Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Parteien 1) Gottfried K***; 2) Ludwig P***, beide Kaufleute, beide in 1180 Wien, Salierigasse 1/8, beide vertreten durch Dr. Johannes Stieldorf, Rechtsanwalt in Wien, wider die Gegnerin der gefährdeten Parteien Maria L***, Angestellte, 1160 Wien, Mildeplatz 6/11, vertreten durch Dr. Wilfried W***, Rechtsanwalt in Wien, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung, infolge Revisionsrekurses der zweitgefährdeten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 6. Juli 1989, GZ 46 R 749,759/89-21, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hernals vom 26.Mai 1989, GZ 8 C 317/89z-13, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem als "Revision" bezeichneten Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird in seinem Punkt 2 dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes vom 26.5.1989, ON 13, wiederhergestellt wird.
Die zweitgefährdete Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses vorläufig, die Gegnerin der gefährdeten Partei hat die Kosten des Rekurses im Rechtsmittelverfahren über ihren Aufhebungsantrag sowie die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Noch vor Einleitung eines Rechtsstreites erwirkte die zweitgefährdete Partei zur Sicherung des Anspruches auf Eigentumsübertragung die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes vom 12.4.1989 (ON 6), mit welcher der Gegnerin die Belastung oder Veräußerung der Liegenschaft EZ 2109 KG Ottakring "bis zur vollstreckbaren Erledigung des binnen 14 Tagen ab Wirksamkeit dieser einstweiligen Verfügung einzuleitenden Rechtsstreites über den gefährdeten Anspruch" verboten wurde. Zugleich wurde der gleichlautende Sicherungsantrag der erstgefährdeten Partei abgewiesen. Diese Abweisung ist in Rechtskraft erwachsen. Die einstweilige Verfügung wurde beiden Parteien am 21.4.1989 zugestellt. Am 5.5.1989 langte der von der Gegnerin der gefährdeten Partei am 3.5.1989 zur Post gegebene Rekurs gegen die einstweilige Verfügung ein. Am 8.5.1989 verfügte der Erstrichter die Zustellung der Gleichschrift des Rekurses an die zweitgefährdete Partei mit folgendem Beisatz: "Die Einbringung der Klage ist spätestens bis zum Ende der Rekursbeantwortungsfrist nachzuweisen". Die Zustellung erfolgte am 11.5.1989. Am selben Tag langte beim Erstgericht ein Schriftsatz der Gegnerin der gefährdeten Partei ein, mit welchem sie die Aufhebung der einstweiligen Verfügung gemäß § 391 Abs 2 EO beantragte. Mit ihrer am 26.5.1989 überreichten Äußerung zum Aufhebungsantrag der Gegnerin legte die gefährdete Partei eine Rubrik ihrer gemäß Eingang des Landesgerichtes für ZRS Wien bei diesem Gerichtshof am 5.5.1989 eingelangten und wider die Antragsgegnerin des Sicherungsverfahrens gerichteten Klage "wegen Zuhaltung" ein. Gemäß Amtsvermerk vom 26.5.1989 zeigte der Vertreter der gefährdeten Partei dem Erstrichter an diesem Tag überdies den vollständigen Text der eingebrachten Klage.
Das Erstgericht wies mit Beschluß vom 26.5.1989 (ON 13) den von der Gegnerin gestellten Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung ab. Es führte aus, die Rechtfertigungsklage sei innerhalb der hiefür in der einstweiligen Verfügung gesetzten Frist eingebracht worden. Der Nachweis ihrer rechtzeitigen Einbringung sei innerhalb der hiefür gesetzten weiteren Frist erbracht worden. Das Rekursgericht wies mit dem angefochtenen Beschluß den von der Gegnerin der gefährdeten Partei gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung erhobenen Rekurs zurück (Punkt 1) und hob in Stattgebung ihres gegen den Beschluß ON 13 erhobenen Rekurses die einstweilige Verfügung vom 12.4.1989 gemäß § 391 Abs 2 EO auf (Punkt 2). Es sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes 300.000 S übersteige. Das Rekursgericht meinte, die in der einstweiligen Verfügung für die Einbringung der Klage gesetzte Frist gelte nach Lehre und Rechtsprechung auch für den von der gefährdeten Partei zu erbringenden Nachweis der Klagseinbringung. Wenn daher gemäß § 391 Abs 2 EO eine Frist für die Einbringung der Klage bestimmt worden sei, so müsse die einstweilige Verfügung auch dann aufgehoben werden, wenn innerhalb dieser Frist die Klage zwar angebracht, aber - wie hier - deren Einbringung dem Verfügungsgericht nicht nachgewiesen worden sei. Daran könne auch die im vorliegenden Fall vom Erstgericht erst nach Ablauf dieser Frist am 8.5.1989 der gefährdeten Partei zum Nachweis der rechtzeitigen Einbringung der Rechtfertigungsklage eingeräumte weitere Frist nichts ändern. Im übrigen sei auch innerhalb dieser weiteren Frist ein gehöriger Nachweis der Klagseinbringung nicht erfolgt, weil die gefährdete Partei lediglich eine Rubrik der von ihr eingebrachten Rechtfertigungsklage vorgelegt habe und daher keine Prüfung habe erfolgen können, ob damit auch wirklich der durch die einstweilige Verfügung gesicherte Anspruch gehörig betrieben worden sei. Hiezu reiche auch der Amtsvermerk vom 26.5.1989 nicht aus, weil er keine Angaben über den Inhalt der Klage enthalte. Die einstweilige Verfügung habe daher gemäß § 391 Abs 2 EO aufgehoben werden müssen, weshalb dem von der gefährdeten Partei gegen die einstweilige Verfügung erhobenen Rekurs das erforderliche Rechtsschutzinteresse fehle.
Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich die als Revisionsrekurs zu behandelnde "Revision" der gefährdeten Partei mit dem Antrag auf Wiederherstellung der einstweiligen Verfügung (gemeint offenbar: des erstgerichtlichen Beschlusses ON 13). Die Gegnerin der gefährdeten Partei stellt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung den Antrag, dem Rechtsmittel der gefährdeten Partei nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs, der sich nach seinem unmißverständlichen Rechtsmittelantrag entgegen der Rechtsmittelerklärung nur gegen die mit Punkt 2 des angefochtenen Beschlusses ausgesprochene Aufhebung der einstweiligen Verfügung ON 6 richtet, ist berechtigt. Wenn eine einstweilige Verfügung - wie hier - vor Einleitung des Prozesses bewilligt wird, ist gemäß § 391 Abs 2 erster Satz EO im Beschlusse eine angemessene Frist für die Einbringung der Klage zu bestimmen. Nach vergeblichem Ablauf der Frist ist die getroffene Verfügung auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben (§ 391 Abs 2 zweiter Satz EO). Daraus folgt zunächst, daß die einstweilige Verfügung keineswegs durch den fruchtlosen Ablauf der Rechtfertigungsfrist von selbst erlischt, sondern daß es hiezu erst einer auf Antrag oder von Amts wegen vorzunehmenden ausdrücklichen Beschlußfassung über die Aufhebung der einstweiligen Verfügung bedarf (vgl. SZ 52/118), die allerdings bei Vorliegen dieser Voraussetzung zwingend zu erfolgen hat. Die Folgen der versäumten Frist für die Einbringung der Klage treten nämlich gemäß § 78 EO, § 145 Abs 1 ZPO von selbst ein, weil die einstweilige Verfügung nach fruchtlosem Ablauf der Rechtfertigungsfrist auch von Amts wegen aufzuheben ist. Demgemäß ist die einstweilige Verfügung selbst dann aufzuheben, wenn die gefährdete Partei erst nach Ablauf dieser Frist, obwohl vor dem Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung oder vor der amtswegigen Erlassung des Aufhebungsbeschlusses, die zur Rechtfertigung dienende Klage eingebracht hat (Heller-Berger-Stix, Kommentar4, 2848). § 391 Abs 2 EO verfolgt somit den Zweck, die gefährdete Partei unter Androhung der Aufhebung der einstweiligen Verfügung zu zwingen, die zur Geltendmachung des behaupteten Anspruches notwendige Klage in möglichst kurzer Zeit anzubringen, damit die durch die einstweilige Verfügung geschaffene Lage unverzüglich einer Klärung zugeführt wird (Feil, EO2, Rz 10 zu § 391; SZ 24/240; SZ 51/13). Daraus folgerte der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung SZ 24/240, die gefährdete Partei habe, um zu verhindern, daß die Aufhebung der einstweiligen Verfügung eintrete, die Klage rechtzeitig einzubringen und den Nachweis dieser Klagseinbringung dem Gericht, das die einstweilige Verfügung erlassen habe, zu erbringen. Es genüge also nicht die Tatsache der Einbringung der Klage, um den Eintritt der Rechtsfolgen des § 391 Abs 2 EO hintanzuhalten, sondern die Aufhebung der einstweiligen Verfügung werde allein durch den Nachweis der Klagseinbringung gegenüber dem Gericht, das die einstweilige Verfügung bewilligt habe, hintangehalten. Der Oberste Gerichtshof berief sich dabei auf SZ 2/124, welcher Entscheidung ebenso wie in SZ 24/240 allerdings der Fall zugrundelag, daß in der einstweiligen Verfügung der gefährdeten Partei ausdrücklich eine Frist für den Nachweis der Einbringung der Rechtfertigungsklage gesetzt worden war. Er meinte aber, die mit dieser Rechtsansicht im Widerspruch stehende Entscheidung SZ 12/252 könne nicht aufrecht erhalten werden. Dort hatte der Oberste Gerichtshof in einem Fall, wo die einstweilige Verfügung, in der eine Frist zur Einbringung der Klage erteilt worden war, vom Erstgericht mangels Nachweises der Fristeinhaltung aufgehoben worden war, ausgesprochen, daß ohne eine ausdrückliche Fristbestimmung für den Nachweis der Einbringung der Rechtfertigungsklage aus dem Gesetze allein die Aufhebung der einstweiligen Verfügung nur auf die Nichteinbringung der Klage, nicht aber auf die Unterlassung des Nachweises in der Klagefrist gegründet werden könne. Auf diese Unterschiede in den den genannten Entscheidungen zugrunde gelegenen Sachverhalten hat bereits Hodik (in ÖJZ 1984, 14) zutreffend aufmerksam gemacht. Heller-Berger-Stix (aaO, 2849) ziehen demgegenüber aus der Entscheidung SZ 24/240 den Schluß, innerhalb der erteilten Frist zur Einbringung der Rechtfertigungsklage müsse auch der Nachweis der Einbringung erbracht werden. Die Tatsache der Einbringung genüge nicht. Sie empfehlen aber, vorsichtsweise in der einstweiligen Verfügung der gefährdeten Partei auch aufzutragen, die Einbringung innerhalb der erteilten Frist nachzuweisen, widrigenfalls nach fruchtlosem Ablauf der Frist die einstweilige Verfügung aufgehoben würde. Die erstgenannte Schlußfolgerung der genannten Autoren ist durch die Entscheidung SZ 24/240 jedoch nicht gedeckt, weil diese nur den Nachweis der rechtzeitigen Einbringung der Rechtfertigungsklage, nicht aber deren rechtzeitige Einbringung für sich allein für entscheidend hielt und keinesfalls aussprach, daß auch dieser Nachweis nur innerhalb der für die Einbringung der Klage gesetzten Frist erfolgen könne. Eine solche Gleichsetzung zwischen der Einbringung der Klage und dem Nachweis der Klagseinbringung wäre auch weder durch den klaren Gesetzeswortlaut noch durch die Materialien gedeckt (Hodik, aaO, 15).
Ob in einem Fall wie dem vorliegenden, wo in der einstweiligen Verfügung eine Frist für die Einbringung der Rechtfertigungsklage gesetzt worden ist, die einstweilige Verfügung nicht aufgehoben werden darf, bevor der gefährdeten Partei nicht auch noch ausdrücklich eine Frist für den Nachweis der Klagseinbringung gesetzt worden ist (SZ 12/252) und ob dann überhaupt noch ein solcher nachträglicher Nachweis der rechtzeitigen Klagserhebung als gesetzliche Bedingung verlangt werden dürfte (zweifelnd Hodik, aaO), kann ebenso dahingestellt bleiben, wie die Frage, ob die im vorliegenden Fall der gefährdeten Partei erst nach Ablauf der Frist für die Einbringung der Rechtfertigungsklage eingeräumte Frist für den Nachweis dieser Klagseinbringung mangels Zustellung an die Gegnerin der gefährdeten Partei dieser gegenüber überhaupt wirksam geworden ist. Die gefährdete Partei trifft nämlich aus den in der Entscheidung SZ 24/240 dargelegten Gründen jedenfalls die Nachweispflicht für die rechtzeitige Klagseinbringung. Sie kann dieser Pflicht daher dann, wenn eine Frist für die Einbringung der Rechtfertigungsklage gesetzt worden ist, schon deshalb noch bis zum Zeitpunkt der antragsgemäß oder amtswegig erfolgten Beschlußfassung über die Aufhebung der einstweiligen Verfügung nachkommen, weil diese ihre Wirksamkeit erst mit dem gemäß § 391 Abs 2 zweiter Satz EO zu fassenden Aufhebungsbeschluß verliert.
Die gefährdete Partei hat hier noch vor der erstgerichtlichen Beschlußfassung über den Aufhebungsantrag der Gegnerin eine Rubrik der am 5.5.1989 - sohin am letzten Tag der gesetzten Rechtfertigungsfrist - beim Landesgericht für ZRS Wien eingebrachten Klage vorgelegt (vgl. dazu ZBl. 1936/164) und dem Erstrichter darüber hinaus den vollständigen Text der eingebrachten Klage gezeigt. Wenn auch der Inhalt dieser Klage im Amtsvermerk vom 26.5.1989 nicht näher festgehalten wurde, so hat sich das Erstgericht doch davon überzeugt, daß diese Klage den durch die einstweilige Verfügung gesicherten Anspruch erfaßt und demgemäß den Aufhebungsantrag der Gegnerin abgewiesen. Dies muß im vorliegenden Fall umso mehr gelten, als die Gegnerin der gefährdeten Partei nicht einmal im Rekursverfahren konkret behauptet hat, daß die am 5.5.1989 eingebrachte Rechtfertigungsklage etwa den durch die einstweilige Verfügung gesicherten Anspruch gar nicht erfaßt hätte. Die gefährdete Partei hat daher die rechtzeitige Einbringung der Rechtfertigungsklage entgegen der Meinung des Rekursgerichtes noch vor Beschlußfassung über den Aufhebungsantrag nachgewiesen. Schon aus diesem Grunde war somit in Stattgebung des Revisionsrekurses der erstgerichtliche Beschluß wiederherzustellen. Der Auffassung der Gegnerin der gefährdeten Partei, sie sei in diesem Fall wieder beschwert, weshalb auch ihr Rekurs gegen die erlassene einstweilige Verfügung (nunmehr) materiell zu prüfen wäre, ist entgegenzuhalten, daß sie gegen Punkt 1 des rekursgerichtlichen Beschlusses gleichfalls kein Rechtsmittel erhoben hat. Die darin ausgesprochene Zurückweisung ihres gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung erhobenen Rekurses ist daher insoweit bereits in Rechtskraft erwachsen.
Der Kostenausspruch beruht in Ansehung der gefährdeten Partei auf § 393 Abs 1 EO, in Ansehung der Gegnerin der gefährdeten Partei auf den §§ 402 Abs 2, 78 EO und den §§ 40, 50 ZPO.
Anmerkung
E18892European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0060OB00680.89.1030.000Dokumentnummer
JJT_19891030_OGH0002_0060OB00680_8900000_000