Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Oktober 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Salat als Schriftführerin in der Strafsache gegen Thomas H*** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, vom 29.August 1989, GZ 3 b Vr 2469/89-68, womit seine Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30.Mai 1989, GZ 3 b Vr 2469/89-34, zurückgewiesen worden war, sowie über seine Berufung gegen dieses Urteil und über seine Beschwerden gegen die gleichzeitig damit ergangenen Widerrufsbeschlüsse, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Gemäß §§ 285 i, 498 Abs. 3 StPO werden die Akten zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten und seine Beschwerden gegen die gleichzeitig mit dem Urteil ergangenen Widerrufsbeschlüsse dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Thomas H*** wurde mit dem aus dem Spruch ersichtlichen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 30.Mai 1989 des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Gleichzeitig wurden in Ansehung dreier bedingt nachgesehener Vorstrafen Widerrufsbeschlüsse gefaßt. Neben den Beschwerden gegen die Widerrufsbeschlüsse brachte der Verteidiger des Angeklagten fristgerecht die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung zur Ausführung. In einer handschriftlichen Eingabe vom 18.August 1989 zog der Angeklagte die Nichtigkeitsbeschwerde unter Aufrechterhaltung der Berufung im wesentlichen mit der Begründung zurück, daß er anstrebe, in Strafhaft überstellt zu werden, um in der Strafvollzugsanstalt an einer Intensivausbildung für den Spenglerberuf teilnehmen zu können. Vier Tage später teilte er dem Gericht mit, die Nichtigkeitsbeschwerde aufrechterhalten zu wollen; er habe sich zur Zurückziehung durch den im Hause befindlichen Sozialarbeiter hinreißen lassen und sei nun zur Erkenntnis gelangt, daß er doch den Ausgang des Verfahrens abwarten und die Suche nach einem Ausbildungsplatz erst nachher in Angriff nehmen wolle. Mit dem angefochtenen Beschluß wies daraufhin der Vorsitzenden gemäß § 285 a Z 1 StPO den "Antrag des Verurteilten nach Aufrechterhaltung der Nichtigkeitsbeschwerde" - gemeint wohl auch:
die Nichtigkeitsbeschwerde - als unzulässig zurück, weil der Angeklagte "auf sie verzichtet hat" (Band II S 35 und 36).
Rechtliche Beurteilung
Die vom Angeklagten dagegen erhobene Beschwerde ist nicht begründet.
Den Rechtsmittelausführungen zuwider bietet das eigenhändige Schreiben des Angeklagten vom 18.August 1989 (Band II S 21 f) nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, daß er sich bei dessen Verfassung in einem Irrtum über den Inhalt der abgegebenen Rechtsmittelerklärung befunden habe bzw außer Stande gewesen sei, die Tragweite und die strafprozessualen Folgen seiner Willensäußerung abzusehen. Nicht zu erkennen ist auch, weshalb er sich zum Zeitpunkt der Abgabe seiner Verzichtserklärung in einer "Bedrängnis" befunden haben sollte.
Nach dem Gesagten bietet mithin der gegebene Fall keinen Anlaß, von der ständigen Judikatur abzuweichen, wonach der Verzicht auf die Nichtigkeitsbeschwerde nicht widerrufen werden kann; auf das Motiv einer solchen Rechtsmittelerklärung kommt es dabei nicht an (Foregger-Serini4 Erl II zu § 285 a StPO). Der Beschwerdehinweis auf die Bestimmung des § 268 Abs. 2 StPO schlägt nicht durch, weil deren erklärte Zielrichtung darin liegt, unter dem Eindruck des Schuldspruches voreilig abgegebene Erklärungen binnen drei Tagen widerrufen zu können, wogegen der gegenständliche Verzicht erst über zweieinhalb Monate nach der Urteilsverkündung, nachdem das schriftlich ausgefertigte Urteil bereits zugestellt worden war, deponiert wurde.
Über die Berufung des Angeklagten und über dessen Beschwerden gegen die zugleich mit dem Urteil gefaßten Widerrufsbeschlüsse wid der zuständige Gerichtshof zweiter Instanz zu befinden haben (§§ 285 i, 298 Abs. 3 StPO).
Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E18779European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0120OS00126.89.1012.000Dokumentnummer
JJT_19891012_OGH0002_0120OS00126_8900000_000