Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DIE G*** W***, Zeitschriftengesellschaft mbH & Co KG, Wien 16., Odoakergasse 34-36, vertreten durch Dr.Michael Graff, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei R***-E***
Zeitschriftenverlagsgesellschaft mbH, Wien 5., Krongasse 6, vertreten durch Dr.Heinz Giger und Dr.Stephan Ruggenthaler, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Revisionsrekursverfahren S 1,000.000) infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 28. April 1989, GZ 2 R 59/89-12, womit die einstweilige Verfügung des Handelsgerichtes Wien vom 8.Februar 1989, GZ 17 Cg 11/89-4, teilweise abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes zur Gänze wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig, die beklagte Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Klägerin ist Medieninhaberin der Wochenzeitung "DIE G*** W***". Die Beklagte ist Medieninhaberin, Verlegerin und Herausgeberin der Monatszeitschrift "R***-E***".
Auf den Seiten 120 und 121 des Heftes 2/89 der Zeitschrift "R***-E***" warb die Beklagte unter der Überschrift "Die Sensation: Der Rennbahn-Express schenkt jedem neuen Abonnenten ein Paar Sportschuhe" um neue Abonnenten und kündigte ein Paar Original "Kangaroos"-Sportschuhe zu jedem "R***-E***"-Abonnement als Geschenk an. Der Preis dieser Sportschuhe wurde mit rund S 700 angegeben. Ein Jahresabonnement der Zeitschrift "R***-E***" kostet S 225. Rechts unten auf Seite 121 ist ein - für die Bestellung des Abonnements bestimmter - sogenannter "ABO-SCHECK" abgedruckt, der ebenfalls einen Hinweis auf das "Geschenk" enthält.
Mit der Behauptung, daß die Beklagte mit dieser Werbeankündigung gegen das Zugabengesetz sowie gegen § 1 UWG verstoßen habe, begehrt die Klägerin zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung u. a. zu verbieten, in der Zeitschrift "R***-E***", insbesondere mit dem Formular eines ABO-SCHECKS, dem Besteller eines "R***-E***"-Abonnements ein Paar Sportschuhe gratis in Aussicht zu stellen oder Gutscheine für ein Paar Sportschuhe auszustellen oder einlösen zu lassen oder sonst im Zusammenhang mit der Bestellung eines "R***-E***"-Abonnements ein Gratisgeschenk nicht nur geringen Wertes anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Sie habe sich bereits gegenüber dem Verein zur Förderung des freien Wettbewerbs im Medienwesen, der sie wegen desselben Sachverhaltes geklagt habe, zum Abschluß eines gerichtlichen Vergleiches verpflichtet, der in den nächsten Tagen - sobald ein Gerichtstermin erwirkt werden könne - abgeschlossen werde. Sie habe darüber hinaus alle notwendigen Vorkehrungen getroffen, damit in Hinkunft gegen diese Unterlassungspflicht nicht verstoßen werde; insbesondere werde sie den Personen, die ein Abonnement bestellen, die versprochenen Zugaben nicht gewähren. Darüber hinaus werde sie auf jederzeitige Aufforderung des Vereines zur Förderung des freien Wettbewerbs im Medienwesen die Urteilsveröffentlichung in der erforderlichen Form durchführen; damit falle die Wiederholungsgefahr weg. Der Erstrichter gab den Sicherungsanträgen statt. Mit dem Ankündigen eines Gratisgeschenkes zu einem Jahresabonnement des "R***-E***" habe die Beklagte gegen das Zugabengesetz verstoßen. Das Angebot, einen gerichtlichen Unterlassungsvergleich abzuschließen, gegenüber einer im vorliegenden Verfahren nicht beteiligten dritten Person könne die Wiederholungsgefahr nicht beseitigen.
Das Gericht zweiter Instanz wies den gegen die Beklagte gerichteten Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Beschwerdegegenstandes S 300.000 übersteige. Es nahm ergänzend als bescheinigt an, daß der Verein zur Förderung des freien Wettbewerbs im Medienwesen gegen die Beklagte wegen der Ankündigung, jedem Neuabonnenten Sportschuhe zu schenken, zu 39 Cg 99/89 des Handelsgerichtes Wien eine Klage auf Unterlassung und Urteilsveröffentlichung eingebracht und der Rechtsvertreter dieses Vereins mit Schreiben vom 6.2.1989 das Vergleichsangebot des Vertreters der Beklagten vom 3.2.1989 angenommen habe; es gebe keinen Hinweis, daß das Vergleichsangebot der Beklagten nur zum Schein erfolgt wäre oder daß sich die Beklagte an das Unterlassungsgebot nicht gehalten oder neuerliche Zugabenverstöße begangen hätte. Daß die Beklagte den Unterlassungsvergleich mit Veröffentlichungsermächtigung nicht der Klägerin, sondern einem Dritten angeboten habe, schade nicht; es gehe nicht darum, ob das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin noch gegeben sei, sondern ob das durch das Vergleichsangebot dokumentierte Verhalten der Beklagten eine Wiederholung ihrer gesetzwidrigen Handlung äußerst unwahrscheinlich mache. Da die Beklagte mit ihrem Angebot klar zu erkennen gegeben habe, daß sie ernstlich gewillt sei, in Hinkunft von solchen Verstößen abzusehen, sei die Wiederholungsgefahr weggefallen.
Gegen den abändernden Teil dieses Beschlusses wendet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß die einstweilige Verfügung des Erstrichters zur Gänze wiederhergestellt werde.
Die Beklagte beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist berechtigt.
Soweit die Klägerin dem Rekursgericht einen Verstoß gegen Prozeßvorschriften vorwirft, kann ihr nicht gefolgt werden. Das Gericht zweiter Instanz konnte das von der Klägerin erstmals in der Rekursbeantwortung zur Widerlegung des in erster Instanz erhobenen Einwandes der fehlenden Wiederholungsgefahr erstattete Vorbringen nicht berücksichtigen. Nach Lehre und Rechtsprechung gilt im Rekursverfahren nach der ZPO und damit auch im Exekutions- und Sicherungsverfahren (§§ 78, 402 Abs 2 EO) das Neuerungsverbot (Fasching IV 385; Heller-Berger-Stix 649 f mwN). Neues Vorbringen ist auch dann ausgeschlossen, wenn der Beschwerdeführer in erster Instanz nicht gehört wurde; der angefochtene Beschluß ist auf Grund der Sach- und Aktenlage zur Zeit seiner Erlassung zu überprüfen (Fasching aaO; ZBl 1928/277 uva). Auch ein Verfahrensfehler des Gerichtes erster Instanz liegt nicht vor, weil dieses nicht verpflichtet war, der Klägerin die Äußerung der Beklagten zu einer Gegenäußerung zuzustellen (§ 55 Abs 1, letzter Satz, § 402 Abs 2 EO). Eine solche Unterlassung kann auch nicht gegen Art. 6 MRK verstoßen, weil diese Bestimmung auf einstweilige Verfügungen keine Anwendung findet (Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar 125 Rz 36 zu Art 6 FN 86; E 7990/77, DR 24,57).
Der Klägerin ist aber darin beizupflichten, daß die Beklagte den Wegfall der Wiederholungsgefahr nicht ausreichend dargetan hat. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung beseitigt das - wenngleich vom Kläger abgelehnte - Angebot des Beklagten, sich in einem vollstreckbaren Vergleich zu der vom Kläger begehrten Unterlassung zu verpflichten und ihm damit all das zu bieten, was er durch ein seinem Unterlassungsbegehren stattgebendes Urteil erlangen könnte, regelmäßig die Wiederholungsgefahr (SZ 51/87; ÖBl 1985, 16; MR 1988, 125 ua). Auch hier kommt es jedoch darauf an, ob dem Verhalten des Verletzers nach der Beanstandung und während des Rechtsstreites ausreichende Anhaltspunkte dafür entnommen werden können, daß er ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen; dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die im Einzelfall für oder gegen eine solche Sinnesänderung des Verletzers sprechen (ÖBl 1982, 102; ÖBl 1985, 43 ua). Entscheidend ist, ob es dem Beklagten nach den gesamten Umständen des Falles mit seiner Unterlassungsverpflichtung tatsächlich ernst ist. Das ist beim Angebot eines vollstreckbaren Vergleiches des erwähnten Inhaltes zwar in der Regel zu vermuten; im Einzelfall können aber die Umstände dagegen sprechen, so daß weiterhin Wiederholungsgefahr anzunehmen ist (vgl. MR 1988, 125). Ein solches Vergleichsangebot beseitigt ja - streng genommen - nicht die Wiederholungsgefahr, sondern nur deren Vermutung (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht15, 316 Rz 276 EinlUWG). Daraus folgt aber, daß trotz eines an sich ausreichenden Vergleichsangebotes die Wiederholungsgefahr in der Folge sehr wohl wieder vermutet werden kann, wenn der Beklagte ein Verhalten an den Tag legt, das Zweifel an seinem ernstlichen Willen aufkommen läßt, von künftigen Störungen abzusehen.
Die Besonderheit des hier zu beurteilenden Sachverhaltes liegt nun darin, daß die Beklagte nicht der Klägerin angeboten hat, sich in einem Vergleich zu all dem zu verpflichten, was die Klägerin mit Urteil erlangen könnte; vielmehr hat sich die Beklagte darauf berufen, einen entsprechenden Vergleich einem anderen Unterlassungskläger angeboten zu haben. Damit mag zwar die Beklagte in dem zwischen dem anderen Kläger und ihr geführten Verfahren die Vermutung entkräftet haben, sie werde weiterhin zu gleichartigen Wettbewerbsverstößen geneigt sein. Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß sie im vorliegenden Verfahren ihre Behauptung des Wegfalls der Wiederholungsgefahr nur mit dem Hinweis auf dieses an einen Dritten gerichtete Vergleichsangebot begründet, der Klägerin selbst aber kein solches Angebot gemacht und nur den Antrag gestellt hat, den Sicherungsantrag abzuweisen, erscheint aber - bei der nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles vorzunehmenden Gesamtwürdigung (vgl GRUR 1983, 186) - ihre Einstellung doch in einem wesentlich anderen Licht, das Zweifel an einer echten Sinnesänderung der Beklagten wach werden läßt. Wäre die Beklagte nämlich tatsächlich fest entschlossen, künftig nicht mehr in gleicher oder ähnlicher Weise wettbewerbswidrig zu handeln, dann hätte sie auch der Klägerin, die etwa zur selben Zeit wie der Verein zur Förderung des freien Wettbewerbs im Medienwesen die Klage erhoben hatte, einen entsprechenden Vergleich anbieten können (die Beklagte hatte - nach der von ihr selbst vorgelegten Urkunde - dem Verein am 3.2.1989 den Abschluß eines Vergleiches angeboten; am selben Tag wurde ihr die vorliegende Klage zugestellt). Durch das einem Dritten gemachte Vergleichsangebot hat die Klägerin jedenfalls nicht all das erlangt, was sie durch ein Urteil erreichen könnte. Das trifft auch dann zu, wenn der genannte Verein derzeit bereit und geeignet sein sollte, die ihm zustehenden Sanktionsmöglichkeiten auszuschöpfen (vgl GRUR 1983, 186), besteht doch immerhin die Möglichkeit, daß sich die Beklagte in Zukunft mit ihm in irgendeiner Weise verständigt; in diesem Fall könnte die Klägerin bei einem neuerlichen Zuwiderhandeln der Beklagten nicht nur selbst keine Exekution führen, sondern auch nicht mit entsprechenden Schritten des Dritten rechnen. Ein Beklagter kann daher die gegen ihn sprechende Vermutung, daß er auch künftig zu Wettbewerbsverstößen geneigt sein werde, nicht schon damit entkräften, daß er einem von mehreren etwa zur selben Zeit auftretenden Unterlassungsklägern - womöglich jenem, der die geringsten Forderungen stellt (vgl WRP 1986, 255) - einen vollstreckbaren Vergleich im Umfang des Urteilsbegehrens anbietet, während er den übrigen Klägern gegenüber nur die Abweisung der Klage beantragt. Die Entscheidung ÖBl 1985, 43 steht zu dieser Auffassung nicht im Widerspruch: Dort hatte der Beklagte schon vor geraumer Zeit einen (außergerichtlichen) Vergleich mit einem Dritten tatsächlich abgeschlossen und in der Folge auch eingehalten; bei Würdigung dieses Verhaltens konnte aber der Wegfall der Wiederholungsgefahr mit Grund angenommen werden (vgl auch GRUR 1983, 186, wo als Umstand, der für den Wegfall der Wiederholungsgefahr spricht, hervorgehoben wurde, daß im Zeitpunkt des Unterlassungsbegehrens der Klägerin seit der Verletzungshandlung mehr als drei Monate und seit der ersten Unterwerfungserklärung bereits rund elf Wochen verstrichen waren).
Da die Frage, ob ein künftiges Zuwiderhandeln des Beklagten auszuschließen ist, in jedem einzelnen Verfahren auf Grund der dort erwiesenen Tatsachen zu beantworten ist, die Verneinung der Wiederholungsgefahr in dem einem Verfahren infolge eines Vergleichsangebotes somit der Bejahung dieser Gefahr im Hinblick auf die in einem späteren Verfahren hervorgekommenen Umstände keineswegs entgegensteht, stellt sich das Problem der "Unteilbarkeit" der Wiederholungsgefahr in Wahrheit nicht (vgl hiezu GRUR 1983, 186;
Krüger, Wiederholungsgefahr - unteilbar?, GRUR 1984, 785 ff;
Baumbach-Hefermehl aaO 317 Rz 277 EinlUWG); tatsächlich geht es ja nur um die jeweilige Beurteilung des künftigen Verhaltens des Beklagten (also um die Vermutung der Wiederholungsgefahr), welche nach dem jeweils gegebenen Kenntnisstand auch unterschiedlich ausfallen kann.
Der Beklagten ist es somit nicht gelungen, durch den Hinweis auf ihr an den Verein zur Förderung des freien Wettbewerbs im Medienwesen gestelltes Vergleichsangebot die Vermutung der Wiederholungsgefahr zu beseitigen. Darauf, ob der Verein dieses Angebot wirksam angenommen hat, kommt es entgegen den Ausführungen der Klägerin schon deshalb nicht an, weil für diese Beurteilung nur das Verhalten der Beklagten maßgebend ist.
Daß die Beklagte mit der beanstandeten Ankündigung gegen das Zugabengesetz verstoßen hat, ist unbestritten geblieben und bedarf auch keiner näheren Begründung; der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist somit berechtigt. Dem Revisionsrekurs war daher dahin Folge zu geben, daß die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes zur Gänze wiederhergestellt wird. Die von der Beklagten im Rekurs (ON 6) geltend gemachten Bedenken gegen die Fassung des Spruches können nicht geteilt werden: Gesetzliche Ausnahmen vom Zugabenverbot (§§ 2, 3 ZugabenG) müssen im Spruch nicht ausdrücklich erwähnt werden (vgl ÖBl 1980, 141); aus der Begründung der Entscheidung geht auch eindeutig hervor, daß mit der einstweiligen Verfügung nur Gratisgeschenke an die Besteller selbst und nicht auch an solche Personen verboten werden sollen, die - etwa als Laienwerber - Bestellungen entgegenzunehmen haben. Der Ausspruch über die Rechtsmittelkosten der Klägerin gründet sich auf § 393 Abs 1 EO; jener über die Kosten der Erstbeklagten auf §§ 78, 402 Abs 2 EO; §§ 40, 50, 52 ZPO.
Anmerkung
E18516European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0040OB00102.89.1010.000Dokumentnummer
JJT_19891010_OGH0002_0040OB00102_8900000_000