.September 1983 Waldviertler, U-Zl: A 4151/83,

am 26.September 1983 Waldviertler, U-Zl: A 4171/83,

am 2.August 1984 Waldviertler, U-Zl: A 3776/84,

am 2.August 1984 Frankfurter, U-Zl: A 3777/84,

am 2.August 1984 Bratwürste, U-Zl: A 3778/84,

am 2.August 1984 Waldviertler, U-Zl: 13.139/84,

am 2.August 1984 Frankfurter, U-Zl: 13.140/84,

am 2.August 1984 Bratwürste, U-Zl: 13.141/84,

am 13.September 1984 Bratwürste, U-Zl: A 4138/84,

am 1.Oktober 1984 Bratwürste, U-Zl: A 4258/84,

am 26.Juli 1984 Waldviertler, U-Zl: A 3735/84,

am 26.Juli 1984 Frankfurter, U-Zl: A 3736/84 und

am 26.Juli 1984 Bratwürste, U-Zl: A 3737/84.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Schuldspruch des Walter F*** wegen Vergehens nach § 63 Abs. 2 Z 1 LMG 1975 steht mit dem Gesetz in mehrfacher Beziehung nicht im Einklang:

Das von diesem Schuldspruch erfaßte Tatverhalten des Walter F*** bestand nach der Aktenlage darin, daß er in der Zeit zwischen 20.September 1983 und 1.Oktober 1984 als für die Wursterzeugung in der Wurstfabrik der Firma A. W*** & Söhne KG verantwortlicher Wurstmeister die im Urteilsspruch angeführten Wurstsorten (Frankfurter, Waldviertler und Bratwürste), die mit einer unrichtigen, weil für die angegebene Lagerungsart zu lang bemessenen Haltbarkeitsfrist versehen und solcherart falsch bezeichnet waren, in Verkehr gebracht hatte.

Zufolge der Begriffsbestimmung des § 8 lit. f LMG 1975 sind Lebensmittel (Verzehrprodukte und Zusatzstoffe) falsch bezeichnet, wenn sie mit zur Irreführung geeigneten Angaben über Umstände, die nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der Verbrauchererwartung, wesentlich sind, wie über Art, Herkunft, Verwendbarkeit, Haltbarkeit, Zeitpunkt der Herstellung, Beschaffenheit, Gehalt an wertbestimmenden Bestandteilen, Menge, Maß, Zahl oder Gewicht, oder in solcher Form oder Aufmachung oder mit verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben in Verkehr gebracht werden. Ein Lebensmittel ist sohin nach dieser Begriffsbestimmung ua dann falsch bezeichnet, wenn hiezu unrichtige (und somit zur Irreführung geeignete) Angaben über seine Haltbarkeit gemacht werden. Die gerichtliche Strafbarkeit desjenigen, der ein Lebensmittel (Verzehrprodukt oder einen Zusatzstoff), - so wie hier - durch Angabe einer unrichtigen Haltbarkeitsfrist falsch bezeichnet oder ein (hier: durch eine unrichtige Haltbarkeitsfrist) falsch bezeichnetes Lebensmittel in Verkehr bringt, bestimmt sich hingegen nach § 63 Abs. 2 Z 1 LMG 1975. Darnach ist (mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen) zu bestrafen, wer entgegen im Österreichischen Lebensmittelbuch darüber bestehenden Bestimmungen Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe wissentlich falsch bezeichnet oder Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe in Verkehr bringt, von denen er weiß (§ 5 Abs. 3 StGB), daß sie falsch bezeichnet sind, sofern darüber im Österreichischen Lebensmittelbuch Bestimmungen bestehen.

Die Verwirklichung dieses gerichtlich strafbaren Tatbestandes setzt sohin auf der objektiven Tatseite neben einer - hier durch die Anführung einer unrichtigen, weil zu langen Haltbarkeitsfrist gegebenen - falschen Bezeichnung des Lebensmittels (im Sinne der Begriffsbestimmung des § 8 lit. f LMG 1975) außerdem voraus, daß die Falschbezeichnung zugleich einen Verstoß gegen darüber im Österreichischen Lebensmittelbuch bestehende Bestimmungen darstellt. In subjektiver Beziehung ist ein Handeln des Täters in der Schuldform der Wissentlichkeit (§ 5 Abs. 3 StGB) erforderlich, wobei sich ein wissentliches Handeln auf die entgegen der im Österreichischen Lebensmittelbuch darüber bestehenden Bestimmungen vorgenommene Falschbezeichnung des Lebensmittels (und nicht auf das Inverkehrbringen) erstrecken muß. Für das Inverkehrbringen (des solcherart falsch bezeichneten Lebensmittels) genügt die Schuldform des (zumindest bedingten) Vorsatzes (§ 5 Abs. 1 StGB). Handelt hingegen der Täter in bezug auf die Falschbezeichnung oder das Inverkehrbringen bloß fahrlässig, ist er gemäß § 64 LMG 1975 gerichtlich nicht strafbar (RZ 1987/31). Eine fahrlässige Falschbezeichnung ist vielmehr gemäß § 74 Abs. 1 LMG 1975 (nur) als Verwaltungsübertretung zu ahnden. Das gleiche gilt auch, wenn die Tat zwar vorsätzlich (im Sinne des § 5 Abs. 1 StGB), aber nicht wissentlich im Sinne des § 5 Abs. 3 StGB (in bezug auf die Falschbezeichnung) begangen wurde oder wenn sie zwar wissentlich begangen wurde, die Falschbezeichnung jedoch nicht einer Bestimmung des Österreichischen Lebensmittelbuches zuwiderläuft (vgl. Brustbauer-Jesionek-Petuely-Wrabetz, Das Lebensmittelgesetz 1975, S 285 und 286).

Der Schuldspruch des Walter F*** ist zunächst nach

seinem - sich unter Berücksichtigung des Angleichungsbeschlusses (ON 55) ergebenden - Wortlaut mit einem (unlösbaren) Widerspruch behaftet; wurde F*** doch darin zugleich ein wissentliches und ein fahrlässiges (auf der Außerachtlassung der im Verkehr mit Lebensmitteln gebotenen Sorgfalt beruhendes) Inverkehrbringen der vom Schuldspruch erfaßten (und durch eine unrichtige Haltbarkeitsfrist falsch bezeichneten) Würste angelastet. Die beiden Begriffe schließen einander aus, weil ein bestimmtes Tatverhalten nicht zugleich fahrlässig und wissentlich begangen werden kann. Im übrigen muß sich, wie bereits dargelegt, das zur Verwirklichung des Vergehenstatbestandes nach § 63 Abs. 2 Z 1 LMG 1975 in subjektiver Beziehung erforderliche Merkmal der Wissentlichkeit (im Sinne des § 5 Abs. 3 StGB) keineswegs auf das Inverkehrbringen eines (falsch bezeichneten) Lebensmittels erstrecken (insoweit genügt die Schuldform des - zumindest bedingten - Vorsatzes im Sinne des § 5 Abs. 1 StGB); der Täter muß vielmehr in bezug auf die Tatbestandsmerkmale "falsch bezeichnet" und "entgegen im Österreichischen Lebensmittelbuch darüber bestehenden Bestimmungen" bzw. "soferne darüber im Österreichischen Lebensmittelbuch Bestimmungen bestehen" wissentlich handeln. Anders ausgedrückt: Er muß wissen, daß das von ihm in Verkehr gebrachte Lebensmittel falsch bezeichnet ist und daß die falsche Bezeichnung in Verletzung von darüber im Österreichischen Lebensmittelbuch bestehenden Bestimmungen vorgenommen worden ist.

Dem berichtigten Schuldspruch ist nicht zu entnehmen, daß Walter F*** das Inverkehrbringen von Lebensmitteln zur Last gelegt wird, von denen er wußte (§ 5 Abs. 3 StGB), daß sie falsch bezeichnet sind und daß "darüber" (dh in Ansehung der Falschbezeichnung) im Österreichischen Lebensmittelbuch (konkrete) Bestimmungen bestehen (gegen die durch die Falschbezeichnung speziell verstoßen wurde). Das laut Protokolls- und Urteilsvermerk umschriebene Tatverhalten des Walter F*** ist sohin, soweit es die subjektive Tatseite des ihm angelasteten Vergehens nach § 63 Abs. 2 Z 1 LMG 1975 anlangt, für einen Schuldspruch nach dieser Gesetzesstelle nicht tragfähig. Das dem Verurteilten Walter F*** angelastete Tatverhalten entspricht aber auch schon in objektiver Beziehung nicht jenem Tatbestandsmerkmal des § 63 Abs. 2 Z 1 LMG 1975, demzufolge (sinngemäß) die - durch Angabe einer zu langen Haltbarkeitsfrist bewirkte - falsche Bezeichnung den im Österreichischen Lebensmittelbuch darüber bestehenden Bestimmungen widersprechen muß. Aus dem Wort "darüber" ist zwingend abzuleiten, daß eine Falschbezeichnung immer nur dann nach dieser Gesetzesbestimmung gerichtlich strafbar sein kann, wenn sie einer fallbezogen im Österreichischen Lebensmittelbuch konkret getroffenen Bestimmung widerspricht (Leukauf-Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze2 Anm. C zu § 63 LMG).

Unter Zugrundelegung dieser Rechtslage wären die Walter F*** zur Last gelegten Falschbezeichnungen der unter seiner Verantwortung produzierten Würste durch Angabe einer zu langen Haltbarkeitsdauer nur dann gerichtlich strafbar, wenn er konkrete, die Haltbarkeitsfristen von Würsten betreffende Codexbestimmungen (wissentlich) mißachtet hätte. Solche Bestimmungen gab es im Österreichischen Lebensmittelbuch - vgl. hiezu das speziell auf die Falschbezeichnung von Fleisch und Fleischwaren abstellende Kapitel B 14, Abschnitt D, Absatz 5 - weder zur Tatzeit (20.September 1983 bis 1.Oktober 1984), noch gibt es sie heute. Die in den jeweiligen Anzeigen herangezogenen lit. h und o der oben genannten Codexstelle entsprechen jedenfalls den genannten Konkretisierungsmerkmalen nicht. Daraus folgt, daß Walter F*** aus den dargelegten Gründen zu Unrecht des Vergehens nach § 63 Abs. 2 Z 1 LMG 1975 verurteilt wurde. In Stattgebung der von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde war daher dieser rechtsirrig ergangene Schuldspruch aufzuheben und in Ausübung des dem Obersten Gerichtshof in solchen Fällen eingeräumten Ermessens (§ 292 StPO) sofort mit Freispruch durch diesen selbst vorzugehen.

Anmerkung

E19147

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0120OS00111.89.0928.000

Dokumentnummer

JJT_19890928_OGH0002_0120OS00111_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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