Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Oktober 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Salat als Schriftführerin in der Strafsache gegen Stefan L*** und einen anderen Angeklagten wegen des Vergehens der versuchten schweren Sachbeschädigung nach den §§ 15, 125, 126 Abs. 1 Z 5 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes Innsbruck vom 15.November 1988, GZ 38 Vr 2445/88-11, und des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 28.Februar 1989, AZ 8 Bs 72/89, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, jedoch in Abwesenheit des rechtskräftig freigesprochenen Stefan L***, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschlüsse des Landesgerichtes Innsbruck vom 15. November 1988, GZ 38 Vr 2445/88-11, und des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Beschwerdegericht vom 28.Februar 1989, AZ 8 Bs 72/89 (ON 21 der Akten 38 Vr 2445/88 des Landesgerichtes Innsbruck), verletzen das Gesetz in den Bestimmungen des § 393 a Abs. 1 und 3 StPO.
Die bezeichneten Beschlüsse werden aufgehoben und es wird dem Landesgericht Innsbruck die neuerliche Entscheidung über den Antrag des Stefan L*** auf Zuspruch eines Beitrages zu den Kosten seiner Verteidigung aufgetragen.
Text
Gründe:
Mit dem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 27. Oktober 1988, GZ 38 Vr 2445/88-8, wurde (ua) Stefan L*** von der Anklage wegen der Vergehen der versuchten schweren Sachbeschädigung nach §§ 15, 125, 126 Abs. 1 Z 5 StGB und der Beleidigung nach den §§ 115 Abs. 1, 117 Abs. 2 StGB gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Sein daraufhin gestellter Antrag auf Zuspruch eines Beitrages zu den Kosten seiner Verteidigung (§ 393 a Abs. 1 StPO) wurde mit Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 15.November 1988, GZ 38 Vr 2445/88-11, im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, daß der Freispruch, soweit er sich auf das Vergehen der Beleidigung bezog, auf der Zurückziehung der Ermächtigung durch die tatbetroffenen Beamten in der Hauptverhandlung beruhte, weshalb der geltend gemachte Anspruch gemäß § 393 a Abs. 3 StPO ausgeschlossen sei (S 51).
Der gegen diesen Beschluß erhobenen Beschwerde des Stefan L*** gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluß vom 28. Februar 1989, AZ 8 Bs 72/89 (ON 21 der Akten 38 Vr 2445/88 des Landesgerichtes Innsbruck) keine Folge und ging dabei davon aus, daß im Einzelrichterverfahren ein Ersatzanspruch auch dann nicht bestehe, wenn ein Ausschließungsgrund im Sinn des § 393 a Abs. 3 StPO nur hinsichtlich einer von mehreren inkriminierten Straftaten - mag diese auch bloß der sachlichen Kompetenz des Bezirksgerichtes unterfallen - gegeben sei (S 72, 73).
Rechtliche Beurteilung
Die bezeichneten Entscheidungen des Landesgerichtes Innsbruck und des Oberlandesgerichtes Innsbruck stehen mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Die Beitragsleistungspflicht des Bundes nach § 393 a StPO besteht nur im Verfahren vor den Geschwornengerichten, vor den Schöffengerichten und vor dem Einzelrichter des Gerichtshofes erster Instanz im Fall des (Total-)Freispruchs von einer Offizialklage. Diese Ersatzpflicht ist jedoch nach Abs. 3 der zitierten Bestimmung ausgeschlossen, soweit der Angeklagte den das Verfahren begründenden Verdacht vorsätzlich herbeigeführt hat oder das Verfahren lediglich deshalb beendet worden ist, weil der Angeklagte die Tat im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit begangen hat oder weil die Ermächtigung zur Strafverfolgung in der Hauptverhandlung zurückgenommen worden ist.
Beruht jedoch - wie hier - der Freispruch von einer Anklage
wegen mehrerer Delikte in Ansehung des Ermächtigungsdeliktes auf der
Zurücknahme der Ermächtigung, dann gebührt dem zur Gänze
Freigesprochenen - den Auffassungen des Landesgerichtes Innsbruck
und des Oberlandesgerichtes Innsbruck zuwider - ein angemessener
Teil jenes Verteidigungskostenbeitrages, zu dem der Bund bei Fehlen
jedweden partiellen Ausschlußgrundes verpflichtet wäre. Denn mit den
Worten "soweit" und "lediglich" im § 393 a Abs. 3 StPO, die beide im
Zusammenhang mit dem letzten Halbsatz dieser Gesetzesstelle zu
verstehen sind, zielt das Gesetz ersichtlich auf eine Beschränkung
des Anspruchsausschlusses auf den Umfang ab, in dem die (taxativ
aufgezählten) Versagungskriterien sachlich aktuell sind, hier also,
"soweit ... das Verfahren lediglich deshalb beendet worden ist,
weil ... die Ermächtigung zur Strafverfolgung ... zurückgenommen
worden ist."
Davon ausgehend verletzt die sowohl dem Landesgericht Innsbruck als auch dem Oberlandesgericht Innsbruck als Beschwerdegericht unterlaufene Anspruchsversagung das Gesetz zum Nachteil des Stefan L*** in den Bestimmungen des § 393 a Abs. 1 und Abs. 3 StPO, weshalb in Stattgebung der von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde insgesamt spruchgemäß zu entscheiden war.
Anmerkung
E18778European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0120OS00132.89.1012.000Dokumentnummer
JJT_19891012_OGH0002_0120OS00132_8900000_000