TE OGH 1989/10/27 8Ob669/89

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Veröffentlicht am 27.10.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** L***,

wider die beklagte Partei Kurt P***, Pächter einer Tennisanlage und Blockeishändler, Helenenstraße 59, 2500 Baden, vertreten durch Dr. Herwig Hirzenberger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung der Vaterschaft infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Berufungsgerichtes vom 6. Juli 1989, GZ R 366/89-68, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Knittelfeld vom 9. Februar 1989, GZ 3 C 1/88i-61, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Antrag des Beklagten auf Ersatz der Kosten des Revisionsverfahrens wird abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Ingrid R***, geschiedene K***, brachte am 5.4.1977 die mj. Katrin Christine K*** zur Welt. Die Mutter bezeichnete fälschlich Hubert K*** als Vater. Dieser anerkannte am 10.5.1977 die Vaterschaft zum Kind, obwohl er wußte, daß er nicht der Vater sein konnte.

Die Staatsanwaltschaft Leoben begehrte mit der am 5.11.1985 erhobenen Klage gemäß § 164 c ABGB die Feststellung, daß der Beklagte der Vater des genannten Kindes sei.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß er mit der Mutter des Kindes innerhalb der kritischen Zeit nicht verkehrt habe. Dies treffe hingegen auf Jürgen M***, Peter S*** und Hubert K*** zu.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es bezog alle als Erzeuger des Kindes in Betracht kommende Personen in das Verfahren ein und stellte fest, daß während der gesetzlich vermuteten Empfängniszeit außer dem Beklagten keiner der namhaft gemachten Mehrverkehrspartner geschlechtlichen Umgang mit der Mutter gehabt hat. Hubert K*** und Jürgen M*** sind außerdem auf Grund blutsmäßiger Unterschiede als mögliche Väter auszuschließen. Der Beklagte beteiligte sich an dem Verfahren nur durch seinen Rechtsvertreter. Er leistete der wiederholten Vorladung zur Abnahme von Blutproben nicht Folge, weshalb das Erstgericht gemäß § 279 ZPO nach erfolgter Fristsetzung auf Antrag der klagenden Partei von dem Beweismittel Abstand nahm und die Vaterschaft des Beklagten als erwiesen feststellte.

Das Berufungsgericht verwarf die wegen Nichtigkeit erhobene Berufung des Beklagten und gab ihr im übrigen nicht Folge. Es nahm eine teilweise Beweiswiederholung vor, gelangte, wie schon das Erstgericht, zu der Feststellung, daß die Mutter innerhalb der kritischen Zeit ausschließlich mit dem Beklagten verkehrt hat, und führte überdies aus:

Nachdem Ingrid R*** dem Beklagten im August 1976 Mitteilung von ihrer Schwangerschaft gemacht hatte, riet ihr dieser mit der Begründung, daß er verheiratet sei und ein Kind habe, zu einer Abtreibung. Als sie sich dazu nicht bereit fand, er selbst aber offenbar aus familiären Gründen als Erzeuger des Kindes nicht nach außen in Erscheinung treten wollte, bewog er den wegen Spielschulden von ihm finanziell abhängigen Hubert K***, die Vaterschaft zu dem Kinde anzuerkennen. Tatsächlich geschah dies auch im Einvernehmen aller Beteiligten am 10.5.1977 vor der Bezirkshauptmannschaft Judenburg. In der Folge überwies der Beklagte die festgesetzten Unterhaltsbeträge an Hubert K*** und dieser leitete sie an die Mutter weiter. Als der Beklagte aber schließlich seine Zahlungen einstellte, kam es zur zwangsweisen Eintreibung der Unterhaltsforderungen bei Hubert K*** und schließlich zu einem Unterhaltserhöhungsantrag. Dies führte schließlich zur Einbringung der vorliegenden Klage durch die Staatsanwaltschaft Leoben. Der Beklagte leistete in diesem Verfahren zahlreichen Vorladungen des Erstgerichtes nicht Folge und versäumte insgesamt 10 Tagsatzungen großteils ohne Bescheinigung des Verhinderungsgrundes. In gleicher Weise negierte er auch insgesamt 10 Termine für die angeordnete Blutabnahme.

Auch das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, daß der Beklagte den Entkräftungsbeweis nach § 163 Abs 2 ABGB nicht erbracht habe. Es verwies auf seine vergeblichen Versuche, vom Beklagten einen persönlichen Eindruck zu gewinnen und kam zu dem Schluß, daß der Beklagte durch die bewußte Mißachtung der gerichtlichen Termine bloß versucht habe, Zeit zu gewinnen und sich so seiner Unterhaltspflicht zu entziehen; dem gleichen Zweck habe auch die Mißachtung der angeordneten Termine zur Blutabnahme gedient. Von einer Nichtigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens mangels rechtlichen Gehörs könne deshalb nicht die Rede sein.

Nach der Rechtsvermutung des § 163 Abs 1 ABGB sei der Beklagte der Vater des Kindes. Die Frage, ob die Staatsanwaltschaft als Klägerin im Einzelfall das im § 164 c Abs 1 Z 3 ABGB geforderte öffentliche Interesse zu Recht bejaht hat, entziehe sich der gerichtlichen Überprüfung. Eine Vorführung des Beklagten zur Parteienvernehmung oder zur Blutabnahme sei nicht anzuordnen gewesen, weil diese Maßnahme wiederum nur der bewußt angestrebten Prozeßverschleppung gedient hätte.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision des Beklagten aus den Anfechtungsgründen des § 503 Z 1, 2 und 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil abzuändern und das Klagebegehren abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Beklagte erblickt im Fehlen des nach angeblich unrichtiger Ansicht des Berufungsgerichtes nicht zu prüfenden öffentlichen Interesses an der Klageführung durch die Staatsanwaltschaft eine Nichtigkeit auch des berufungsgerichtlichen Verfahrens; er hat diese angebliche Nichtigkeit schon in der Berufung geltend gemacht. Eine Nichtigkeit kann aber nicht mehr geltend gemacht werden, wenn sie schon das Berufungsgericht - wenngleich nur in den Entscheidungsgründen - verneint hat (RZ 1968, 108; SZ 44/76; RZ 1976/110; SZ 54/190 uza). Diese auch unter dem Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des berufungsgerichtlichen Verfahrens wiederholten Ausführungen des Beklagten laufen darauf hinaus, dem Staatsanwalt die Berechtigung zur Klageführung, also die Klagelegitimation, abzusprechen, weil kein öffentliches Interesse daran vorliege. Hiezu hat schon das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, daß die Entscheidung über das öffentliche Interesse an der Klageführung ins Ermessen des Staatsanwaltes und nicht des Gerichtes gestellt ist (Wentzel-Plessl in Klang2 I/2, 120; SZ 21/92; SZ 21/137; 2 Ob 174/60; EvBl 1972/243; 3 Ob 585/81 ua). Es besteht auch nicht der geringste Anhaltspunkt dazu, daß der Staatsanwalt nicht nach pflichtgemäßem Ermessen das vorliegende Verfahren angestrengt hat. Im Hinblick auf die zu § 158 ABGB ergangene einhellige Judikatur, die zufolge des gleichen Schutzgedankens auch im Falle einer Klageführung nach § 164 c Abs 1 Z 3 ABGB sinnfällig bleibt, erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf diese auch der Sachlage nach unberechtigte Einwendung des Beklagten. Die unter dem Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des berufungsgerichtlichen Verfahrens erhobenen Vorwürfe stellen sich teilweise als unzulässige Anfechtung der Beweiswürdigung der Vorinstanzen dar und sind deshalb insoweit nicht zu beachten (§ 510 Abs 3 ZPO). Als Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen und des berufungsgerichtlichen Verfahrens rügt der Beklagte, daß es die Gerichte unterlassen hätten, geeignete Maßnahmen zu setzen, um eine Blutabnahme bei ihm zu bewirken. Es ist zwar richtig, daß in einem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verfahren - wie hier - ein vom Berufungsgericht verneinter Verfahrensmangel erster Instanz auch noch im Revisionsverfahren wahrgenommen werden kann (EFSlg 34.488; EFSlg 32.074; 3 Ob 585/81 uza); unter Hinweis auf die diesbezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichtes muß jedoch bemerkt werden, daß dazu kein Anlaß besteht, weil ein solcher Verfahrensmangel nicht vorliegt (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Vorinstanzen haben in einem umfassenden Verfahren unter Miteinbeziehung aller ernstlich als Erzeuger des Kindes in Betracht kommenden Personen festgestellt, daß Hubert K*** nicht der Vater sein kann und bewußt wahrheitswidrig die Vaterschaft zum Kind anerkannt hat. Nur der Beklagte verblieb als jener Mann, der der Mutter innerhalb der kritischen Zeit beigewohnt hat. Er hat sich - wie den Vorinstanzen zu folgen ist - seiner Blutuntersuchung beharrlich entzogen. Unter diesen Umständen bestehen keine Bedenken gegen die Auffassung der Vorinstanzen, daß die ihn treffende Vaterschaftsvermutung des § 163 Abs 1 ABGB von ihm nicht widerlegt wurde. Es ist zwar richtig, daß das Vaterschaftanerkenntnis nach der ausdrücklichen Anordnung des § 164 c Abs 1 Z 3 ABGB erst mit der Rechtskraft des Urteiles über die Klage des Staatsanwaltes gegen den anderen mutmaßlichen Vater rechtsunwirksam wird; dies hat aber nur den Zweck, zu verhindern, daß eine zwischenzeitige Periode entstünde, innerhalb welcher für das Kind kein Vater festgestellt wäre (SZ 51/70 ua); es kann jedoch daraus nicht der vom Revisionswerber angestrebte Schluß gezogen werden, daß zur Beseitigung des Anerkenntnisses dem Staatsanwalt der positive Vaterschaftsnachweis auferlegt und entgegen dem seit jeher geltenden Vaterschaftsvermutungs- und Widerlegungsprinzip des § 163 ABGB dem Beklagten die Vaterschaft nachzuweisen wäre.

Der Revision war somit der Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.

Anmerkung

E18929

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0080OB00669.89.1027.000

Dokumentnummer

JJT_19891027_OGH0002_0080OB00669_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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