Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Oktober 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann (Berichterstatter), Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Salat als Schriftführerin in dem anhängigen Beschwerdeverfahren (25 Bs 421/89 des Oberlandesgerichtes Wien als Beschwerdegericht) über die Erklärung des Dr. Friedrich Wilhelm K***, den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien Dr. Faseth als befangen abzulehnen, sowie über die mit dieser Erklärung und der nachträglichen Eingabe vom 4. Oktober 1989 gestellten Anträge in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Ablehnungserklärung ist nicht gerechtfertigt.
Die im Zusammenhang mit dieser Ablehnungserklärung gestellten Anträge werden abgewiesen.
Text
Gründe:
Dr. Friedrich Wilhelm K*** wurde wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und des Vergehens nach § 36 Abs 1 lit b WaffenG rechtskräftig zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt (Urteile des Geschwornengerichtes beim Kreisgericht Korneuburg vom 18. Dezember 1984, GZ 10 Vr 949/82-570, und des Obersten Gerichtshofes vom 2.Juli 1986, GZ 9 Os 76/85-27). Vorsitzender des Senates 9 des Obersten Gerichtshofes war der damalige Senatspräsident des Obersten Gerichtshofes und nunmehrige Präsident des Oberlandesgerichtes Wien Dr. Faseth. Mit Beschluß des Kreisgerichtes Korneuburg vom 21.Juli 1989, GZ 10 Vr 949/82-1162, wurde der bereits vorher wiederholt gestellte (siehe hiezu auch hg 14 Os 46,61/89) Antrag des Verurteilten, der von ihm gemäß Art 25 MRK erhobenen Beschwerde an die Europäische Kommission für Menschenrechte (gegen die oben genannten Urteile) aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und die vorläufige Hemmung des Strafvollzuges anzuordnen, unter Hinweis auf die Vorentscheidungen zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß erhob der Verurteilte Beschwerde an das Oberlandesgericht Wien, über die der Senat 25 dieses Gerichtshofes zu entscheiden hat, dem auch der ehemalige Vorsitzende des Schwurgerichtshofs im Geschwornenverfahren Dr. Rouschal als Richter angehört. Der Beschwerdeführer verband daher mit seiner Beschwerde die Ablehnungserklärung bezüglich Dris. Rouschal und gegen den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Faseth, der gemäß § 74 Abs 2 StPO darüber zu entscheiden hätte. Dr. K*** übermittelte - noch bevor die Akten vorgelegt worden waren - Gleichschriften seiner Beschwerdeschriften sowohl dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien als auch dem Obersten Gerichtshof. Er begründet die Ablehnung des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Faseth wie folgt:
"Der abgelehnte Präsident hat als vormaliger Senatspräsident des OGH am Rechtsmittelverfahren Zl. 9 Os 76/85 des Obersten Gerichtshofes mitgewirkt und in diesem Zusammenhange die im vorbereitenden Schriftsatze O.Nr.18 der Akten 53a Cg 1052/86 des Landesgerichtes für ZRS.Wien (Amtshaftungsklage des Beschwerdeführers gegen die Republik Österreich) unter Pkt. 8.1., 8.2., 8.3. und 8.4. näher dargestellten Rechtsverletzungen mitzuverantworten. Daß hier jedenfalls gravierende Rechtsverletzungen bescheinigt sind, ergibt sich aus dem Schreiben der Europ. Kommission, Strafakten Bd. XXIII S.171, wo insgesamt vier Vorgänge des oberstgerichtlichen Verfahren(s) angeführt sind, die gegen Konventionsrechte des Beschwerdeführers verstoßen.
Wenn der abgelehnte Präsident nunmehr über die Ablehnung des Richters des OLG. Dr.R*** zu beschließen hat, so judiziert er praktisch in eigener Sache, da die Annahme von Konventionsverletzungen, die der Richter des OLG. Dr.R*** begangen hat, auch die eigene Verantwortlichkeit berührt; hat er es dann doch unterlassen, gelegentlich der Verhandlung des Rechtsmittels des Beschwerdeführers im Verfahren 9 Os 76/85 des Obersten Gerichtshofes, die Kassierung des Ersturteiles wegen eben dieser Konventionsverstöße zu beantragen. Jedenfalls muß Mitverantwortung angenommen werden, weil für den Beschwerdeführer vorerst nicht zu erkennen ist, daß der abgelehnte Präsident als Stimmführer eine andere, als die in der Minderheit gebliebene Meinung vertreten hat.
Im übrigen wird zur Bescheinigung auf den Akt 13 Nc 5/1989 des Oberlandesgerichtes Wien und den Akt 63a Cg 1052/86 des Landesgerichtes für ZRS Wien Bezug genommen."
Schon am 31.August 1989 langte der dem Oberlandesgerichtspräsidenten direkt übermittelte Antrag mit nachfolgender Stellungnahme vom 24. August 1989, Jv 12.639 - 17 d/89, beim Obersten Gerichtshof ein:
"In der Anlage lege ich in der Strafsache gegen Dr. Friedrich Wilhelm K*** wegen § 75 StGB, AZ 10 Vr 949/82 des Kreisgerichtes Korneuburg, die Erklärung des Dr.K***, mich wegen Befangenheit abzulehnen, mit dem Bemerken vor, daß ich mich nicht befangen fühle und meines Erachtens auch objektiv kein Befangenheitsgrund vorliegt. Die Tatsache, daß ich im Rechtsmittelverfahren 9 Os 76/85 des OGH als Vorsitzender des Rechtsmittelsenates tätig war, hindert mich gewiß nicht, über die Frage, ob Dr.Rouschal befangen ist, frei von jeglichen Vorurteilen in voller Unvoreingenommenheit zu entscheiden. Der Akt 10 Vr 949/82 des Kreisgerichtes Korneuburg wurde bisher noch nicht vorgelegt, das genannte Gericht hat jedoch bekanntgegeben, daß Dr.K*** die beiliegende Beschwerde gegen den Beschluß vom 21.7.1989 eingebracht hat. Über diese Beschwerde hat ein Senat zu entscheiden, dem der Richter des OLG Dr.Rouschal angehört. Die Akten werden nach Einlangen nachgereicht."
In Beantwortung des hg. Äußerungsersuchens vom 29.August 1989 langte am 2.Oktober 1989 nachfolgende, mit 20.September 1989 datierte ergänzende Stellungnahme ein:
"In der Anlage lege ich die Akten 25 Bs 421/89 des Oberlandesgerichtes Wien und 10 Vr 949/82 des Kreisgerichtes Korneuburg vor.
Zum Ablehnungsantrag verweise ich auf meine Stellungnahme vom 24.8.1989, abgefertigt am 30.8.1989, an den Obersten Gerichtshof, anläßlich der Vorlag(e) der Erklärung des Dr.K***, mich wegen Befangenheit abzulehnen.
Der Akt 12 Ns 14/89 des Obersten Gerichtshofes wird wieder vorgelegt."
Der in der Ablehnungserklärung ebenfalls angeführte Akt 13 Nc 5/89 des Oberlandesgerichtes Wien wurde zwar nicht vorgelegt, jedoch konnte bei einer im kurzen Weg vorgenommenen Einsicht in diesen Akt festgestellt werden, daß es sich hiebei ebenfalls um Ablehnungserklärungen Dris.K*** bezüglich des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien und anderer Richter dieses Gerichtshofes handelt, über die laut Personalsenatsbeschluß nunmehr der Senat 1 (1 Nc 2/89) des Oberlandesgerichtes Wien zu befinden haben wird.
Rechtliche Beurteilung
Zu dem Vorbringen des Verurteilten ist grundsätzlich zu bemerken, daß Vorwürfe dadurch, daß sie immer wieder in verschiedenen Facetten wiederholt werden, nichts an Stichhältigkeit gewinnen und Richter, die solcherart immer wieder gezwungen werden, im Zusammenhang mit einer Sache Entscheidungen zu fällen, nicht in eigener Sache entscheiden, sondern Anträge des Einschreiters erledigen. Zum Inhalt des nun vorliegenden Antrages ist der Einschreiter daher auf die Entscheidungen zu verweisen, die der Oberste Gerichtshof in Verbindung mit der wiederholten Ablehnung des seinerzeitigen Berichterstatters im Rechtsmittelverfahren 9 Os 76/85 gefällt hat (11 Ns 4/89, 11 Ns 11/89, 11 Ns 16/89), da dort bereits alle seine Einwände beantwortet wurden. Der nunmehr erkennende Senat sieht sich nicht veranlaßt, eine abweichende Beurteilung vorzunehmen, zumal auch der abgelehnte Präsident des Oberlandesgerichtes Wien von sich aus keinen Anlaß sieht, sich befangen zu fühlen.
Über die Ablehnungserklärung war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Dr. K*** verband mit dieser Erklärung aber bereits den Antrag, ihm vor Beschlußfassung Parteiengehör durch Zustellung einer Äußerung des abgelehnten Oberlandesgerichtspräsidenten zu gewähren, welchen Antrag er am 4.Oktober 1989 mit der Ergänzung wiederholte, ihm auch in eine allfällige Äußerung der Generalprokuratur Einsicht zu gewähren (ON 6).
Diesem Ansinnen konnte nicht entsprochen werden, weil im Beschwerdeverfahren und damit auch in dem mit diesem zusammenhängenden Ablehnungsverfahren eine nochmalige Anhörung des Beschwerdeführers (Antragstellers) nicht vorgesehen ist (14 Os 46,61/89). Eine Äußerung der Generalprokuratur liegt im übrigen nicht vor.
Aus eben diesem Grund bestand auch keine Veranlassung, dem mit dem (hier am 10.Oktober 1989 eingelangten) Antrag vom 4.Oktober 1989 weiters verbundenen Begehren auf Bekanntgabe der Aktenzahl, zu der über diese Ablehnungserklärung entschieden wird, welche Richter dem erkennenden Senat angehören und wer als Berichterstatter fungiert, kurz vor Beschlußfassung näherzutreten, da es bei einer in nichtöffentlicher Sitzung ohne Beisein der Parteien zu fällenden Entscheidung ausreicht, daß der Einschreiter die entsprechende Information, deren Erteilung die Prozeßordnung auch gar nicht vorsieht, aus der Entscheidung selbst entnehmen kann. Ein darüber hinausgehendes rechtlich relevantes Interesse wurde weder behauptet noch ist ein solches zu ersehen.
Die im Zusammenhang mit dieser Ablehnungserklärung gestellten Anträge waren daher insgesamt abzuweisen.
Anmerkung
E18627 12E00149European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0120NS00014.89.1012.000Dokumentnummer
JJT_19891012_OGH0002_0120NS00014_8900000_000