TE OGH 1989/10/12 6Ob618/89

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Veröffentlicht am 12.10.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Edith M***, geboren am 1.Juni 1948 in Aigen im Mühlkreis, Angestellte, 4170 Haslach, St. Stefan am Walde 7, vertreten durch Dr. Rudolf Schuh, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Adolf M***, geboren am 4.Mai 1941 in Vorderweißenbach, Hilfsarbeiter, 4170 Haslach, St. Stefan am Walde 7, vertreten durch Dr. Heimo Fürlinger, Rechtsanwalt in Linz, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 29.März 1989, GZ 18 R 164/89-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Rohrbach vom 5.Dezember 1988, GZ C 1473/88-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.706,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 617,70 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile haben am 18.6.1971 vor dem Standesamt Linz die beiderseits erste Ehe geschlossen, die kinderlos blieb. Beide Parteien sind österreichische Staatsbürger und römisch-katholisch. Ihren letzten gemeinsamen Wohnsitz hatten sie in St. Stefan am Walde. Die Klägerin begehrte mit der am 7.11.1988 eingebrachten Klage die Scheidung der Ehe aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten. Sie brachte vor, der Beklagte sei chronischer Alkoholiker, komme wiederholt alkoholisiert nach Hause und verursache immer wieder Exzesse. Er verweigere seit Jahren grundlos den Geschlechtsverkehr und habe der Klägerin Anfang Oktober 1988 mitgeteilt, er habe nunmehr eine Freundin gefunden und an der Klägerin kein Interesse mehr.

Der Beklagte beantragte in erster Linie die Abweisung des Klagebegehrens und bestritt, daß er die Eheverfehlungen in der Form, wie sie ihm von der Klägerin zur Last gelegt würden, begangen habe. Zwar hätten die Parteien keinen Geschlechtsverkehr mehr gehabt, doch sei ein solcher am Ausfluß der Klägerin gescheitert. Der Beklagte sei kein chronischer Alkoholiker. Im alkoholisierten Zustand werde aber einiges an Streitigkeiten vorgekommen sein. Mit Silvia S*** sei er nur etwa drei Monate lang befreundet, aber nicht intim gewesen. Er habe mit ihr bereits vor kurzem wieder "Schluß gemacht". Im Falle der Scheidung der Ehe hätten "wohl beide etwa die halbe Schuld." Eine Schuld der Klägerin liege darin, daß der Beklagte alleine zu Hause gewesen und sie "bei ihm nicht so richtig geblieben" sei. Sie habe vor ca. einem halben Jahr "das Bett weggeräumt und sei zur Mutter bzw. Großmutter". Vorher habe die Klägerin zu "keppeln" begonnen, wenn der Beklagte nach Hause gekommen sei und sich niedergelegt habe.

Das Erstgericht schied die Ehe aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten und ging dabei von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:

Nachdem die Klägerin im Jahre 1971 eine Totgeburt hatte, verweigerte der Beklagte seit November 1976 den Geschlechtsverkehr mit der Begründung, es "grause oder ekle ihn, wenn er daran denke, daß sie ein totes Kind im Leib gehabt habe". Sämtliche Versuche der Klägerin, mit dem Beklagten körperliche Kontakte herzustellen, scheiterten an dessen ablehnender Haltung. Die Klägerin unterzog sich um August 1978 einer Eierstockoperation und ging jährlich zu gynäkologischen Kontrollen. Sie "hatte und hat keinen Scheidenausfluß".

Die Streitteile hatten eine Dienstwohnung in Linz und fuhren zum Wochenende in das aufgrund der mit dem am 27.12.1983 geschlossenen Ehepakt begründeten Gütergemeinschaft in ihrem Miteigentum stehende Haus in St.Stefan am Walde Nr.7. Der Beklagte ging oft Freitag abends aus, verbrachte das Wochenende mit Jagdfreunden und kam mitunter erst Montag früh nach Hause. Während dieser Zeit blieb die Klägerin allein zu Hause.

Im Jahre 1980 begann der Beklagte zu trinken. Er war am 24.12.1983 alkoholisiert und "schnipselte nach einem Wortwechsel den Christbaum zusammen". Im Jahre 1986 zog der Beklagte im alkoholisierten Zustand die Klägerin an ihren Haaren über die Stiege des Hauses in St.Stefan am Walde hinauf, weil sie ihm Vorwürfe wegen des Alkoholkonsums gemacht hatte. Seit ca. einem halben Jahr hat es keine Alkoholexzesse mehr gegeben, der Beklagte hat den Alkoholkonsum gegenüber früher stark eingeschränkt. Er trinkt jetzt täglich ca. eine Flasche Bier und einen halben Liter Most, zum Wochenende etwas mehr.

Am Muttertag 1988 sagte der Beklagte zur Klägerin, sie solle ihn in Hinkunft nicht mehr anreden. Die Klägerin hält sich daran. Seither sprechen die Streitteile kaum mehr miteinander. Der Beklagte ist seit September 1988 mit der 22-jährigen Silvia S*** befreundet. Mit ihr hält er sich manchmal in der Wohnung deren Mutter, manchmal in der den Streitteilen gehörigen Jagdhütte auf. Zwischen dem Beklagten und seiner Freundin kam es zum Austausch von Küssen. Nicht feststellbar war, ob sie miteinander geschlechtlich verkehrt haben. Die Freundschaft zwischen den Beiden ist nach wie vor aufrecht.

Anfang Oktober 1988 teilte der Beklagte der Klägerin mit, daß er nun eine Freundin habe. Auf die Erklärung der Klägerin, sie sei damit nicht einverstanden, sagte der Beklagte, er habe an ihr kein Interesse, sie solle sich einen Freund suchen. Die Klägerin erwiderte, sie habe von den Männern genug. Der Beklagte sagte auch noch, er wolle keine Scheidung, weil er nicht wisse, wie lange die Freundschaft bestehen bleibe.

Die Klägerin schläft seit Herbst 1988 im Hause in St. Stefan am Walde Nr.7 in der Wohnung ihrer Mutter, weil sie nicht alleine sein will. In der Dienstwohnung in Linz schläft die Klägerin seit ca. Oktober 1988 im Wohnzimmer. Der Beklagte nächtigt im Schlafzimmer. Zwischen den Parteien besteht keine innere Beziehung mehr. Das Gefühl der Klägerin für den Beklagten ist seit 1976 erloschen. Daran wird sich nichts mehr ändern.

Das Erstgericht war der Ansicht, daß den Beklagten das alleinige Verschulden an der Zerrüttung der Ehe treffe. Er habe durch seine Weigerung, mit der Klägerin geschlechtlich zu verkehren, eine schwere Eheverfehlung begangen, weil hiefür keine triftigen Gründe vorgelegen seien. Dies habe zur Folge gehabt, daß die eheliche Gemeinschaft zu bestehen aufgehört habe. Nach den weiteren Ereignissen sei nicht zu erwarten, daß eine dem Wesen der Ehe entsprechende Lebensgemeinschaft wiederhergestellt werden könne. Der Klägerin sei hingegen nichts vorwerfbar, was eine Mitschuld begründen könnte.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte rechtlich aus, die objektive Zerrüttung der Ehe sei auf die beharrliche Weigerung des Beklagten zum Geschlechtsverkehr mit der Klägerin zurückzuführen. Die Zerrüttung sei jedenfalls lange vor dem letztendlichen "Ausziehen der Klägerin" eingetreten. Zumindest seit dem Muttertag 1988 habe es zwischen den Streitteilen keinerlei Zuneigung, keine geschlechtlichen und auch keine seelischen Kontakte mehr gegeben. Ohne Rücksicht darauf, ob das "Ausziehen der Klägerin aus der Ehewohnung in St.Stefan" und das Nächtigen im Wohnzimmer in der Linzer Dienstwohnung angesichts des Verhaltens des Beklagten überhaupt als schwere Eheverfehlung zu werten seien, könne dieses Verhalten schon deshalb einen Mitverschuldensausspruch der Klägerin nicht rechtfertigen, weil es erst nach dem Eintritt der endgültigen und unheilbaren Ehezerrüttung stattgefunden habe.

Nur gegen den den Ausspruch seines alleinigen Verschuldens bestätigenden Teil des Urteiles des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Beklagten aus den Anfechtungsgründen des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag auf Urteilsaufhebung in diesem Umfang, hilfsweise auf Abänderung des Urteiles im Sinne eines Mitverschuldensausspruches der Klägerin.

Die Klägerin stellt in ihrer Revisionsbeantwortung den Antrag, dem Rechtsmittel des Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Mit seinen Ausführungen zur Mängelrüge bekämpft der Rechtsmittelwerber überwiegend nur die - auch im Eheverfahren in dritter Instanz nicht überprüfbare (EFSlg 44.117, 55.103 ua) - Beweiswürdigung der Vorinstanzen. Im übrigen liegt die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch die gemäß § 60 Abs 3, letzter Satz, EheG vorzunehmende Verschuldensabwägung im Sinne des Absatzes 2 dieser Gesetzesstelle. Der Beklagte vertritt hiezu zusammenfassend die Rechtsansicht, es lägen nicht nur Feststellungsmängel über den Zeitpunkt des Eintrittes der unheilbaren Ehezerrüttung vor, sondern es hätte das "eigenmächtige Ausziehen der Klägerin aus der Ehewohnung bzw. dem gemeinsamen Haushalt" als Teilverschulden jedenfalls berücksichtigt werden müssen. Dem ist jedoch folgendes entgegenzuhalten:

Die Frage, ob eine Ehe unheilbar zerrüttet ist, stellt eine auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen nach objektiven Maßstäben zu beurteilende Rechtsfrage dar (EFSlg 25.387, 43.632, 54.390 ua). Unheilbare Ehezerrüttung liegt immer dann vor, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten objektiv und wenigstens bei einem Ehegatten subjektiv zu bestehen aufgehört hat (EFSlg 43.629, 46.178, 48.763, 51.601, 54.385 ua). Dabei ist die Bereitwilligkeit des schuldigen Ehegatten zur Fortsetzung der Ehe unerheblich (EFSlg 48.767, 51.606, 54.389 ua), denn es genügt, daß der klagende Ehegatte die eheliche Gesinnung verloren hat (EFSlg 48.764, 51.602, 54.388 ua). Wesentlich ist daher nur, ob das Verhalten des schuldigen Ehegatten geeignet war, dem anderen die Fortsetzung der Ehe unerträglich zu machen und ob es diese Wirkung gehabt hat (EFSlg 48.765, 51.603, 54.386 ua), wobei in der Regel schon die Erhebung der Scheidungsklage dafür spricht, daß die als Scheidungsgrund geltend gemachten Eheverfehlungen auch tatsächlich als ehezerstörend empfunden wurden (EFSlg 27.438, 34.024, 51.605 ua).

Bei Anwendung dieser Grundsätze läßt sich den vorliegenden (und daher ausreichenden) Feststellungen bereits unmißverständlich entnehmen, daß nach objektiven Gesichtspunkten die Ehe der Streitteile aufgrund der ausschließlich vom Beklagten begangenen schweren Eheverfehlungen schon seit vielen Jahren unheilbar zerrüttet war. Es gab zwischen den Streitteilen überhaupt keine Zuneigung mehr. Sie hatten ihre geschlechtlichen und, soweit solche überhaupt noch bestanden, seelischen Kontakte abgebrochen. Dies manifestierte sich nicht zuletzt auch darin, daß der Beklagte die Klägerin am Muttertag 1988 aufforderte, ihn in Hinkunft nicht mehr anzureden, und die Parteien seither auch kaum mehr miteinander sprachen. Wenn daher die Klägerin seit Herbst bzw. ca. Oktober 1988 sowohl in der Linzer Dienstwohnung als auch zu den Wochenenden im gemeinsamen Haus der Streitteile nicht mehr im gemeinsamen Schlafzimmer bzw. in deren Wohnung, sondern im Wohnzimmer bzw. in der Wohnung ihrer Mutter geschlafen hat, so kann ihr dies schon deshalb nicht als Verfehlung angerechnet werden, die den Beklagten überhaupt berechtigt hätte, die Scheidung wegen ihres Verschuldens zu begehren, weil dieses Verhalten zeitlich unmittelbar mit seiner eigenen Mitteilung, daß er nun eine Freundin habe, zusammengefallen ist. Es fehlt daher bereits an der gemäß § 60 Abs 3 EheG erforderlichen Voraussetzung, um dem vom Beklagten in erster Instanz gestellten Mitschuldantrag überhaupt nähertreten zu können. Soweit der Revisionswerber aber entgegen der festgestellten Sachverhaltsgrundlage davon ausgeht, die Klägerin habe eigenmächtig die (gar nicht mehr bestehende) eheliche Gemeinschaft dadurch aufgehoben, daß sie "aus der Ehewohnung bzw. dem gemeinsamen Haushalt ausgezogen sei", mangelt es an einer gesetzmäßigen Rechtsmittelausführung.

Die Scheidung der Ehe aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten erweist sich somit als zutreffend, weshalb der Revision ein Erfolg versagt bleiben mußte.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E18696

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0060OB00618.89.1012.000

Dokumentnummer

JJT_19891012_OGH0002_0060OB00618_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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