TE OGH 1989/10/3 5Ob86/89

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Veröffentlicht am 03.10.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Graf als Richter in der Mietrechtssache der Antragsteller

1.) Margit P***, Angestellte, 2.) Dr. Georg R***, Angestellter, 3.) Dr. Angelika R***, Ärztin, sämtliche Liechtensteinstraße 59, 1090 Wien, 4.) Dr. Evert G. W***, Firmengesellschafter, und 5.) Arlette W***, beide Vegagasse 3, 1190 Wien, sämtliche vertreten durch Dr. Christian Kuhn, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner 1.) Friedrich A***, öffentlicher Notar, und 2.) Dr. Helene A***, Pensionistin, beide Liechtensteinstraße 59, 1090 Wien, beide vertreten durch Dr. Theo Petter, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 5 MRG, infolge Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29. Juni 1989, GZ 41 R 783/88-12, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 14. September 1988, GZ 45 Msch 11/88-8, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Sachbeschluß des Rekursgerichtes wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird die neue Entscheidung aufgetragen.

Text

Begründung:

Die Antragsteller sind Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ 387 KG Alsergrund mit dem Haus Liechtensteinstraße 59. Die Antragsgegner sind Mieter der in diesem Haus gelegenen Wohnung top. Nr. 5. Hinter dem Gebäude befindet sich eine steile Böschung, die derart terrassenartig gegliedert ist, daß dem ersten und zweiten Geschoß des Hauses in gleicher Höhe gärtnerisch ausgestaltete Terrassen gegenüberliegen. Die Wohnung der Antragsgegner geht über eine niveaugleiche Veranda auf die in gleicher Höhe befindliche und den Antragsgegnern zur Benützung überlassene Gartenterrasse hinaus. Darüber befindet sich eine zweite Gartenterrasse, die dem zweiten Geschoß des Hauses mit den Wohnungen top. Nr. 6 (Erstantragstellerin) und top. Nr. 7 (Viert- und Fünftantragsteller) gegenüberliegt. Von dem oberhalb der Veranda der Wohnung top. Nr. 5 befindlichen Badezimmer der Wohnung top. Nr. 6 führt ein etwa 4 m langer und ca. 60 cm breiter Steg zu der der Wohnung top. Nr. 6 zugeordneten Gartenterrasse. Der seitliche Abstand dieses Steges zur - in Richtung Garten betrachtet - rechten Grundstücksgrenze beträgt im Bereich des Hauses etwas mehr als 1 m und verringert sich zum Garten hin auf etwa 1 m. Abgesehen von diesem Steg ist ein Zugang zu dieser Gartenterrasse von der Wohnung top. Nr. 6 weder direkt noch über der allgemeinen Benützung dienende Teile der Liegenschaft möglich.

Mit dem am 2. Oktober 1986 bei der Schlichtungsstelle des Magistratischen Bezirksamtes für den 9. Bezirk erhobenen Antrag begehrten die Antragsteller, die Antragsgegner zu verpflichten, die Errichtung eines Steges von der Wohnung der Erstantragstellerin (top. Nr. 6) zu der dazugehörigen Gartenterrasse im selben Stockwerk und das damit notwendigerweise verbundene Betreten deren Mietgegenstandes durch die von den Antragstellern beauftragten Personen zu gestatten und die damit verbundene Änderung ihres Mietgegenstandes zuzulassen. Die zur Wohnung der Erstantragstellerin gehörende Gartenterrasse sei nur über einen Steg zu erreichen, der den Garten der Antragsgegner an seinem Rand auf einem kurzen Stück überquere. Die Antragsgegner hätten gegen die Antragsteller ein Urteil erwirkt, wonach sie verpflichtet seien, die Entfernung des vorhandenen Laufsteges von der Wohnung top. Nr. 6 zu dem in gleicher Höhe befindlichen Terrassengarten zu dulden und den für den der Stahlbrücke erforderlichen Einreichplan als Grundeigentümer zu unterfertigen. Sollte dieses Urteil in Rechtskraft erwachsen und vollzogen werden, so bestünde für die Erstantragstellerin kein Zugang zu ihrer Gartenterrasse. Für diesen Fall werde "vorsichtshalber bereits jetzt" gemäß § 8 Abs.2 MRG das aus dem Antrag ersichtliche Begehren gestellt. Dieser Eingriff in das Mietrecht der Antragsgegner sei notwendig und bei billiger Abwägung aller Interessen ihnen auch zumutbar, weil die Veränderung durch Errichtung des Steges keine wesentliche Beeinträchtigung ihres Mietrechtes zur Folge hätte. Eine Abwägung der Interessen der Antragsteller als Liegenschaftseigentümer und jener der Antragsgegner als Mieter führe eindeutig dazu, daß die Antragsgegner die Errichtung des Steges zu dulden hätten.

Die Antragsgegner sprachen sich in dem von den Antragstellern gemäß § 40 Abs.2 MRG bei Gericht anhängig gemachten Verfahren gegen den Antrag aus. Infolge rechtskräftiger Beendigung des beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien anhängigen Streitverfahrens bestünde kein Platz mehr für ein Msch-Verfahren; durch dieses würde außerdem unzulässigerweise in ihre Mietrechte eingegriffen, weil die Stattgebung des Antrages eine Verschlechterung der Qualität ihres Mietrechtes zur Folge hätte und dies dem ursprünglich geschlossenen Vergleich auch zuwiderliefe.

Das Erstgericht gab mit seinem Sachbeschluß dem Antrag der Antragsteller statt. Bei der rechtlichen Beurteilung des bereits wiedergegebenen Sachverhaltes ging das Erstgericht davon aus, daß gemäß § 8 Abs.2 Z 2 MRG der Hauptmieter das Betreten sowie Veränderungen seines Mietgegenstandes - umso mehr wohl die Veränderung eines anderen Objektes, die nur mittelbar eine Veränderung seines Mietgegenstandes bewirke - zu dulden, wenn und soweit ein solcher Eingriff in das Mietrecht zur Durchführung von Veränderungen (Verbesserungen) an einem anderen

Mietgegenstand - wohl auch, wenn dieser im Wohnungseigentum stehe und vom Eigentümer genutzt werde - notwendig, zweckmäßig und bei billiger Abwägung aller Interessen auch zumutbar sei. Die Beeinträchtigung der Antragsgegner durch den über ihre Gartenterrasse führenden Steg sei so geringfügig, daß diese Beeinträchtigung nicht ins Gewicht falle, wenn man sie jenem Nachteil gegenüberstelle, der den Benützern der Wohnung top. Nr. 6 im Falle des Fehlens eines Steges drohe und darin bestünde, daß sie überhaupt nicht in den Garten gelangen könnten.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs der Antragsgegner Folge und änderte den erstgerichtlichen Sachbeschluß dahin ab, daß es den Antrag der Antragsteller abwies. Dem Erfolg der von den Hauseigentümern vorgenommenen Antragstellung stünde - wie die Rekurswerber in ihrer Rechtsrüge zutreffend geltend machten - neben weiteren erhobenen Einwänden primär die rechtsgestaltende Wirkung des Vergleichs vom 26. April 1972 entgegen, an den die Antragsteller nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 14. Jänner 1988, 6 Ob 510/88, gebunden seien. Mit diesem Vergleich sei - über den Umweg einer Ruhensvereinbarung - ein Rechtsstreit beendet worden, in welchem die damaligen Hauseigentümer gegen die nunmehrigen Antragsgegner die Feststellung begehrt hätten, es stehe den Mietern nicht das Recht zu, die Errichtung eines Laufstegs von der Wohnung top. Nr. 6 im 1. Stock des Hauses in den in gleicher Höhe befindlichen Terrassengarten zu untersagen, und die nunmehrigen Antragsgegner hätten schuldig erkannt haben wollen, die Errichtung eines Laufsteges zu dulden. Mit dem am 26. April 1972 abgeschlossenen Vergleich verpflichteten sich die Mieter, die Errichtung eines Laufsteges von der Wohnung top. Nr. 6 im 1. Stock des Hauses in den in gleicher Höhe befindlichen Terrassengarten zu dulden, wurden aber gleichzeitig berechtigt, diesen Laufsteg frühestens 1 Jahr nach Erlöschen des Wohnrechtes einer ehemaligen Miteigentümerin aus welchen Gründen immer auf ihre Kosten zu entfernen und den früheren Zustand wieder herzustellen. Mit dieser Vereinbarung hätten die Vergleichsparteien über die Pflicht der Mieter, einen über ihre Gartenterrasse führenden Steg zu dulden, nach § 1380 ABGB in einer Weise Recht geschaffen, welche die Duldungspflicht der Mieter zeitlich beschränkt habe. Nach Ablauf des Zeitraumes, bis zu welchem die Mieter einen den Luftraum über ihre Gartenterrasse querenden Steg zu dulden sich verbunden hätten, gelte danach die Freiheit der Mieter von der Verpflichtung, einen solchen Steg zu dulden, als paktiert. Den an den Vergleich vom 26. April 1972 gebundenen Hauseigentümern sei es danach verwehrt, mit der vorliegenden Antragstellung die wirksam verglichene Frage der Pflicht der Antragsgegner zur Duldung eines über ihre Gartenterrasse führenden Stegs neuerlich zum Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung zu machen. Schon aus diesem Grunde sei dem Rekurs der Antragsgegner durch Abänderung des angefochtenen Sachbeschlusses im Sinne der Abweisung des gestellten Antrages Folge zu geben gewesen.

Gegen diesen Sachbeschluß des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsteller mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne der Stattgebung des Antrages abzuändern.

Die Antragsgegner beantragten in ihrer Rechtsmittelgegenschrift, dem Revisionsrekurs keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig (§ 37 Abs.3 Z 18 MRG) und auch berechtigt.

Mit Recht verweisen die Revisionsrekurswerber auf den Unterschied zwischen dem im vorliegenden Verfahren gestellten Begehren und den zum Gegenstand der in Form eines gerichtlichen Vergleiches getroffenen Vereinbarung vom 26. April 1972 gemachten gegenseitigen Ansprüchen. In diesem "Vergleich" traf die damalige Alleineigentümerin der Liegenschaft (die nunmehrige Erstantragstellerin) mit den nunmehrigen Antragsgegnern eine Vereinbarung nicht nur über die Errichtung eines Laufsteges (Brücke ohne Pfeiler) von der damals von der ehemaligen Hälfteeigentümerin der Liegenschaft benützten Wohnung top. Nr. 6 in den auf gleicher Höhe befindlichen Terrassen-Garten und das Recht der Mieter, diesen Laufsteg nach einer bestimmt genannten Zeit auf ihre Kosten zu entfernen und sich zuzueignen, sondern auch in drei weiteren Vertragspunkten Regelungen über das Recht der Mieter, die Mietrechte weiterzugeben. Das von den nunmehrigen Miteigentümern im vorliegenden Verfahren gestellte Begehren wurde von ihnen ausdrücklich auf die Bestimmung des § 8 Abs.2 MRG gestützt, also auf jene Bestimmung, die - zum Unterschied von der Rechtslage nach dem MG, das eine entsprechende Bestimmung nicht enthielt; die Grenzen der Duldungspflicht des Mieters nach dem Bestandrecht des ABGB blieben hinter der nunmehrigen Regelung weit zurück (vgl. Schilcher in Korinek-Krejci, HBzMRG, 79,85; Würth in Rummel, ABGB, Rz 9 zu § 1098 und Rz 22a zu § 1118; ImmZ 1989, 253) - unter bestimmten Voraussetzungen die Verpflichtung des Mieters zur Duldung von Eingriffen in sein Mietrecht, ua auch zur Durchführung von Veränderungen seines Bestandgegenstandes normiert (vgl. Würth in Rummel, ABGB, Rz 4 zu § 8 MRG; Krejci in Korinek-Krejci, HBzMRG, 234; Würth-Zingher, Miet- und WohnR19 Rz 7 zu § 8 MRG). Gehörte aber eine dieser Norm inhaltlich entsprechende Bestimmung der Rechtsordnung des Jahres 1972 nicht an, so kann durch die Vereinbarung vom 26. April 1972 eine bindende Festlegung der aus der erst später geschaffenen Bestimmung des § 8 Abs.2 MRG für Vermieter und Mieter sich ergebenden Rechte und Pflichten nicht erfolgt sein. Mit der genannten Vereinbarung wurde zwischen Vermieter und Mieter - von der damaligen Rechtslage ausgehend - lediglich eine Änderung des Inhaltes des zwischen ihnen bestehenden Bestandvertrages dahin vorgenommen, daß einerseits die Mieter zur leichteren Benützbarkeit einer anderen Wohnung im Haus einer Überspannung der von ihnen benützten Gartenfläche durch einen über dem Erdniveau verlaufenden Steg auf Zeit zustimmten und eine Regelung über die Beseitigung dieses Steges nach Ablauf der bedungenen Zeit trafen, und die Vermieterin anderseits den Mietern ein detailliertes Mietrechtsweitergaberecht einräumte. Diese vertragliche Regelung schaffte wohl Klarheit über die Frage des rechtlichen Schicksals des vereinbarungsgemäß errichteten Steges, sie kann aber - entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes - nicht als einverständliche neue Festlegung der für Vermieter und Mieter aus § 8 Abs.2 MRG sich ergebenden Rechte und Pflichten im Sinne des § 1380 ABGB angesehen werden, deren Inhalt, Umfang und Modalitäten einer richterlichen Regelung bedürfen (§ 37 Abs.1 Z 5 MRG). Die in der Vereinbarung vom 26. April 1972 von den Parteien vorgenommene Rechtsgestaltung steht daher dem von den Antragstellern hier erhobenen Begehren nicht entgegen.

Bei der nun vorzunehmenden Prüfung, ob das hier gestellte Begehren überhaupt auf die genannte Bestimmung gestützt werden kann, ist davon auszugehen, daß der Begriff "anderer Mietgegenstand" in dieser Gesetzesstelle nicht so eng zu verstehen ist, daß darunter nur Bestandobjekte fallen, es kann sich vielmehr dabei auch um bisher zu Wohn- oder Geschäftszwecken nicht geeignete Teile eines Hauses (MietSlg. 39.252) oder um in Eigenbenützung des Hauseigentümers stehende Wohnungen und Geschäftslokale, in Häusern, in welchen teilweise Wohnungseigentum begründet ist, aber auch um Wohnungseigentumsobjekte handeln.

Da das Rekursgericht - von einer nicht zu billigenden Rechtsansicht ausgehend - eine Prüfung der Frage unterlassen hat, ob die Voraussetzungen des § 8 Abs.2 MRG gegeben sind, erweist sich der Revisionsrekurs im Sinne des in seinem Abänderungsbegehren enthaltenen Aufhebungsantrages berechtigt.

Das Rekursgericht wird daher den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt und dessen rechtliche Beurteilung einer sachlichen Überprüfung zu unterziehen haben. Es wird dabei insbesondere zu klären haben, ob und inwiefern die beabsichtigte Errichtung eines Steges das Gebrauchsrecht der Antragsgegner an der von ihnen mitgemieteten Grünfläche beeinträchtigt, etwa in Form einer Minderung des Genusses jener Annehmlichkeiten, die mit dem natürlichen Lichteinfall verbunden sind, ob also die Errichtung eines Zuganges zu der in Benützung der Erstantragstellerin befindlichen Gartenterrasse einen Eingriff in das Mietrecht der Antragsgegner darstellt. Sollte die Errichtung des die den Antragsgegnern zur Benützung zustehenden Grünfläche (teilweise) überspannenden Steges als Eingriff in deren Mietrecht anzusehen sein, so wird wohl davon auszugehen sein, daß dieser Eingriff im Sinne des § 8 Abs.2 Z 2 MRG notwendig ist, weil bei Durchsetzung des den Antragsgegnern zustehenden Anspruches auf Beseitigung des derzeit noch vorhandenen Steges ein Zugang zu der zum Wohnungseigentumsobjekt der Erstantragstellerin gehörigen Gartenterrasse nicht mehr gegeben sein wird. Offen verbliebe sodann nur mehr die Frage, ob den Antragsgegnern bei billiger Abwägung aller Interessen die geplante Veränderung zumutbar wäre, zumal die vom Hauptmieter nach dieser Gesetzesstelle zuzulassende Veränderung und der damit verbundene Eingriff in das Mietrecht auch dauernd sein dürfen (vgl. ImmZ 1989, 253).

Es mußte daher dem Revisionsrekurs Folge gegeben und dem Rekursgericht nach Aufhebung dessen Sachbeschlusses die neue Entscheidung über den Rekurs der Antragsgegner aufgetragen werden.

Anmerkung

E19081

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0050OB00086.89.1003.000

Dokumentnummer

JJT_19891003_OGH0002_0050OB00086_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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