TE OGH 1989/10/3 5Ob87/89

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Veröffentlicht am 03.10.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Mietrechtssache der Antragsteller 1. Michael R***, Gastwirt, 4050 Traun, Grinningerstraße 89, und 2. Albine H***, Gastwirtin, 4020 Linz, Rathausgasse 5, beide vertreten durch Dr. Gottfried Eypeltauer, Rechtsanwalt in Linz, wider den Antragsgegner Friedrich H***, Innenarchitekt, 4020 Linz, Rathausgasse 5, vertreten durch Dr. Ernst M***, Sekretär des Bezirksverbandes Linz des Österreichischen Haus- und Grundbesitzerbundes, wegen § 37 Abs 1 Z 9 iVm § 17 MRG, infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 18. Juli 1989, GZ 18 R 415/89-11, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 20. März 1989, GZ 26 Msch 35/88-6, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Der Antragsgegner ist seit dem Jahre 1978 Eigentümer des Hauses Linz, Rathausgasse 5, in dem der Erstantragsteller im Jahre 1976 das rechts vom Hauseingang gelegene Geschäftslokal samt Kellerabteil mietete. Seine Mietrechte gingen Ende 1985 auf die Zweitantragstellerin über. In der Betriebskostenabrechnung für das Kalenderjahr 1984 wies der Antragsgegner den vom Antragsteller zu tragenden Anteil an den Gesamtkosten mit 9,85 % aus. Der Erstantragsteller begehrte - zunächst gemäß § 39 Abs 1 MRG bei der Landeshauptstadt Linz - die Überprüfung des Anteiles des von ihm gemieteten Lokales an den Betriebskosten gemäß § 17 MRG. Mit Bescheid vom 6. Dezember 1988 stellte die Landeshauptstadt Linz den Anteil des vom Erstantragsteller gemieteten, 46,97 m2 umfassenden Lokales mit 7,06 % fest.

Über rechtzeitige Anrufung des Gerichtes, an dessen Verfahren sich in der Folge auch die Zweitantragstellerin beteiligte und in dem lediglich strittig war, inwieweit die Fläche des Heizkellers und Mauernischen im Geschäftslokal der Antragsteller in die Nutzflächenberechnung einzubeziehen seien, durch den Antragsgegner entschied dieses, daß der Anteil des vom (Erst-)Antragsteller gemieteten Geschäftslokales ("Old City Pub") samt Kellerabteil an den Gesamtkosten des Hauses 7,06 % betrage (Verhältnis der Nutzfläche des Mietgegenstandes von 46,97 m2 zur Gesamtnutzfläche des Hauses von 665,19 m2).

Das Erstgericht stellte hiezu folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

Bei Abschluß des Mietvertrages im Jahre 1976 wurde zwischen dem Erstantragsteller und dem damaligen Hauseigentümer vereinbart, daß das Mietobjekt von einer im Keller befindlichen Gaszentralheizungsanlage, die auch noch Räumlichkeiten in mehreren anderen Häusern mit Wärme versorgte, beheizt werden sollte. Andere Vereinbarungen über die Benützung des Heizkellers durch den Antragsteller wurden nicht getroffen. Dieser hatte auch nie einen Schlüssel zu diesem ständig versperrten Raum erhalten und ihn auch nie für Lager- oder sonstige Zwecke verwendet. Schon vor dem 1. Jänner 1984 wurde die Zentralheizungsanlage nach einem Defekt nicht mehr instandgesetzt. Das Geschäftslokal der Antragsteller wird seither mit Elektroradiatoren beheizt. Der seinerzeitige Heizraum wird seit etwa 2 Jahren vom Antragsgegner für Lagerungen verwendet. Im Bestandobjekt der Antragsteller befindet sich eine etwa türhohe, oben durch einen Rundbogen abgeschlossene, ca. 10 cm tiefe Mauernische, die durch Ausstemmen um weitere 10 bis 15 cm vertieft wurde, um darin eine Abwasch anzubringen. In einer unter einem Fenster gelegenen Nische wurde ein Kühlschrank eingebaut. In einer sehr tiefen Nische - die Mauertiefe beträgt etwa 1,7 m bis 1,8 m - wurde ein Flipperautomat aufgestellt. Andere Nischen sind nicht vorhanden, insbesondere nicht hinter der hölzernen Wandverkleidung.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, gemäß § 17 Abs 2 MRG sei bei Berechnung der Nutzfläche die gesamte Bodenfläche des Mietgegenstandes abzüglich der Wandstärken und der im Verlauf der Wände befindlichen Durchbrechungen (Ausnehmungen) heranzuziehen. Kellerräume seien nicht zu berücksichtigen, soweit sie ihrer Ausstattung nach nicht für Wohn- oder Geschäftszwecke geeignet seien. Demnach seien jedenfalls die Bodenflächen des eigentlichen Gastlokales (40,50 m2) und des dazugehörigen Kellerabteils (6,47 m2) in die Nutzflächenberechnung einzubeziehen. Nicht einzubeziehen seien aber - sofern sie nicht ohnehin im Nutzflächengutachten berücksichtigt sein sollten (!) - nach dem klaren Gesetzeswortlaut (entgegen der von Eckharter, Die Nutzfläche im Wohnrecht 9 ff vorgenommenen Differenzierung) die auf Nischen und Wandausnehmungen entfallenden Flächen sowie der einen allgemeinen Teil des Hauses bildende ehemalige Heizkeller.

Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Sachbeschluß. Es billigte die vom Erstgericht vertretene Rechtsmeinung betreffend Nischen und Wandausnehmungen sowie den Heizkeller. Darüber hinaus bejahte es im Zuge amtswegiger Prüfung die Antragslegitimation auch des Erstantragstellers trotz Überganges, seines Mietrechtes auf die Zweitantragstellerin, weil der gerichtlich festgestellte Betriebskostenschlüssel auch in die Vergangenheit wirke und daher für einen allfälligen Rückforderungsanspruch des Erstantragstellers von rechtlicher Bedeutung sei.

Im Zuge gleichfalls amtswegiger Überprüfung kam das Rekursgericht zur Überzeugung, daß in der Unterlassung der Feststellung der auf die anderen vermieteten oder vom Hauseigentümer selbst benützten Objekte dieses Hauses entfallenden Anteile an den Gesamtkosten allenfalls ein Verfahrensmangel gelegen sein könne, der aber im Rekursverfahren nach § 37 MRG zufolge der Verweisung auf die Bestimmungen der ZPO und damit auch auf die Rechtsprechung zur ZPO nicht von Amts wegen aufgegriffen werden können.

Das Gericht zweiter Instanz erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof gemäß § 37 Abs 3 Z 18 MRG für zulässig, weil bereits ausgesprochen worden sei (Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien MietSlg 38.372, vom Obersten Gerichtshof bestätigt durch die Entscheidung 5 Ob 155/86), daß im Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 9 MRG der gesamte Nutzflächenschlüssel von Amts wegen festzustellen sei, eine veröffentlichte Judikatur zu der Frage, welche rechtliche Qualität einem Verstoß gegen diese Maxime zukomme, jedoch nicht existiere.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragsgegners ist im Ergebnis berechtigt.

Der Revisionsrekurswerber bekämpft die Beiziehung der Nachfolgemieterin Albine H*** als zweite Antragstellerin sowie die Nichtberücksichtigung nutzflächenrelevanter Nischen bei Ermittlung der Nutzflächen im Sinne des § 17 MRG. Darüber hinaus wird der Oberste Gerichtshof im Zuge der Verpflichtung zur allseitigen rechtlichen Überprüfung des angefochtenen Beschlusses auch die Aktivlegitimation des Erstantragstellers sowie die vom Rekursgericht ausdrücklich aufgeworfene Rechtsfrage zu beurteilen haben, ob die Feststellung des Anteiles eines Mietgegenstandes an den Gesamtkosten nur bei gleichzeitiger Feststellung des Anteiles der anderen Mietgegenstände erfolgen darf sowie welche Rechtsfolgen bejahendenfalls mit der Feststellung bloß des Anteiles eines Mietgegenstandes an den Gesamtkosten verbunden sind.

1.) Zur Aktivlegitimation und Parteistellung der Antragsteller:

Die Antragslegitimation, also die Berechtigung, einen Sachantrag nach § 37 MRG zu stellen, ist eine Frage des materiellen Rechtes (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19 § 37 MRG Rz 49). Für Feststellungen im gesamten Mietzinsbereich sind daher jedenfalls Mieter und Vermieter antragslegitimiert (Würth-Zingher, aaO mwN). Da die begehrte Feststellung des Anteiles eines Mietgegenstandes an den Gesamtkosten keine rechtsgestaltende Entscheidung mit bloßer Wirkung für die Zukunft ist, hat sie auch für den Erstantragsteller trotz Übertragung seiner Mietrechte auf die Zweitantragstellerin Ende 1985 - möglicherweise schon vor Einlangen des Antrages bei der Schlichtungsstelle (die diesbezüglichen Feststellungen sind unscharf) - noch Bedeutung, weil sie - wie der Erstantragsteller ausdrücklich geltend macht - auch für die endgültige Aufteilung der Betriebskosten des Jahres 1984 von Belang ist. Ein allfälliger Rückforderungsanspruch ist wegen der Anhängigkeit dieses Verfahrens seit 26. November 1985 bei der Landeshauptstadt Linz und in der Folge bei Gericht keinesfalls verjährt (§ 27 Abs 3 MRG). Der Wortlaut des Protokolls vom 30. Jänner 1989, wonach Albine H*** zur Verhandlung erschienen sei und ebenfalls vom Antragstellervertreter vertreten werde, läßt zumindest den Schluß zu, daß sie als Nachfolgerin im Mietrecht des Erstantragstellers dem Verfahren als Partei beitreten wollte. Die Richtigkeit dieses Schlusses wurde durch die in der Revisionsrekursbeantwortung vorgenommene ausdrückliche Anführung der Albine H*** als Partei bestätigt.

Beiden Antragstellern kommt sohin im Einklang mit ihrer materiellrechtlichen Stellung auch die Stellung einer Partei im formellen Sinn zu.

2.) Zur Auslegung des § 37 Abs 1 Z 9 MRG:

Nach dieser Gesetzesstelle ist über die Verteilung der Gesamtkosten und den Anteil eines Mietgegenstandes an den Gesamtkosten (§ 17 MRG) im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden. In diesem Zusammenhang stellt sich das Problem, ob bei Feststellung des Verteilungsschlüssels, also nicht bloß dessen Beurteilung als Vorfrage in einem anderen Verfahren (zB der Entscheidung, ob zu einem bestimmten Zinstermin das gesetzliche Zinsausmaß überschritten wurde), wegen der notwendigen Einheit des Verteilungsschlüssels für alle Mietgegenstände eine gesonderte Prüfung des nur auf einen Mietgegenstand entfallenden Prozentanteiles ausgeschlossen ist (so Würth-Zingher, aaO, Rz 21 zu § 37 MRG) und ob bejahendenfalls dagegen nur einen nicht von Amts wegen wahrnehmbaren Verfahrensmangel darstellt (so das Rekursgericht).

Der Wortlaut des § 37 Abs 1 Z 9 MRG ließe für sich betrachtet, beide Auslegungen zu, doch ist folgendes zu dieser vom Obersten Gerichtshof bisher nicht (auch nicht in der vom Rekursgericht zitierten Entscheidung 5 Ob 155/86) ausdrücklich behandelten Frage zu erwägen:

Die zwingende Bestimmung des § 17 MRG sieht vor, daß sich - mangels anderer schriftlicher Vereinbarung zwischen dem Vermieter und allen Mietern des Hauses - der Anteil eines Mietgegenstandes an den Gesamtkosten nach dem Verhältnis der Nutzfläche des Mietgegenstandes zur näher definierten Gesamtnutzfläche des Hauses bestimmt. Diese Textierung bringt klar zum Ausdruck, daß es für ein Haus nur einen Aufteilungsschlüssel geben soll, bei dem die einzelnen, auf die verschiedenen Mietgegenstände entfallenden Anteile zusammen 100 % der Gesamtkosten ergeben. Dies entspricht auch der rechtspolitischen Zielsetzung des MRG, wonach dem Vermieter als variabler Mietzinsanteil nach § 15 Abs 1 Z 2 MRG zwar alle Bewirtschaftungskosten, aber nicht mehr als diese ersetzt werden sollen.

Geht man von den dargelegten Prämissen aus, daß der Prozentanteil des einzelnen Mietgegenstandes für sich berechnet den Normen des § 17 MRG zu entsprechen hat und überdies alle Prozentanteile zusammen nach dem Willen des Gesetzgebers 100 ergeben müssen, so folgt daraus, daß der auf einen Mietgegenstand entfallende Prozentanteil für sich allein nicht rechtskräftig festgestellt werden kann; ein auf den einzelnen Mietgegenstand entfallender Prozentanteil hat immer nur als Teil des Ganzen und damit in untrennbarem Zusammenhang mit den auf die anderen Mietgegenstände - seien sie tatsächlich vermietet oder nicht - entfallenden Prozentanteilen Bestand. Die ohnedies immer erforderliche Feststellung der Nutzflächen aller Mietgegenstände (schon um die Gesamtfläche ermitteln zu können) muß daher auch ihren spruchmäßigen Niederschlag in der in Rechtskraft erwachsenden Feststellung der Prozentanteile aller Mietgegenstände finden, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Mieter anderer Mietgegenstände sich am Verfahren auch formell als Partei beteiligten. Die Nichtbeachtung der dargelegten Grundsätze stellt daher nicht nur einen Verfahrensmangel, sondern die Verletzung von Vorschriften des materiellen Rechtes dar. Demgemäß waren die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben.

3.) Zur Nutzflächenberechnung:

Gemäß § 17 Abs 2 MRG gehören die im Verlauf der Wände befindlichen Durchbrechungen (Ausnehmungen) nicht zur Nutzfläche. Ausnehmung bedeutet aber nichts anderes als Nische in der Wand. Nischen in diesem Sinn gehören daher nicht zur Nutzfläche. Anders wäre es nur dann, wenn eine Nische - nicht in diesem rechtlichen Sinn verstanden - dadurch entsteht, daß die Wand selbst vom Boden bis zur Decke nur in geringerer Stärke fortgeführt wird (vgl Würth - Zingher, aaO, Rz 7 zu § 17 MRG).

Das Erstgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren die Nutzflächen der einzelnen Mietgegenstände und darauf aufbauend die Gesamtnutzfläche des Hauses unter Berücksichtigung des dargestellten Nischenbegriffes festzustellen und sodann im Sinne des unter Pkt 2.) Gesagten zu entscheiden haben. Insbesondere wird zu prüfen sein, welche in dem der früheren Entscheidung zu Grunde gelegten Sachverständigengutachten allenfalls mitberücksichtigten Nischenflächen nach der oben angeführten Definition tatsächlich in die Nutzfläche einzubeziehen sind.

Anmerkung

E18883

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0050OB00087.89.1003.000

Dokumentnummer

JJT_19891003_OGH0002_0050OB00087_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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