TE OGH 1989/10/19 7Ob641/89

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Veröffentlicht am 19.10.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann S***, Pensionist, Weichstetten 29, St. Marien, vertreten durch Dr. Christoph Rogler, Rechtsanwalt in Steyr, Nebenintervenient auf Seiten der klagenden Partei Karl Ö***, Landwirt, Sierning, Wallernstraße 25, vertreten durch Dr. Alois Karan, Rechtsanwalt in Steyr, wider die beklagten Parteien

1.) August L***, Landwirt, Weichstetten 57, 2.) Franziska L***, Landwirtin, Weichstetten 30, diese vertreten durch Dr. Thomas W***, Rechtsanwalt in Kremsmünster, wegen Feststellung und Unterlassung (Streitwert S 80.000,-), infolge Rekurses der zweitbeklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz, als Berufungsgerichtes vom 10. Mai 1989, GZ 3 R 69/89-31, womit das Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 19. Dezember 1988, GZ 2 a Cg 217/86-23, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger und seine geschiedene Ehefrau Maria S*** sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 24 KG Weichstetten, zu der unter anderem die Grundstücke 1081 Weg, 1085/3 Weg, und 1082 Weg gehören. Die beklagten Parteien sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 25 KG Weichstetten, die unter anderem die Grundstücke 1085/1 und 1085/2 je Weg umfaßt. Der Kläger behauptet, die Dienstbarkeit des Wegerechtes über die Grundstücke der Beklagten 1085/1 und 1085/2 ersessen zu haben und begehrt dessen Feststellung und die Zweitbeklagte schuldig zu erkennen, jeglich Behinderung des Klägers in der Ausübung seines Fahrtrechtes zu unterlassen (ON 3 AS 12).

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen gelangt man von der Wolfener Landesstraße über den Weg 1081 und einen Teil des Weges 1082 zum Bauernhaus des Klägers und weiter über den Weg 1085/3 und 1085/2 zum Bauernhaus der Beklagten. Der Weg 1085/1 zweigt vom Weg 1085/2 ab und führt zur Weichstettener Landesstraße. Vom Haus des Klägers führt der (in Beilage 1 grün eingezeichnete) Weg 1982 ebenfalls zur Weichstettener Landesstraße. Die Wege 1081, 1085/3, 1085/2 und 1085/1 sind geschotterte Fahrwege, der Weg 1082 ist ungeschottert. Vor dem Bauernhaus der Beklagten befindet sich Richtung Sierning ein kleiner Stadel, vor dem eine Fahrverbotstafel mit der schwarzen Aufschrift "Privatstraße" angebracht ist. In diesem Bereich zweigt der Weg 1085/1 nach links Richtung Weichstettener Landesstraße ab. Von der Weichstettener Landesstraßen kommend befindet sich bei der dortigen Einmündung in den Weg 1085/1 an einem Baum ebenfalls eine Fahrverbotstafel mit der Aufschrift "Privatstraße". Diese Verbotstafeln wurden vom Erstbeklagten knapp nach Errichtung und Ausbau des strittigen Weges angebracht. Das letzte Teilstück des befestigten Weges 1085/1 vor Einmündung in die Weichstettener Landesstraße führt über fremden Grund. Der Weg 1081 des Klägers lag vor dem Ausbau der Wolfener Landesstraße etwa 7 m unter den Feldern und war damals viel steiler, nicht befestigt und auch mit Pferdefuhrwerken schwer zu bewältigen. Im Zuge des Ausbaus der Wolfener Landesstraße, dessen Zeitpunkt nicht mehr feststellbar ist, und jedenfalls vor Errichtung der Weichstettener Landesstraße, wurde dieser Zufahrtsweg angehoben, befestigt, ausgebaut ung geebnet. Zu Beginn der Siebzigerjahre wurde die Weichstettener Landesstraße neu projektiert und ausgebaut. Sie führt von der Wolfener Landesstraße in südwestlicher Richtung nach Sierning. Etwa im Jahre 1973 bauten die Beklagten den Weg 1085/1 aus, ließen ihn mit Schotter befestigen und führten ihn über das Grundstück ihrer Nachbarn so weiter, daß er in die neu errichtete Weichstettener Landesstraße einmündet. Der Grund hiefür war, daß die Beklagten eine bequemere Zufahrt zur Weichstettener Landesstraße und einen kürzeren Weg nach Sierning haben wollten. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Weg lediglich eine Wiesenfurt.

Der Kläger erwarb sein Anwesen im Jahre 1936. Er mußte in den Vorkriegs- und Kriegsjahren sein Getreide in die Passenbrunner Mühle zum Mahlen bringen. Zu diesem Zweck benützte er den streitgegenständlichen Weg (damals noch Wiesenfurt) mit Pferdefuhrwerken. Wie oft dies jährlich der Fall war, läßt sich nicht mehr feststellen. Die Wiesenfurt endete damals bei der Passenbrunner Mühle, von dort führte eine Straße nach Weichstetten. In den Nachkriegsjahren benützte der Kläger den Weg gelegentlich auch, um mit Dampfmaschinen (Dreschmaschinen) zu seinem Anwesen zu fahren. Die Wiesenfurt führte auch zu einer Schmiede, zu der der Kläger im Bedarfsfall mit Pferdefuhrwerken fuhr. Gegen Mitte der Fünfzigerjahre hörten diese Fahrten auf. Brot wurde nicht mehr im Haus gebacken. Etwa 1955 erhielt der Kläger seinen ersten Traktor. Ob der Kläger die Wiesenfurt auch mit dem Traktor benützte, läßt sich nicht feststellen. Seit der Errichtung der Weichstettener Landesstraße und dem Ausbau der Wiesenfurt durch die Beklagten benützt der Kläger den Weg mit seinem PKW für Fahrten nach Sierning, vorwiegend an Sonntagen zum Kirchgang. Vor ca. 2 Jahren hat der Kläger seine Landwirtschaft an Karl Ö***, der selbst in Sierning eine Landwirtschaft hat, verpachtet. Karl Ö*** fährt seither häufiger mit dem PKW, etwa 15mal jährlich mit landwirtschaftlichen Maschinen, mit schweren Traktoren und Anhängern von 12 bis 13 Tonnen über den Weg der Beklagten.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, daß die vom Kläger behauptete unregelmäßige Dienstbarkeit des Wegerechts zwar nach 30 Jahren ersessen werden könne, die Ersitzung setze jedoch den ununterbrochenen Verlauf der Ausübung des behaupteten Rechtes durch 30 Jahren voraus. Einen solchen ununterbrochenen Verlauf der Ausübung habe der Kläger nicht nachgewiesen.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000,-, nicht aber S 300.000,- übersteigt. Nach der Ansicht des Berufungsgerichtes habe der Kläger ein persönliches Fahrtrecht über die Grundstücke 1085/1 und 1085/2 der Beklagten ersessen. Derjenige, der sich auf Ersitzung berufe, habe lediglich Beginn und Ende der Ersitzung nachzuweisen. Diesen Beweis habe der Kläger erbracht. Die Unklarheit darüber, ob der Kläger nach dem Jahre 1955 den Weg auch mit einem Traktor befahren habe, gehe zu Lasten der für eine allfällige Unterbrechung der Ersitzung beweispflichtigen Beklagten. Der Umfang des vom Kläger ersessenen Fahrtrechtes lasse sich aber nicht abschließend beurteilen. Das Ausmaß einer ersessenen Dienstbarkeit ergäbe sich aus den Besitzergreifungshandlungen. Der Besitz müsse in dem Umfang, in dem die Dienstbarkeit in Anspruch genommen werde, während der ganzen Ersitzungszeit ausgeübt worden sein. Dies betreffe einerseits die räumlichen Grenzen der Dienstbarkeit, andererseits auch Art und Intensität der Ausübung. Es sei daher die Frage zu erörtern, ob der Kläger während der Ersitzungszeit nur zu landwirtschaftlichen Zwecken mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen oder nach Belieben mit Fahrzeugen aller Art über den Weg gefahren sei. In dieser Richtung sei auch noch kein konkretes Vorbringen erstattet worden. Sollte dem Kläger der Beweis eines uneingeschränkten Fahrtrechtes nicht gelingen, so werde zu beachten sein, daß ein landwirtschaftliches Fahrtrecht vom Begehren auf Feststellung eines unbeschränkten Fahrtrechtes als minus mitumfaßt sei. Da jede Dienstbarkeit durch völlige Zwecklosigkeit erlösche, sei dann auch zu prüfen, ob eine auf landwirtschaftliche Zwecke eingeschränkte Dienstbarkeit für den Berufungswerber im Hinblick auf sein Alter und die Verpachtung seines Betriebes überhaupt noch einen Zweck habe. Nach § 485 ABGB könne nämlich eine Dienstbarkeit ohne Zustimmung des Verpflichteten nicht auf eine andere Person übertragen werden. Der Pächter dürfe zwar eine Grunddienstbarkeit ausüben, der Kläger habe eine Grunddienstbarkeit aber nicht geltend gemacht. Den Rechtskraftvorbehalt begründete das Berufungsgericht mit dem Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob ein landwirtschaftliches Fahrtrecht vom Begehren auf Feststellung eines unbeschränkten Fahrtrechtes umfaßt sei.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs der Zweitbeklagten ist berechtigt.

Beizupflichten ist dem Berufungsgericht darin, daß die Entscheidung JBl. 1956, 563 einen anderen Sachverhalt betraf, weil dort nach dem Prozeßstandpunkt der Parteien dem Kläger das Befahren des Weges mit landwirtschaftlichen Fuhrwerken gestattet war und der Rechtsstreit nur darum ging, ob dem Kläger auch das Befahren des Weges mit anderen Fahrzeugen gestattet ist. In der Lösung der aufgeworfenen Frage ist dem Berufungsgericht zuzustimmen. Grundsätzlich ist auch bei Feststellungsklagen der Zuspruch eines minus zulässig (JBl. 1960, 154; JBl. 1957, 132 ua;

Fasching III 650). Eine Überschreitung des § 405 ZPO liegt hiebei dann nicht vor, wenn entweder ein quantitativ geringerer Umfang des Rechtes, dessen Feststellung begehrt wird, urteilsmäßig festgestellt wird oder aber anstelle des begehrten Rechtes ein qualitativ geringeres Recht festgestellt wird, das aber begrifflich in dem Recht oder Rechtsverhältnis, dessen Feststellung begehrt wird, zur Gänze seine Deckung findet (Fasching aaO 650 f). Die Einschränkung, daß ein Dienstbarkeitsweg nur mit ortsüblichen landwirtschaftlichen Fuhrwerken oder mit bestimmten Fahrzeugen befahren werden darf, findet aber zweifellos im allgemeinen Begehren auf Feststellung des Fahrtrechtes Deckung (1 Ob 108/72).

Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht aber darin, daß der Kläger die Dienstbarkeit des Wegerechtes in Form einer unregelmäßigen Servitut - nur eine solche kommt, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, nach dem Klagsvorbringen in Betracht - jedenfalls ersessen hat. Durch die Ersitzung können auch unregelmäßige Dienstbarkeiten außerbücherlich erworben werden, notwendig ist aber eine für den Eigentümer des belasteten Gutes erkennbare Rechtsausübung durch die Ersitzungszeit im wesentlich gleichbleibend zu bestimmten Zwecken in bestimmten Umfang (Petrasch in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 480). Bei der Ersitzung kommt es darauf an, zu welchem Zweck das dienstbare Gut während der Ersitzungszeit verwendet wurde, was also der Dienstbarkeitsberechtigte während dieser Zeit benötigte (MietSlg. 35.049, 33.041; EvBl. 1963/83; 6 Ob 629/79). Nach den Feststellungen des Erstgerichtes benützte der Kläger den Weg der Beklagten vom Zeitpunkt des Erwerbes seiner Landwirtschaft im Jahre 1936 bis etwa Mitte der Fünfzigerjahre lediglich zu Fahrten mit Pferdefuhrwerken zur Passenbrunner Mühle und zur Picklschmiede. Zur Zufahrt mit Dreschmaschinen wurde der Weg vom Kläger überhaupt nur in den Nachkriegsjahren benützt. Mitte der Fünfzigerjahre trat eine Änderung nicht etwa dadurch ein, daß diese Fahrten infolge der technischen Entwicklung anstatt mit Pferdefuhrwerken mit einem Tranktor durchgeführt wurden, was bedeutungslos wäre (vgl. EvBl. 1963/83 mwN). Die Fahrten hörten vielmehr, wie sich aus den Feststellungen des Erstgerichtes ergibt, wegen Umstellung in der Bewirtschaftung auf. Bei Benützung des Weges zu Fahrten mit einem Traktor für andere landwirtschaftliche Zwecke (etwa zur Bearbeitung der Felder) läge dann keine gleichbleibende Benützung zu bestimmten Zwecken mehr vor, es könnte aber ein Wegerecht in diesem Umfang ersessen worden sein. Nur trifft hiefür die Beweislast den Kläger, weil er, wie das Berufungsgericht richtig dargelegt hat, Beginn und Ende der Ersitzungszeit nachweisen muß (Schubert in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 1465). Unklarheiten im Sachverhalt gingen daher entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes zu Lasten des Klägers. Dies gilt sinngemäß auch für die Behauptung des Fahrens mit einem Personenkraftwagen. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, daß der Kläger den Weg überhaupt mit einem Traktor benützte. Es handelt sich hiebei um eine negative Feststellung. Zu Fahrten mit einem Personenkraftwagen, vorwiegend zum Kirchgang an Sonntagen, benützte der Kläger den Weg erst seit dem Ausbau durch die Beklagten im Jahre 1973. Ginge man von diesen Feststellungen aus, wäre dem Kläger der Nachweis der Ersitzung eines wenn auch eingeschränkten Wegerechtes nicht gelungen und die Entscheidung des Erstgerichtes zu bestätigen. Die obgenannten Feststellungen wurden aber vom Kläger bekämpft. Unrichtig ist die Behauptung des Berufungsgerichtes, daß das Erstgericht seine Begründungspflicht verletzt hat. Eine Aufhebung aus diesem Grund kommt daher ebensowenig in Betracht wie zu dem Zwecke, einer Partei die Möglichkeit zu geben, versäumte Prozeßhandlungen nachzuholen. Das Erstgericht hat in überprüfbarer und logisch einwandfreier Form (vgl. Fasching III 283) dargelegt, warum es zu den Feststellungen gelangte (AS 197 f und 110). Soweit das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang von "Vermutungen" spricht, übersieht es, daß Erwägungen im Rahmen der Würdigung der Beweisergebnisse einen Akt der Beweiswürdigung darstellen. Das Berufungsgericht wird daher die Beweisrüge des Klägers inhaltlich zu behandeln haben. Sollte es Bedenken gegen die Feststellungen des Erstgerichtes haben, wird nach § 488 ZPO vorzugehen sein.

Grunddienstbarkeiten können durch Pächter oder Nutzungsberechtigte ausgeübt werden (Petrasch aaO Rz 1 zu § 485; 2 Ob 157/83). Dieser Grundsatz muß auch für unregelmäßige Dienstbarkeiten gelten, die dem Normaltyp nach Grunddienstbarkeiten sind, aber ausnahmsweise nur einer bestimmten Person und nicht dem jeweiligen Eigentümer eines Gutes zustehen. Hätte der Kläger demnach ein Wegerecht ersessen, könnte er es, solange es nicht nach § 529 ABGB erloschen ist, der Ausübung nach seinem Pächter überlassen. Es könnte dann aber keine Rede davon sein, daß die Dienstbarkeit dem Kläger keinen Vorteil mehr brächte (vgl. hiezu MietSlg. 35.050, 26.040).

Demgemäß ist dem Rekurs Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs.1 ZPO.

Anmerkung

E18905

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00641.89.1019.000

Dokumentnummer

JJT_19891019_OGH0002_0070OB00641_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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