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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde der G, geboren 1975, vertreten durch Dr. Christof Dunst, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 11. September 2003, Zl. SD 565/03, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 11. September 2003 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine jugoslawische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 6 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.
Die Beschwerdeführerin habe am 20. Juli 2001 die Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zweck "Familiengemeinschaft mit Österreichern" beantragt. Dabei habe sie eine Kopie einer Heiratsurkunde vorgelegt, nach der sie mit einem Mann verheiratet sei, der auf Grund seiner Adoption durch eine österreichische Staatsbürgerin begünstigter Drittstaatsangehöriger sei. Daraufhin sei ihr gemäß § 19 Abs. 2 Z. 5 FrG eine Niederlassungsbewilligung erteilt worden.
Am 17. Juli 2002 habe die Beschwerdeführerin die Verlängerung ihres Aufenthaltstitels beantragt. Zur Bestätigung, dass sie über die erforderlichen Mittel zu ihrem Aufenthalt verfüge, habe sie eine Erklärung der Adoptivmutter ihres Ehemanns vorgelegt, in der sich diese bereit erklärt habe, für ihren Unterhalt zu sorgen und für alle Kosten aufzukommen. Dann sei aber zu Tage getreten, dass die Adoptivmutter (Schwiegermutter) die Adoption ihres Ehemanns rückgängig zu machen versucht habe, da dieser die genannte Unterhaltserklärung selbst verfasst und die Unterschrift seiner Adoptivmutter gefälscht habe. In der Niederschrift vom 3. Februar 2003 habe die Adoptivmutter angegeben, nie bereit gewesen zu sein, der Beschwerdeführerin Unterhalt zu gewähren. Die Einvernahme des Ehemanns der Beschwerdeführerin habe ergeben, dass sie mit diesem gar nicht mehr verheiratet sei. Sie habe sich im August 2000 scheiden lassen, wobei ihm die gemeinsamen Kinder zugesprochen worden seien. Das rechtskräftige Scheidungsurteil sei aktenkundig. Allerdings sei die Scheidung - aus welchen Gründen immer - nicht ins jugoslawische Eheregister eingetragen worden. Allerdings hätte die Beschwerdeführerin eine aktuelle, nach dem Zeitpunkt der Scheidung ausgestellte Heiratsurkunde erhalten können.
Angesichts dieser Umstände sei der in § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG normierte Tatbestand verwirklicht. Die Beschwerdeführerin habe die Erstbehörde hinsichtlich ihres Familienstands getäuscht, indem sie wissentlich eine unrichtige Heiratsurkunde vorgelegt habe, obwohl ihre Ehe rechtskräftig geschieden sei. Überdies habe sie zum Nachweis der ihr gewährten Unterhaltsmittel eine gefälschte Unterhaltserklärung vorgelegt. Dieses Fehlverhalten gefährde die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens in erheblichem Ausmaß, sodass die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - im Grund des § 36 Abs. 1 FrG gegeben seien.
Die Beschwerdeführerin sei geschieden. Sonstige familiäre Bindungen zum Bundesgebiet seien nicht aktenkundig. Angesichts der bisherigen Aufenthaltsdauer sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerin auszugehen. Dieser Eingriff sei zulässig, weil er zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiete des Fremdenwesens und Schutz des Vertrauens in die Richtigkeit von Urkunden - dringend geboten sei. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Einhaltung komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu. Gegen dieses Interesse habe die Beschwerdeführerin durch ihr Fehlverhalten verstoßen. Erst die Berufung auf ihre nicht mehr bestehende Ehe habe es ihr ermöglicht, sich in Österreich quotenfrei niederzulassen. Ein solches Verhalten sei mit einem geregelten Fremdenwesen unvereinbar. Dass sie darüber hinaus eine Unterhaltsgewährung durch ihre (angebliche) Schwiegermutter vorgetäuscht habe, vervollständige das Bild von der Einstellung der Beschwerdeführerin zu maßgeblichen österreichischen Rechtsvorschriften. Daher sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten und zulässig im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG.
Bei der gemäß § 37 Abs. 2 FrG durchzuführenden Interessenabwägung sei auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes ableitbare Integration der Beschwerdeführerin Bedacht zu nehmen, die jedoch nicht ausgeprägt sei, zumal ihr Aufenthalt erst durch ihr rechtsmissbräuchliches Verhalten ermöglicht worden sei. In Ermangelung sonstiger familiärer Bindungen sei das der Beschwerdeführerin insgesamt zuzuschreibende Interesse an einem Weiterverbleib in Österreich gering. Dem sei das maßgebliche, einen hohen Stellenwert genießende öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber zu stellen. Bei Abwägung dieser Interessenlagen wögen die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin keinesfalls schwerer, als das in ihrem Fehlverhalten gegründete große öffentliche Interesse "an ihrem Verlassen und Fernbleiben des Bundesgebietes". Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erweise sich daher auch im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG als zulässig. Ein Sachverhalt gemäß § 38 FrG sei nicht gegeben.
Mangels sonstiger, zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechender Umstände habe die belangte Behörde von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können.
Die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes sei gerechtfertigt. Im Hinblick auf das Fehlverhalten der Beschwerdeführerin könne auch unter Berücksichtigung ihrer privaten Lebenssituation nicht erwartet werden, dass die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe vor Ablauf der für das Aufenthaltsverbot festgelegten Frist weggefallen sein würden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen eine der in den Z. 1 und 2 umschriebenen Annahmen gerechtfertigt ist.
Gemäß § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 zu gelten, wenn ein Fremder gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise- oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 31 Abs. 1 und 3 leg. cit. zu verschaffen.
2.1. Die Beschwerdeführerin stellt nicht in Abrede, dass - wie sich aus dem Verwaltungsakt ergibt - ihre am 25. März 1995 vor der Ortskanzlei Dorf Lukavac, Gemeinde Valjevo, geschlossene Ehe mit dem damals jugoslawischen Staatsbürger Dragan M. mit Urteil des Gemeindegerichts in Valjevo (Republik Serbien) vom 18. August 2000 (rechtskräftig seit 21. August 2000) geschieden worden ist. Erst in der Folge bewilligte das Bezirksgericht Leopoldstadt mit dem (im Verwaltungsakt erliegenden) Beschluss vom 27. Februar 2001 auf Grund des schriftlichen Adoptionsvertrages vom 7. Dezember 2000 die Annahme des - im Beschluss als "geschieden" bezeichneten - Dragan M. an Kindesstatt durch die Wahleltern Prodan und Milanka D.
Die Beschwerdeführerin bestreitet auch nicht, am 20. Juli 2001 der Niederlassungsbehörde zum Nachweis einer angeblich aufrechten Ehe in Kopie eine Heiratsurkunde (eine am 19. Juli 2001 beglaubigte Übersetzung des Auszugs aus dem Heiratsbuch vom 12. Juli 2001 über die Eintragung einer Eheschließung aus dem Jahr 1995) vorgelegt zu haben. Sie wendet gegen den angefochtenen Bescheid indes ein, die jugoslawischen Behörden hätten die Scheidung nicht ins Familienregister eingetragen. Sie sei daher "den jugoslawischen Bestimmungen gemäß
... nach wie vor als verheiratet anzusehen". Im Vertrauen auf die
Richtigkeit der Heiratsurkunde sei sie davon ausgegangen, dass die Ehe weiterhin Bestand habe. Ihren Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels habe sie daher "aus ehrbaren Motiven" und nicht rechtsmissbräuchlich eingebracht.
2.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Die Beschwerdeführerin hat am 20. Juli 2001 die Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" beantragt. Dabei legte sie eine beglaubigte Übersetzung eines Auszugs aus dem Heiratsbuch vor, obwohl sie wusste, dass diese Ehe mit dem genannten Urteil vom 18. August 2000 nach jugoslawischem Recht geschieden worden war. Sie hat der Behörde die Existenz dieses Scheidungsurteils verschwiegen. Eine in wesentlichen Punkten unvollständige Darstellung ist unrichtigen Angaben über die Person oder die persönlichen Verhältnisse des Fremden gleichzuhalten. Im Hinblick auf die Verschweigung des Scheidungsurteils kann es dahingestellt bleiben, ob die Beschwerdeführerin auf Grund der ihr ausgestellten Heiratsurkunde auf den Weiterbestand ihrer Ehe vertraut hat. Da sie gegenüber der Behörde unrichtige Angaben über ihre Person gemacht hat, um sich unter Umgehung der Quotenpflicht einen Aufenthaltstitel zu verschaffen, ist der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG verwirklicht.
2.3. Dieses Verhalten der Beschwerdeführerin stellt eine maßgebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens dar, wobei den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden geschaffenen Regelungen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2004, Zl. 2000/18/0104, mwN). Daher kann auch die Auffassung der belangten Behörde, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
3. Bei der Interessenabwägung nach § 37 FrG hat die belangte Behörde die Dauer des bisherigen inländischen Aufenthalts der Beschwerdeführerin und ihre daraus ableitbare Integration berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in ihr Privat- und Familienleben angenommen. Familiäre Bindungen im Bundesgebiet konnte die belangte Behörde nicht feststellen. Das Beschwerdevorbringen, der familiäre, kulturelle und soziale Lebensmittelpunkt der Beschwerdeführerin befinde sich im Bundesgebiet, weil sich hier ihre gesamte Familie aufhalte, wurde nach Ausweis der Verwaltungsakten erstmals in der Beschwerde erstattet und verstößt daher gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (vgl. § 41 Abs. 1 erster Satz VwGG). Die aus dem bisherigen Aufenthalt ableitbaren persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin werden in ihrem Gewicht dadurch erheblich gemindert, dass dieser auf einem Aufenthaltstitel beruht, den sie sich durch unrichtige Angaben über ihre Person verschafft hat. Die belangte Behörde hat unter Bedachtnahme auf diese persönlichen Interessen zutreffend den Standpunkt vertreten, dass das gegen die Beschwerdeführerin erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei, liegt doch der Beschwerdeführerin - wie schon erwähnt (vgl. oben II. 2.3.) - ein im Licht des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden geschaffenen Regelungen verpöntes Fehlverhalten zur Last, welches das Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung, somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, dringend geboten erscheinen lässt (§ 37 Abs. 1 FrG).
Bei Abwägung des genannten öffentlichen Interesses mit den persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem Aufenthalt im Bundesgebiet kann auch die weitere Auffassung der belangten Behörde, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dessen Erlassung und diese Maßnahme daher gemäß § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
4. Für die belangte Behörde bestand auch keine Veranlassung, von dem ihr gemäß § 36 Abs. 1 FrG bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zukommenden Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen, sind doch weder aus der Beschwerde noch aus dem angefochtenen Bescheid Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.
5. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
6. Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 15. November 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2003180297.X00Im RIS seit
09.02.2006Zuletzt aktualisiert am
07.12.2011