TE OGH 1989/10/10 10ObS272/89

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Veröffentlicht am 10.10.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst und Dr.Kellner als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Franz Köck (AG) und Wilhelm Hackl (AN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Herbert D***, Lilienfelderstraße 29, 3192 Hohenberg, vertreten durch Dr.Peter Eigenthaler, Rechtsanwalt in Lilienfeld, wider die beklagte Partei P*** DER A***, Roßauer

Lände 3, 1092 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10.Mai 1989, GZ 31 Rs 101/89-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 22. Dezember 1985, GZ 32 Cgs 1065/87-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht wies das Begehren des Klägers auf Zuerkennung einer Invaliditätspension (ab 1.November 1986) ab. Es stellte im wesentlichen fest, daß der am 9.März 1941 geborene Kläger am 19. September 1958 die Drahtzieherlehre mit der Facharbeiterprüfung abgeschlossen hat und sodann bei der V*** Alpine, Werk St.Ägyd bis 11. September 1983 als Drahtzieher und nach der Einstellung der Drahterzeugung bis 31.März 1986 als Kunststoffverarbeiter tätig war. Gegen Ende seiner Beschäftigung absolvierte er noch einen 10-monatigen Dreherkurs und einen 6-monatigen Schlosserkurs. Seither ist er arbeitslos. Die Tätigkeit des Drahtziehers wird an rasch laufenden und gefährlichen Maschinen ausgeübt.

Der Kläger leidet an Anfällen unklarer Ursache, möglicherweise an epileptischen Anfällen. Er ist in der Lage, sämtliche Arbeiten zu verrichten, soferne sie nicht an exponierten Stellen, z.B. an rasch laufenden Maschinen oder auf hohen Gerüsten erfolgen müssen. Der Kläger kann die Tätigkeit eines Drahtziehers, die mit Arbeit an exponierten Stellen verbunden ist nicht mehr ausüben. Er ist aber in der Lage, die Tätigkeit eines Zwischen- oder Endkontrollores und Fertigungsprüfers in der Metall- und Kunststoffindustrie auszuüben. Dieser hat durch verschiedene Meßvorgänge mit Schublehren, Mikrometerschrauben, Maßuhren und dergleichen die Maßhaltigkeit von Produkten der Massenanfertigung, z.B. Rollen, Kegel, Ventile zu prüfen und die Änderung der Maschineneinstellung durch Einsteller zu veranlassen. Diese Arbeit ist als Teiltätigkeit des Schlosserberufes zu werten, obwohl auch Hilfsarbeiter dafür angelernt werden. Das Messen mit Feingeräten muß ein Schlosser oder Drahtzieher beherrschen. Solche Arbeitsstellen kommen auf dem Arbeitsmarkt in ausreichender Zahl vor.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, der Kläger genieße Berufsschutz nach § 255 Abs 1 ASVG. Da er noch auf die Teiltätigkeit eines Zwischen- oder Endkontrollores und Fertigungsprüfers verwiesen werden könne, sei er nicht invalid im Sinne dieser Gesetzesstelle. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln und übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes. Der Beruf eines Drahtziehers scheine in der Lehrberufsliste nicht auf. Der Kläger habe bei der St.Ägyder Eisen- und Stahlindustriegesellschaft eine innerbetriebliche Fachausbildung erhalten und sei überwiegend in einem Anlernberuf (Liste der Anlernberufe des Österreichischen Arbeiterkammertags von Juli 1962) tätig gewesen. Er genieße daher Berufsschutz. Die Tätigkeit eines Drahtziehers sei als Metallarbeitertätigkeit mit dem Lehrberuf eines Schlossers verwandt, der Kläger müsse sich daher die Verweisung auf die Tätigkeit eines Zwischen- oder Endkontrollores sowie Fertigungsprüfers gefallen lassen. Er sei daher nicht invalid im Sinne des § 255 Abs 1 und Abs 2 ASVG.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Als Verfahrensmangel rügt der Kläger, ebenso wie schon in der Berufung nur, daß die Ursache seiner ungeklärten Anfälle nicht erforscht worden sei. Angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Vorliegen schon das Berufungsgericht verneint hat, können mit Revision nicht mehr geltend gemacht werden (SSV-NF 1/32). Zutreffend haben die Vorinstanzen ausgeführt, daß ein Versicherter, dessen Invalidität nach § 255 Abs 1 ASVG zu beurteilen ist, auf Teiltätigkeiten seines Berufes verwiesen werden darf, soferne er dadurch nicht den ihm nach der angeführten Bestimmung zukommenden Berufsschutz verlieren würde. Die Tätigkeit, auf die der Versicherte verwiesen wird, muß daher eine Tätigkeit in einem erlernten oder angelernten Beruf im Sinne des § 255 Abs 1 und Abs 2 ASVG sein (10 Ob S 35/89).

Der Revisionswerber meint, die Tätigkeit eines Zwischen- oder Endkontrollores sowie Fertigungsprüfers in der Metall- und Kunststoffindustrie sei eine Teiltätigkeit des Schlossers nicht aber des Drahtziehers. Diese beiden Berufe sind so eng verwandt, daß die Ausbildung zum Beruf des Drahtziehers seit 1970 wegen zu großer Spezialisierung aufgegeben wurde. Während des Drahtziehens wird die Dimension des Drahtes laufend vermindert, wobei eine hohe Genauigkeit erforderlich ist. Der Drahtzieher hat fortlaufend mit Feinmeßgeräten (Mikrometerschrauben) die Stärke zu kontrollieren, Kühlmittel zu verwenden, das Einziehen der Drähte in die Ziehsteine und Ziehtrommeln zu bewerkstelligen, die Ziehstraßen zu warten und die Drahtringe auf die Haspeln zu heben und von den Trommenl abzunehmen. Die wichtigste Kerntätigkeit dieses Berufes ist somit die genaue Kontrolle mit Feinmeßgeräten. Gerade diese Kenntnisse aber sind auch für einen Zwischen- oder Endkontrollor und Fertigungsprüfer in der Metall- und Kunststoffindustrie erforderlich, sodaß diese Tätigkeit nicht nur eine Teiltätigkeit des Schlossers, sondern auch des Drahtziehers darstellt, die Kenntnisse erfordert, welche über einfache Hilfsarbeiten hinausgehen. Wenn auch, wie dies in vielen Lehrberufen und diesen gleichzuhaltenden Anlernberufen vorkommt, auch Hilfsarbeiter verwendet werden, so müssen diese doch mangels entsprechender Vorkenntnisse für die spezielle Teiltätigkeit besonders angelernt werden. Da der Berufsschutz durch Ausübung der Teiltätigkeit eines Zwischen- oder Endkontrollores und Fertigungsprüfers für einen Drahtzieher nicht verloren geht, ist die Verweisung zulässig.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Revisionskosten beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

Anmerkung

E18770

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:010OBS00272.89.1010.000

Dokumentnummer

JJT_19891010_OGH0002_010OBS00272_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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