Index
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §14 Abs1 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des R F in B, vertreten durch Dr. Josef Lechner, Dr. Ewald Wirleitner und Mag. Claudia Oberlindober, Rechtsanwälte in 4400 Steyr, Grünmarkt 8, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom 29. März 2004, RV/1394-L/02, betreffend Haftung für Abgaben, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Anton K führte einen Gastgewerbebetrieb (Cafe-Konditorei "Cafe H") in von der W-GmbH angemieteten Räumen. Mit Kaufvertrag vom 17. November 1998 verkaufte er dem Beschwerdeführer das Inventar dieses Gastronomiebetriebes (sowie "von den Parteien art- und umfangmäßig festgestellte und vereinbarte Lebensmittel und Backmaterialien"), nachdem der bestehende Bestandvertrag über die Betriebsräume aufgelöst worden war und der Beschwerdeführer diese Räume von der W-GmbH mit Vertrag vom 10. November 1998 angemietet hatte.
Ebenfalls am 17. November 1998 schloss Anton K mit dem Beschwerdeführer eine Vereinbarung, in der zunächst festgehalten wird, dass der Beschwerdeführer mit Anton K bereits einen Kaufvertrag hinsichtlich der im Gastgewerbebetrieb ("Cafe H") befindlichen Inventargegenstände abgeschlossen und die Räumlichkeiten "zum Zwecke des Betriebes eines Cafe-Restaurants bzw einer Konditorei" mit Wirksamkeit ab 1. November 1998 angemietet habe. In dieser Vereinbarung wird sodann festgelegt, dass Anton K, der die gewerberechtlichen Voraussetzungen zum Betrieb eines Cafe-Restaurants bzw einer Konditorei besitze, im Rahmen des Gewerbebetriebes des Beschwerdeführers als "Betriebsführer" tätig sein solle.
Mit Bescheid vom 15. Jänner 2001 zog das Finanzamt den Beschwerdeführer gemäß § 14 BAO zur Haftung für aushaftende Abgabenschulden des Anton K (Umsatzsteuer 1998, insbesondere auch Umsatzsteuer für den Zeitraum Oktober bis Dezember 1998 von 9.000 S) im Ausmaß von insgesamt 96.000 S heran.
In der Berufung gegen den Haftungsbescheid führte der Beschwerdeführer aus, er habe mit Kaufvertrag vom 17. November 1998 das Inventar des Gastgewerbebetriebes des Anton K gekauft. Der Gastgewerbebetrieb sei aber kein lebender Betrieb mehr gewesen, weil der Mietvertrag bereits gekündigt und die Delogierung eingeleitet gewesen sowie der Strom seit mehreren Wochen abgeschaltet gewesen sei. Zudem hätten die Lieferanten keine Ware mehr geliefert. Der Beschwerdeführer habe die Räumlichkeiten mit Bestandvertrag vom November 1998 angemietet. Er habe weder Personal noch Lieferverträge übernommen. Der Gastgewerbebetrieb sei bis Ende Juni 1999 geschlossen gewesen und sodann vier Monate betrieben worden. Der Beschwerdeführer habe ihn sodann im Dezember 1999 verkauft. Er habe von Anton K keinen lebenden Betrieb erworben.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Die Haftungsregelung des § 14 BAO habe zur Voraussetzung, dass die wesentlichen Grundlagen des Unternehmens bzw Betriebes übereignet worden seien. Bei Gastronomiebetrieben gehörten zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen das Grundstück, das Gebäude und die Einrichtung, nicht jedoch das Warenlager und das Personal. Hinsichtlich der wesentlichen Betriebsgrundlagen "Lokal und Geschäftseinrichtung" müsse der Erwerber in der Lage sein, in den vorhandenen Betriebsräumen ohne wesentliche Unterbrechung einen dem vorangegangenen Betrieb gleichwertigen Gewerbebetrieb fortzuführen. Wenn der Erwerber eines Unternehmens einen neuen Mietvertrag über die Betriebsräume abschließe, werde die wirtschaftliche Verfügungsmacht über das Lokal verschafft. Der Erwerber, der das Inventar vom bisherigen Betriebsinhaber kaufe, könne den Betrieb des Vorgängers sodann in diesen Geschäftsräumen fortführen. Im gegenständlichen Fall habe der Beschwerdeführer das Geschäftslokal mit Vertrag vom 10. November 1998 angemietet und die Inventargegenstände mit Kaufvertrag vom 17. November 1998 erworben. Für die Haftung nach § 14 BAO komme es darauf an, ob ohne wesentliche Unterbrechung und ohne bedeutende Investitionen ein dem übernommenen Betrieb gleichartiger Betrieb fortgeführt werden könne. Im gegenständlichen Fall seien in den übernommenen Räumlichkeiten keinerlei Renovierungsarbeiten oder Umänderungen durchgeführt worden. Wenn der Erwerber das Unternehmen nicht fortführe, obwohl er objektiv dazu in der Lage gewesen wäre, schließe das die Haftung nicht aus. Tatsächlich habe der Beschwerdeführer das Unternehmen einige Monate fortgeführt, ohne dass er hiefür Investitionen habe vornehmen müssen, und es erst dann weiterverkauft. Die Verträge vom 10. und 17. November 1998 seien so gestaltet, dass sie die Absicht des Beschwerdeführers erkennen ließen, im Mietobjekt mit dem erworbenen Inventar einen Gastgewerbebetrieb (Cafe-Konditorei) zu betreiben. Auch wenn der Beschwerdeführer den Betrieb etwa ein halbes Jahr geschlossen gehalten habe, sei dennoch der Erwerb eines lebensfähigen Betriebes vorgelegen.
Die Haftung nach § 14 BAO habe weiters zur Voraussetzung, dass der Erwerber des Unternehmens die in Betracht kommenden Abgabenschulden gekannt habe oder hätte kennen müssen. Auch diese Voraussetzung sei erfüllt. Der Beschwerdeführer stelle nicht in Abrede, die haftungsgegenständlichen Abgaben gekannt zu haben.
Die Haftung nach § 14 BAO bestehe nur bis zur Höhe des Wertes der übertragenen Gegenstände. Der Beschwerdeführer habe beim Weiterverkauf des Betriebes einen Kaufpreis von netto 350.000 S erzielt, woraus sich ableiten lasse, dass der Wert des Unternehmens (im seinerzeitigen Zeitpunkt des Erwerbes) die Haftungsschuld bei weitem überstiegen habe.
Die Voraussetzungen für die Haftung nach § 14 BAO seien sohin gegeben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:
§ 14 Abs 1 BAO idF BGBl 448/1992 lautet:
"Wird ein Unternehmen oder ein im Rahmen eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen übereignet, so haftet der Erwerber
a) für Abgaben, bei denen die Abgabepflicht sich auf den Betrieb des Unternehmens gründet, soweit die Abgaben auf die Zeit seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfallen;
b) für Steuerabzugsbeträge, die seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres abzuführen waren. Dies gilt nur insoweit, als der Erwerber im Zeitpunkt der Übereignung die in Betracht kommenden Schulden kannte oder kennen musste und insoweit, als er an solchen Abgabenschuldigkeiten nicht schon so viel entrichtet hat, wie der Wert der übertragenen Gegenstände und Rechte (Besitzposten) ohne Abzug übernommener Schulden beträgt."
Die Haftungsbestimmung des § 14 BAO dient dem Zweck, die im Unternehmen (Betrieb) als solchem liegende Sicherung für die auf den Betrieb sich gründenden Abgabenschulden durch den Übergang des Unternehmens (Betriebes) in andere Hände nicht verloren gehen zu lassen (vgl das hg Erkenntnis vom 12. Dezember 1988, Slg 6369/F).
Übereignung des Unternehmens im Ganzen bzw. Veräußerung des ganzen Betriebes liegt vor, wenn der Erwerber ein lebendes bzw. lebensfähiges Unternehmen übernimmt; dabei müssen nicht alle zum Unternehmen gehörigen Wirtschaftsgüter übereignet werden, sondern nur jene, die die wesentliche Grundlage des Unternehmens bilden und den Erwerber in die Lage versetzen, das Unternehmen fortzuführen. Die Frage, welche Wirtschaftsgüter die wesentliche Grundlage des Unternehmens bilden, ist in funktionaler Betrachtungsweise nach dem jeweiligen Betriebstypus (zum Beispiel ortsgebundene Tätigkeit, kundengebundene Tätigkeit, Produktionsunternehmen usw.) zu beantworten (vgl für viele das hg Erkenntnis vom 24. Februar 2004, 99/14/0242).
Bei Gastronomieunternehmen, wie Kaffeehäusern und Konditoreien, zählen zu den wesentlichen Grundlagen des Unternehmens das Grundstück, das Gebäude und die Einrichtung. Demgegenüber sind der Kundenstock, Lieferverträge und das Personal nicht den wesentlichen Unternehmensgrundlagen zuzurechnen und somit für die Frage, ob ein Unternehmensübergang im Sinne des § 14 BAO stattgefunden hat, nicht von Bedeutung (vgl nochmals das hg Erkenntnis vom 24. Februar 2004, 99/14/0242). Hinsichtlich der tragenden Unternehmensgrundlagen Lokal und Geschäftseinrichtung muss der Erwerber in der Lage sein, in den vorhandenen Betriebsräumen ohne wesentliche Unterbrechung einen dem vorangegangenen gleichwertigen Gewerbebetrieb fortzuführen (vgl etwa die hg Erkenntnisse vom 24. Februar 2004, 99/14/0242, und vom 27. September 1994, 93/17/0066).
Unter "Übereignung" ist im hier maßgebenden Zusammenhang die Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht anzusehen. Es kommt nicht auf eine besondere zivilrechtliche Gestaltung an (vgl Stoll, BAO-Kommentar, 164 f). Maßgebend ist somit der Übergang der wirtschaftlichen Verfügungsmacht vom Vorgänger auf den Erwerber. Ein solcher Übergang liegt - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - auch dann vor, wenn der Erwerber des Unternehmens des Vormieters einen neuen Mietvertrag mit dem Bestandgeber der Geschäftsräumlichkeiten abschließt. Wurde die wirtschaftliche Verfügungsmacht über das Lokal verschafft und kann der Erwerber den Betrieb des Vormieters in diesen Geschäftsräumen und mit dem gekauften Inventar fortführen, dann kann von einer Übereignung des Unternehmens ausgegangen werden (siehe das zum vergleichbaren Haftungstatbestand nach § 12 WAO ergangene hg Erkenntnis vom 25. Mai 2000, 2000/16/0238).
Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Sachverhaltsfeststellung getroffen, dass der Beschwerdeführer im gleichen Lokal nach nur wenigen Monaten Unterbrechung und ohne Renovierungsarbeiten oder Umänderungen vorgenommen zu haben, einen gleichartigen Betrieb weitergeführt hat, wie ihn zuvor Anton K betrieben hat. Wenn auch die Betriebsführung des Anton K - nach Darstellung des Beschwerdeführers - letztlich nicht erfolgreich gewesen sein sollte, so steht doch fest, dass der Betrieb nach nur kurzer Unterbrechung weitergeführt worden ist, ohne dass es dafür einer relevanten Änderung bedurft hätte. Es handelt sich um das Ergebnis schlüssiger Beweiswürdigung, wenn die belangte Behörde aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer den Betrieb unter den gegebenen Verhältnissen tatsächlich weitergeführt hat, abgeleitet hat, es sei ein lebensfähiger Betrieb übertragen worden.
Dass allenfalls ein Kundenstock nicht übergegangen ist, weil der Gastgewerbebetrieb vor seiner Übertragung für einige Wochen geschlossen gewesen ist und der Gasthaus-Kunde, wie in der Beschwerde ausgeführt wird, sehr "flexibel" sei und sein Stammlokal rasch wechsle, wenn dieses einige Zeit geschlossen sei, steht der Annahme des Übergangs eines lebensfähigen Betriebes nicht entgegen, zumal es bei der Betriebsübernahme nicht entscheidend auf das Vorhandensein von Stammkunden ankommt (vgl das bereits zitierte hg Erkenntnis 2000/16/0238, welches einen ebenfalls mehrere Monate geschlossenen Gastronomiebetrieb betrifft).
Der Beschwerdeführer rügt schließlich, er habe das Lokal am 10. November 1998 gemietet, am 27. Oktober 1998 sei der Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Anton K vom Landesgericht Steyr mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen worden. Nichts desto trotz sei der Beschwerdeführer zur Haftung für Umsatzsteuer des Anton K für den Zeitraum Oktober bis Dezember 1998 herangezogen worden.
Mit diesem Beschwerdevorbringen zeigte der Beschwerdeführer nicht auf, dass die angesprochene Umsatzsteuer nicht auf Umsätze zurückzuführen wäre, die Anton K in seinem Gastronomiebetrieb vor den beiden in der Beschwerde angeführten Zeitpunkten (10. November und 27. Oktober 1998) ausgeführt hat, die aber dennoch in das mit 1. Oktober 1998 beginnende vierte Quartal des Jahres 1998 (Kalendervierteljahr als Voranmeldungszeitraum iSd § 21 Abs 2 UStG) fallen.
Die Beschwerde vermag sohin die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen. Sie war daher gemäß § 42 Abs 1VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl II 333/2003.
Wien, am 15. November 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004140046.X00Im RIS seit
25.12.2005Zuletzt aktualisiert am
29.11.2011